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Implantate und Knochenantiresorptiva

Aufgrund der demographischen Entwicklung finden sich immer mehr Patienten unter Antiresorptivatherapie (Bisphosphonate, Denosumab). Eine Nebenwirkung stellt die Antiresorptiva-assoziierte Osteonekrose der Kiefer (AR-ONJ) dar, zu der eine S3-Leitlinie existiert, die Handlungsempfehlungen zur Osteonekrosevermeidung (Prophylaxe, Prävention, Früherkennung) sowie zur Osteonekrosediagnostik und -therapie bietet [1].

. Dr. Wolff
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Die Tatsache, dass Patienten wegen einer Bisphosphonatmedikation oder ähnlichen antiresorptiven Medikamenten eine Kiefernekrose entwickeln können, schreckt immer noch viele Behandler davor zurück, diese Patienten in der eigenen Praxis zu betreuen. Die Unsicherheit beinhaltet zum einen die einfache Prophylaxe als auch eine anstehende zahnärztliche kaufunktionelle Rehabilitation. Bei einer prothetischen Rehabilitation gilt es eine Versorgung zu wählen, die einerseits mit einem möglichst geringen Risiko der Entwicklung einer Osteonekrose einhergeht.

Andererseits ist in diesem Zusammenhang auch das allgemeinmedizinische Risiko eines eventuellen zahnärztlichen chirurgischen Eingriffs zu bedenken womit besondere Sicherheitskautelen bei Risikopatienten in den Vordergrund rücken. In Einzelfällen kann eine kaufunktionelle Rehabilitation auch einen implantologisch getragenen Zahnersatz beinhalten. Der mögliche Risikofaktor für die Entstehung einer medikamentenassoziierten Kiefernekrose durch eine Prothesendruckstelle durch tegumental getragenen Zahnersatz kann in Folge dessen durch eine Implantat-getragene Restauration reduziert werden.

Da in der oben genannten Leitlinie eine Handlungsempfehlung zur Indikation von Zahnimplantaten bei Patienten mit medikamentöser Behandlung durch Knochenantiresorptiva (inkl. Bisphosphonate) nicht explizit erwähnt wird, existiert eine weitere Leitlinie: „Zahnimplantate bei medikamentöser Behandlung mit Knochenantiresorptiva (inkl. Bisphosphonate)“ [2]. Diese Leitlinie wurde auf alle Kapitel, Empfehlungen und Statements überprüft und mit neuer Literatur aktualisiert.

Die vollständig freigegebene aktualisierte Leitlinie wird in Kürze einzusehen sein. Im Folgenden werden die Empfehlungen der Leitlinie mit aktueller Literatur aufgearbeitet.

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Einordnung der Medikamente

Aufgrund einer Grunderkrankung wie Osteoporose, Brust- oder Prostatakrebs nehmen viele Patienten Medikamente wie Bisphosphonate oder Denosumab ein. Diese Medikamente dienen dazu dem pathologischen Knochenabbau entgegenzuwirken. Einerseits bewirken Bisphosphonate, über eine effektive Hemmung der Osteoklastenaktivität eine positive Knochenbilanz und somit eine Reduktion der Knochenresorption.

Anderseits führen sie aber zu einer verminderten Knochenneubildungs- und -umbaurate („bone remodeling“), die unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Kiefernekrose führen kann. Für das Medikament Denosumab (ein monoklonaler Antikörper) wurden ähnliche Raten an Kiefernekrosen beschrieben, so dass der Begriff der Antiresorptiva-assoziierten Kiefernekrose eingeführt wurde. Eine Zusammenfassung der relevanten Medikamente, die eine Antiresorptiva-assoziierte Kiefernekrose auslösen können, ist in Tabelle 1 erkennbar.

Substanz Handelsname Prävalenz der ONJ
Pamidronat Aredia®  ++
Alendronat Fosamax®, Fosavance® +
Risedronat Actonel® +
Ibandronat Bonviva® 6 mg (+), 50 mg –
Zoledronat Aclasta® ++
Denosumab Prolia® & XGEVA® ++
Bevacizumab Avastin®
Sunitinib Stuten®
Trastazumab Herceptin®
Aflibercept Zaltrap®

Tab.1: Übersicht über die gängigsten Medikamente mit Handelsnamen (ohne Generika) und Prävalenz Einteilung.

