Implantologie allgemein

Periimplantitis, Dekontaminationsverfahren, Reinigungswirkung, ablative und rein dekontaminierende Laserlichtverfahren, Pulverstrahlreinigung, Einsatz von Phosphorsäure, mikrobiologische Untersuchungen

Eignung verschiedener Dekontaminationsverfahren zur Therapie der Periimplantitis Teil 1

Abb. 1: Kontaminierte Implantate in Originalbehältnissen aus dem mikrobiologischen Labor zur Weiterverarbeitung (Dekontamination mit verschiedenen Methoden) angeliefert.
Abb. 1: Kontaminierte Implantate in Originalbehältnissen aus dem mikrobiologischen Labor zur Weiterverarbeitung (Dekontamination mit verschiedenen Methoden) angeliefert.

Im Rahmen einer zweiphasigen In-vitro-Studie zur Beurteilung einer grundsätzlichen Eignung verschiedener Dekontaminationsverfahren wurden verschiedene Methoden erprobt: Pulverstrahlverfahren, reine Kürettenreinigung, reine Dekontaminationsverfahren mit Diodenlaserlicht und ablativ-dekontaminierende mit Er:YAG-Laserlicht sowie als "Exot" die Benetzung mit Phosphorsäure an der kontaminierten Implantatoberfläche.

In einem ersten Schritt wurden Implantate, die zuvor mit pathogenen Keimen beimpft und anschließend mit den erwähnten Verfahren gesäubert wurden, zunächst rasterelektronenmikroskopisch auf die Wertigkeit der Reinigung untersucht. Aufgrund der hierbei gewonnenen Erkenntnisse erfolgte eine zweite Untersuchungsreihe mithilfe in Kunststoffkiefern simulier-

ten periimplantären, kraterförmigen Defekte. Die im Defekt eingebrachten Implantate wiesen drei freiliegende Schraubenwindungen auf und wurden erneut mit pathogenen Keimen beimpft. Es folgten nach den verschiedenen Reinigungs- und Dekontaminationsverfahren erneut rasterelektronenmikroskopische, aber auch mikrobiologische Untersuchungen.

Einleitung

Die in der initialen Phase der oralen Implantologie gefürchteten frühen Komplikationen sind seit geraumer Zeit zum seltenen Phänomen geworden. Gründe für diese erfreuliche Entwicklung sind in wesentlichen Verbesserungen der Implantatoberflächen, verbesserten Insertationstechniken und den neuen Möglichkeiten zur Verbesserung des prospektiven Implantatlagers zu suchen. Mit der enorm gestiegenen Zahl inserierter Implantate ist aber auch eine signifikante Zunahme an Spätkomplikationen zu verzeichnen [1, 3, 8]. Diese manifestieren sich in der Regel nach vielen Jahren Tragezeit der Suprakonstruktion im Sinne eines periimplantären Knocheneinbruchs am künstlichen Zahnpfeiler [13, 16, 17, 21]. Oftmals vergesellschaftet mit einer insuffizienten bzw. nachlassenden Mundhygiene des Patienten führen diese periimplantären Läsionen unbehandelt zum Verlust des künstlichen Zahnpfeilers und der entsprechenden Suprakonstruktion [4, 7, 9, 10]. Die Erarbeitung von Therapien für die Periimplantitis wird von vielen Autoren als eine der aktuellen wesentlichen Herausforderungen der Implantologie gesehen [11, 14, 15, 19, 22]. Unbestritten ist hierbei die Forderung, die vom Knochen entblößten Implantatareale zu reinigen und zu desinfizieren. Allgemein hat sich für letzteren Schritt der Begriff "Dekontamination" durchgesetzt [2, 12]. Es werden verschiedene Verfahren für die Dekontamination als geeignet angegeben [2, 5, 6, 12, 17, 18, 19, 20]. Ziel dieser Untersuchung war es, verschiedene Dekontaminationsverfahren auf ihre grundsätzliche Eignung im In-vitro-Versuch zu testen.

Material und Methodik

Es wurden zwei Versuchsreihen durchgeführt: a) Phase I: Dekontaminationsverfahren an fabrikneuen, sterilen Implantaten, welche mit Bakterien beimpft wurden und anschließend verschiedenen Dekontaminationsverfahren ausgesetzt wurden. b) Phase II: Dekontaminationsverfahren an fabrikneuen Implantaten, die in einen Kunststoffkiefer mit simuliertem Knochendefekt gesetzt, mit Bakterien beimpft und anschließend verschiedenen Dekontaminationsverfahren ausgesetzt wurden.

