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Was ist wann sinnvoll? Was nicht?

3D-Analyse-Verfahren zur Implantatchirurgie-Planung ? Teil 1

Mittlerweile gilt die prothetische Rehabilitation durch dentale Implantate als etablierte Therapie. Dank technischer Weiterentwicklungen und klinischer Langzeiterfahrung wächst der Indikationsbereich für dentale Implantate stetig. Zur Bewertung eines therapeutischen Verfahrens ist die realistische Einschätzung von Erfolgssicherheit und Lebenserwartung von besonderer Bedeutung (Buser et al.1997). Dieser Artikel (Teil 2 erscheint im November) geht der Frage auf den Grund, welche Rolle die dreidimensionale Planung in diesem Zusammenhang heutzutage einnimmt.

Klinische Kontrolle 6 Jahre post Prothetik. Autoren
Klinische Kontrolle 6 Jahre post Prothetik.
Klinische Kontrolle 6 Jahre post Prothetik.

Wie auch in anderen medizinischen Bereichen, zielen innovative Entwicklungen in der Zahnheilkunde auf möglichst sichere und schonende, minimal- invasive Therapien und Techniken (G et al. 2016). Neben dem konventionellen Einsetzen von Implantaten, geraten also zunehmend die modernen Verfahren der 3D-Implantologie in den Fokus. Dies vor allem bei der Versorgung von Patienten mit zahnlosen Kiefern (Backward Planning) oder bei schwierigen anatomischen Ausgangsbedingungen (Orentlicher und Abboud 2011).

3D-Implantatplanung am Computer vor dem chirurgischen Eingriff

Im Vorfeld der eigentlichen Implantation werden dreidimensionale Röntgenschichtaufnahmen von Schädel und Kiefer des Patienten erstellt. Geeignet dafür sind sowohl die CT-Technik in der Radiologiepraxis, als auch die DVT-Technik in der Zahnarztpraxis.

Während der Röntgenuntersuchung trägt der Patient eine spezielle Röntgenschablone im Mund. Referenzpunkte bzw. Markierungen auf der Schablone sind in den Röntgenschichtaufnahmen sichtbar und dienen der späteren Planung. Mit Hilfe einer Software liefern diese Röntgendaten dreidimensionale Bilder der Anatomie von Zähnen, Kieferknochen, Kieferhöhle und Nervverlauf im Canalis mandibulae.

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Die Bilder dienen anschließend als Grundlage für die 3D-Implantatplanung am Computer. Dabei werden virtuell die optimalen Implantatpositionen im Knochen, die Winkelung und Bohrtiefe für das Einsetzen der Implantate festgelegt. Zudem liefern die 3D-Aufnahmen detaillierte Angaben über die Struktur des Knochens, seine Qualität und Breite sowie über den exakten Verlauf des Nervs im Unterkiefer und der Kieferhöhle im Oberkiefer.

Risikominimierung und Verbesserung der Implantat-Prothetik

Die Vorgehensweise in der 3D-Implantologie soll größtmögliche Sicherheit für den chirurgischen Eingriff gewährleisten, denn das Risiko, dass Zahnwurzeln, Nachbarzähne, Kieferhöhlen oder Nerven bei der Implantation beschädigt werden, wird minimiert.

Daneben bietet die 3D-Implantologie auch die Möglichkeit für eine funktionelle und ästhetische Verbesserung der Implantat-Prothetik, denn bereits vor dem Einsetzen der Zahnimplantate wird der ideale Zahnersatz auf den Implantaten mit Hilfe von Backward Planning geplant und provisorisch im Dentallabor gefertigt (Widman & Bale 2006; Vercruyssen et al. 2008; Jung et al. 2009; Nickenig et al. 2010b). Denn häufig weicht die prothetisch ideale Implantatposition deutlich ab von der vorhandenen knöchernen Struktur. Meist kann der Patient noch am Operationstag mit Zahnersatz, Kronen oder Prothesen versorgt werden. Funktion und Ästhetik der Versorgung werden somit vorhersagbar.

Navigiertes Implantieren mit einer Bohrschablone beim chirurgischen Eingriff

Um Sicherheit und Präzision bei der chirurgischen Implantation zu erhöhen, können mit Hilfe der 3DDiagnostik Bohrschablonen hergestellt werden. Diese werden individuell für jeden Patienten entworfen und passend zu Knochen, Zahnfleisch und restlichen Zähnen angefertigt.

Der Zahnarzt wird beim chirurgischen Eingriff navigiert, denn die Bohrschablone führt den Bohrer exakt in richtigem Winkel und Tiefe zur korrekten Implantatposition (Arisan et al. 2013a, Arisan et al. 2013b, Vercruyssen et al. 2014).

