Implantologie allgemein


Die Anwendung von A- und i-PRF in der zahnärztlichen Praxis – eine Standortbestimmung

© van Orten
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Die Anwendung von autologen Thrombozyten- und Fibrinkonzentraten ist seit nunmehr 20 Jahren Gegenstand einer kontroversen Debatte in der Zahnarztpraxis und der MKG-Praxis. Dieser Artikel gibt einen fundierten Einblick in verschiedene Zentrifugentypen, Verfahrensweisen, Thrombozytenkonzentrationen und Leukozytenzustände auf Basis der aktuellen Literatur und aus dem klinischen Erfahrungsschatz des Autors.

Einleitung

Die Anwendung von autologen Thrombozyten- und Fibrinkonzentraten in der Zahnarztpraxis und MKG-chirurgischen Praxis ist seit nunmehr 20 Jahren Gegenstand einer kontroversen Debatte [1,2]. Während erste Untersuchungen zu Anwendungen von Fibrinpräparaten in der Wundversorgung im Tiermodell bereits vor nahezu 50 Jahren beschrieben wurden [3] und der nachfolgende praktische Einsatz von Fibrinklebern in der humanen Chirurgie in Verbindung unter anderem mit dermalen Transplantaten vielfältig schon in den 1980er Jahren untersucht worden ist [4-7], wurden die ersten Studien zur Modifi kation von Knochentransplantaten und zur Therapie von oro-antralen und naso-antralen Fisteln sowie Lippen-Kiefer-Gaumenspalten in der Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie mit thrombozytenreichem Plasma erst in den späten 1990er Jahren veröffentlicht [8,9]. In Abhängigkeit der folgenden Herstellungs- und Produktparameter Zentrifugentyp, Zeitbedarf der Herstellung, Thrombozytenkonzentration, Anwesenheit und Zustand der Leukozyten, Präparatedichte und Polymerisationsgrad lässt sich eine Einteilung der Präparate vornehmen [2].

1. P-PRP (pure platelet-rich plasma, thrombozytenreiches Plasma)

Die typischen Charakteristika dieser Gruppe sind ein erhöhter Herstellungszeitbedarf, die Abwesenheit von Leukozyten, eine geringe Dichte und niedriger Polymerisationsgrad, der im Regelfall einer fl üssigen bis gelartigen Konsistenz zuzuordnen ist. Die höchste Thrombozytenkonzentration wird bei dieser Präparategruppe unter Zuhilfenahme von Zellseparatoren in transfusionsmedizinischen Zentren erreicht. Da diese technische Voraussetzung im Normalfall eine Anwendung in der zahnärztlichen Praxis limitiert, wurde von Dr. Eduardo Anitua die sogenannte PRGF-Technik (plasma-rich growth factors) entwickelt und knapp vor Beginn des neuen Millenniums beschrieben. Eine erste Serie von zwei Fallberichten präsentierte er kurzzeitig später [10]. Da sich die technischen Voraussetzungen mit der Anschaffung einer Laborzentrifuge und Pipettierzubehör überschaubar darstellten, war dies die erste Technik, die in viele zahnärztliche und oralchirurgische Praxen und Kliniken Einzug gefunden hat und auch heutzutage noch praktiziert wird. Nach der Entnahme einer geringen Menge von peripherem venösem Blut (10-30 ml), wird dieses einmalig zentrifugiert und in mehreren Pipettierschritten aufbereitet. Die Vernetzung des Thrombozytenkonzentrates wird optional mit einer 10%igen Calciumchlorid- Lösung aktiviert und mit einem Thermogerät bei 37 °C beschleunigt. Die Herstellungszeit beträgt im Regelfall unter einer halben Stunde und ist somit als praktikabel für die zahnärztliche Praxis einzustufen. Kritiker des Systems bemängeln die etwa 30 Pipettiervorgänge im dann offenen System, was zu Anwendungsfehlern mit Varianz der Thrombozytenkonzentration und hygienischen Problemen führen könnte. Darüber hinaus wird die nahezu vollständige Abwesenheit von Leukozyten zunehmend kritisch betrachtet [11]. Weitere kommerziell erhältliche Systeme aus der Gruppe der P-PRP sind unter anderem das Vivostat PRF-, das Nahita PRP- oder das ACE-System, mit dem supraphysiologische Thrombozytenkonzentrationen von 336 % gezeigt werden konnten [12].

