Die Knochenringtechnik international etabliert und angewendet

Einzelzahn- und Schaltlücken sowie stark atrophierte Unter- oder Oberkiefer sind weltweit auftretende Defekte, die häufig nur mit knochenaufbauenden Maßnahmen beziehungsweise Sinusbodenelevationen zufriedenstellend behandelt werden können. Für die vertikale Knochenrekonstruktion sind verschiedene, je nach Defektstärke mehr oder weniger invasive Verfahren und Methoden entwickelt worden [1]. 2003 stellte Dr. Giesenhagen erstmals seine Methode der Knochenringtechnik mit autogenem Knochen und 2010 gemeinsam mit Dr. Orcan Yüksel die von einer Gewebebank hergestellten allogenen Knochenringe vor. Mittlerweile sind diese Verfahren mit beiden Alternativen international etabliert und werden von zahlreichen ausländischen Kollegen angewendet [2].
Stellvertretend für die autogene Anwendung, die vor mehreren Jahren bereits unabhängig beispielsweise von Dr. Dusan Ristic erfolgreich verfolgt wurde, werden im Folgenden vier Fälle von Chirurgen aus Australien, China, Südafrika sowie einem Behandler aus der Schweiz vorgestellt.
Die Entwicklung zu minimal-invasiven Eingriffen ist international verbreitet [3]. Einzeitig augmentieren und implantieren – das ist der Vorteil der Ringtechnik – deckt sich mit dem Wunsch der Patienten nach einer möglichst kurzen Behandlungszeit. Mit der Knochenringtechnik verkürzt sich die Behandlung gegenüber dem zweizeitigen Vorgehen um mehrere Monate. Daher kann die Vorgehensweise bei der Knochenringtechnik unter Einsatz von Knochenmarks-Aspiraten – sofern die Voraussetzungen beim Patienten gegeben sind – auch als weniger belastende Therapiealternative zum Beckenkammaugmentat angesehen werden. Die Autoren selbst haben über 1.000 Ankylos-Implantate (Dentsply Implants, Mannheim) in autologe Knochenringe inseriert. Da gemäß chirurgischem Protokoll das Ankylos-Implantat subkrestal gesetzt wird, ist eine von Mikrobewegung freie Implantat-Aufbau-Verbindung wie bei der konischen Verbindung des Ankylos-Implantats unabdingbare Voraussetzung.
Auch der Platform-Switch sowie das Mikro- und Makrodesign des Implantats unterstützen den Heilungsprozess. Die Erfolgsrate der Knochenringtechnik in der Langzeitbeobachtung (gemäß einer noch nicht veröffentlichten Studie) liegt bei etwa 98 %. Primäre Entnahmestellen liegen im Kinnbereich, doch auch aus dem Palatinum und dem retromolaren Bereich werden die Knochenringe erfolgreich transplantiert.
Endständige Lösung
Im Fall unseres australischen Kollegen Dr. Paul Toumazos waren nach Extraktion von Zahn 38 zwei Implantate in regio 36 und 37 geplant. Für den notwendigen vertikalen Knochenaufbau wurden zwei Knochenringe aus dem Kinnbereich in ausreichendem Abstand vom foramen mentale sowie den Apizes des Schneide- und Eckzahns entnommen und in die vorbereitete Kavität eingesetzt.
Das Vorgehen entsprach dem chirurgischen Protokoll: Nachdem der Behandler an der Empfängerregion den erforderlichen Durchmesser der Knochenringe vermessen hatte, legte er die Entnahmestelle am Kinn frei und markierte die Knochenringe ungefähr einen Millimeter tief mit der Trepanfräse (Helmut Zepf Medizintechnik GmbH, Seitingen). Die Bohrung zur Aufnahme der Implantate erfolgte noch an der Entnahmestelle. Hierbei achtete der Behandler sorgfältig darauf, nicht die linguale Gegenkortikalis zu fenestrieren. Anschließend präparierte er final die Knochenringe mit der Trepanfräse, löste ihren spongiösen Boden von der kontralateralen Kortikalis und hob sie vorsichtig heraus. Dabei anfallende autologe Knochenspäne wurden gesammelt und für die Defektauffüllung verwendet. Im nächsten Schritt wurde die Empfängerregion mit der Trepanfräse zur Aufnahme der Knochenringe aufbereitet. Während dieser Zeit wurden die Knochenringe in Eigenblut aufbewahrt.
