Implantologie allgemein


Explantation von Titanimplantaten bei simultaner keramischer Neuimplantation

OP-Planung 17, 26, 27.
OP-Planung 17, 26, 27.

Immer häufiger äußern Patienten/-innen den Wunsch nach metallfreien Implantaten – selbst mit bereits langzeitig inserierten Titanimplantaten. Dieser Case Report stellt dar, wie eine Explantation von Titanimplantaten und Neuimplantation von Keramikimplantaten erfolgreich gestaltet werden kann.

Die damals 72-jährige Patientin stellte sich aufgrund einer dezementierten und verloren gegangenen Implantatbrücke auf langzeitig inserierten Titanimplantaten in regio 35 und 36 als Neupatientin vor mit der Bitte um Beratung und Versorgung. Anamnestisch erfolgte in unserer Praxis die Abfrage mehrerer Risikofaktoren, die in Zusammenhang mit möglichen Unverträglichkeiten oder als Kontraindikation zur Versorgung mit Titanimplantaten stehen könnten (z.B. Titanunverträglichkeit).

Die Patientin gab dem Alter entsprechend an, unter Bluthochdruck zu leiden, der jedoch medikamentös eingestellt sei. Nach eingehender Beratung und klinischer Untersuchung sowie röntgenologischer Diagnostik mittels DVT im Unterkiefer zeigte vor allem das distale der beiden Titanimplantate eine massive Periimplantitis, sodass es entfernt und durch ein neues weiter distal gelegenes Titanimplantat ersetzt werden musste. Diese Behandlung, inklusive der prothetischen Versorgung, gestaltete sich komplikationslos.

Diagnostik und Behandlungsplanung

Nach Abschluss der Unterkieferbehandlung stellte sich die Patientin erneut für die Oberkiefertherapie vor. Im Befund stellten sich dabei ein zerstörter Zahn 17 und apikal bzw. parodontal geschädigte Zähne 26 bzw. 27 dar (Abb. 1). Diese nicht erhaltungswürdigen Zähne wurden zunächst entfernt, mittels Socket Preservation (Cerasorb Foam der Firma MDS sowie Kollagen-Kegel der Firma Resorba) versorgt und ca. 4 Monate der Ausheilung überlassen (Abb. 2).

  • Abb. 1: Röntgen 26, 27 vor Extraktion.
  • Abb. 2: Socket Preservation regio 26, 27.
  • Abb. 1: Röntgen 26, 27 vor Extraktion.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 2: Socket Preservation regio 26, 27.
    © Dr. Opitz

  • Abb. 3: OP-Planung 17, 26, 27.

  • Abb. 3: OP-Planung 17, 26, 27.
    © Dr. Opitz
Anschließend fand eine Behandlungsplanung mittels 3D-Diagnostik im DVT statt. Dabei bestand in regio 17 eine Restknochenhöhe bis zum Sinus maxillaris von knapp 10 mm und in regio 25/27 eine Restknochenhöhe von 2–6 mm zum Sinus maxillaris. Daher wurde in regio 17 eine interne Sinusbodenelevation und in regio 25/27 eine externe Sinusbodenelevation jeweils in Kombination mit Implantation geplant (Abb. 3).

Der in dieser Weise geplante Eingriff verlief komplikationslos. Es konnten 3 Titanimplantate unter lokaler Anästhesie in regio 17, 25 und 27 primärstabil (ISQ-Werte zwischen 60 und 70) inseriert werden (Abb. 7,8). Zeitgleich fand in regio 17 die interne und in regio 25/27 die externe Sinusbodenelevation statt.

  • Abb. 4: Präparation Sinusfenster.

  • Abb. 4: Präparation Sinusfenster.
    © Dr. Opitz
Bei dieser wurde mittels Piezosurgery ein Knochenfenster angelegt und der Knochendeckel in die Kieferhöhle geklappt (Abb. 4,5). Es wurde ein Gemisch aus xenogenem und autologem Knochengranulat in PRGF zur Augmentation eingesetzt (Abb. 6+10). Vor dem spannungsfreien Wundverschluss erfolgte eine Biologisierung des Wundgebiets mit PRGF.
  • Abb. 5: Einklappen Fenster.
  • Abb. 6: Augmentation.
  • Abb. 5: Einklappen Fenster.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 6: Augmentation.
    © Dr. Opitz

