Pfeilervermehrung durch Mini-Implantate

In der Zahnarztpraxis der Autorin kommen seit fast 20 Jahren Mini-Implantate zum Einsatz. Die Lebensqualität älterer, zahnloser Patienten, für die eine konventionelle Implantatbehandlung oft keine Option darstellt, kann verbessert werden. Durch die Stabilisierung von Totalprothesen mit Mini-Implantaten sind die Patienten rundum zufrieden und dankbar dafür, dass die durch den schlechten Prothesenhalt verursachten Probleme einfach zu lösen sind.
In unserer Praxis verwenden wir Mini-Implantate seit 2001 – zunächst Dr. Jochen Hilgert und ab 2007 auch Dr. Janina Hilgert. Wir hofften, die Lebensqualität älterer, zahnloser Patienten, für die eine Behandlung mit konventionellen Implantaten häufig keine Option darstellt, durch den Einsatz von Mini-Implantaten deutlich verbessern zu können. Schon bei den ersten Totalprothesen, die wir mithilfe des Systems stabilisierten, gelang uns dies. Die Patienten waren zufrieden und unglaublich dankbar dafür, dass ihre durch einen unzureichenden Prothesenhalt verursachten Probleme trotz medizinischer, anatomischer oder finanzieller Einschränkungen so einfach zu lösen waren. Das transgingivale Vorgehen erlaubt die Implantation auch bei betagteren Patienten, da die OP-Belastung deutlich geringer ist als bei Lappenoperationen.
Über das MDI-System
Das MDI-System der Firma condent bietet bei Patienten, für die aus verschiedenen Gründen Alternativen nicht infrage kommen, eine kostengünstige und wenig aufwändige Möglichkeit, den Halt von Total- und Teilprothesen und damit die Lebensqualität zu verbessern.
Das MDI-System wurde bereits in den 1970er Jahren von dem damals in New York City niedergelassenen Zahnarzt Dr. Victor Sendax entwickelt. Auf den positiven Ergebnissen als Interimslösung aufbauend, erarbeitete er in Zusammenarbeit mit Dr. Ronald A. Bulard ein erstes definitives Behandlungskonzept. Offiziell eingeführt wurde es unter dem Markennamen IMTEC Sendax MDI in den USA im Jahr 1999. In Deutschland ist es seit 2001 erhältlich und wurde bis 2015 von 3M Espe vertrieben. Anbieter des ursprünglichen Systems der IMTEC Sendax MDI ist in Deutschland aktuell das Hannoveraner Dentalunternehmen condent GmbH. Das System trägt den Namen MDI (Mini Dental Implantate).
Von zahnlosen Patienten bis zur Verankerung von Teilprothesen
Während wir in den ersten zwei Jahren ausschließlich zahnlose Patienten mit Mini-Implantaten versorgten, beschäftigten wir uns bald auch mit den Möglichkeiten bei der Verankerung von Teilprothesen. In diesem Einsatzbereich lag aus unserer Sicht ein besonders großes Potenzial: Beginnend mit dem Verlust der ersten Pfeilerzähne lässt sich die Statik des Zahnersatzes durch die Insertion von Mini-Implantaten an strategisch sinnvollen Positionen verbessern. Dies sorgt für eine verringerte und günstiger verteilte Belastung der verbleibenden Pfeilerzähne, deren Lebensdauer sich auf diese Weise – unter Umständen erheblich – verlängern lässt. Im Falle weiterer Zahnverluste können jederzeit problemlos zusätzliche Mini-Implantate inseriert werden. Auch dieses Konzept, ab 2003 von uns angewendet, führte rasch zu den gewünschten Resultaten und zufriedenen Patienten. Ein beispielhafter Verlauf ist in den Bildern dokumentiert.
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Abb. 1a: Ausgangssituation 2009: Teleskope 13, 14, 23. Überbelastung 23 mit Knocheneinbruch.
© Dr. Jochen Hilgert und Dr. Janina Hilgert -
Abb. 1b: Klinische Ausgangssituation.
© Dr. Jochen Hilgert und Dr. Janina Hilgert
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Abb. 2a: Ebenfalls 2009: Nach Setzen der MDIs in Position 15, 11, 21, 24.
© Dr. Jochen Hilgert und Dr. Janina Hilgert -
Abb. 2b: Klinische Situation nach Setzen der MDIs in Position 15, 11, 21, 24.
© Dr. Jochen Hilgert und Dr. Janina Hilgert
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Abb. 3: Befund 2011: Der Knocheneinbruch an 23 hat sich deutlich zurückgebildet.