Phase I: Verschiedene Dekontaminationsverfahren an keimbeimpften Implantaten

 

Kontamination der Implantate ­ mikrobiologisches Vorgehen
Zur Beurteilung einer grundsätzlichen Eignung eines Dekontaminationsverfahrens wurden fabrikneue ITI Implantate (Fa. Straumann, Basel) im Institut für Hygiene und Mikrobiologie mit verschiedenen Keimen beimpft. Die Implantate wurden mit folgenden Keimen in Kontakt gebracht: a) Streptococcus mutans DSM 20523 b) Actinomyces neslundii DSM 17233 c) Aggregatibacter actinomycetemcomitans RV 1/08 In 2 ml Pepton-Hefeextrakt-Bouillon wurde von jedem Keim mittels einer Platinöse eine Keimtrübung von Mac Farland 1-2 hergestellt. Dies entspricht einer Keimzahl von 1,5 bis 3 x 108/ml. Die Implantate wurden mittels einer sterilen Pinzette in jeweils eine 2 ml Pepton-Hefeextrakt-Bouillon gegeben. Zu den Implantaten wurden 200 yl der jeweiligen Keimsuspension (a-c) gegeben. Ferner wurden zu den Implantaten 200 yl der jeweiligen Keimsuspension pipettiert. Dies entspricht einer ungefähren Ausgangskeimzahl von ca. 3 x 107/ml. Es wurde von jedem Keim eine Wachstumskontrolle in der gleichen Verdünnung durchgeführt. Diese wurde zur Keimzahlüberprüfung auf Columbia-Blutagar ausgestrichen. Die Röhrchen wurden bei 36 Grad Celsius und 5 ­ 10 % CO2 für 48 Stunden inkubiert. Nach 48 Stunden Inkubation wurde die Flüssigkeit abgesaugt und das Implantat mit einer sterilen Pinzette zurück in das Ausgangsgefäß überführt und der unmittelbaren Weiterverarbeitung zugeführt. Es wurden nur die Implantate untersucht, welche ein mittleres Bakterienwachstum aufwiesen, diejenigen mit sehr schwachem und schwachem Wachstum wurden aussortiert.

Dekontaminationsverfahren an kontaminierten, vollständigen Implantatkörpern
Nach Abschluss der mikrobiologischen Arbeiten wurden die Implantate mit verschiedenen in der Literatur angegebenen Dekontaminationsverfahren bearbeitet: 1) Reinigung mit Kunststoffküretten und anschließende Diodenlaserdekontamination. 2) Gleichzeitige Dekontamination und Reinigung der kontaminierten Implantatoberfläche mit dem Er:YAG-Laser. 3) Reinigung und Dekontamination der Implantatoberfläche mit dem Pulverstrahlgerät. 4) Reinigung mit Kunststoffküretten und anschließende Dekontamination mit Ätzgel.

Reinigung mit Kunststoffküretten und anschließende Diodenlaserdekontamination

 

Dieses Verfahren wurde 1995 von Krekeler und Bach (Freiburg) definiert [2, 17]. Vor der Applikation von Diodenlaserlicht wird die Implantatoberfläche mit Küretten gereinigt. Da Stahlküretten wegen der Verkratzungsgefahr der Implantatoberfläche nicht geeignet sind, sollten Kunststoffküretten oder solche aus Titan zum Einsatz kommen. Zur Anwendung kamen in unserer Studie "Light-Küretten" (Fa. Straumann, Basel), die im empfohlenen Arbeitswinkel angesetzt wurden und die Oberfläche der betreffenden Implantate reinigte. Bei Erzielen einer "klinischen Keimbelagsfreiheit" wurde die Kürettenreinigung abgebrochen. Direkt im Anschluss an diesen Schritt erfolgte die Applikation von Diodenlaserlicht der Wellenlänge von 810 nm. Der im nahen Infrarot arbeitende Festkörperlaser wies folgende Parameter auf: cw-mode, 1 Watt Leistung und maximal 20 Sekunden Applikationsdauer. Das Diodenlaserlicht wurde im Kontakt Faser-Implantat aufgetragen. Die beschriebenen Parameter wurden von Bach und Krekeler als geeignet angegeben, um suffizient periimplantäre Problemkeime zu bekämpfen, gleichzeitig aber keine Veränderung an der Oberfläche des Implantates zu verursachen und zudem für keine Erwärmung über 1,9 Grad Celsius zu sorgen. Es folgte eine rasterelektronenmikroskopische Untersuchung der solchermaßen bearbeiteten Implantate.