2. L-PRP (leucocyte- and platelet-rich plasma, leukozyten- und thrombozytenreiches Plasma)

Der wesentliche Unterschied dieser Gruppe im Vergleich zur vorgehenden ist die bewusst gewollte Anwesenheit von Leukozyten. Als bekannte Systeme, die dieser Gruppe zuzuordnen sind, können unter einer Vielzahl anderer das Friadent PRP- und das Curasan PRP-System genannt werden.

3. P-PRF (pure platelet-rich fibrin, thrombozytenreiche Fibrinmatrix)

Die dritte Produktfamilie unterscheidet sich von der ersten Produktfamilie vor allem durch ihre hohe Dichte und den hohen Polymerisationsgrad, der eine verlangsamte Abgabe von Wachstumsfaktoren ermöglicht. Leukozyten sind in dieser Zubereitung weitestgehend nicht enthalten. Über den Handel zu beziehende Systeme sind unter anderem das Selphyl PRFM- und das Fibrinet-System von Vertical Spine.

4. L-PRF, A-PRF+, I-PRF (leukocyte- and platelet-richfibrin, leukozyten- und thrombozytenreiche Fibrinmatrix)

Die letzte Präparatefamilie wird in erster Linie durch folgende Merkmale charakterisiert, die je nach Zubereitungsform jedoch etwas variieren: sehr einfache, schnelle und preiswerte Herstellung ohne Antikoagulantien, eine sehr hohe Thrombozytenkonzentration, eine hohe Leukozytenkonzentration, eine je nach Zubereitungsparametern injektionsfähige bis sehr hoch vernetzte, schnittfähige und vernähbare Konsistenz der Fibrinmatrix.

Im folgenden Teil wird die vierte Präparategruppe detailliert vorgestellt, da sie sich in besonderem Maße für die zahnärztliche und oralchirurgische Praxis anbietet und bereits ein hohes Maß an Verbreitung gefunden hat.

Choukrouns PRF

Das Konzept der antikoagulantienfreien, leukozytenenthaltenden Thrombozytenkonzentrate, die in einer hochpolymerisierten und dichten Fibrinmatrix hergestellt werden, geht im Wesentlichen zurück auf den Nizzaer Arzt und Schmerztherapeuten Dr. Joseph Choukroun. Dieser hat sich in seiner täglichen Praxis häufig mit der Notwendigkeit konfrontiert gesehen, unter anderem Patienten mit schmerzhaften Ulcera der Extremitäten, zum Beispiel in Form eines diabetischen Fußes oder als Folge eines Lyell-Syndroms, zu behandeln. Der in erster Linie oftmals der insuffizienten Mikrozirkulation geschuldete Symptomenkomplex mit nicht selten vorliegender Therapieresistenz und in den schlimmsten Fällen finaler Amputation, stellte den Anreiz dar, sich auf die Suche nach einem autologem Material zu begeben, das sowohl eine extrazelluläre Matrix als auch der Wundheilung und Angiogenese förderliche Faktoren über einen längeren Zeitraum als bei niedrigviskösen PRP-Zubereitungen bereitstellt. Erste Versuche erfolgten zu Beginn des Millenniums erfolgreich in der Form, dass Fibrinmembranen (Abb. 1 und 2) auf die Ulcera platziert und mit Kunststoffverbänden abgedeckt wurden, mit dem Ziel, durch supraphysiologische Wachstumsfaktorendosen die Angiogenese zu fördern und konsekutiv die Hautoberflächenintegrität zu regenerieren. Ein wesentlicher Unterschied zu den bis dato praktizierten Protokollen stellte die Prämisse dar, auf Antikoagulantien zu verzichten. Die Reduktion respektive der Verzicht von antikoagulativen Substanzen in der Zubereitung führt zu einer schnelleren Wundheilung als mit Antikoagulantien, wie unter anderem auch von Anitua gezeigt werden konnte [13].