  • Abb. 7: Implantation regio 25, 27.
  • Abb. 8: Implantation regio 17.
  • Abb. 7: Implantation regio 25, 27.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 8: Implantation regio 17.
    © Dr. Opitz

  • Abb. 9: Röntgenkontrolle Implantation.
  • Abb. 10: Applikation PRGF.
  • Abb. 9: Röntgenkontrolle Implantation.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 10: Applikation PRGF.
    © Dr. Opitz

Der gesamte Eingriff wurde mittels Cephalosporin der 2. Generation und Metronidazol abgeschirmt. Der Zahn 16 musste entfernt werden, da dieser massive Zahnhartsubstanzdefekte aufwies, welche bis weit in den Sulcus reichten. Im Verlauf der Planung äußerte sich die Patientin kritisch gegenüber dem Implantatwerkstoff Titan und interessierte sich für eine Alternative in Form eines keramischen Implantats.

Aus diesem Grund fiel die Entscheidung dahingehend, zunächst den Zahn zu entfernen und zeitgleich die externe Sinusbodenelevation durchzuführen. Auf eine sofortige Implantation – wie ursprünglich geplant – wurde verzichtet.

  • Abb. 11: Extraktion 16.

  • Abb. 11: Extraktion 16.
    © Dr. Opitz
Wie auf der Gegenseite wurde auch hier ein Gemisch aus xenogenem und autologem Knochen in PRGF eingesetzt und in gleicher Weise antibiotisch abgeschirmt (Abb. 11 bis 13). Durch die simultane Extraktion und externe Sinusbodenelevation heilte der Bereich der Extraktion mittels sekundärer Granulation, während im Bereich des Sinus ein dichter Wundverschluss mittels zusätzlicher Barrieremembran (hier Jason, Straumann) zu erfolgen hatte, um eine Mund-Antrum-Verbindung zu verhindern (Abb. 14,15).
  • Abb. 12: Präparation Sinus 16.
  • Abb. 13: Augmentation 16.
  • Abb. 12: Präparation Sinus 16.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 13: Augmentation 16.
    © Dr. Opitz

  • Abb. 14: Membran appliziert.
  • Abb. 15: Wundverschluss.
  • Abb. 14: Membran appliziert.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 15: Wundverschluss.
    © Dr. Opitz

Neuplanung der Behandlung

In der Einheilzeit der Augmentate im Sinus maxillaris bzw. der Implantate setzt sich die Patientin eingehender mit der Thematik der Keramikimplantate auseinander. Aus diesem Grund erbat die Patientin die Entfernung der Titanimplantate und eine Versorgung mittels keramischer Implantate. In der Praxis des Autors werden primär zweiteilige Keramikimplantate der Firma Zeramex inseriert. 

Die Patientin wurde daraufhin in mehreren zeitlich unabhängigen Sitzungen über die Risiken eines solchen Eingriffs (z.B. Eröffnung Kieferhöhle, Sinusitis, Verlust an Knochenaugmentat, eventuelle Unmöglichkeit einer Neuimplantation oder Neuimplantation nur mit erheblichem augmentativem Aufwand) aufgeklärt. Außerdem wurde zur Verifizierung einer Titanunverträglichkeit ein Titanstimulationstest im IMD Berlin durchgeführt. Das Ergebnis dieses Tests war ein Wert im Grenzbereich, bei dem die Entzündungsneigung auf Titan weder komplett ausgeschlossen noch sicher attestiert werden kann.

  • Abb. 16: OP-Planung für Zeramex.

  • Abb. 16: OP-Planung für Zeramex.
    © Dr. Opitz
Aus diesem Grund wurde dem Patientenwunsch nachgegeben und eine Behandlungsplanung erstellt, in der die 3 Titanimplantate entfernt und im besten Fall sofort neuimplantiert werden sollten (Abb. 16). Mit der Patientin wurde ebenfalls besprochen, in regio 16 nach erfolgter Einheilung des Augmentats im Sinus maxillaris ein Keramikimplantat einzusetzen. Wir klärten sie darüber auf, dass bei Knochenverlust bei Implantatentfernung oder nicht ausreichender Primärstabilität der Keramikimplantate zunächst wieder ein Knochenaufbau notwendig wäre.