Die Aufbereitung erfolgte etwas unterdimensioniert, um das Transplantat unter Presspassung einsetzen zu können. Danach bereitete Dr. Toumazos die beiden Implantatlager im ortsständigen Knochen final auf, inserierte die Implantate durch den Ring hindurch leicht subkrestal und immobilisierte damit die Knochenringe. Da beim Ankylos-Implantat der Kern des Implantatkörpers sich nach apikal konisch verjüngt, ist dabei eine Rotation des Transplantats ausgeschlossen, zumal zuvor in Höhe der Implantatschulter das Transplantat entsprechend geweitet worden war. Anschließend wurden Transplantate und Implantate mithilfe von Membranschrauben fixiert, um in der Einheilphase einen Volumenverlust durch eine Adaptationsatrophie zu vermeiden. Die Spenderregion im Kinnbereich kann zur Stabilisierung des Koagulums mit einem Kollagenschwamm aufgefüllt werden (Abb. 1 bis 5 : Dr. Paul Toumazos (Australien).
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Abb. 1: Ausgangssituation im Röntgenbild.
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Abb. 2: Klinische Ausgangssituation.
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Abb. 3: Markierte und mittig aufbereitete Knochenringe.
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Abb. 4: Herausgelöste Knochenringe.
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Abb. 5: Mit Deckschrauben immobilisierte Knochenringe in situ.
Einzelzahnersatz in der Front
Im Fall unseres chinesischen Kollegen Dr. Gang Chen ging es um den Ersatz von Zahn 11 und der knöchernen Rekonstruktion eines bukkalen Knochendefekts in horizontaler und vertikaler Dimension – eine vor allem unter ästhetischen Aspekten heikle Aufgabe. Dr. Chan inserierte ein 4,5-Millimeter-Ankylos-Implantat. Den passenden Knochenring entnahm er dem retromolaren Bereich. Entscheidend für das Gelingen war ein absolut spannungsfreier Nahtverschluss. Nur so lassen sich Dehiszenzen und in der Folge Geweberezessionen vermeiden (Abb. 6 bis 9: Dr. Gang Chen (China).
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Abb. 6: Klinische Situation nach Extraktion.
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Abb. 7: Knochenring und Implantat in situ.
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Abb. 8: Spannungsfrei vernähte Augmentationsregion.
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Abb. 9: Definitive Versorgung mit Erhalt der Interdentalpapillen.
Brückenversorgungen in der ästhetischen Zone
Vor einer sehr diffizilen Situation im Frontzahnbereich stand auch unser südafrikanischer Kollege Dr. Verster Cobus. Seine 25-jährige Patientin hatte mit zwölf Jahren infolge eines Unfalls die Frontzähne 12, 11 und 21 verloren. Sie suchte Dr. Cobus auf, weil das Ergebnis der kurz zuvor durchgeführten Behandlung – ihr waren alio loco drei Implantate gesetzt worden – für sie nicht akzeptabel war. Die klinische und röntgenologische Inspektion zeigte, dass die residuale knöcherne Situation es erlaubte, die drei Implantate wieder zu explantieren und mit zwei Knochenringen aus dem Palatinum neue Implantatlager zu schaffen sowie deren Revaskularisierung zu sichern. Zur weichgewebigen Abdeckung wurden Schleimhautlappen aus dem Palatinum transplantiert. Hohlräume und exponierte Gewindegänge verfüllte Dr. Cobus mit autologen Knochenchips aus der Kinnregion, legte darüber eine dünne Schicht mit langsam resorbierbarem Knochenersatzmaterial, fixierte die Augmentationsregion mit einer Barrieremembran und vernähte die Wunde wiederum absolut spannungsfrei. Nach fünf Monaten wurden die Implantate freigelegt und eine Inzision zur Ausformung eines Pontics in regio 11 vorgenommen. Mit der definitiven Arbeit war die Patientin sehr zufrieden (Abb. 10 bis 15: Dr. Verster Cobus (Südafrika)).
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Abb. 10: Klinische Ausgangssituation mit Teilprothese.
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Abb. 11: Ausgangssituation im Röntgenbild.
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Abb. 12: Nach Explantation gesetzte Implantate mit Knochenring.
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Abb. 13: Freilegung im gut verheilten Augmentat.
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Abb. 14: Definitive Brücke in situ.
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Abb. 15: Eine hoch zufriedene und glückliche Patientin.