Ablatives Vorgehen und Dekontamination mit dem Er:YAG-Laser
Dieses Verfahren geht auf die Arbeiten von Schwarz und Sculean [17, 18] zurück, die entsprechende Ergebnisse zu Anfang dieses Jahrtausends präsentierten. Da Er:YAG-Laser gerätespezifische Gegebenheiten aufweisen, können keine festen Parameter, sondern lediglich eine maximale Energiedichte angegeben werden. Schwarz definiert diese mit maximal 13,1 J/cm². Mit dieser maximalen Energiedichte kann das Implantat mit dem Er:YAG-Laser gleichzeitig gereinigt und dekontaminiert werden. Die von dem Institut für Hygiene und Mikrobiologie gelieferten, beimpften Implantate wurden mit dem Er:YAG-Laser bearbeitet und anschließend rasterelektronenmikroskopisch untersucht.

Bearbeitung der kontaminierten Implantate mit dem Pulverstrahlgerät

Bearbeitung mit Kunststoffküretten und anschließende Dekontamination mit Phosphorsäure ­ Ätzgel

Dieses Vorgehen geht auf aktuelle Arbeiten der Arbeitsgruppe um Wiltfang und Kollegen [20] zurück, die im Rahmen des Deutschen ITI-Kongresses in Köln (2008) präsentiert wurden. Vorgängig der Applikation von handelsüblichem Ätzgel (für die Säure-ÄtzTechnik in der konservierenden Zahnheilkunde) wurden die Implantatoberflächen mit Küretten gereinigt. Da Stahlküretten wegen der Verkratzungsgefahr der Implantatoberfläche nicht geeignet sind, sollten Kunststoffküretten, oder solche aus Titan zum Einsatz kommen. Zur Anwendung kamen in unserer Studie "Light-Küretten" (Fa. Straumann, Basel), die im empfohlenen Arbeitswinkel angesetzt wurden und die Oberfläche der betreffenden Implantate reinigte. Bei Erzeilen einer "klinischen Belagsfreiheit" wurde die Kürettenreinigung abgebrochen. Es wurde handelsübliches Ätzgel (40%-ige Phosphorsäure) der Firma Ultradent (USA) auf die solchermaßen vorgereinigte Implantatoberfläche aufgebracht und nach 1 Minute Applikationsdauer gründlich abgespült.

Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen der Implantate

Im Institut Straumann wurden die laut Schemata a bis d dekontaminierten Implantate rasterelektronenmikroskopisch untersucht. Hierbei konnten folgende Ergebnisse festgestellt werden:

a) Diodenlaserdekontamination b) Ablatives und dekontaminierendes Vorgehen mit dem Er:YAG-Laser c) Dekontamination mit dem Pulverstrahlgerät d) Dekontamination mit Phosphorsäure-Ätzgel

Fazit der Phase 1

Die beste Reinigung der Implantatoberfläche ­ ohne Erzielung unerwünschter Effekte an der Implantatoberfläche wurden im vorliegenden Versuchsaufbau mit der Kombination Kürettenreinigung und Diodenlaser erzielt, gefolgt von dem ablativen und zugleich dekontaminierenden Er:YAG-Laser. Eine schlechtere Reinigungswirkung mit verbleibenden Partikeln auf der Implantatoberfläche wurde mit dem Pulverstrahlgerät erzielt. Die Kombination Kürettenreinigung und Ätzgel (Phosphorsäure) zeichnete sich durch "Filmreste" des applizierten Ätzgels aus. Die Ergebnisse der 2. Versuchsreihe an kontaminierten Implantaten, die in einem Kunststoffkiefer mit simuliertem periimplantären Stützgewebsdefekt eingebracht wurden, lesen Sie in der November-Ausgabe.

 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Georg Bach - ZTM Christian Müller

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Georg Bach , ZTM Christian Müller