Die Implantation ist damit minimalinvasiv, d. h. mit geringerer Blutung, Schwellung und Schmerzen verbunden. Darüber hinaus wird die Operationszeit verkürzt (G et al. 2016).

Bei all diesen Versprechungen stellt sich die Frage, ob die 3D-Planung wirklich für eine erfolgreiche Implantation und folgender Osseointegration elementar ist. Eine erfolgreiche Implantation hängt im Wesentlichen von fünf Faktoren ab:

Zunächst von der entsprechenden Indikation. Dabei sind besonders die anatomischen Voraussetzungen, also die knöcherne Grundlage, das Heilungspotenzial des Patienten sowie der Biotyp der Gingiva von Bedeutung.

Auch der chirurgische Teil, das heißt die Technik, Ausrüstung sowie die Zeitschiene beeinflussen den Erfolg der Implantation, genauso wie Material, Design und Oberfläche des Implantates.

Nicht zu vernachlässigen ist außerdem der Einfluss des prothetischen Versorgungskonzeptes, des Materials sowie des Versorgungszeitpunktes.

Der Patient selbst mit seiner Compliance, seiner Anamnese und eventuellen Komorbiditäten stellt genauso einen entscheidenden Faktor in der Prozesskette einer erfolgreichen Implantation dar (Porter JA, von Frauenhofer JA).

Eine Überlegenheit der navigierten Implantatinsertion wurde aktuell noch nicht in randomisierten bzw. kontrollierten Studien nachgewiesen (di Torresanto et al. 2014, (Cassetta et al. 2013).

Als mögliche Indikation für eine dreidimensionale Planung gilt eine ausgeprägte Atrophie, eine unsichere Darstellung anatomisch wichtiger Strukturen, wie z. B. des Canalis mandibulae, der Nachbarzähne oder des Sinus maxillaris. Ebenso eine Vorerkrankung des Sinus maxillaris, die Einfluss auf die Operation haben könnte. Die 3D-Planung dient auch zur Unterstützung einer minimalinvasiven Technik der Implantatinsertion ? vor allem bei Patienten mit besonderen Risiken (Osteoporose, Bisphosphonate etc.).

Zielstellungen dreidimensional gestützter Chirurgie sind dabei das oben bereits erläuterte Backward Planning zur Verbesserung der Implantatposition und -insertion bei konventioneller Einheilzeit oder bei Sofortversorgung. Außerdem die verbesserte Planung der Augmentationsstrategie bei Kenntnis der dreidimensionalen Verhältnisse und die Erstellung von dreidimensional geplanten und erstellten Augmentationsmitteln.

Unser klinisches Konzept

Als reine Überweiserpraxis für MKG- und Oralchirurgie begleiten wir die Patienten nach interkollegialer Konzeptfestlegung rein chirurgisch; in der Regel bis zur Implantatfreilegung.

Unser Konzept sieht dabei für die Anwendung von 3D-Technik vier grundlegende Indikationsgruppen vor und orientiert sich dabei streng an der Leitlinie für die Indikationen zur implantologischen 3D-Röntgendiagnostik und navigationsgestützten Implantologie (DGZMK). Drei dieser Indikationsklassen beziehen sich direkt auf die Implantologie und sollen im ersten Teil dieses Artikels beleuchtet werden. Die vierte Indikation sehen wir im Bereich der Augmentationschirurgie und wird Schwerpunkt des zweiten Teils unseres Artikels sein (November 2017).

Zunächst besteht aus unserer Sicht bei Patienten mit komplexer Anamnese (Blutverdünner, Osteoporose bzw. Bisphosphonattherapie etc.) die Indikation zur full-guided Implantologie. Bei dieser Patientenklientel sind die optimale Planung und besonders die minimalinvasive Operationstechnik zu empfehlen, um biologische Komplikationen zu vermeiden (Fall 1).

Eine weitere Indikation besteht bei Implantationen mit besonderen prothetischen Herausforderungen bei stark atrophierten Kiefern oder pathologisch bedingten großen Defekten. So ist zum Beispiel bei der Fragestellung, ob die Implantatachse beziehungsweise der Austrittspunkt des Implantates in Einklang mit der gewählten prothetischen Suprakonstruktion gebracht werden kann, die exakte Positionierung der Implantate elementar und kann nur full-guided realisiert werden. Der Anteil dieser Fälle liegt in unserer Klientel bei ca. 10 % (Fall 2).

