Implantologie allgemein

Fallbeispiel mit einem 2-teiligen Keramikimplantat im Frontzahnbereich

Sofortbehandlung in der ästhetischen Zone

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Die enormen technologischen Fortschritte in Bezug auf Implantatdesign, Implantatoberflächen und die Implantatmaterialien führen dazu, dass frühere Behandlungsrichtlinien zu relativieren sind. Während erste Richtlinien eine ungestörte Einheilung von 3 bis 6 Monaten vor der Belastung mit einer Prothese empfahlen [1], gibt es mittlerweile Protokolle, die die Gesamtdauer der Behandlung für den Patienten verkürzen.

So sind heute 3 Typen unterschiedlicher Behandlungsprotokolle etabliert (6th ITI Consensus Conference 2018) [2]. Nach chronologischer Abfolge der Implantatinsertion steht zunächst die Sofortimplantation (Typ 1) unmittelbar nach der Extraktion.

Es folgt die Frühimplantation (Typ 2/3) in der Regel nach erfolgter Heilung der Weichgewebe und partieller Knochenheilung 4 bis 6 Wochen nach Extraktion. Nach Ausheilung von Weichgeweben und Knochengewebe ist die Spätimplantation definiert als Typ 4.

Die Sofortbehandlung ist als eine Sofortimplantation (Typ1) mit anschließender prothetischer Sofortversorgung (Barcelona Consensus 2002) definiert. Bei diesem Prozedere wird die Biologie der Extraktionsalveole – Bildung eines Blutkoagulums, initiale Bildung von Granulationsgewebe, epithelialer Verschluss und Umbau des Bündelknochens zu Geflechtknochen sowie die Implantateinheilung – zeitlich zusammengeführt.

Es zeigt sich eine steigende Tendenz, Einzelzahnimplantate in der ästhetischen Zone sofort nach Zahnextraktion zu setzen und mit einer Sofortversorgung zu versehen [2,3]. Dieses Verfahren wurde bisher sehr erfolgreich mit Titanimplantaten praktiziert (98,4%) [4].

Der praktische Alltag sowie große Marktanalysen [5] zeigen zudem eine immer weiter steigende Nachfrage nach Versorgungen mit bioinerten Materialien. In der Implantologie zeigt sich dies durch eine steigende Nachfrage nach Versorgungen mit Keramikimplantaten.

Eine aktuelle Befragung mit mehr als 270 Patienten/innen in 2 Ländern hat ergeben, dass 80% der Patienten/-innen Keramik gegenüber Metallimplantaten bevorzugen würden [6]. Mit der Entwicklung der Hochleistungskeramik Zirkoniumdioxid gelang es, biomechanisch stabile Keramikimplantate herzustellen, die den Kaukräften standhalten können [7,8].

Das bioinerte und nichtresorbierbare Metalloxid zeigt gegenüber anderen keramischen Materialien ein überlegenes mechanisches Verhalten durch seine hohe Bruch- und Biegefestigkeit [8,9]. Moderne Keramikimplantate der neuesten Generation zeigen sich ebenbürtig in Bezug auf die Osseointegration [10] und die klinische Überlebensrate im Vergleich zu konventionellen Titanimplantaten [11–13]. Experimentelle Studien haben gezeigt, dass diese Generation von Zirkonoxidimplantaten mit mikrorauen Oberflächen eine identische Hartgewebeintegration im Vergleich zu Titanimplantaten aufweist [14,15].

Patientenfall

Der 35-jährige Patient stellt sich notfallmäßig nach einem Fahrradunfall in unserer Praxis vor. Es zeigt sich eine Kronenfraktur an Zahn 12. Der Patient klagt nicht über Schmerzen.

Anamnestisch zeigt er sich unauffällig, bis auf gelegentlichen Zigarettengenuss bestehen keine Risikofaktoren. Die Anforderungen des Patienten an seine Behandlung sind klar formuliert: Eine schnelle, wenig einschränkende, vorhersagbare und schmerzfreie Behandlung ohne ästhetische Einbußen. Zudem äußert der Patient den Wunsch nach einer metallfreien biologisch kompatiblen Versorgung.

Diagnostik und Prognose

Nach Anfertigung eines Zahnfilms zeigt sich eine epi- bis suprakrestale horizontale Kronenfraktur. Die Wurzel stellt sich weitgehend intakt dar. Klinisch ist das Pulpenkavum geschlossen (Abb. 1).

