Implantologie im ästhetischen Bereich Interaktion zwischen Praxis und Labor

Im ersten Teil des Beitrages "Implantologie im ästhetischen Bereich Interaktion zwischen Praxis und Labor" (DENT IMPLANTOL 14, 3, 166 176 (2010) wurde ausführlich beschrieben, dass der Erfolg einer implantologischen Versorgung im ästhetisch anspruchsvollen Bereich mit dem Verhalten des periimplantären Weichgewebes steht oder fällt. Das Material des individuellen Abutments und die Vorgehensweise, das definitive Abutment bei der Freilegung des Implantates zu inserieren und nicht mehr zu entfernen, scheinen die weichgewebige Integration deutlich zu unterstützen. Teil 2 zeigt die weitere klinische und prothetische Vorgehensweise und Versorgung.
Teil 2
Durch das einmalige Einbringen des Implantatabutments bei der Freilegung des Implantates kann das auf die Keramikoberfläche inserierende weichgewebige Attachment erhalten bleiben, wodurch eine bakterielle Besiedelung oder eine Epitelisierung der Kontaktfläche vermieden wird. Eine provisorische Versorgung des Implantates ist wegen der nicht vorhersehbaren Reaktion des Weichgewebes dennoch notwendig. Da die Biologie gestützt und die Verbindung vom Implantat zum Abutment abgeschlossen ist besteht keine Notwendigkeit darin, die definitive Krone möglichst schnell einzugliedern. Die Tragezeit des Provisoriums sollte sich bis zur vollkommenen Ausheilung des Weichgewebes erstrecken und es ist sinnvoll, die Zeitspanne als Sicherheitspuffer darüber hinaus auszudehnen.
Fall 1: Sofortimplantat mit begleitendem Weichgewebsaufbau
Die 24-jährige Patientin wies einen persistierend dolenten, endodontisch behandelten und zweifach resizierten Zahn 21 auf (Abb. 1 bis 3). Nach schonender Zahnextraktion wurde ein Sofortimplantat mit begleitendem Weichgewebsaufbau (palatinales BGT, Pouch Technik) und vestibuläre Knochenrekonstruktion (Geistlich Bio-Oss®, Geistlich Bio-Gide®, Geistlich Materials, Baden-Baden) durchgeführt. Nach 10-wöchiger Einheilzeit wurde das definitive Abutment, bei der Freilegung inseriert und mit einer provisorischen Einzelkrone versorgt (Abb. 4 bis 6). Die weichgewebige Integration der prothetischen Rekonstruktion verlief erfolgreich. Die periimplantäre Gingiva wies nach sechs Monaten Tragezeit des Provisoriums reizfreie stabile Verhältnisse auf. Bei vorsichtigem Sondieren ergab die Messung 1 bis 2 mm. Das periimplantäre Weichgewebe hatte ein zirkuläres hemidesmosomales Attachment zur Oberfläche des Keramikabutments ausgebildet.
Funktionelle und ästhetische Analyse mit Wax-up und Mock-up
Vor der definitiven prothetischen Versorgung, wurde die klinische Situation reevaluiert und eine funktionelle und ästhetische Analyse erhoben. Mittels Wax-up und Mock-up (Abb. 7 bis 9) wurden verschiedene Behandlungsoptionen diskutiert und intraoral demonstriert. Die mesio-distale Lückenbreite regio 21 war 1,5 mm größer als der angelegte Zahn 11. Ein Diasthema stellte allerdings keine Option für die Patientin dar. Deshalb wurde eine Verlängerung der Oberkiefer-Frontzähne 12 bis 22 zur Rekonstruktion und Harmonisierung des LängenBreiten-Verhältnisses und zur ästhetischen Rehabilitation festgelegt. Das inserierte definitive Abutment wurde nicht entfernt, sondern das bereits mit dem individuellen Abutment angefertigte Gerüst überabgeformt (Abb. 10 und 11). Durch die gleichzeitige Herstellung des definitiven Kronengerüstes mit dem Abutment ist ein einwandfreier Kronenrand problemlos erreichbar. Im ungünstigen Fall retrahiert das Weichgewebe etwas und legt den Übergang Abutment/Krone frei. Eine intraorale
Nachpräparation, die Abformung des Abutments und die Neuherstellung des Gerüstes wären dann unumgänglich.