Da diesen Medikamenten die Gemeinsamkeit der antiresorptiven Eigenschaften im Knochenmetabolismus zugrunde liegt, bzw. sie osteoprotektive Eigenschaften aufweisen, wurde der Begriff der Bisphosphonat-assoziierten Kiefernekrose durch den Terminus Antiresorptiva-assoziierte Kiefernekrose abgelöst. Die Begrifflichkeit der Medikamenten-assoziierten Kiefernekrose beschreibt dabei dieselbe Entität und umfasst insbesondere neue Medikamentenstoffgruppen, wie z. B. Bevazicumab (Avastin®), wobei diese sehr viel seltener mit einer Kiefernekrose assoziiert sind. Um einen richtigen Therapieweg für die Patienten zu bestimmen, ist es notwendig sowohl die physiologischen Grundlagen der Wirkungsweise der Medikamente zu kennen, als auch die Medikamentenwirkungsweise bei unterschiedlichster Dosierung in das Risiko einzuordnen.

Bakterielle lokale Weichgewebsentzündungen wie bei einer Parodontitis oder bakteriell besiedelte offene Weichteilknochenwunden wie Extraktionsalveolen und Prothesendruckstellen werden als Hauptfaktor bei der Entstehung einer Antiresorptiva-assoziierten Kiefernekrose angesehen. Der physiologische Schutzmechanismus des Knochens, die Knochenresorption und der Knochenaufbauprozess bleiben aus und somit steht das Knochengewebe dann schutzlos der Entzündung gegenüber. Schon die einmalige Einnahme eines antiresorptiven Medikamentes kann ursächlich für eine spätere Kiefernekrose sein.

Hierbei ist allerdings anzumerken, dass dies selten ist und meist ein kumulatives, langsam über die Zeit ansteigendes Kiefernekrose-Risiko entsteht. Das Bisphosphonatmolekül selbst bindet sich relativ stabil an das Hydroxylapatit des Knochens.

Die daraus resultierende unkalkulierbare lange Verweilzeit des Medikamentes (sogenannte Halbwertszeit) erklärt die Herausforderung bei diesem Medikament. Auch nach jahrelangen symptomlosen Mundschleimhautverhältnissen kann sich schließlich noch eine Kiefernekrose entwickeln.

Obwohl die Halbwertszeit bei dem Denosumab wesentlich kürzer ist, zeigen sich klinisch keine relevanten Unterschiede bezüglich des individuellen Kiefernekrosen-Risikos. Dies widerspricht zwar der Plausibilität, gibt uns aber derzeit auf, auch bei diesen Patienten mit Denosumab-Medikation Sicherheitskautelen walten zu lassen. Hinzu kommt der Hinweis der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, die auf das Risiko eines überschießenden Knochenabbaus nach Absetzen des Denosumab hinweist, so dass ein Absetzen entweder unterlassen werden sollte, oder sehr engmaschig die Knochendichte kontrolliert werden sollte, oder dennoch wieder zu den althergebrachten Bisphosphonaten zurückgegriffen werden sollte [3].

Definition und Inzidenz

Die Kriterien für ein Vorliegen einer Antiresorptiva-assoziierten Kiefernekrose sind:

  • ein für mehr als acht Wochen exponierter nekrotischer oder sondierbarer Knochen, 
  • eine laufende oder frühere Einnahme von osteoprotektiven (Bisphosphonate/Denosumab)
  • keine stattgehabte Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich bzw. keine Metastasierung [1].

Hierzu ist anzumerken, dass eine Radiatio eine Medikamenten-assoziierte Kiefernekrose nicht ausschließt. Histologisch kann man die Nekrosen partiell sogar auseinanderhalten.

Das Leitsymptom einer Antiresorptiva-assoziierten Kiefernekrose ist der inspektorisch oder sondenpalpatorisch freiliegende Knochen. Weitere klassische Symptome sind Zahnlockerungen, Foeter ex ore, Kieferkammfisteln mit oder ohne Exsudation, Schwellungen oder spontane Sensibilitätsstörungen in der Unterlippe (Vincent-Symptom).

Ein vorhandener oder „kommender und gehender“ Schmerz eines Patienten ist nicht als Leitsymptom anzusehen. Dieser ist eher Ausdruck der (Super-) Infektion und häufig von zusätzlicher Pus-Exsudation gekennzeichnet.