  • Abb. 1: A-PRF+-Membranen mit abgetrenntem Erythrozytenclot.
  • Abb. 2: A-PRF+-Membranen vor der Weiterverarbeitung.
  • Abb. 1: A-PRF+-Membranen mit abgetrenntem Erythrozytenclot.
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  • Abb. 2: A-PRF+-Membranen vor der Weiterverarbeitung.
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Das erste Protokoll zum sogenannten L-PRF sah folgende Zentrifugeneinstellungen vor, wurde 2001 erstmalig in Frankreich [14] und später in einer Publikationsserie international veröffentlicht ([15,16]: 2.700 Umdrehungen pro Minute, 12 Minuten lang, relative Zentrifugationskraft 708 Gramm, Glas-Vacuetten.

Low-Speed Centrifugation Concept

In Zusammenarbeit, unter anderem mit Prof. Dr. Dr. Dr. Shahram Ghanaati (Frankfurt), wurde in den letzten Jahren das „Low-Speed Centrifugation Concept“ entwickelt. Vereinfachend kann man sagen, dass die Reduktion der G-Kräfte beim Zentrifugieren die Anzahl der Leukozyten und Menge der Wachstumsfaktoren erhöhen konnte [17].

Folgende neue Zubereitungen entstanden:

A-PRF+: 1.300 Umdrehungen pro Minute, 8-minütige Zentrifugationszeit, Glas-Vacuetten. Hierbei entsteht eine hochdichte, stark vernetzte Fibrinmatrix mit hohem Leukozyten- und Wachstumsfaktorenanteil, die nach Abstreifen des Erythrozytenclot einsatzbereit ist für zum Beispiel den Einsatz in einer Extraktionsalveole. Für den Einsatz als Membran erfolgt eine weitere Bearbeitung, auf die an späterer Stelle detailliert eingegangen wird.

A-PRF liquid: 1.300 Umdrehungen pro Minute, 5-minütige Zentrifugationszeit, Glas-Vacuetten. Dieses Protokoll ermöglicht die Herstellung einer noch nicht dicht polymerisierten Fibrinmatrix, die für einige Minuten eine flüssige Konsistenz behält, so dass man großflächige Membranen in formgebenden Schälchen (Abb. 3) oder Mischungen aus Knochenersatzmaterialien und der Fibrinmatrix produzieren kann. Umgangssprachlich hat sich für die Mischung von Knochenersatzmaterialien und A-PRF liquid der Begriff „sticky bone“ unter den Anwendern etabliert, der sich jedoch nicht klar abgrenzt zu Mischungen aus Knochenersatzmaterial und i-PRF (Abb. 4).

  • Abb. 3: Großvolumige PRF-Membran aus dem Inhalt mehrerer Vacuetten hergestellt.
  • Abb. 4: KEM mit i-PRF gemischt, sogenannter „sticky bone“.
  • Abb. 3: Großvolumige PRF-Membran aus dem Inhalt mehrerer Vacuetten hergestellt.
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  • Abb. 4: KEM mit i-PRF gemischt, sogenannter „sticky bone“.
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  • Abb. 5: i-PRF.
  • Abb. 5: i-PRF.
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i-PRF: 700 Umdrehungen pro Minute, 3-minütige Zentrifugationszeit bei Frauen und eine 4-minütige Zentrifugationszeit bei Männern (ursächlich begründet durch geschlechterspezifisch unterschiedliche Hämatokritanteile). Die relative Zentrifugationskraft liegt bei diesem Protokoll nur noch bei 60 Gramm. Das Material der Vacuetten ist im Gegensatz zu den vorher genannten Verfahren Kunststoff anstatt Glas. Dadurch wird eine Polymerisation in der Vacuette verzögert, so dass eine etwa 15-minütige Zeitspanne verbleibt, um das primär injektionsfähige Material (Abb. 5) weiterzuverarbeiten, bevor es eine zähflüssigere Konsistenz einnimmt. Die Fibrinmatrix ist im Vergleich zu den oben genannten L-PRF- und A-PRF+-Protokollen deutlich poröser und enthält mehr Leukozyten und Wachstumsfaktoren wie von Ghanaati et al. 2014 gezeigt werden konnte [18]. Gemischt mit Knochenersatzmaterial hat sich auch für dieses Präparat der Begriff „sticky bone“ etabliert, das sich jedoch im Vergleich zur oben genannten Mischung durch eine weniger vernetzte Konsistenz und längere Verarbeitungszeit charakterisiert.