Probleme mit der Primärstabilität wurden dabei vor allem im II. Quadranten vermutet, da die Titanimplantate mit einem Durchmesser von 4,3 mm durch Keramikimplantate mit einem Durchmesser von 4,2 mm ersetzt werden sollten. Das Titanimplantat in regio 17 mit 5,0 mm Durchmesser sollte sich jedoch durch ein Keramikimplantat von 5,5 mm Durchmesser ersetzen lassen.

Zweite Implantatoperation mit Keramikimplantaten

  • Abb. 17: Wiedereröffnung regio 16.

  • Abb. 17: Wiedereröffnung regio 16.
    © Dr. Opitz
Der geplante Eingriff wurde in Lokalanästhesie und unter antibiotischer Abschirmung (Augmentan 875/125 mg) durchgeführt. Nach Eröffnung mittels Kammschnitt und vestibulärer Entlastung am mesial angrenzenden Zahn (Abb. 17) erfolgte zunächst die Entfernung des regulär osseointegrierten Titanimplantats (ISQ vor Explantation = 72) in regio 17 mithilfe des Kexim 2 Sets von BTI (Abb. 18). Dabei ließ sich das Implantat nach Eindrehen des kompatiblen Extraktors mithilfe der 200-Ncm-Drehmomentratsche gegen Uhrzeigersinn entfernen, ohne größere Verluste an Eigenknochen oder Augmentat zu verzeichnen (Abb. 19).
  • Abb. 18: Explantation 17.
  • Abb. 19: Explantierte Implantate.
  • Abb. 18: Explantation 17.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 19: Explantierte Implantate.
    © Dr. Opitz

  • Abb. 20: Implantation Zeramex.

  • Abb. 20: Implantation Zeramex.
    © Dr. Opitz
Der Bohrstollen wurde anschließend noch etwas mittels Versah Densah Burs im Linkslauf aufbereitet und ein Keramikimplantat der Firma Zeramex (Zeramex XT 5,5 mm x 8 mm) konnte primärstabil (ISQ = 71) inseriert werden. Anschließend wurde im eingeheilten Augmentat regio 16 ein weiteres Implantat Zeramex XT 5,5 mm x 8 mm primärstabil (ISQ = 73) inseriert (Abb. 20). Nach Applikation von PRF erfolgte der spannungsfreie Wundverschluss im I. Quadranten.

Danach erfolgte im II. Quadranten mit gleicher Schnittführung die Eröffnung des Operationsgebiets (Abb. 21). Auch hier kam zur Explantation das Kexim 2 von BTI zum Einsatz. Beide regulär osseointegrierten Implantate konnten mithilfe der Extraktoren und der Drehmomentratsche im Rückwärtslauf ohne größere Verluste an Eigenknochen oder Augmentat entfernt werden (Abb. 22).

  • Abb. 21: Wiedereröffnung regio 26.
  • Abb. 22: Explantation 25, 27.
  • Abb. 21: Wiedereröffnung regio 26.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 22: Explantation 25, 27.
    © Dr. Opitz

Trotz der geringeren Breite des Kieferkamms in regio 25 konnte ein Keramikimplantat (Zeramex XT 4,2 mm x 10 mm) primärstabil (ISQ = 68) eingesetzt werden, da die Gesamtlänge des Keramikimplantates (11,5 mm) leicht die des Titanimplantates (10 mm) überschritt und sich daher im darunterliegenden Augmentat verankern konnte. In regio 27 ließ sich aufgrund des ohnehin weicheren Knochens im Tuberbereich das Keramikimplantat jedoch nicht mit ausreichender Primärstabilität inserieren.

In Absprache mit der Patientin, die gerne eine weitere Operation vermeiden wollte, erfolgte daraufhin die Insertion des Keramikimplantats (Zeramex XT 4,2 mm x 10 mm) weiter mesial in regio 26 primärstabil (ISQ = 66) (Abb. 23, 24). Nach Applikation eines Cerasorb Foams in regio 27 sowie PRGF (Abb. 25, 26) und spannungsfreiem Wundverschluss verlief die Einheilung der Implantate komplikationslos.

