Implantologie allgemein

Misserfolge minimieren, Langzeitergebnisse verbessern

Implantaterhaltung – der Langzeiterfolg beginnt mit der Implantatplanung

Abb. 1: Aus dentalhygienischer Sicht ist die Suprakonstruktion optimal gestaltet, wenn die Gingiva der Restauration eng anliegt und die Reinigungsbürstchen unter leichtem Druck einzuführen sind.
Abb. 1: Aus dentalhygienischer Sicht ist die Suprakonstruktion optimal gestaltet, wenn die Gingiva der Restauration eng anliegt und die Reinigungsbürstchen unter leichtem Druck einzuführen sind.

Jährlich werden in Deutschland etwa 1 Million Implantate inseriert. Hohe Überlebensraten weisen den Erfolg führender Implantatsysteme und etablierter Techniken in der Frühphase der Osseointegration aus. Zunehmend stellen jedoch periimplantäre Entzündungsprozesse, wie die periimplantäre Mukositis oder Periimplantitis nach der prothetischen Versorgung, besondere Herausforderungen für den Behandler dar. Damit kommt der professionellen Erhaltungstherapie von Implantaten – wie hier an einem Beispiel gezeigt - eine große Bedeutung zu. Doch die Prävention von periimplantären Entzündungen beginnt schon früher.

Jedem implantologisch tätigen Zahnarzt muss bewusst sein: Keine Implantation ohne Vorbehandlung! Unter dem Druck des Praxisalltags oder den durch den Patientenwunsch gesetzten Zeitvorgaben wird die Vorbehandlung des Patienten jedoch bisweilen auf ein Minimum reduziert. Zum Leidwesen aller Beteiligten. Denn die in der Folge häufiger auftretenden Entzündungen werden ohne engmaschiges Recall vom Patienten oftmals viel zu spät bemerkt. Sie entwickeln sich bisweilen zu progredienten, schwer kontrollierbaren Entzündungsprozessen, die das gesamte Praxisteam fordern.

Interdisziplinäre Behandlungsplanung

  • Abb. 2: Sicherheit durch maschinierten Hals unterschiedlicher Höhe bei maximaler prothetischer Flexibilität.

  • Abb. 2: Sicherheit durch maschinierten Hals unterschiedlicher Höhe bei maximaler prothetischer Flexibilität.
Dabei sollte das gesamte Behandlungsteam schon viel früher potenzielle Lösungen für den Patienten besprechen, um genau diesen Praxisstress zu verhindern. Die Frage, wo welche Implantate gesetzt werden könnten und welche prothetische Rekonstruktion angesichts der Compliance des Patienten am sinnvollsten erscheint, sollte immer im gesamten Praxisteam entschieden werden. Dreh- und Angelpunkt ist die Entscheidung für abnehmbare oder festsitzende Strukturen und deren Gestaltung auf der Basis eines backward plannings. Hierbei kommen insbesondere solche Implantatlinien dem Behandler entgegen, die für jede prothetische Lösung die entsprechenden maschinierten Halshöhen anbieten. Wird der maschinierte Hals des Implantats und der Halsbereich des Abutments schon in der Planung als eine Einheit betrachtet, lassen sich mit nur wenigen (standardisierten) Abutments kostengünstige Lösungen finden, die auch noch andere klinische Vorteile haben (Abb. 2).

Maschinierter Hals für sichere Weichgewebsanlagerung

Ein Implantat mit einem besonders langen maschinierten Hals kann beispielsweise dann gezielt eingesetzt werden, wenn besonders viel Augenmerk auf eine gute Reinigung der Suprastrukturen gelegt wird. Die Anwendung von Interdentalbürstchen ist für den Patienten dann besonders einfach, weil dem Zahntechniker durch den langen maschinierten Hals genug Möglichkeiten für die putzfreundliche Gestaltung der Suprakonstruktion gelassen wird (Abb. 1).

Eine solche vorwiegend funktionell ausgelegte Versorgung profitiert ausserdem davon, dass die Distanz der Implantatverbindung zum Knochen recht weit ist. Dies beeinflusst sowohl das bone remodelling als auch die Weichgewebsdimensionen positiv [1]. Die Ästhetik und Langzeitprognose des Implantats verbessert sich entscheidend.