Anwendungen in der Zahnmedizin

Aktuell werden im Wesentlichen folgende Indikationen praktiziert, auf die im Einzelnen näher eingegangen werden soll [19]:

A) Alveolenmanagement nach Extraktion / Socket preservation
B) Knochenaugmentation und -regeneration
C) Sinusbodenelevation
D) Therapie von Gingivarezessionen und parodontalen Knochendefekten.

Alveolenmanagement nach Extraktion / Socket preservation

  • Abb. 6: A-PRF+Membranen zur Socket preservation.

  • Abb. 6: A-PRF+Membranen zur Socket preservation.
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Der Wunsch nach einem Biomaterial, das nicht zwingend plastisch gedeckt werden muss, das keine Fremdkörperreaktionen verursacht und das möglicherweise einen positiven Einfluss auf die Wundheilung nimmt, hat in vermehrtem Maße zur PRF-Anwendung in Extraktionsalveolen geführt.

In Bezug auf die Knochenregeneration nach Zahnentfernung ergibt die Studienlage jedoch ein nicht einheitliches Bild: teilweise wird beim Vergleich einer Socket preservation mit PRF (Abb. 6) und Kontrollgruppen, bei denen die Wundheilung konventionell über ein Blutgerinnsel startet, ein signifikanter Vorteil in der PRF-Gruppe in Bezug auf das Knochenvolumen nach der Wundheilung und auch die Knochendichte abgeleitet [20-23]. Teilweise gibt es Hinweise auf einen Vorteil ohne statistische Signifikanz [21,24,25].

Ähnlich verhält es sich in Bezug auf die Fragestellung einer möglichen Schmerzreduktion. Emanuele Ruga konnte unter Zuhilfenahme visueller Analogskalen eine signifikante Schmerzreduktion in der PRF-Gruppe nachweisen [24], während in einer anderen Studie eine tendenzielle Schmerzreduktion, die allerdings nicht signifikant war, dargestellt werden konnte [25].

Es gibt Hinweise darauf, dass die Anwendung von PRF in Extraktionsalveolen bei Patienten mit hämorrhagischen Diathesen die Komplikationsrate verringern könnte [26], ebenso wie eine hochsignifikant verringerte Osteomyelitis-Inzidenz nach Weisheitszahnentfernungen [27]. Zusammenfassend lässt sich schließen, dass die Anwendung von PRF in Extraktionsalveolen tendenziell Vorteile zu bieten scheint, auch wenn diese Vorteile sich statistisch nicht immer signifikant darstellten.

Knochenaugmentation und -regeneration

Die Studienanzahl zu Untersuchungen, ob die Anwendung von PRF in der GBR einen positiven Effekt bewirken kann, ist sehr gering. Allerdings gibt es Hinweise dazu, dass sowohl bei GBR mit autologem Transplantat [28] als auch bei Anwendung von xenogenem Knochenersatzmaterial [29] die Anwendung von PRF einen positiven Einfluss auf die Knochenbildung nimmt. Ursächlich begründet wird dies von den Studienautoren nach histologischen Untersuchungen mit einer verbesserten und gesteigerten Angiogenese.

In der Therapie der Medikamenten induzierten Kiefernekrose scheint es sich abzuzeichnen, dass die Patienten vor allen Dingen durch eine schnellere Reepithelialisierung der freiliegenden Knochenareale bei Anwendung von PRF profitieren [30], wie von Takuya Asaka gezeigt werden konnte.

Eine der häufigsten Anwendungen der A-PRF+-Membranen ist der Einsatz als Barrieremembran in der GBR, jedoch ist der Einsatz zum jetzigen Zeitpunkt durch die relativ schnelle Degradation innerhalb von etwa 7 bis 9 Tagen limitiert (Abb. 7 und 8). Es scheint durch die Applikation von Wärme möglich zu sein, die mittlere Degradationsdauer von A-PRF+-Membranen zu verlängern. Weitere Studien dazu stehen jedoch noch aus.