Die wahrscheinlich häufigste Behandlung mit Antiresorptiva erfolgt bei primärer Osteoporose mit oraler Bisphosphonatmedikation oder einer intravenösen Dosis nur ein Mal pro Jahr. Bei sekundärer Osteoporose oder malignen Erkrankungen ohne Knochenmetastasen hingegen indizieren meistens i.v.-Gaben in Frequenzen von zwei bis vier Mal pro Jahr [1]. Ossäre Metastasierungen und das multiple Myelom implizieren eine intravenöse Gabe alle 4 Wochen [4,5].

Neben den oben genannten Antiresorptiva werden mittlerweile auch eine Reihe weiterer Medikamente verdächtigt, die eine Kiefernekrose auslösen können. Gesicherte Daten gibt es dabei nur zur Prävalenz einer Kiefernekrose unter dem Angiogenesehemmers Bevacizumab, der (ohne begleitende Bisphosphonat-Medikation) bei 0,3-0,4 % liegt [6]. Die Kombination eines Angiogenesehemmers wie Bevacizumab oder Sunitinib mit Bisphosphonaten zeigt jedoch eine Risikoeskalation mit einer Prävalenz der Kiefernekrose von 16 % [7].

Weitere Fallberichte über ausgelöste Kiefernekrosen zeigen die Medikamente Trastazumab (Handelsname: Herceptin ®) sowie Aflibercept (Handelsname: Zaltrap®) [8-10]. Eine Aussage über die mögliche Prävalenz dieser Medikamente kann zurzeit noch nicht getroffen werden.

Für die zahnärztliche Anamnese und Befunderhebung sind somit die Gruppe der Antiresorptiva und das einzelne Medikament Avastin® wichtig. Diese sollten auch im Anamnesebogen berücksichtigt werden. Häufig zeigt es sich, dass Patienten zwar wissen, dass sie Medikamente „gegen Osteoporose“ einnehmen, jedoch ist ihnen die potentielle Problematik dessen nicht bewusst.

Das Risiko, eine Nekrose zu entwickeln, hängt von der Grunderkrankung, der Art der antiresorptiven Substanz, der Dauer und der Frequenz und weiteren Faktoren ab. Zusätzlich kommen Triggerfaktoren hinzu, wie entzündliche Veränderungen in der Mundhöhle, wie Parodontitiden, Periimplantitiden oder auch chirurgische Eingriffe, wie Zahnentfernungen und Prothesendruckstellen.

Die vorkommenden Kiefernekrose-Ereignisraten können in drei typische Patientenkollektive zugeordnet werden:

1. niedriges Risikoprofil bei Patienten mit Osteoporose und BP- oder Denosumab-Medikation

Hierbei liegt die vermutete Risiko-Range einer Kiefernekrose zwischen 0 bis 0,5 %.

Die Prävalenz bei Bisphosphonat Medikation liegt bei 0,0-0,5 % (BP-Medikation < 4 Jahre: 0,04 % und BP-Medikation > 4 Jahre: 0,21 %). Die Prävalenz unter Denosumab liegt bei 0,13-0,21 %. Die Bisphosphonatmedikation ist: oral (u. a. Alendronat, Ibandronat oder Risedronat), intravenös (Zoledronat 5 mg alle 12 Monate, Ibandronat 3 mg/3 ml alle 3 Monate), subcutan (Denosumab 60 mg alle 6 Monate).

2. mittleres Risikoprofil bei Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren, wie Prävention skelettbezogener Komplikationen bei Tumorerkrankungen und i.v.-BP-Medikation, Patienten mit therapie-induzierter Osteoporose, sekundärer Osteoporose und Therapieindikationen zur Vermeidung von Skeletal Related Events (SRE), Co-Medikation mit Immunmodulatoren (Rheumamedikamente, u. a. MTX)

Hierbei liegt die vermutete Risiko-Range einer Kiefernekrose bei bis zu 1 %.

Die Bisphosphonatmedikation ist: intravenös (z. B. Zoledronat 4 mg alle 6 Monate), oder orale Bisphosphonate mit gleichzeitiger Medikation mit Immunmodulatoren und/oder mit wundheilungs- oder immunmodulierender Grunderkrankung.

3. hohes Risikoprofil bei therapeutischen onkologischen Indikationen (z. B. Knochenmetastasen, multiples Myelom) und monatlicher i.v.-BP-Medikation oder monatlicher s.c. Denosumab-Medikation (120 mg)

Hierbei liegt die vermutete Risiko-Range einer Kiefernekrose bei 1 bis 21 %.