Die dritte Indikation zur 3D-Technik im Rahmen der Implantation besteht bei Patienten, deren knöcherne Voraussetzungen exakt überprüft werden müssen, um eine optimale Nutzen-Risiko-Abwägung bezüglich des Ausmaßes des Eingriffs treffen zu können (Fall3).

Im Bereich der komplexen Augmentation liegt der Anteil an dreidimensional unterstützten Eingriffen bereits bei 40 % und ist stetig wachsend (siehe dazu Ausgabe November DI 2017).

Fallbeispiel 1

Der erste Fall ist ein Anwendungsbeispiel aus dem Spektrum der full guided Implantologie. Die Patientin wies bedingt durch Osteoporose und orale Antikoagulation ein erhöhtes Risikoprofi l auf. Es wurden full guided vier dentale Implantate im Oberkiefer transgingival inseriert (ExpertEase™/XiVE), die nach drei Monaten freigelegt wurden und mit teleskopierend abnehmbarem Zahnersatz in der heimatzahnärztlichen Praxis versorgt wurden. Nach Abwägung der Nutzen-Risiko-Analyse entschieden wir uns die beiden impaktierten Weisheitszähne zu belassen. Eine weitere knöcherne Atrophie mit Pseudoeruption der Zähne ist bei entsprechender Kaulasteinleitung und der ossären funktionellen Reize nicht zu erwarten gewesen (Abb. 1 bis 8).

Abb. 1: Transgingivale Implantation, full guided mit ExpertEase™/XiVE. Autoren
Abb. 1: Transgingivale Implantation, full guided mit ExpertEase™/XiVE.
Abb. 2: Zwei Wochen post OP. Autoren
Abb. 2: Zwei Wochen post OP.
Abb. 3: Freilegung 3 Monate nach Implantation. Autoren
Abb. 3: Freilegung 3 Monate nach Implantation.
Abb. 4: OPG post OP-Kontrolle. Autoren
Abb. 4: OPG post OP-Kontrolle.
Abb. 5: Definitiver Zahnersatz, teleskopierend abnehmbar. Autoren
Abb. 5: Definitiver Zahnersatz, teleskopierend abnehmbar.
Abb. 7: Definitiver Zahnersatz, teleskopierend abnehmbar. Autoren
Abb. 7: Definitiver Zahnersatz, teleskopierend abnehmbar.
Abb. 6: Definitiver Zahnersatz, teleskopierend abnehmbar. Autoren
Abb. 6: Definitiver Zahnersatz, teleskopierend abnehmbar.
Abb. 8: Röntgenverlaufskontrolle 3 Jahre post Prothetik. Autoren
Abb. 8: Röntgenverlaufskontrolle 3 Jahre post Prothetik.

Fallbeispiel 2

Im zweiten Fall stellte sich eine 50-jährige Patientin mit insuffizienten Brückenversorgungen und multiplen nicht erhaltungsfähigen Zähnen im Oberkiefer vor. Im ersten Schritt erfolgte die Extraktion der zerstörten Zähne mit anschließender Socket Preservation (Bio-Oss® Collagen, Geistlich Biomaterials). Die Zystenlumen wurden nach Zystenexstirpation sorgfältig gesäubert und mit Bio- Oss® Collagen augmentiert. Die beiden zweiten oberen Molaren wurden zunächst zur Verankerung des Interimsersatzes belassen. Diese sollten erst nach Eingliederung des definitiven Zahnersatzes entfernt werden. Acht Wochen nach Extraktion wurden zusätzlich wegen des zu geringen Restknochenangebotes ein externer Sinuslift beidseits sowie ein Bone Split von 14 bis 24 durchgeführt. Drei Monate postoperativ wurden full guided nach prothetischer Rückwärtsplanung acht enossale Implantate inseriert, die nach dreimonatiger gedeckter Einheilzeit freigelegt und dem Patientenwunsch entsprechend festsitzend mit Brücken prothetisch versorgt werden konnten (Abb. 9 bis 23).