  • Abb. 7: A-PRF+-Membranen als Barrieremembran, teilweise offene Einheilung, direkt postoperativ.
  • Abb. 8: Gleiche Situation wie Abb. 7, neun Tage postoperativ.
  • Abb. 7: A-PRF+-Membranen als Barrieremembran, teilweise offene Einheilung, direkt postoperativ.
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  • Abb. 8: Gleiche Situation wie Abb. 7, neun Tage postoperativ.
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Sinusbodenelevationen

Folgende Anwendungen von PRF-Membranen in Verbindung mit Sinusbodenelevationen werden berichtet: Als Knochenersatzmaterial allein (Abb. 9 bis 15) oder in Verbindung mit sowohl autologen, allogenen, xenogenen als auch alloplastischen Knochenersatzmaterialien vermischt (Abb. 16 und 17). Ebenso zur Reparatur von Defekten der Schneider‘schen Membran und zur Abdeckung des Fensters bei klassischer externer Sinuslifttechnik.

  • Abb. 9: A-PRF-Membranen als Knochenersatzmaterial beim hydraulischen Sinuslift.
  • Abb. 10: Gleiche Situation wie Abb. 9, vier Monate postoperativ.
  • Abb. 9: A-PRF-Membranen als Knochenersatzmaterial beim hydraulischen Sinuslift.
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  • Abb. 10: Gleiche Situation wie Abb. 9, vier Monate postoperativ.
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  • Abb. 11: i-PRF in Heparinspritze umgefüllt.
  • Abb. 12: A-PRF+-Membran durch krestalen Zugang beim Sinuslift teilweise eingebracht.
  • Abb. 11: i-PRF in Heparinspritze umgefüllt.
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  • Abb. 12: A-PRF+-Membran durch krestalen Zugang beim Sinuslift teilweise eingebracht.
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  • Abb. 13: Gleiche Situation wie Abb. 12, i-PRF vor der Applikation zwischen A-PRF+-Membran und Sinusboden.
  • Abb. 14: Ausschnitt aus Magellan-Software, Planung vor hydraulischem Sinuslift.
  • Abb. 13: Gleiche Situation wie Abb. 12, i-PRF vor der Applikation zwischen A-PRF+-Membran und Sinusboden.
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  • Abb. 14: Ausschnitt aus Magellan-Software, Planung vor hydraulischem Sinuslift.
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  • Abb. 15: Gleiche Situation wie Abb. 14, vier Monate postoperativ nach hydraulischem Sinuslift und Applikation von A-PRF+-Membranen.
  • Abb. 16: A-PRF+-Membran mit Schere in kleine Fragmente zerteilt.
  • Abb. 15: Gleiche Situation wie Abb. 14, vier Monate postoperativ nach hydraulischem Sinuslift und Applikation von A-PRF+-Membranen.
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  • Abb. 16: A-PRF+-Membran mit Schere in kleine Fragmente zerteilt.
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  • Abb. 17: Gleiche Situation wie Abb. 16, A-PRF+-Membran-Fragmente mit Knochenersatzmaterial vermischt.
  • Abb. 17: Gleiche Situation wie Abb. 16, A-PRF+-Membran-Fragmente mit Knochenersatzmaterial vermischt.
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Zusammenfassend lässt sich die Aussage treffen, dass bei einzeitiger Implantation und unter der Kautele eines transversal geringen Abstandes der begrenzenden Kieferhöhlenwände, der Gebrauch von A-PRF+-Membranen als KEM allein mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zur Knochenneubildung im Raum zwischen Schneider‘ scher Membran und knöchernen Kieferhöhlenbegrenzungen führt [31-33].

Bei zweizeitigen Vorgehen von Sinusbodenelevation und Implantation ist eine alleinige Augmentation mit PRF nicht sinnvoll, da ein vorzeitiger Kollaps des augmentierten Volumens zu erwarten ist. Das kann konsekutiv möglicherweise zu einem nicht ausreichenden Knochenangebot führen.

Wie von Jonas Lorenz et. al nachgewiesen werden konnte, scheint es bei der Anwendung von PRF mit xenogenen Knochenersatzmaterialien zu einer Steigerung der regenerativen Kapazität im Vergleich zur Anwendung des xenogenen KEMs allein zu kommen, was zukünftig möglicherweise zu einer generellen verkürzten empfohlenen Einheilzeit dieser Augmentate führen könnte ]29]. A-PRF+-Membranen zur Abdeckung des lateralen Fensters bei externem Sinuslift: Zwei Split-mouth-Studien untersuchten den Einsatz von A-PRF+-Membranen im Vergleich zu porcinen kollagenen Membranen [34, 35]. Es scheint in puncto unerwünschte Komplikationen und Knochenformation keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen zu geben.