© Dr. Jochen Hilgert und Dr. Janina Hilgert -
Abb. 4: Befund 2015: Nach Verlust des Zahnes 47 sind zwei Mini-Implantate in regio 43 und 44 hinzugekommen.
© Dr. Jochen Hilgert und Dr. Janina Hilgert
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Abb. 5: Befund 2017: Auch 38 ging jetzt verloren.
© Dr. Jochen Hilgert und Dr. Janina Hilgert -
Abb. 6: Befund 2019: Erst zehn Jahre nach Setzen der ersten MDIs im Oberkiefer ist der damals stark überbelastete Zahn 23 verloren gegangen und wurde durch ein MDI ersetzt. Auch in regio 34 ist ein MDI hinzugekommen nach Verlust 38.
© Dr. Jochen Hilgert und Dr. Janina Hilgert
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Abb. 7: Ausgangssituation Fall 2.
© Dr. Jochen Hilgert und Dr. Janina Hilgert -
Abb. 8: Nach Insertion von MDIs in regio 35, 34, 31 und 41. In der Front wurde wegen des extremen Knochengrats ausnahmsweise offen implantiert, im 3. Quadranten wie gewohnt transgingival.
© Dr. Jochen Hilgert und Dr. Janina Hilgert
Es werden in unserer Praxis sowohl verlorengegangene Pfeilerzähne durch Mini-Implantate besetzt als auch bei Neuanfertigung einer Teleskopprothese die vorhandenen Zähne einbezogen und statisch wichtige Positionen, an denen Pfeilerzähne fehlen, durch Mini-Implantate ersetzt. Jedoch nicht nur Teleskoparbeiten, sondern auch Modellgussprothesen werden durch Mini- Implantate stabilisiert und in ihrer Funktion wiederhergestellt.
Grundlagenwissen zur Pfeilervermehrung bei Teilprothesen
Bei der Pfeilervermehrung durch Mini-Implantate zur Erhöhung der Stabilität von Teilprothesen hängt die Anzahl und Position der zu inserierenden Implantate von der Anzahl, der Position und dem Zustand der verbleibenden Zähne ab. Grundsätzlich sollten die klassischen Implantatpositionen besetzt werden. Dies bedeutet, dass die Summe aus Pfeilerzähnen mit guter Prognose und Implantaten im Unterkiefer mindestens zwei pro Quadrant betragen sollte. Im Oberkiefer werden pro Quadrant mindestens drei Pfeiler benötigt.
Die Wertigkeit der Pfeilerzähne hängt stark von ihrem parodontalen, prothetischen und endodontischen Zustand ab.
Ein weiterer die Wertigkeit beeinflussender Faktor ist die Position des Zahnes bzw. der Zähne. Die wichtigste Position im Quadranten, die in jedem Fall durch einen Zahn oder ein Mini-Implantat besetzt werden sollte, ist die des Eckzahnes.
Bei der Planung besetzen wir zunächst die klassischen Implantatpositionen und führen dann eine Schwachstellenanalyse durch.
Dabei wird die Belastbarkeit der Pfeiler eingeschätzt und gegebenenfalls werden zusätzliche Mini-Implantate geplant.
Neben der parodontalen, endodontischen und prothetischen Wertigkeit der Zähne berücksichtigen wir auch die Hebelverhältnisse und die möglichst symmetrische Verteilung der Pfeiler.
Die Berücksichtigung der Statik, das heißt die möglichst ausgewogene Verteilung der Mini-Implantate beziehungsweise Pfeiler im Kiefer, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlungsplanung.
Ein zu großer Hebelarm erhöht den Verschleiß an den Mini-Implantaten, der Restbezahnung und der Prothese.
Fazit
Der Einstieg in die Mini-Implantate war für unsere Praxis und unsere Patienten ein wichtiger Schritt. Die transgingivale Insertion reduziert die Belastung des Patienten während der OP erheblich und die im Vergleich zu „klassischen“ Implantaten geringen Kosten machen diese Implantate für einen deutlich größeren Patientenkreis bezahlbar. Mit der Pfeilervermehrung wird die Lebensdauer älterer Teilprothesen erheblich verlängert oder eine Neuanfertigung erst möglich.
Dieser Artikel beinhaltet Auszüge aus dem voraussichtlich 2020 erscheinenden Buch „Mini-Implantate“ von Dr. Jochen Hilgert und Dr. Janina Hilgert