  • Abb.1: Zahnfilm zeigt epi- bis suprakrestale horizontale Kronenfraktur an Zahn
12.
  • Abb.2: Provisorische Versorgung durch adhäsive Befestigung des Fragments.
  • Abb.1: Zahnfilm zeigt epi- bis suprakrestale horizontale Kronenfraktur an Zahn 12.
    © Dres. Sperlich
  • Abb.2: Provisorische Versorgung durch adhäsive Befestigung des Fragments.
    © Dres. Sperlich

Unter Berücksichtigung der allgemeinen und zahnärztlichen Anamnese wird der Patient über die Behandlungsalternativen aufgeklärt. Zunächst erfolgt eine konservative Behandlung zur provisorischen Wiederherstellung der Ästhetik mittels Schmelz-Ätz-Technik und Befestigung des Fragments mit VarioLink Veneer (Abb. 2).

Aufgrund der ungünstigen Prognose sowie der eingeschränkten Ästhetik wird der Patient über eine alternative Sofortbehandlung aufgeklärt. Die Sofortbehandlung umfasst 3D-Diagnostik, 3DImplantatplanung, präoperative CAD/CAM-Fertigung einer implantatgetragenen Krone, operative Zahnentfernung und Sofortimplantation inklusive Sofortversorgung.

Durchgeführt werden soll diese Behandlung mit einem 2-teiligen Keramikimplantat. Die langfristige Prognose der Behandlung wird von uns als sehr gut eingeschätzt, es besteht keine Beherdung der Wurzel, der Patient verfügt darüber hinaus über eine sehr gute Compliance.

Behandlungsplanung und Extraktion

  • Abb.3: In die SMOP-Implantatplanungssoftware eingespielte STL-Daten des DVTs und des digitalen Abdrucks.

  • Abb.3: In die SMOP-Implantatplanungssoftware eingespielte STL-Daten des DVTs und des digitalen Abdrucks.
    © Dres. Sperlich
Nach Auswertung der DVT-Aufnahme werden die STL-Daten des DVTs und des digitalen Abdrucks in die SMOP-Software eingespielt. Die Implantatplanung für ein Keramikimplantat (Neodent Zi) in Regio 12 erfolgt nach unseren Standards für die Sofortbehandlung (hohe Primärstabilität, Schonung, Erhalt und Unterstützung der alveolären Strukturen) (Abb. 3). Unsere Planung übermitteln wir nach Fertigstellung an das Servicecenter Stentists zur Herstellung der Bohrschablone und Vorbereitung der Suprakonstruktion.

Für den Erfolg der präoperativ mit CAD/CAM hergestellten Sofortversorgung ist entscheidend, dass das Implantat chirurgisch in der planerisch festgelegten vertikalen Höhe und Rotationsausrichtung der Innenverbindung platziert wird. Sind alle Erfordernisse finalisiert, erfolgt der Datenexport via STL.

  • Abb.4: Präoperativ in Exocad gefertigte
CAD/CAM-Implantatkrone.

  • Abb.4: Präoperativ in Exocad gefertigte CAD/CAM-Implantatkrone.
    © Dres. Sperlich
Damit ist der Export des Scanabutments verbunden, das die Basis vieler dentaler Konstruktionsprogramme darstellt. Im Zusammenspiel mit dem exportierten OP-Plan hilft es bei der Bestimmung der Lage des Implantats und des auszuwählenden Abutments in der Software. In exocad wird die Fertigung einer CAD/CAMimplantatgetragenen Krone durchgeführt (Abb. 4). 

Sofortimplantation

  • Abb. 5: Alveole nach atraumatischer Extraktion.

  • Abb. 5: Alveole nach atraumatischer Extraktion.
    © Dres. Sperlich
Nach entsprechend steriler Vorbereitung wird zunächst die atraumatische Extraktion des Zahnes vollzogen (Abb. 5). Dieser Schritt stellt eine wichtige Grundvoraussetzung für den späteren Behandlungserfolg dar. Die Sofortimplantation und somit auch die Sofortversorgung leben vom Erhalt der anatomischen Strukturen.

Neben Ruhe, Zeit und Erfahrung ist hier der Einsatz von Desmotomen für den Erfolg wichtig. Nach erfolgreicher Extraktion erfolgt die schonende Behandlung der Extraktionsalveole. Liegt keine Entzündung vor, kommt lediglich eine Spülung mit NaCl zum Einsatz.

Der größtmögliche Erhalt der Physiologie des Parodonts ist ein weiterer Baustein zum Erfolg. In Fällen mit einer chronischen, nicht akuten, apikalen Entzündung implantieren wir ebenfalls erfolgreich sofort. Hierbei kommt jedoch ein differenziertes Management der Extraktionsalveole zum Einsatz.

Das Entzündungsgewebe wird unter wiederkehrender Spülung mit Jod vollständig debridiert. Es folgt eine Einlage mit einem in Jod getränkten Gazesteifen für 2 Minuten. Die entsprechende „Jodanamnese“ gilt es zu berücksichtigen. 