Die Bisphosphonatmedikation ist: intravenös (z. B. Zeledronat 4 mg alle 4 Wochen) Die Denosumabmedikation ist: subcutan (120 mg alle 4 Wochen).

Wie weiter oben schon beschrieben existieren weitere Medikamente, die mit einer Kiefernekrose assoziiert sind. Zusätzlich sollten neue Substanzen (wie mTOR-, VEGF-, TK-Inhibitoren) betrachtet werden. Hier kann anhand der vorliegenden Ereignisraten eine Einteilung in ein geringes Risiko angenommen werden. Bisher wurden nur in einer Studie Prävalenzen von 0 bis 0,5 % (Mittel: 0,2 %) genannt [1].

Indikationsfindung

Bei allen Patienten unter bzw. nach antiresorptiver Therapie, die eine Indikation für dentale Implantate haben, soll zunächst das individuelle Osteonekroserisiko evaluiert werden. Wichtige Einflussfaktoren sind:

  • Grunderkrankung
  • Antiresorptive Medikation:
    – Applikationsart,
    – Dauer und
    – Frequenz
  • Weitere Medikation/Therapie: Hormontherapie, Immun- oder Antikörpertherapie, Chemotherapie, antiangiogenetische Therapie, Kopf-Hals-Strahlentherapie und vorausgegangene Osteonekrose der Kiefer.

Vor kaufunktioneller Rehabilitation sollte das individuelle Risikoprofil des Patienten erhoben werden. Hierzu wurde – im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Implantologie, orientiert am Ampelschema der SAC-Klassifikation – ein Risiko-Evaluationsbogen entworfen.

Die Einschätzung des Risikos erfolgt nach der Grunderkrankung und Indikation der antiresorptiven Therapie, nach der Medikation, nach der Häufigkeit der Medikation, nach weiteren ggf. onkologischen Therapien und nach der lokalen Knochenneubildungsrate bzw. der knöchernen Situation. Hierbei wird das ONJ-Risiko in „niedrig = grün“, „mittel =gelb “ und „hoch = rot“ eingestuft [11].

Notwendige zahnärztliche Eingriffe zur Sanierung von Infekten und Reduktion des Infektrisikos sollen vor Implantationen durchgeführt werden. Die Wundheilung soll mit zur Risikoevaluation einfließen.

Aus dem Verständnis der Knochenphysiologie (Heilung nach Extraktion, Osteogenese etc.) in Kombination mit antiresorptiven Medikamenten erklärt sich die Problematik einer eventuellen zahnärztlich-chirurgischen Maßnahme. Möglich wäre es, dass jeder operative Eingriff am Kiefer eines Antiresorptiva-Patienten das Risiko einer späteren Kiefernekrose erhöht.

Ein Unterlassen eines Eingriffs (Zahnentfernung) bei relevanter dentaler Infektion führt zu einer höheren Wahrscheinlichkeit einer späteren Osteonekrose. Die Implantatindikation soll dahingehend überprüft werden, ob Prothesendruckstellen vermieden und damit mittelbar das Osteonekrose-Risiko gesenkt wird.

Andererseits stellt ein weiterer Risikofaktor die Prothesendruckstelle dar, die ebenfalls die Entstehung einer Osteonekrose triggern können [12]. Zur Reduzierung des Risikos der Prothesendruckstelle ist die Insertion von Implantaten eine gute Möglichkeit, um tegumental getragenen Zahnersatz zu umgehen. Dabei jedoch ist es einerseits denkbar, dass durch eine gesenkte bone remodelling und Knochenneubildungs-Rate das Implantat länger oder schlechter einheilen könnte.

Andererseits muss das individuelle Risiko des Eingriffes abgeschätzt werden, ob durch den Eingriff selbst oder durch eine eventuelle spätere Infektion (Periimplantitis) eine Kiefernekrose ausgelöst werden könnte [3]. Klinische und radiologische Befunde, die einen Hinweis auf eine Kompromittierung der Weichgewebsheilung, des Knochenumbaus oder der Knochenneubildungsrate geben, sollen erhoben werden und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Ein besonderes Augenmerk sollte dabei in der präoperativen Beachtung der Befunde liegen. Dabei ist dem radiologischen Befund der „peristierenden Alveole“ eine sehr hohe Bedeutung beizumessen. Das bedeutet, dass wenn auch noch nach sechs Monaten einer stattgefundenen Zahnentfernung in der Panoramaschichtaufnahme keine oder nur eine gering ausgeheilte Alveole erkennbar ist, so kann von einer sehr geringen knöchernen Regeneration ausgegangen werden [13].