Es gibt nur geringe Evidenz zum Einsatz von A-PRF+-Membranen zum Verschluss von Kieferhöhlenschleimhautperforationen, jedoch existieren Einzelfall-Kasuistiken, die den erfolgreichen Einsatz von A-PRF+-Membranen allein oder in Verbindung mit kollagenen Membranen beschreiben [15,32,36].

Therapie von Gingivarezessionen und parodontalen Knochendefekten

Bei der Therapie mukogingivaler Rezessionen ergeben sich in erster Linie zwei Indikationen zum Einsatz von A-PRF+-Membranen: Zur Deckung respektive der Versorgung der Entnahmestellen von Bindegewebstransplantaten, wobei die Patienten in puncto Reepithelisation der Entnahmestelle und in puncto Schmerzsensation zu profitieren scheinen, und bei Rezessionsdeckungen von Miller-Klassen I und II-Defekten mit A-PRF+-Membranen [37-39] bei dicken Biotypen anstatt des Goldstandards Bindegewebstransplantat oder xenogenen Kollagengrafts (Abb. 18 und 19). Limitiert und unterlegen ist die Anwendung nach aktuellen Erkenntnissen bei Miller-Klasse III (Überschreitung der mukogingivalen Grenze) und dünnen Biotypen, sowie im Langzeitverlauf im Vergleich zum Bindegewebstransplantat.

  • Abb. 18: Freiliegende Wurzeloberfläche an Zahnwurzel 13.
  • Abb. 19: Zustand nach Rezessionsdeckung.
  • Abb. 18: Freiliegende Wurzeloberfläche an Zahnwurzel 13.
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  • Abb. 19: Zustand nach Rezessionsdeckung.
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In der Regeneration von parodontalen Knochendefekten mit PRF – intraossär [40-45] oder furkationsassoziiert Grad II [46,47] – mehren sich die Hinweise darauf, dass Patienten bei richtiger Indikationsstellung sowohl von der alleinigen Anwendung, aber auch von der kombinierten Anwendung mit den Goldstandards Schmelz-Matrix-Proteine und/oder autologem Knochen respektive geeigneten Knochenersatzmaterialien (Abb. 20 und 21) profitieren könnten.

  • Abb. 20: Zweiwandiger Knochendefekt an distaler Wurzel Zahn 46.
  • Abb. 21: Situation wie Abb. 20, Zustand nach GBR distale Wurzel Zahn 46.
  • Abb. 20: Zweiwandiger Knochendefekt an distaler Wurzel Zahn 46.
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  • Abb. 21: Situation wie Abb. 20, Zustand nach GBR distale Wurzel Zahn 46.
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Klinisches Procedere

Die technischen Voraussetzungen zur Herstellung von A-PRF+, A-PRF liquid und i-PRF sind gering. Man benötigt eine passende Zentrifuge – „heavy user“ benutzen teilweise auch mehrere Zentrifugen parallel, um verschiedene PRF-Zubereitungen gleichzeitig produzieren zu können (Abb. 22 und 23).

