Die Verschraubung einer Abutmentstruktur auf dem Implantatkörper bietet nach der Implantation prothetischen Spielraum. Allerdings kann der Mikrospalt zur Mesostruktur ein immanentes Risiko hinsichtlich einer mikrobiellen Keimbesiedelung darstellen [1]. Ein Pumpeffekt durch Mikrobewegungen zwischen den beiden Komponenten kann diese bakterielle Besiedelung im periimplantären Bereich noch verstärken und sich negativ auf die Stabilität von Hart- und Weichgewebe auswirken [2]. Auch die erneute Freilegung nach der Einheilung oder auch nur der Wechsel der Mesostruktur können zu unnötigen Irritationen am Weichgewebe und damit verbunden auch im periimplantären Knochen führen. Abgesehen davon, dass bei einteiligen keramischen Implantaten all diese Risikofaktoren entfallen, bietet die weiße Grundfarbe der Implantate im Gegenteil zu den metallischen Titanvarianten gerade bei einem dünnen Gingivatypus ästhetische Sicherheit im Frontzahnbereich [3]. Der Werkstoff Zirkondioxid ist per se biokompatibel [4] und zeigt sich im klinischen Verlauf gewebefreundlich [5].
Vorhersagbarkeit durch Planung
Natürlich muss bei der Insertion von einteiligen keramischen Implantaten im Frontzahnbereich ein Mehr an prothetischer und chirurgischer Planung vorausgehen, um vorhersagbare Ergebnisse zu erzielen. Dreidimensionale bildgebende Verfahren in Kombination mit einer entsprechenden Software bieten heute die Möglichkeit, die prothetische Implantatpositionierung unter optimaler Nutzung des Knochenangebots zu planen und diese mit einer CAD/CAM-gestützt gefertigten Bohrschablone umzusetzen.
Im Folgenden wird anhand einer implantatprothetischen Brückenkonstruktion auf einteiligen keramischen Implantaten gezeigt, wie mit diesem Zusammenspiel die ästhetische Zone trotz kompromittierten Knochenangebots und schwieriger gingivaler Verhältnisse versorgt werden kann.
Dabei kommt eine additiv gefertigte, hülsenlose Bohrschablone mit reduziertem Design zum Einsatz, die dem Operateur neben der chirurgischen und prothetischen Planungssicherheit ein offenes Arbeitsfeld bietet. Dies geht mit mehreren intraoperativen Vorteilen einher. Bei geschlossenen Bohrschablonen kann im Gegensatz zu dieser rein kunststoffbasierten Variante eine Kontamination des Implantatbetts mit dem Abrieb zwischen metallischen Bohrhülsen und Bohrern auftreten [6]. Die Verschleppung solcher metallischer Späne in den Operationsbereich könnte sich dabei negativ auf den Erfolg der implantologischen Therapie auswirken. Die präzise Integration der Bohrhülsen in die Bohrschablone war zudem in der Vergangenheit aufwendig und kostspielig.
Der klinische Fall
Eine 56-jährige Patientin hatte im Vorfeld bereits in regio 46 ein einteiliges ceramic.implant (vitaclinical, Bad Säckingen, Deutschland) erhalten, das metallfrei und biokompatibel versorgt wurde. Sie zeigte sich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Einige Jahre später zeigten sich die mit einer Brücke versorgten Zähne 22 und 24 so stark parodontal geschädigt, dass sie extrahiert werden mussten. Die chronische Entzündung hatte gerade im Bereich der Pfeilerzähne zu vertikalen und horizontalen Knocheneinbrüchen geführt. Nach eingehender Beratung entschied sich die Patientin wieder für eine festsitzende, implantatgetragene Versorgung und bestand dabei aufgrund der guten Erfahrung auf den erneuten Einsatz des einteiligen ceramic.implant. Eine massive vertikale Knochenaugmentation wollte die Patientin dabei auf jeden Fall vermeiden. Geplant wurde eine implantatgetragene Brückenkonstruktion von 22 auf 24, bei der die vollkeramischen, einteiligen Pfeiler mithilfe eines präzisen prothetischen Backward-Plannings und der hülsenlosen Bohrschablone mit reduziertem Design (2ingis S.A., Brüssel, Belgien) inseriert werden sollten, um den ästhetischen Ansprüchen der Patientin vorhersehbar gerecht werden zu können.
