„Implantologie ist Teamarbeit – ohne Wenn und Aber!“

Mit dieser Feststellung eröffnete der Präsident der Deutschen Gesellschaft für zahnärztliche Implantologie (DGZI), Dr. Georg Bach, den 52. Internationalen Jahreskongress der DGZI, der dieses Jahr in Hamburg stattfand. Diese Erkenntnis war nicht nur zu Beginn der oralen Implantologie zutreffend, sondern ist es heute mehr denn je. Grund genug für die DGZI als älteste europäische Fachgesellschaft, den diesjährigen Kongress mit 50 Referenten/-innen, etwa 300 Teilnehmern/-innen, 25 Table Clinics und 2 OP-Tutorials am ersten Tag ganz unter das Generalmotto „Team“ zu stellen. Der Samstag indes stand ganz im Rahmen der Wissenschaft: Namhafte Referenten/-innen präsentierten herausragende wissenschaftliche Vorträge, abgerundet durch Kurse für das Praxispersonal und einer großen begleitenden aktiven Dentalausstellung.
Zukunftspodium/Young Generation DGZI
Der Kongress begann mit 2 bemerkenswerten Vorträgen mit gänzlich unterschiedlichen Ausrichtungen, die aber in der Gesamtheit betrachtet ein klares Bild von den Zukunftsoptionen unseres Fachbereichs und der gesamten Zahnheilkunde zeichneten. Noch vor wenigen Jahren war KI noch kein Thema in der Zahnmedizin. Doch dies hat sich schnell gewandelt.
In seinem Vortrag „Künstliche Intelligenz in der Zahnmedizin – Nutzen für das gesamte Team?“ stellte Prof. Dr. Falk Schwendicke fest, dass Voraussetzungen für KI die Verfügbarkeit digitaler Daten und die Entwicklung neuer Algorithmen. Ein Durchbruch wurde durch das maschinelle Lernen erzielt, was bedeutet, dass der Computer die Programme selbst schreibt und die Regeln anhand gelernter Informationen definiert.
Dem Kongressmotto wurde auch das eidgenössische Referentenduo Dr. Malin Strasding und Zahntechnikermeister Vincent Fehmer gerecht, die über „Zusammenarbeit 2.0 – ein Konzept für den Erfolg im Praxis- und Laboralltag“ sprachen. Sie stellten das Genfer Konzept vor, beginnend mit der digitalen Diagnostik über die digitale Therapieplanung, folgend mit der digitalen Implantation und abschließend mit der digitalunterstützten Zahntechnik.
OP-Tutorials
Bereits eine kleine Tradition bei DGZI-Kongressen stellen die Vertiefung bestimmter Themen anhand bewegter Bilder dar: Eine Übertragung von OP-Tutorials ermöglichte es den Kongressteilnehmenden und GZI-Mitgliedern, einen einmaligen Einblick in die Arbeit renommierter Kollegen zu erleben. Den Auftakt bildete Privatdozent Dr. Dr. Markus Schlee, der über „Update Augmentation – stellt der autologe Knochen noch den Goldstandard dar?“ sprach. Zahlreiche Patientenfälle stellte der Forchheimer Parodontologe und Implantologe im Rahmen seiner Ausführungen vor.
Den Startpunkt stellte ein fehlpositioniertes Implantat in der Oberkieferfront dar. Die Aufbereitung des allogenen Materials waren ein wichtiger Bestandteil der Ausführungen Schlees.
Dr. Paul Schuh und ZTM Bastian Wagner stellten ihre Überlegungen zur „Digitalen Disruption. Planung – OP-Restauration – alles digital möglich?“ vor.
Das Referentenduo stellte ihr gemeinsam erarbeitetes Konzept zur synoptischen Patientenversorgung vor. Sie schlossen sich vollumfänglich den Ausführungen der Vorredner an. „Implantologie ist Team – und von außerordentlicher Bedeutung ist hier die Schnittstelle Zahntechnik-Zahnmedizin!
Verleihung der Implant Dentistry-Awards
Eingebettet in die beiden OP-Tutorials war die Verleihung des Implant-Dentistry-Awards, der dieses Jahr an Dr. Diana Heimes aus Mainz für ihre Forschungsarbeit über eine Vestibulumplastik unter Zuhilfenahme einer Kollagenmembran ging. Der zweite Platz ging an Dipl.-Ing. Sandra Fuest aus der Forschungsgruppe um Prof. Smeets. Außerdem hatte die DGZI erstmals einen Team-Award ausgelobt, den Iris Wälter-Bergob der Zahnarztpraxis Schöbel und Reuleke überreichte.
Table Clinics
In 3 Staffeln fanden Tischdemonstrationen zu unterschiedlichsten Spezialthemen der Implantologie statt. Pro ausstellender Firma gab es einen Tisch, an dem ihre Referenten/-innen Demonstrationen durchführten, was zu einem direkten intensiven Austausch führte.
Tag 2: der „Wissenschaftstag“
Am zweiten Kongresstag standen speziell die wissenschaftlichen Aspekte im Mittelpunkt. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme zu aktuellen Trends ging es aber auch hier verstärkt um die Frage, wie die Implantologie der Zukunft aussehen wird.
Die Überblicksvorträge behandelten alle relevanten Bereiche der oralen Implantologie, wie digitale Implantologie/Prothetik, Knochen und Gewebe und Materialien und Design. Bei diesen Vorträgen wurden in drei Themenblöcken vorrangig Entwicklungsrichtungen und Visionen dargestellt.