  • Abb. 22: Einstellungen der Zentrifuge für A-PRF+-Membranen.
  • Abb. 23: Einstellungen für i-PRF.
  • Abb. 22: Einstellungen der Zentrifuge für A-PRF+-Membranen.
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  • Abb. 23: Einstellungen für i-PRF.
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Im Regelfall wird nach üblicher Vorbereitung (Stauschlauch, Desinfektion der Hautoberfläche) die Vena intermedia cubiti aufgesucht und mit einem handelsüblichen Butterfly mit Luer-Steck und Vacuetten-Einführhilfe punktiert. Sollte das Auffinden der Venen problematisch sein, kann zum Beispiel das Veinlite-LED+-Gerät (Abb. 24 und 25) eine große Hilfe darstellen, da es Venen mit ihren Kalibern und Verläufen in unterschiedlichen Gewebetiefen sehr einfach darstellen kann. Ebenso ist es behilflich, wenn der Patient sich durch sogenannte „Rollvenen“ auszeichnet. Die Venen können dann sehr einfach in ihrer Beweglichkeit durch die zangenförmigen Lichtträger gehemmt und ein Butterfly zwischen den beiden Schenkeln bei optimaler Durchleuchtung und Sichtkontrolle benutzt werden. Bei der Notwendigkeit mehrfach Blut abzunehmen werden üblicherweise zwei Vorgehensweisen favorisiert: Das Legen eines Venenverweilkatheters, der mit einem Mandrin bei Nichtgebrauch verschlossen werden kann, oder der Verschluss der Luer-Steck-Verbindung mit einer mit isotonischer Kochsalzlösung gefüllten 20ml-Spritze, mit der vor der nächsten Entnahme das Schlauchsystem gespült werden kann (Abb. 26). Beide Techniken haben Vorteile: Die Patienten empfinden die Anwendung des Butterflies meist als äußerst schmerzarm, jedoch muss der Arm dann bei der vorhandenen Stahlkanüle ruhig und gestreckt verweilen. Die Anwendung eines Venenverweilkatheters ist in der Anwendung etwas schwieriger und wird vom Patienten als schmerzhafter empfunden. Die Vacuetten sollten möglichst schnell gefüllt und zentrifugiert werden – bei Füllung einer Vielzahl von Vacuetten sollte etwa alle 4 bis 6 Vacuetten bereits zentrifugiert werden, damit eine sichere Trennung der gewünschten Fraktionen erreicht werden kann (Abb. 27). Nach Abschluss der Zentrifugation sollten A-PRF+-Vacuetten einige Minuten in einem Ständer senkrecht ruhen (Abb. 28), um ein hohes Maß an Polymerisation des Fibrins zu gewährleisten, bevor der Fibrinclot der Vacuette entnommen (Abb. 29 und 30) und vom Erythrozytenclot getrennt wird (Abb. 31). Die einzelnen Fibrinclots werden dann in ihre jeweils gewünschte Form weiterverarbeitet, zum Beispiel in eine Membran oder einen Plug. Um Membranen herzustellen werden sie auf ein Metallsieb in der PRF-Box gelegt (Abb. 32) und mit einem deckelartigen Gewicht gepresst, während bei Herstellung eines Plugs eine Mulde mit einem stempelartigen Gewicht benutzt wird (Abb. 33). Durch den Pressvorgang wird das Volumen deutlich reduziert (Abb. 34), das in der Box aufgefangene Serum kann zum Beispiel zur Benetzung von Biomaterialien weiterverwendet werden. Da das i-PRF im Regelfall innerhalb von 15 Minuten weiterverarbeitet werden sollte, ist oftmals eine intraoperative Venenblutentnahme notwendig (Abb. 35). Das innerhalb kürzester Zeit (3 Minuten) hergestellte i-PRF wird unter Zuhilfenahme einer konventionellen Spritze und Kanüle abpipettiert (Abb. 36) und ist sofort einsatzbereit.