Sicherheit auf wissenschaftlicher Basis
Die Entscheidung für das chirurgische Vorgehen und das Implantat fiel konsequent auf wissenschaftlicher Basis, um dem Praktiker und damit der Patientin intraoperativ und im Langzeitverlauf größtmögliche Sicherheit zu geben. Denn in einer prospektiven klinischen Studie in Kooperation mit der Universität Ulm und der Zahnarztpraxis Dr. Sigmar Schnutenhaus (Hilzingen, Deutschland) wurde die additiv im 3D-Druckverfahren gefertigte Kunststoffschiene auf ihre Präzision im Zusammenspiel mit dem yttriumstabilisierten Zirkonoxidimplantat ceramic.implant geprüft [6]. Das ceramic.implant wurde bereits über fünf Jahre klinisch dokumentiert und bietet nachweislich knöcherne und weichgewebliche Stabilität. Die Dreijahresdaten wurden 2018 publiziert [7]. Zur Überprüfung der Präzision wurde nach der Implantation die Übertragungskappe (impression.transfer) durch Einrasten lagestabil auf dem Implantatkopf positioniert und eine geschlossene Fixationsabformung vorgenommen.
Anschließend wurde ein ceramic.implant in gleicher Länge und gleichem Durchmesser als Dummy ebenfalls durch sicheres Einrasten in die Abformung integriert. Abformung und Implantat wurden in einem Laborscanner gescannt. Anschließend konnten so die geplante virtuelle Implantatposition aus der Planungssoftware mit der tatsächlichen abgeglichen und die Abweichungen dokumentiert werden. Die Ergebnisse aus 20 Implantationen:
Die mittlere Abweichung an der crestalen Position der Implantate betrug dabei 0,52 mm, an der apikalen Spitze 0,82 mm. In der Höhe der Implantatposition ergab sich eine mittlere Abweichung von 0,35 mm. Die mittlere anguläre Abweichung betrug 2,85 Grad. Mit der hülsenlosen Bohrschablone können damit gleichwertige oder bessere Ergebnisse als bei den in der Literatur beschriebenen Durchschnittswerten von bohrhülsengeführten Varianten erreicht werden.
Die Planungsphase
Um die Knochensituation im Operationsgebiet dreidimensional darstellen zu können, wurde eine DVT-Aufnahme angefertigt (Gendex CB-500 DVT, Gendex Dental Systems, Des Plaines, USA). Die intraorale Situation konnte anhand eines zuvor hergestellten Situationsmodells mit dem 3Shape-Scanner D700 virtuell abgebildet werden. Zudem wurde ein Wax-up erstellt, um die optimale prothetische Versorgung zu simulieren. Dieses Modell wurde dann ebenfalls digitalisiert. Diese beiden Datensätze wurden mit der DVT-Aufnahme überlagert und die virtuelle Implantation der ceramic.implant an 22 (Durchmesser 4,0 mm; Länge 14 mm) und 24 (Durchmesser 4,5 mm; Länge 12 mm) mithilfe der SMOP-Implantationssoftware (Swissmeda, Zürich, Schweiz) durchgeführt. Dabei wurde sowohl auf den korrekten prothetischen Einschub als auch auf die Höhe des Implantatkopfs geachtet, um für den Zahntechniker eine optimale Arbeitsgrundlage zu schaffen. Des Weiteren wurde auf eine optimale Ausnutzung des vorhandenen Knochenangebots geachtet, um – wie mit der Patientin besprochen – größere augmentative Maßnahmen zu vermeiden. Schon während der Planung wurde der Bedarf einer intraoperativen Augmentation an 22 bukkal deutlich, die in die Vorbereitungen des chirurgischen Protokolls eingeplant wurde. Entsprechend der virtuellen Implantation wurde die hülsenlose Bohrschablone CAD/CAM-gestützt additiv gedruckt (2ingis S.A., Brüssel, Belgien). Drei Monate nach der Extraktion von 22 und 24 konnte auf der Grundlage dieser präzisen Planung eine vorhersagbare Implantation durchgeführt werden.
Implantation mit hülsenloser Bohrschablone
Nach lokaler Anästhesie wurde aufgrund der nötigen Augmentation an 22 konsequent ein mukoperiostaler Volllappen gebildet. Nach der Freilegung des Kieferkamms wurde die Bohrschablone mit reduziertem Design dentalgestützt eingegliedert. Die C-Klammern der additiv gedruckten Schiene rasteten sichtbar, spürbar und hörbar an 15, 13, 21 und 25 in ihrer Endposition ein. Auch nach der Eingliederung war der Operationsbereich einsehbar und frei zugänglich. Dreh- und Angelpunkt der gedruckten Bohrschablone sind zwei rechts und links vom Operationsbereich integrierte Führungsgeschiebe.