  • Abb. 6: Anprobe der SMOP-Schablone.

  • Abb. 6: Anprobe der SMOP-Schablone.
    © Dres. Sperlich
Nach entsprechendem Alveolenmanagement folgt die Anprobe der SMOP-Schablone. Ein spannungsfreier suffizienter Sitz ist hier unumgänglich (Abb. 6). Die geführte Aufbereitung des Implantatlagers erfolgt direkt über die Alveole.

Wir bevorzugen ein atraumatisches Vorgehen. Auf eine Lappenbildung wird bei intakten Alveolenwänden stets verzichtet. Bei dem vorgestellten Patienten wird ein Keramikimplantat (Neodent ZI Implantat Ø 4,3, Länge 13 mm) systemimmanent aufbereitet.

  • Abb. 7: Implantatinsertion eines Neodent
ZI Implantats Ø 4,3, Länge 13 mm.

  • Abb. 7: Implantatinsertion eines Neodent ZI Implantats Ø 4,3, Länge 13 mm.
    © Dres. Sperlich
Die Implantatinsertion erfolgt händisch. Für die anschließende Sofortversorgung ist hierbei ein Eindrehmoment > 35 Ncm unerlässlich. Durch die palatinale Positionierung des Implantats zur Entlastung der bukkalen Knochenlamelle entsteht Richtung labial ein Spalt (Abb. 7). Dieser wird bei unserem Protokoll immer augmentiert. Hierzu verwenden wir ein allogenes Knochenersatzmaterial (maxgraft Botiss).

Sofortversorgung 

Der Wundverschluss erfolgt bei dem Patienten über die präoperativ gefertigte CAD/CAM-Krone (Abb. 8, 9). Die Krone wird hierbei mit einem Drehmoment von 32 Ncm fixiert.

  • Abb. 8: Wundverschluss durch präoperativ gefertigte CAD/CAM-Krone.
  • Abb. 9: Wundverschluss durch präoperativ gefertigte CAD/CAM-Krone.
  • Abb. 8: Wundverschluss durch präoperativ gefertigte CAD/CAM-Krone.
    © Dres. Sperlich
  • Abb. 9: Wundverschluss durch präoperativ gefertigte CAD/CAM-Krone.
    © Dres. Sperlich

Der Verschluss der transokklusalen Verschraubung erfolgt mit Teflonband und Tetric Flow. Abschließend wird die Okklusion nach dem Prinzip des „non okklusal loadings“ nochmals überprüft. 

Diskussion

Auf Patientenseite wächst die Nachfrage nach wenig invasiven und schnelleren Behandlungen, welche die körperliche und psychische Einschränkung so gering wie möglich halten. Dies bestätigen jüngste Trends und Zukunftsanalysen. Patient reported Outcome Measures (PROMs) haben gezeigt, dass Patienten von Konzepten wie der Sofortbehandlung signifikant profitieren [15,16].

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um eine Typ-1-Implantation mit gleichzeitiger Versorgung durchzuführen? Wir streben hier patientenseitig anamnestische Unauffälligkeit an, keine akuten inflammatorischen osteolytischen Prozesse, wenn möglich einen dicken Gingivatyp mit intakter bukkaler Knochenwand. Chronische periapikale parodontale Entzündungen sind für uns kein Ausschlusskriterium, müssen jedoch schon längerfristig behandelt sein und dadurch einen stabilen Zustand aufzeigen.

Chirurgisch streben wir nach einer atraumatischen Zahnextraktion, welche lappenlos und unter Erhalt der bukkalen Knochenwand erfolgen sollte. Die Implantatinsertion erfolgt palatinal bzw. oral orientiert mit mindestens 1,5–2 mm Abstand zur bukkalen Knochenlamelle. Systemseitig benötigen wir ein 2-teiliges Implantatsystem.

  • Abb.10: Neodent ZI: Der obere
Implantatanteil ist paralellwandig,
der untere apikale Teil konisch.

  • Abb.10: Neodent ZI: Der obere Implantatanteil ist paralellwandig, der untere apikale Teil konisch.
    © Dres. Sperlich
Ein konisches Design, welches der natürlichen Zahnwurzel nachempfunden ist, ist für die Sofortimplantation von Vorteil. Hierbei ist der obere Anteil des Implantats parallelwandig und der untere apikale Teil konisch (Abb. 10).

Der Gesamtkonuswinkel des hier verwendeten Keramikimplantats beträgt 16 Grad. Um die für die Sofortimplantation nötigen ITV-Werte zu erreichen, ist ein entsprechendes Gewindedesign nötig. Das verwendete Keramikimplantat zeichnet sich durch ein doppelt trapezoides verdichtendes Gewinde aus.