Ästhetisches Resultat mit maximaler Schonung der Zahnsubstanz
Die stark abradierten Zähne 12, 11 und 22 (Abb. 12) wurden mit "Non-prep Veneers" (IPS e.max, Ivoclar Vivadent, Ellwangen) versorgt. Die extrem starke Krümmung der Labialflächen von inzisal nach zervikal begünstigte eine Versorgung mit keramischen Teilkronen (Abb. 13 bis 15). Der Vorteil dieser Arbeitsweise liegt zum einen in der Non-Invasivität und schont damit maximal die Zahnhartsubstanz. Zum anderen verläuft die Behandlung absolut schmerzfrei für den Patienten, da keine Anästhesie und Präparation notwendig sind. Der Zahn bleibt in seiner gesunden Struktur vollständig erhalten. Rein additiv bringt der Zahntechniker den Zahn in die gewünschte ideale Form und stellt Funktion und Ästhetik wieder her. Durch den Aufbau der Zähne 12 bis 22 konnte ein positiver Schneidekantenverlauf erreicht werden. Der funktionelle Bereich der Frontzähne wurde durch die non-invasive Herangehensweise nicht tangiert und die Patientin konnte in ihrem gewohnten Bewegungsmuster verbleiben. Die Verblendung der vier Frontzahnkronen erfolgte nach bekannten Regeln und unter Verwendung des IPS e.max-Systems (Abb. 16). Die Anzugskraft der Abutmentschraube wurde kontrolliert, ohne das Abutment zu entfernen. Die Veneers und die Einzelkrone 21 wurden definitiv mit Multilink Implant (Ivoclar Vivadent) zementiert (Abb. 17 bis 19). Die Abschlussbilder zeigen eine ausgeglichene Zahngrößenverteilung und den erreichten harmonischen Schneidekantenverlauf.
Fall 2: Frontzahntrauma mit Totalluxation
Der 25-jährige Patient erlitt im Alter von 15 Jahren ein Frontzahntrauma mit Totalluxation der Zähne 11 und 21. Die Zähne wurden extraoral resiziert, replantiert und transdental fixiert. Zum Untersuchungszeitpunkt wiesen die seit 10 Jahren replantierten Zähne nach einem erneuten Frontzahntrauma Subluxation und Lockerungsgrad II-III auf (Abb. 20 und 21). Nach atraumatischer Zahn- und Stiftentfernung, Kürettage und Wunddebrightment wurden die knöchernen Defekte mit Knochenersatzmaterial (Geistlich Bio-Oss®) augmentiert und mit einer Membran (Geistlich BioGide®) abgedeckt. Die vestibuläre Mukosa wurde nicht mobilisiert, um das Vestibulum und die keratinisierte Gingiva ortsständig zu erhalten. Die postoperative Wundheilung verlief komplikationslos (Abb. 22).
Unterstützende Maßnahmen zur Weichgewebsausformung
Die Implantation wurde nach ausführlichem Backward-Planning (Wax-up und Bohrschablone) durchgeführt. Intraoperativ wurde die Implantatposition nach Insertion der Implantate über eine Positionierungsschiene registriert und abgeformt. Die Implantat-Einheilung erfolgte geschlossen. Die Frontzahnsituation wurde mit einer herausnehmbaren Klammerprothese versorgt. Der Frontzahnsattel wurde im Verlauf der Heilung mehrfach der sich verändernden Weichgewebssituation angepasst. Kurz vor der Implantatfreilegung wurde die Situation abgeformt, was vor allem die Weichgewebssituation im Implantationsbereich darstellen sollte (Abb. 23). Mit Hilfe der Positionierungsschiene mit den intraoperativ einpolymerisierten Abformpfosten konnten die Manipulierimplantate lagerichtig in das Modell eingebracht werden (Abb. 24 und 25). Die Festlegung des Emergenzprofils erfolgt wiederum über eine ästhetische Planung (Wax-up), wobei besonderes Augenmerk auf den Wurzelquerschnitt im Austrittsbereich der Kronen gelegt wird. Das Verfahren, direkt bei der Implantatfreilegung die definitiven Abutments einzugliedern, hat den Nachteil, dass der periimplantäre Weichgewebsverlauf nicht über ein veränderbares Provisorium "erarbeitet" werden kann. Hier liegt es an der Erfahrung und in der Einschätzung des arbeitenden Teams, die richtige Dimension des Abutments festzulegen. Der enorme Vorteil liegt, wie schon beschrieben, im stabilen und verlässlichen Weichgewebsverhalten.