Session 1: Knochen und Hartgewebe-Regeneration
In seinem Vortrag „Knochen weg – nicht verzagen!“ sprach Prof. Dr. Dr. Peer Kämmerer zunächst über patientenindividuelle Faktoren, die den Erfolg einer oralen Implantation mindern können. Der zweite Teil seiner Ausführungen setzte sich mit Optionen für eine Augmentation auseinander.
Eine ideale Ergänzung dazu stellte der Vortrag „Blöcke, Schalen, Granulat: Was macht Sinn bei der Knochenaugmentation?“ von Prof. Dr. Dr. Daniel Rothamel dar. Bei komplexen Fällen empfiehlt der Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurg nicht nur die alleinige Betrachtung des Defekts, sondern vor allem auch dessen Umgebung.
Anschließend stellten Professor Dr. Dr. Shahram Ghaanati und Dr. Torsten Conrad ihr Konzept zu Blutkonzentraten als Mediator zur Förderung der Wundheilung in der Oralen Medizin vor und fragten „Welche Rolle übernimmt hierbei PRF?“ Auch in dieser ersten Session bildete ein Referententalk, bzw. eine Podiumsdiskussion den Schlusspunkt einer sehr attraktiven und erkenntnisreichen Morgensession.
Session 2: Prothetische Konzepte zwischen basic und high-end
Die zweite Session widmete sich dem implantologischen Spannungsfeld „high-tec, oder eher einfach gestrickt“. Die 3 Vorträge mit stark unterschiedlichem Fokus ergänzten sich sehr gut:
PD Dr. Peter Gehrke brach eine Lanze für die einfachen prothetischen Versorgungskonzepte und sprach über „Maximale Sicherheit bei minimalem Aufwand: Wie viel Implantatprothetik ist wirklich nötig?“ Gehrke stellte klar, dass „minimaler Aufwand … nicht automatisch die Verwendung alter Techniken bedeute…“ Individuelle CAD/CAM-Abutments, die zu okklusal oder oral verschraubten Implantatkronen weiterverarbeitet werden, ferner ggf. Reduktion der Implantatzahl sind für ihn die Lösungsansätze zur Minimalisierung des Aufwands bei der Implantatprothetik.
ZT Oliver Beckmann und Zahnarzt Stefan Friedrich beschrieben das „implantatprothetische High-End“ und sprachen über „schablonengeführte Knochenkammreduktion und simultane schablonengeführte Insertion von Implantaten im zahnlosen Unterkiefer“. Ein wohltuender Vortrag aus der Praxis für die Praxis, bei dem Zahnetechniker und Zahnarzt beweisen, auf welch hohem Niveau eine Zusammenarbeit in der Praxis selbst bei hochkomplexen Anwendungen möglich ist.
Schlusspunkt der Prothetiksession stellte der Vortrag von Dr. Peter Randelzhofer dar, der über die Sofortimplantation in der ästhetischen Zone sprach. Er präsentierte faszinierende Fallbeispiele, bei denen die Ausgangsbedingungen teilweise alles anders als optimal waren, aber trotzdem durch Sofortimplantation gelöst werden konnten.
Session 3: Alles rund um das keramische Implantat und toxikologische Aspekte
Drei namhafte Referenten beleuchteten das Thema Keramikimplantate/Toxikologie mit allen entsprechenden Facetten und belegten, welch außerordentlichen Entwicklungsstand auf diesem Gebiet zwischenzeitlich erreicht worden ist. Aus dem breiten Wissensschatz von Prof. Dr. Michael Gahlert und dessen Studien über Keramikimplantate exzerpierte PD Dr. habil. Dr. Stefan Röhling die wesentlichsten Erkenntnisse und konnte die Bewährtheit dieser neuen Stoffklasse nachhaltig belegen.
Eine jüngst publizierte Metaanalyse kam zu dem Ergebnis, dass Knochen- und Weichgewebsverhalten an Keramikimplantaten nicht nur denen aus Titan ebenbürtig sind, sondern in einigen Punkten sogar überlegen. Mit seinem Update zum „Weichgewebe um Implantate“ ergänzte Dr. Alexander Müller-Busch die Ausführungen Gahlerts um weitere wissenschaftliche Fakten und Langzeiterfahrungen und stimmten mit ihm in der Einschätzung überein, dass bezüglich Bewährtheit und Sicherheit keramische Implantate denen aus Titan ebenbürtig sind.
Die DGZI Fortbildungsreferentin Dr. Elisabeth Jacobi-Gresser referierte zum Thema „Immunologische Effekte bei Implantaten aus Titan und Zirkonoxid“. Eine wichtige Rolle spielten in ihren Ausführungen pathoimmunologische Effekte bei Implantaten aus Titan und Zirkondioxid.
Fazit
Auch beim 52. Jahreskongress der DGZI in Hamburg konnten die Kongressteilnehmer/-innen ein besonderes und innovatives Fortbildungsereignis erleben. Bemerkenswert war nicht nur, dass der Kongress in Hamburg deutlich besser besucht war, wie der im vergangenen Jahr in Berlin, auch die deutliche Verjüngung des Auditoriums war erfreulich.
Aus verschiedenen Blickwinkeln von Wissenschaft, Praxis, Politik und Industrie wurde eine attraktive Ebene der Interaktion erreicht. Mit dem Versuch, der Frage nachzugehen, wie die Implantologie in 5 oder vielleicht 10 Jahren aussehen wird und wie sich politischen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen ändern werden, wurde seitens der DGZI ein weiteres Mal Neuland beschritten mit namhafte Referenten/-innen der deutschsprachigen zahnärztlichen Implantologie auf der Bühne!