Passend zu diesen werden mit einem an dem chirurgischen Winkelstück montierten Aufsatz zwei Führungsstifte lagestabil auf den Bohrkopf positioniert, die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip in die beiden Führungsgeschiebe passen und somit die präzise vertikale Führung des Winkelstücks sichern.
Während der Aufbereitung war durch das offene Design jederzeit eine Aufbereitung unter Sicht unter optimaler Kühlung gegeben. Die Knochenspanentnahme für die eingeplante Augmentation konnte aufgrund der reibungslosen und sichtbaren Entnahme kontrolliert vonstattengehen. Auch die Insertion der beiden keramischen Implantate erfolgte sicher über die Bohrschablone auf Anschlag. Nach der Abnahme der Bohrschablone wurde 24 minimal rotiert, um die Flanke des Implantatkopfs mit dem Verlauf der späteren Zahnreihe zu harmonieren und dem Techniker damit noch mehr Platz für die prothetische Suprakonstruktion zu geben.
An 22 bukkal wurde wie geplant mit dem gesammelten Eigenknochen und bovinem Knochenersatzmaterial augmentiert und mit einer Membran abgedeckt. Anschließend wurde der Wundbereich mit Einzelknopfnähten verschlossen und die Implantatköpfe wurden für die geschlossene Fixationsabformung mit lagestabil einrastenden Übertragungskappen (impression.transfer) versehen.
Die provisorische Phase
Nach der Abformung wurden die Implantate mit einem direkten Provisorium aus fließfähigem Kronen- und Brückenmaterial versorgt. Hierzu wurde im Vorfeld auf einem Situationsmodell mit aufgestellten Konfektionszähnen ein Formteil als Matrix gefertigt. Bei der Eingliederung wurde darauf geachtet, dass die ausgearbeitete Brücke weder approximal noch okklusal in Kontakt stand. Bis zum nächsten Termin der Nahtentfernung nach einer Woche wurde auf der Grundlage der Fixationsabformung ein Langzeitprovisorium CAD/CAM-gestützt aus Komposit gefräst (VITA CAD-Temp, VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen, Deutschland), wobei beim Design auf eine ideale Ausformung der Gingiva geachtet wurde.
Im Anschluss an die Nahtentfernung konnte die provisorische Brücke eingegliedert werden. Auch diese wurde auf Kontaktlosigkeit im approximalen und okklusalen Bereich überprüft.
Nach einer Einheilzeit von dreieinhalb Monaten wurde die provisorische Brücke entnommen und der Bereich intraoral gescannt (TRIOS, 3Shape, Kopenhagen, Dänemark). Anhand des Datensatzes wurde ein Modell gedruckt und ein anatomisch reduziertes Zirkondioxidgerüst CAD/CAM-gestützt gefertigt, das abschließend mit Keramik verblendet wurde.
Nach klinischer Einprobe konnte die Brücke mit selbstadhäsivem Zement eingegliedert werden. An 22 war vestibulär eine leichte Dehiszenz der Gingiva bemerkbar. Wegen der gewebefreundlichen, vollkeramischen Brücke kann hier von einer weiteren Verbesserung im Langzeitverlauf ausgegangen werden. Aufgrund der tiefen Lachlinie war dieser Bereich allerdings nicht einsehbar. Die Patientin zeigte sich mit dem Endergebnis absolut zufrieden.
Fazit
Das klinische Fallbeispiel zeigt, dass auch die ästhetische Zone bei entsprechender digitaler Vorplanung in den meisten Fällen mit einteiligen, vollkeramischen Implantaten vorhersagbar und mit allen Vorteilen der Einteiligkeit versorgt werden kann. Die hülsenlose Bohrschablone brachte dabei intraoperativ zahlreiche Vorteile und sorgte für wissenschaftlich fundierte Präzision. Zusammen mit den positiven, klinischen Langzeitdaten und der grundsätzlichen Biokompatibilität und Weichgewebsverträglichkeit des ceramic.implant sorgt dieses chirurgische Protokoll damit auch in anspruchsvollen klinischen Situationen für einen nachhaltigen implantologischen Erfolg.
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