  • Abb. 24: Veinlite LED+ in Abdeckhülle.
  • Abb. 25: Veinlite LED+ mit dargestellter Vene.
  • Abb. 24: Veinlite LED+ in Abdeckhülle.
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  • Abb. 25: Veinlite LED+ mit dargestellter Vene.
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  • Abb. 26: Butterfly in situ mit angeschlossener Spritze mit isotoner Kochsalzlösung.
  • Abb. 27: Zentrifuge, gefüllt mit A-PRF+-Vacuetten.
  • Abb. 26: Butterfly in situ mit angeschlossener Spritze mit isotoner Kochsalzlösung.
    © van Orten
  • Abb. 27: Zentrifuge, gefüllt mit A-PRF+-Vacuetten.
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  • Abb. 28: A-PRF+-Vacuetten während Ruhephase im Ständer.
  • Abb. 29: Entnahme des Fibrinclots aus der Vacuette.
  • Abb. 28: A-PRF+-Vacuetten während Ruhephase im Ständer.
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  • Abb. 29: Entnahme des Fibrinclots aus der Vacuette.
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  • Abb. 30: Platzierung des Fibrinclots auf einer Kompresse.
  • Abb. 31: Abtrennen des Erythrozytenclots.
  • Abb. 30: Platzierung des Fibrinclots auf einer Kompresse.
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  • Abb. 31: Abtrennen des Erythrozytenclots.
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  • Abb. 32: Platzierung des Fibrinclots zur Weiterverarbeitung auf einem Sieb in der PRF-Box.
  • Abb. 33: Deckel zum Komprimieren der Fibrinmembranen, rechts: Stempel zur Herstellung von Plugs.
  • Abb. 32: Platzierung des Fibrinclots zur Weiterverarbeitung auf einem Sieb in der PRF-Box.
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  • Abb. 33: Deckel zum Komprimieren der Fibrinmembranen, rechts: Stempel zur Herstellung von Plugs.
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  • Abb. 34: Fibrinmembranen nach dem Pressen.
  • Abb. 35: Intraoperative Blutabnahme in i-PRF-Vacuette.
  • Abb. 34: Fibrinmembranen nach dem Pressen.
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  • Abb. 35: Intraoperative Blutabnahme in i-PRF-Vacuette.
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  • Abb. 36: Entnahme des i-PRFs aus der i-PRF-Vacuette.
  • Abb. 36: Entnahme des i-PRFs aus der i-PRF-Vacuette.
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Ausblick

Das Spektrum an Weiterentwicklungen und Untersuchungen zum Thema PRF ist umfangreich. Sie betreffen auf der einen Seite technische Aspekte (Zentrifugationsgeschwindigkeiten, -kräfte und -dauer) als auch Aspekte der individualisierten Medizin (Einfluss des Donor-Individuums auf das Fibrinpräparat, zum Beispiel Untersuchungen zum Einfluss des Hämatokrits und der Erythrozytenanzahl auf die Fibrinmatrix) oder Aspekte der Weiterverarbeitung der Fibrinmatrices zum Beispiel durch Wärmeapplikation, um die Zeitspanne der Degradation zu erhöhen, so dass Standzeiten vergleichbar von Kollagenmembranen erreicht werden könnten.

Auch in puncto klinische Anwendungsbreite erfolgen umfangreiche internationale Anstrengungen. Über die oben genannten Indikationen hinaus sind aktuell folgende Felder in der späteren Anwendung im Bereich der Zahnmedizin respektive Mund, Kiefer- und Gesichtschirurgie denkbar beziehungsweise aktueller Gegenstand der Forschung: Therapie von Kiefergelenksbeschwerden durch Injektionen mit i-PRF [48], Pulparegeneration [49,50], die Regeneration der Weichgewebe im Bereich von Implantaten, die Modifikation des Lippenvolumens, um nur einige zu nennen.

Zusammenfassung

Seit ungefähr 20 Jahren kommen Thrombozytenkonzentrate im Bereich der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zum Einsatz. Durch vielfältige Modifikationen, die vor allem die An- oder Abwesenheit von Leukozyten und ihre Konzentration betreffen, als auch das Vorhandensein und die Konsistenz einer Fibrinmatrix, ist der Einsatzbereich kontinuierlich erweitert worden.

Zum jetzigen Zeitpunkt scheinen folgende Prämissen Akzeptanz zu finden:

  • Die technischen Voraussetzungen zur Herstellung von PRF-Präparaten sind gering, ein flächendeckender Einsatz auch außerhalb von Kliniken in zahnärztlichen Praxen erscheint möglich.
  • Die Abwesenheit von Antikoagulantien führt zu einer besseren Wundheilung als mit Antikoagulantien.
  • Die Präparation von Thrombozytenkonzentraten, die zusätzlich Leukozyten enthalten, ist höchstwahrscheinlich denen ohne Leukozyten überlegen.
  • Werden diese Konzentrate in einer Fibrinmatrix appliziert, erfolgt eine langsamere Abgabe der Wachstumsfaktoren, was sich vorteilhaft auf die Wundheilung auszuwirken scheint.
  • Je nach Indikation und Individuum können Modifikationen und Individualisierungen der Herstellungsprotokolle sinnvoll sein.
  • Es sind weitere Untersuchungen und Studien notwendig, um die Indikationen und Herstellungsparameter von PRF-Zubereitungen weiterzuentwickeln.
Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Andreas van Orten


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