Suprakrestal gesetzte Implantate mit weniger ausgeprägten maschinierten Halsanteilen sind hingegen für alle Standardsituationen geeignet, wo geringere okklusale Abstände oder dünnere Gingivatypen keinen breiteren Hals zulassen. Der schmalere Hals schützt auch hier durch die Gingivamanschette die implantatintegrierenden Knochenanteile. Plaqueanlagerungen können vom maschinierten Hals einfach entfernt werden, bevor sich die bakterielle Infektion auf die rauen Implantatoberflächen ausbreitet und sich zu einer unkontrollierbaren Periimplantitis ausweitet.

Vorteile von verschraubten Rekonstruktionen

Muss die Implantat-Abutment-Verbindung aus klinisch- ästhetischen Gesichtspunkten näher an den Knochen verlagert werden, helfen verschraubte Restaurationen die Gefahr von zurückgelassenen Zementresten und Entzündungen zu umgehen. Auch wenn mit Hilfe individuell gefertigter Abutments die Kontrolle und Entfernung von Zementresten vereinfacht wird, so kann zurückgelassener Zement auch nach Jahren noch die Ursache für Periimplantitis sein [2]. Außerdem erleichtern verschraubte Suprakonstruktionen bei technischen Fehlern, wie z. B. Chipping, die schnelle und kostengünstige Reparatur. Auch die ästhetischen Anpassungen und reinigungsfreundliche Umgestaltung von Brückenzwischengliedern, wie sie als Reaktion auf interimplantäre Knochenumbauvorgänge bisweilen notwendig wird, werden erleichtert.

Unabhängig von all diesen Punkten, die Sie mit Ihrem Team schon während der Implantatplanung in die richtige Richtung lenken können, kann das Auftreten von Periimplantitis durch eine Erhaltungstherapie nachgewiesenermaßen erheblich reduziert werden [3].

Implantaterhaltung nach prothetischer Versorgung

Ziel der Implantaterhaltungstherapie ist die möglichst frühzeitige Erkennung periimplantärer Entzündungen in der Phase der reversiblen Mukositis und die sofortige Behandlung.

Im Folgenden werden exemplarisch alle wichtigen Schritte der professionellen Implantaterhaltungstherapie gezeigt, wie wir sie schon seit Jahren in unserer Praxis erfolgreich durchführen:

1. Update der Anamnese und allgemeine Untersuchung extra- und intraoral

Veränderungen des Gesundheitszustandes oder der medikamentösen Therapie werden vom Patienten nur selten in Zusammenhang mit der Implantattherapie gebracht, erst recht nicht, wenn die Implantate bereits versorgt sind. Es ist daher besonders wichtig, die allgemeine Anamnese des Patienten auch in der Erhaltungstherapie regelmässig einem Update zu unterziehen.

Die Untersuchung des intraoralen Weichgewebes und der Restbezahnung sollten Bestandteil jedes Recalltermins sein.

2. Inspektion der periimplantären Weichgewebsstrukturen, Sondierung

  • Abb. 3: Die Sondierung mit Kunststoffsonde am Implantathals gibt keinen Hinweis auf periimplantäre Entzündung im Sinne eines positiven BOPs.

  • Abb. 3: Die Sondierung mit Kunststoffsonde am Implantathals gibt keinen Hinweis auf periimplantäre Entzündung im Sinne eines positiven BOPs.
Die rein visuelle Inspektion der perioralen Weichgewebe auf Rötung und Schwellung sowie auf Zeichen der Suppuration gibt einen ersten Hinweis auf den periimplantären Gesundheitszustand. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine periimplantäre Erkrankung sicher zu diagnostizieren. Zu diesem Zweck ist die vorsichtige Sondierung des Gewebes idealerweise mit einer flexiblen Kunststoffsonde am besten geeignet. Um die fragile Anlagerung des Weichgewebes am Implantathals nicht zu stark zu schädigen, muss die Sonde mit sehr viel weniger Druck als beim Sondieren eines natürlichen Zahns geführt werden (Abb. 3).

Wichtig ist den Verlauf der Sondierungstiefen der einzelnen Recallsitzungen zu dokumentieren, um eine Zunahme der Sondierungstiefen als Warnzeichen für eine Mukositis oder Periimplantitis zu erfassen. Auch der positive BOP-Befund sichert die Diagnose einer periimplantären Entzündung.