Falls dieses der Fall sein sollte, kann das als Indikationseinschränkung für eine Implantation gesehen werden. Der klinisch und radiologische Heilungsverlauf der Alveolen sollte demnach mit in die Evaluation einer möglichen Implantation einhergehen [2]. Bei Patienten mit antiresorptiver Therapie sollten Kieferaugmentationen im Rahmen implantologischer Versorgung vermieden werden oder einer besonders strengen Indikationsprüfung unterzogen werden.

Umfangreiche augmentative Maßnahmen sind mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an Wundheilungsstörungen assoziiert und gerade bei Patienten mit antiresorptiver Therapie kann dies zum Implantatmisserfolg führen. Einschränkend muss erwähnt werden, dass die Datenlage hierzu sehr schwach ist.

Der prothetische Nutzen einer Pfeilervermehrung zur Verbesserung der Prognose der Restbezahnung kann nach denselben Kriterien erfolgen, wie bei gesunden Patienten ohne antiresorptive Therapie. Unter Berücksichtigung des Patientenwunsches steht die Aufklärung des Patienten für eine selbstbestimmte Therapieentscheidung in der präoperativen Phase eigentlich an oberster Stelle. Vor der geplanten operativen zahnärztlich-chirurgischen Leistung soll der Patient über das individuelle Risiko einer Osteonekrose unterrichtet werden.

Die Aufklärung sollte ebenfalls die Alternativen der Therapie mit allen Vor- und Nachteilen sowie die Aufklärung über die strukturierte Nachsorge, inklusive dem Hinweis über diesbezügliche Folgekosten, beinhalten.

Angesprochene Punkte sollten sein:

  • das individuelle Risiko
  • Vor- und Nachteile von prothetischen Versorgungen mit Einbezug implantologischer Lösungen
  • Kosten und Folgekosten (Periimplantitis)
  • Risiko einer Osteonekrose durch einen zahnärztlich-operativen Eingriff, also die Implantation selbst
  • Risiko einer Periimplantitis
  • Nachsorge, Prophylaxe
  • Patienten-Prognose quoad vitam
  • Für die Implantation selbst: übliche chirurgische Risikoaufklärung, inklusive Lokalanästhesie, Nervschädigung etc.
  • Erfolgsprognose bzw. Gegenüberstellung Implantate bei Antiresorptiva-Patienten mit „gesunden“ Patienten- Prognosen“ [14].

Zusammenfassung zur Implantatindikation

In der aktuellen Leitlinie, sowie in der aktualisierten Form, ist eine Übersicht der Vor- und Nachteile einer Implantatindikation zusammengefasst (siehe Tabelle 2). An dieser Tabelle ist es sinnvoll sich mit dem Patienten zusammen „entlang zu hangeln“.

Für ein Implantat sprechen Gegen ein Implantat sprechen
Niedrigeres Osteonekroserisiko Höheres Osteonekroserisiko
Keine Osteonekrose in der Eigenanamnese Bestehende/vorausgegangene Osteonekrose
Keine Infektionsherde Bestehende Infektionsherde
Klinisch keine scharfen Knochenkanten, radiologisch keine persitierenden Alveolen Klinisch und radiologisch schlechtes bone remodeling und schlechte Knochenneubildungsrate
Gute Compliance Schlechte Compliance
Gute Mundhygiene Schlechte Mundhygiene
Vermeidung von Prothesendruckstellen Keine Vermeidung von Prothesendruckstellen
Hohe Indikationsstärke Fragliche Notwendigkeit eines Implantates bzw. gleichwertiger konventionell prothetischer Ersatz möglich
Keine Augmentation erforderlich Notwendigkeit einer Augmentation

Tab. 2: Übersicht und Zusammenfassung zur Implantatindikation bei Antiresorptiva Patienten. Aus S3- Leitlinie: „Zahnimplantate bei medikamentöser Behandlung mit Knochenantiresorptiva (inkl. Bisphosphonate)“.

Drug Holiday?

Es gibt keine belastbaren Daten, die den Nutzen eines zeitweiligen Absetzens der Antiresorptiva (drug holiday) belegen. Es lässt sich keine Empfehlung ableiten.