Weichgewebsfreundliche Materialien unterstützen die Anhaftung
Das "nackte" und bestens polierte Lithiumdisilikat bietet, ähnlich wie das Zirkoniumdioxid, eine hervorragende Weichgewebsfreundlichkeit. Die Aufbauten wurden gemäß der ästhetischen Planung in der richtigen Dimension hergestellt und mit den Titanabutments verklebt (Abb. 26 bis 28). Das Multilink-System der Firma Ivoclar Vivadent bietet hier die derzeit beste Chemie an. Nach der Konditionierung der Titanbasis und der Innenfläche des Keramikaufbaus konnten die beiden Teile sicher verbunden werden. Die Überschüsse des Klebers werden entweder belassen und nach dem Aushärten zurückgearbeitet oder vor der Aushärtung reduziert, wobei dann mit einem Sauerstoffblocker gearbeitet werden muss, um eine Inhibitionsschicht zu verhindern. Die auf Implantatversorgungen einwirkenden Kräfte sind auf Grund der sehr starren Verbindung zwischen Implantat und Knochen besonders hoch. Das Hybridabutment bietet gegenüber Vollkeramikabutments den großen Vorteil, dass die auftretenden Kräfte zum größten Teil in der durch Schrauben gesicherten Verbindung zwischen Abutment und Implantat verbleiben und der Keramikanteil vorteilhaft entlastet wird. Das Lithiumdisilikat des IPS e.max-Systems weist hervorragende Eigenschaften auf:
· es bietet mit 400 MPa Bruchfestigkeit ausreichend Stabilität
· es ist fluoreszierend
· es besitzt eine hervorragende Lichtleitfähigkeit
· es ist anätzbar und kann in perfekter Weise mit einer IPS e.max-Krone verbunden werden. Nach vier Monaten Einheilzeit wurden die Implantate freigelegt. Bei der Freilegung wurden die definitiven individuellen "Hybridabutments" eingebracht, nachdem die bukkale Gingiva mittels Rolllappen augmentiert wurde (Abb. 29 und 30).
Das Provisorium wurde über ausgeschliffenen Phonares-Konfektionszähnen generiert (Ivoclar Vivadent). Der Kunststoff dieser Konfektionszähne ist besonders plaqueabweisend, das war in der abheilenden Weichgewebssituation von großem Vorteil. Die Schichtung und Farbgebung der Phonares-Zähne passt hervorragend zu den natürlichen Zähnen 12 und 22 (Abb. 31 und 32). Die Lage der Präparationsgrenzen der Abutments erschienen initial sehr optimistisch gewählt, aber bereits nach kurzer Zeit konnte eine enorme Adaptation des Weichgewebes beobachtet werden. Die weit nach apikal gelegten approximalen Kontaktpunkte motivierten das Weichgewebe, die angebotenen Räume zu schließen (Abb. 31 und 32). Im postoperativen Verlauf zeigte sich die Ausbildung eines stabilen reizfreien periimplantären Attachments. Die ästhetische Regeneration der anatomischen Weichgewebssituation verlief zufriedenstellend (Abb. 33 und 34).
Fazit: Planung im Team sichert Weichgewebsattachment und damit ein ästhetisches Ergebnis
Eine Optimierung des ästhetischen Ergebnisses im Frontzahnbereich kann nur durch eine gemeinsame durch Praxis und Labor ideal geplante dreidimensionale Implantatposition (Backward-Planning) erreicht werden. Sowohl die biologischen Grundsätze wie auch die ästhetischen Zielvorstellungen müssen in die Planung einfliessen. Der Erhalt der periimplantären Gingivastruktur durch einmaliges Einbringen des definitiven Abutments bei der Freilegung ermöglicht ein stabiles Weichgewebsattachment an der Keramikoberfläche des Implantataufbaus. Die Zerstörung der initialen Anheftung des Weichgewebes nach der Freilegung durch wiederholtes Lösen von Sekundärteilen (Gingivaformer, provisorische Kronen, Abutments) kann mit dieser Arbeitsweise vermieden werden.