Abb. 9: Ausgangssituation im Oberkiefer. Autoren
Abb. 9: Ausgangssituation im Oberkiefer.
Abb. 10: Zeit nach Extraktion und indirektem Sinuslift und B.O.C. (Socket Preservation). Autoren
Abb. 10: Zeit nach Extraktion und indirektem Sinuslift und B.O.C. (Socket Preservation).
Abb. 11: OPG-Kontrolle nach externem Sinuslift und Bone Splitting beidseitig (8 Wochen post Ex). Autoren
Abb. 11: OPG-Kontrolle nach externem Sinuslift und Bone Splitting beidseitig (8 Wochen post Ex).
Abb. 12 bis 14: Drei Monate post Sinuslift full guided Implantation mit ExpertEase™/XiVE. Autoren
Abb. 12 bis 14: Drei Monate post Sinuslift full guided Implantation mit ExpertEase™/XiVE.
Abb. 15: OPG-Kontrolle nach Freilegung (+ 5 Monate nach Extraktionstherapie). Autoren
Abb. 15: OPG-Kontrolle nach Freilegung (+ 5 Monate nach Extraktionstherapie).
Abb. 16: OPG-Kontrolle post Zahnersatz-Installation und Extraktion 17 und 27. Autoren
Abb. 16: OPG-Kontrolle post Zahnersatz-Installation und Extraktion 17 und 27.
Abb. 17 bis 19: Klinische Kontrolle post Zahnersatz-Installation und Extraktion 17 und 27. Autoren
Abb. 17 bis 19: Klinische Kontrolle post Zahnersatz-Installation und Extraktion 17 und 27.
Abb. 20: OPG-Kontrolle 6 Jahre nach Prothetik. Autoren
Abb. 20: OPG-Kontrolle 6 Jahre nach Prothetik.
Abb. 21 bis 23: Klinische Kontrolle 6 Jahre post Prothetik. Autoren
Abb. 21 bis 23: Klinische Kontrolle 6 Jahre post Prothetik.

Fallbeispiel 3

Im dritten Fall stellte sich eine Patientin nach Implantation alio loco und Implantatfraktur im vierten Quadranten vor. Zur Vorstellung zeigten sich rezidivierende Mundbodenabszesse. In zwei Schritten wurden die Implantate operativ entfernt. Anschließend wurden nach 3D-Knochenanalyse und angemessener Heilungsphase des Knochens offen ohne full guided Schablone zwei Implantate inseriert und mit einem teleskopierend abnehmbaren Zahnersatz prothetisch versorgt. Nach entsprechender DVT-Befundung konnte ein ausreichendes vertikales und horizontales Knochenangebot in regio 46 definiert werden. Eine 4 mm tiefe Implantatbettaufbereitung kann dann aus unserer Sicht freihändig erfolgen. Im Vorfeld wurde mit der Patientin auch die Möglichkeit eines Knochenaufbaus besprochen, der in diesem Fall wegen des ausgedehnten Volumenmangels mit Beckenkamm erfolgen hätte müssen. Im Hinblick auf Alter und Anamnese der Patientin fiel die Entscheidung nach Nutzen-Risiko-Analyse auf die Verwendung eines kurzen Implantates (Straumann, Regio 43 D 4,1 L 12, Regio 47 D 4,1 L4).

Abb. 24: Ausgangssituation Implantatbruch im 4. Quadranten alio loco. Autoren
Abb. 24: Ausgangssituation Implantatbruch im 4. Quadranten alio loco.
Abb. 25: Ausgangssituation Implantatbruch Q4. Autoren
Abb. 25: Ausgangssituation Implantatbruch Q4.
Abb. 26: Ausgangssituation Implantatbruch Q4, Mundbodenhypertrophie. Autoren
Abb. 26: Ausgangssituation Implantatbruch Q4, Mundbodenhypertrophie.
Abb. 27: Zeit nach Explantation. Autoren
Abb. 27: Zeit nach Explantation.
Abb. 28: Offene Implantation nach DVT-Messung und Bestimmung der vertikalen Höhe. Autoren
Abb. 28: Offene Implantation nach DVT-Messung und Bestimmung der vertikalen Höhe.
Abb. 29: Es wurden Implantate von Straumann eingesetzt – im Bild 4 mm. Autoren
Abb. 29: Es wurden Implantate von Straumann eingesetzt – im Bild 4 mm.
Abb. 30: Implantate in situ. Regio 46: 4 mm, regio 43, 12 mm. Autoren
Abb. 30: Implantate in situ. Regio 46: 4 mm, regio 43, 12 mm.
Abb. 31: OPG-Kontrolle post Implantation. Autoren
Abb. 31: OPG-Kontrolle post Implantation.
Abb. 32 bis 37: Definitiver Zahnersatz, teleskopierend abnehmbar (3 Monate post Implantation). Autoren
Abb. 32 bis 37: Definitiver Zahnersatz, teleskopierend abnehmbar (3 Monate post Implantation).

In Teil 2 des Artikels werden wir uns mit den Chancen und Risiken der 3D geplanten Augmentation befassen und abschließend ein Gesamtfazit ziehen sowie einen Ausblick wagen.

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