Auf Basis der aktuellen Studienlage kann man keine klare Empfehlung für das perioperative Absetzen der Antiresorptiva zur Vermeidung von Osteonekrosen ableiten.

Perioperative Antibiose?

Eine perioperative systemische Antibiotika-Prophylaxe soll stattfinden. „Zum genauen zeitlichen Ablauf, d. h. Beginn und Weiterführung der Prophylaxe bemessen am Operationszeitpunkt, kann keine valide Aussage getroffen werden. Analog zur Endokarditisprophylaxe könnte eine Einzeldosis 30-60 Min. vor dem Eingriff ausreichend sein, wobei in der Literatur partiell auch früher begonnen und über einen Zeitraum von mehreren Tagen das Antibiotikum verabreicht wird. Die S3-Leitlinie zur Antiresorptiva-assoziierten Kiefernekrose (AR-ONJ) beschreibt eine prolongierte perioperative, systemische antibiotische Abschirmung bis zum Abklingen klinischer Zeichen einer Keimbelastung“ [2].

Implantaterfolg?

Bei korrekter Risikoeinstufung des Patienten und Einhaltung der oben genannten Punkte ist eine Implantation häufig erfolgreich. Zurückliegende Studien und Metaanalysen sowie Literaturauswertungen geben die Implantatüberlebensrate mit 95-100 % [15,16] bzw. 86 % [17] an. Auch wenn die meisten Studien Patienten mit einem eher niedrigen Risiko, eine Kiefernekrose zu entwickeln, beinhalten (Patienten mit primärer und sekundärer Osteoporose sowie oraler Bisphosphonatmedikation), gibt es zwei systematische Reviews aus dem Jahre 2013 mit Patienten unter oraler bzw. intravenöser Bisphosphonattherapie, die keine Kontraindikation für eine Implantattherapie ableiten [18,19].

In einem aktuellen systemischen Review bei Patienten mit Antiresorptiva-Therapie wurden die Implantat-Verlustraten und die Implantat-assoziierten Kiefernekroseraten analysiert. Die elektronische Suche in PubMed/Medline identifizierte n = 411 Artikel von denen gemäß den Einschlusskriterien n = 32 Studien mit n = 5.221 Patienten und n = 12.751 Implantaten eingeschlossen und ausgewertet wurden.

Die Implantatverlustrate betrug 4,8 % (n = 618/12.751) und die Patienten-bezogene Kiefernekroserate 2,6 % (n = 136/5.221). Eine weitergehende belastbare Auswertung z. B. zur Differenzierung Früh- versus Spätverlusten, oraler versus i.v.-Medikation war nicht möglich [20].

Auch wenn die Ergebnisse der Metaanalyse zunächst zu enttäuschen scheinen (da augenscheinlich keine neuen Aspekte benannt werden), sind dennoch zwei wertvolle Schlussfolgerungen möglich. Nachdem das Krankheitsbild ONJ jetzt mehr als 15 Jahre klinisch geläufig ist, verweisen auch große Fallzahlen 1. nicht auf eine höhere Implantatverlustrate gegenüber der „Normalbevölkerung“ und 2. nicht auf eine höhere ONJ-Rate gegenüber Patienten ohne Implantatversorgung [21].

Fazit

Eine Implantation bei Patienten unter antiresorptiver Medikation scheint in der heutigen Zeit vertretbar und die Langzeitprognosen erscheinen günstig. Nichtsdestotrotz sollten die Risiken wie eine „Antiresorptiva-assoziierte Kiefernekrose (AR-ONJ)“ mit dem Patienten im Vorfeld genau betrachtet werden. Ob und wie es zu einer Antiresorptiva- assoziierten Kiefernekrose kommt, hängt stark von vielen Faktoren ab (welches Medikament, wie lange, wie oft und in welcher Dosis).

Die Insertion von Implantaten bei Antiresorptiva-Patienten kann unter bestimmten Voraussetzungen die kaufunktionelle Rehabilitation beinhalten und somit wahrscheinlich das Risiko einer Osteonekroseentwicklung über die Vermeidung von Prothesendruckstellen reduzieren. Weitere Langzeitstudien sind jedoch notwendig, um die Erfolgswahrscheinlichkeit der implantologisch-prothetischen Lösung des Patienten zu evaluieren.

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