  • Abb. 23: Implantation Zeramex 25, 26.
  • Abb. 24: Röntgenkontrolle post-OP.
  • Abb. 23: Implantation Zeramex 25, 26.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 24: Röntgenkontrolle post-OP.
    © Dr. Opitz

  • Abb. 25: Augmentation 27.
  • Abb. 26: Applikation PRGF.
  • Abb. 25: Augmentation 27.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 26: Applikation PRGF.
    © Dr. Opitz

Prothetische Versorgung

Nach ca. 4 Monaten Einheilzeit erfolgte die Freilegung der Zeramex-Implantate, wobei sich die Verschlusskappen der Implantate teilweise schon durch das Zahnfleisch abgezeichnet hatten (Abb. 27,28). Dabei konnten ISQ-Werte gemessen werden, die eine regelgerechte Einheilung implizieren (alle ISQ-Werte > 70).

  • Abb. 27: Einheilung rechts.
  • Abb. 28: Einheilung links.
  • Abb. 27: Einheilung rechts.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 28: Einheilung links.
    © Dr. Opitz

Nach ca. 14 Tagen weichgewebiger Ausheilung (Abb. 29,30) erfolgte der Oralscan der Kiefer. Die Implantate wurden auf beiden Seiten mit Zirkonabutments (25 Ncm Schraubenaktivierung der karbonfaserverstärkten VICARBO Schrauben) versorgt und mit provisorisch zementierten Einzelkronen verblockt (Abb. 31 bis 34). Zur besseren Einstellung der Okklusion und der Seitwärtsbewegungen erfolgte in diesem Zusammenhang auch eine elektronische Aufzeichnung der Unterkieferbewegungen mittels Zebris Plane Analyser.

  • Abb. 29: Einheilung rechts (2).
  • Abb. 30: Einheilung links (2).
  • Abb. 29: Einheilung rechts (2).
    © Dr. Opitz
  • Abb. 30: Einheilung links (2).
    © Dr. Opitz

  • Abb. 31: Zirkonkronen auf Modell.
  • Abb. 32: Abutments auf Modell.
  • Abb. 31: Zirkonkronen auf Modell.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 32: Abutments auf Modell.
    © Dr. Opitz

  • Abb. 33: Abutments eingegliedert.
  • Abb. 34: Zirkonkronen eingegliedert.
  • Abb. 33: Abutments eingegliedert.
    © Dr. Opitz
  • Abb. 34: Zirkonkronen eingegliedert.
    © Dr. Opitz

Die Patientin kam nach Eingliederung des neuen Zahnersatzes sofort sehr gut zurecht und es waren nur minimale okklusale Korrekturen notwendig. Die Patientin interessierte sich im Nachgang der Behandlung direkt dafür, im Unterkiefer mit den verbliebenen Titanimplantaten in gleicher Weise zu verfahren.

Fazit

Trotz umfangreicher Aufklärung über Alternativen bzgl. Keramik- und Titanimplantaten kann es auch im Nachgang eines erfolgreich erfolgten Eingriffes zu einer Revision des Implantatmaterials kommen. In diesem Fall stellte das Zirkonimplantat Zeramex XT für mich die bestmögliche sinnvolle Alternative zum Titanimplantat dar, da es sich bei diesem System um ein komplett metallfreies System handelt, was für die Patientin das Hauptkriterium war. Selbst die Halteschraube besteht aus einem carbonfaserverstärkten PEEK-Kunststoff und nicht wie bei manchen anderen Keramikimplantatsystemen aus Metall.

Gleichzeitig ist eine geschlossene, komplett unbelastete Einheilung aufgrund der Zweiteiligkeit des Implantatsystems möglich. Auch wenn Patienten/-innen bereits mit langjährig inserierten Titanimplantaten in der Zahnarztpraxis vorstellig werden oder weitere Insertionen geplant sind, sollte der/die behandelnde Zahnarzt/-ärztin nicht primär davon ausgehen, dass wieder Titanimplantate gewünscht werden. Unsere Patientenschaft wird auch durch soziale Netzwerke, den Austausch mit anderen Patienten/-innen und die Möglichkeiten des Internets immer stärker sensibilisiert für „biologische“ und „ästhetische“ Zahnheilkunde.

Deshalb ist es sinnvoll, neben unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten auch über verschiedene Werkstoffe, in diesem Fall Titan vs. Keramik, aufzuklären und auf Wunsch eine metallfreie Behandlung zu ermöglichen. Weiterhin empfiehlt es sich, bei unklarer Metallanamnese oder Skepsis des/der Patienten/-in einen Titanstimulationstest einzuleiten. Dazu kann man beispielsweise auch beim IMD Berlin bereits vorbereitete Flyer im Beratungsgespräch zur Entscheidungsfindung aushändigen.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Volker Opitz