3. Röntgen

Während die Diagnose einer Mukositis anhand von klinischen Parametern gestellt werden kann, wird die Diagnose der Periimplantitis erst durch den röntgenologischen Befund des Knochenabbaus verifiziert. Das bedeutet, dass bei jeder diagnostizierten Mukositis eine ergänzende radiologische Diagnostik durchgeführt werden muss, um die geeigneten therapeutischen Maßnahmen frühzeitig ergreifen zu können (Abb. 4).

  • Abb. 4a und b: Röntgenkontrolle der Implantate im Verlauf: Bei Implantation, nach prothetischer Versorgung.
  • Abb. 5: Vorführung der Anwendung einer elektrischen Zahnbürste. Der Patient verfolgt die Führung der Bürste im Spiegel und wiederholt die Bewegung noch in der Praxis.
  • Abb. 4a und b: Röntgenkontrolle der Implantate im Verlauf: Bei Implantation, nach prothetischer Versorgung.
  • Abb. 5: Vorführung der Anwendung einer elektrischen Zahnbürste. Der Patient verfolgt die Führung der Bürste im Spiegel und wiederholt die Bewegung noch in der Praxis.

4. Patienteninstruktion

Der Patient sollte nun über seine Befunde aufgeklärt werden. Auf den Zusammenhang Mundhygiene/ periimplantäre Entzündung kann theoretisch nicht oft genug hingewiesen werden. De facto profitiert der Patient jedoch am besten davon, wenn die häuslichen Mundhygienemittel in der Anwendung geübt werden. Im Dialog können Probleme in der Anwendung der Mundhygienehilfsmittel direkt herausgefunden und ggf. andere Möglichkeiten gesucht werden. Die Dentalhygienikerin legt auf der Basis dieser Diskussion und Instruktion die Recallintervalle und ggf. unterstützende Maßnahmen fest (Abb. 5).

5. In-office-Reinigung: Scaling und Politur

  • Abb. 6: Bestimmte Pulverstrahlgeräte ermöglichen die schonende Entfernung des Biofilms sowohl supra- als auch subgingival. Die schützende Weichgewebsanlagerung am maschinierten Implantathals wird dadurch nicht gestört.

  • Abb. 6: Bestimmte Pulverstrahlgeräte ermöglichen die schonende Entfernung des Biofilms sowohl supra- als auch subgingival. Die schützende Weichgewebsanlagerung am maschinierten Implantathals wird dadurch nicht gestört.
Nach der Diagnostik und Instruktion ist das in-office-Biofilmmanagement der wichtigste Bestandteil der Erhaltungstherapie. Die effiziente Biofilmentfernung kann mit Handinstrumenten oder maschinell erfolgen. Es bietet sich an, zunächst die Entfernung festsitzender Konkremente vorzunehmen und dann die weichen Beläge zu entfernen. Dieses sequenzielle Vorgehen sichert die volle Effektivität der Einzelmaßnahmen. Als besonders geeignet für die Belagsentfernung haben sich in unserer Praxis Pulverstrahlgeräte erwiesen, die sowohl ober- als auch unterhalb des Zahnfleischsaums einsetzbar sind. Durch die feine Körnung kann der Pulverstrahl auch am maschinierten Implantathals einfach eingesetzt werden, ohne dass danach eine Politur der behandelten Oberflächen notwendig wird. Die Adaptation des Weichgewebes am Implantathals wird dadurch nicht gestört und die Ursache für periimplantäre Entzündungen trotzdem konsequent und schonend beseitigt. Das im Pulver enthaltene Chlorhexidin (0,3 %) hat einen antibakteriellen Effekt, so dass wir nur beim Vorliegen starker Mukositiden noch Chlorhexidin-Gele als antiseptisches Depot einbringen (Abb. 6).


VERWENDETE MATERIALIEN

Implantatsystem:
ELEMENT LC Implantat
(Thommen Medical AG, Weil am Rhein)

Pulverstrahlgerät:
Air-Flow® Handy 3.0 und Air-Flow® Pulver plus
(E.M.S. Electro Medical Systems S.A., CH-Nyon)

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Valerie van Brakel

Bilder soweit nicht anders deklariert: Valerie van Brakel