Die äußere Gewindesteigung beträgt hierbei 1,4 mm pro Gewindegang. Durch das beschriebene Design ist es möglich, das Keramikimplantat im Bereich der Sofortimplantation einzusetzen. Die aus unserer Sicht zwingend erforderlichen ITV-Werte von mehr als 35 Ncm lassen sich mit diesem Implantat problemlos erzielen.

Maximale ITV-Werte von bis zu 60 Ncm sind möglich. Damit solche Eindrehmomente erzielt werden können, ohne das Keramikimplantat zu schädigen, ist eine entsprechende Innenverbindung notwendig. Bei dem verwendeten System wurde hierfür die ZiLock®-Verbindung entwickelt.

Es handelt sich um eine gerade Innenverbindung aus Zirkoniumdioxid mit 6 Kanten und 6 Punkten. Dadurch können hohe Torquewerte stressfrei auf das Implantat übertragen werden.

Die Verbindung wurde nach dem Zugankerprinzip designt, die eine sichere Verbindung zwischen dem Implantat und dem Sekundärteil gewährleistet. Dabei werden die Kräfte materialspezifisch eingeleitet, sodass das Zirkoniumdioxidimplantat und ZirkoniumdioxidAbutment ausschließlich auf Druck, die Abutmentschraube jedoch auf Zug belastet werden.

Dieses Prinzip gibt dem Implantat die nötige Stabilität und ist mit ausschlaggebend dafür, dass dieses 2-teilige Keramikimplantat explizit für die Sofortbehandlung (Sofortimplantation und Sofortversorgung) freigegeben wurde. Durch die Verwendung einer bekannten und erfolgreichen Oberflächenmethodik (Sandstrahlung und Säureätzung) erzielt das verwendete Keramikimplantat eine vergleichbare Osseointegration wie Titanimplantate [17,18]. Durch die Erzeugung einer mikrorauen Oberfläche kann eine sichere Osseointegration erreicht werden, und es können auch Knochenaugmentationen bei Keramikimplantaten vorhersagbar durchgeführt werden [19].

Wir sehen in der Sofortbehandlung einen signifikanten Vorteil darin, den Erhalt der periimplantären Strukturen zu gewährleisten. Selbstverständlich können die Umbauprozesse der Alveole nach Zahnextraktion nicht gänzlich aufgehalten [20], aber deutlich minimiert werden [21,22]. Durch den Einsatz von Keramikimplantaten in der Sofortbehandlung können weitere Vorteile in die Behandlung aufgenommen werden, welche wir mit PROMs bereits initial feststellen konnten. 

  • Abb.11: Situation 3 Tage postoperativ.

  • Abb.11: Situation 3 Tage postoperativ.
    © Dres. Sperlich
Erste Studien zeigen signifikant geringer ausgeprägten Knochenverlust im Vergleich zu den Titanimplantaten [23]. Außerdem zeigt die periimplantäre Mukosa bei Keramikimplantaten auch weniger stark ausgeprägte klinische Anzeichen einer Infektion wie Schwellung und Blutung im Vergleich zu Titanimplantaten [24]. Wir sehen dies klinisch bestätigt. So auch im vorgestellten Fall 3 Tage postoperativ (Abb. 11) und zur definitiven Versorgung nach 4 Monaten (Abb. 12 und 13).
  • Abb.12: Situation vor der definitiven Versorgung nach 4 Monaten.
  • Abb. 13: Situation vor der definitiven Versorgung nach 4 Monaten.
  • Abb.12: Situation vor der definitiven Versorgung nach 4 Monaten.
    © Dres. Sperlich
  • Abb. 13: Situation vor der definitiven Versorgung nach 4 Monaten.
    © Dres. Sperlich

In Bezug auf die Biofilmanlagerung könnte sich auf lange Sicht ein weiterer Vorteil der bioinerten Oxidkeramik Zirkonoxid durchsetzen: Die Literatur zeigt in selektiven Studien auf, dass bioinertes Zirkonoxid einen entscheidenden Vorteil gegenüber Titan hat, das in Bezug auf Biofilmablagerungen lediglich einen „bioinerten Charakter“ besitzt [25].

Fazit

2-teilige Zirkonoxidimplantate der neuesten Generation mit Bone Level Design stellen eine zuverlässige Behandlungsoption bei ästhetisch anspruchsvollen Frontzahnrekonstruktionen dar. Das hier verwendete Keramikimplantat erfüllt alle Voraussetzungen eines modernen Implantats in vergleichbarem Maße wie moderne Titanimplantate.

Das 2-teilige Implantatdesign erlaubt die Verwendung in der Sofortbehandlung. Durch die Möglichkeit der Eingliederung von reversibel verschraubten Suprakonstruktionen bringt es eine hohe prothetische Variabilität mit sich.