Ästhetische Rekonstruktion nach parodontaler Läsion
Von einem Fall mit den fehlenden Zähnen 11 und 21 aufgrund parodontaler Läsionen berichtet Dr. Marco Schwan aus der Schweiz. Er konnte mit der Ringtechnik die Unterkieferfront vollumfänglich rekonstruieren und damit für die Ankylos-Implantate ein geeignetes Implantatbett schaffen. Zur ästhetischen Optimierung verwendete er individuell hergestellte Zirkondioxid-Abutments, die keramisch verblendet wurden. Die beiden Implantate setzte er subkrestal, was eine bakteriendicht konzipierte Implantat- Abutment-Verbindung wie beim Ankylos- Implantat voraussetzte. Die stabile Integration der Implantate wurde – so Dr. Schwan – in besonderem Maß auch durch das Makro- und Mikrodesign des Implantats unterstützt. Die wachstumsaktivierende Oberfl äche, das systemimmanente Platform-Switching und die gewebestabilisierende Verbindung tragen darüber hinaus zur guten Osseointegration bei (Abb. 16 bis 20: Dr. Marco Schwan (Schweiz).
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Abb. 16: Röntgenaufnahme der Ausgangssituation mit starker Knochenatrophie.
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Abb. 17: Röntgenkontrollaufnahme nach Operation.
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Abb. 18: Die Kronen nach Eingliederung.
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Abb. 19: Röntgenkontrollaufnahme ein Jahr nach der Operation mit stabilen Knochenverhältnissen an der Implantatschulter.
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Abb. 20: Versorgung ein Jahr nach Eingliederung mit stabiler Weichgewebesituation.
Knochenringe digital geplant
Mittlerweile kann die Ringtechnik auch mittels computergeführter Implantologie durchgeführt werden. Die in der Simplant-Planungssoftware (Dentsply Implants, Mannheim) hinterlegten Tools sowie die auf Basis der Planungsdaten gefertigten Guides ermöglichen es, dass Transplantation und Implantation mit hoher Präzision geplant und durchgeführt werden können. Eine höhere forensische Sicherheit und eine bessere Prognose sind neben einem geringeren Morbiditätsrisiko willkommene Folgeerscheinungen. Zumindest sollten sich ungeübte Chirurgen die ersten Fälle einmal dreidimensional anschauen, um zu prüfen, ob die Entnahme und die Eingliederung auch der geplanten und durchdachten Planung entsprechen.
Allogene Knochenringe – keine Entnahmeoperation
Um die Risiken der Entnahmeoperation zu mindern, können auch aufbereitete allogene Knochenringe verwendet werden. Durch den Wegfall der Entnahmeoperation werden Schmerzen, Infektionsrisiko, Morbidität, Operationszeit und Kosten deutlich gesenkt. Seit 2012 sind Ringe aus allogenem Material weltweit je nach Zulassung der Länder erhältlich. Für einige wenige Länder in Europa, unter anderem auch in Deutschland, sind die Gesetze so, dass diese Materialien unter Arzneimittelgesetz eine spezielle Zulassung benötigen. Seit Februar 2014 sind über eine deutsche Gewebebank auch Knochenringe von Lebendspendern für implantologische Behandlungen erhältlich. Dies bedeutet eine sehr große Zuverlässigkeit in Bezug auf mögliche Krankheitsübertragungen im Gegensatz zu Kadaverknochen. Im Moment scheint es auch genügend Kapazität zu geben, die den Bedarf der deutschen Kollegen decken dürfte. Die histologischen Resultate aus humaner Biopsieentnahme bestätigen eine hohe Penetration des Eigenknochens nach sechs Monaten in den mineralisierten allogenen Knochenring. Alle Histologien zeigen keine Entzündung und keine Nekrosen. Wir konnten klinisch eine einwandfrei Volumenstabilität der behandelten Fälle beobachten.
Können, Erfahrung und Risiko
Jedoch entbindet auch die digitale Unterstützung den Chirurgen nicht von seiner Verpflichtung, die jeweils vorliegende klinisch-individuelle Situation richtig einzuschätzen und ihr mit all seinem Können und Wissen gegenüberzutreten. Denn in der Knochenrekonstruktion und der Implantation ist nach wie vor die Biologie ausschlaggebend. Komplikationen können sich im Bereich der Weichgewebe ergeben. Eine spannungsfreie Nahttechnik und ausreichende Mobilisation des Mukoperiostlappens ist wichtig. Daher sollte die Knochenringtechnik nur von implantologisch tätigen Zahnärzten und MKGChirurgen durchgeführt werden, die ausreichend Erfahrungen mit Augmentationen haben. Die hier genannten Kollegen haben alle an einer Schulung teilgenommen. Dort werden im Detail Erfolgsfaktoren und Risiken thematisiert, die für eine erfolgreiche Behandlung entscheidend sind. Wir haben bereits für die Weichgewebsunterstützung die a- PRF-Technik eingeführt. Das ist eine Thrombozytenangereicherte Fibrinmembran aus dem Eigenblut des Patienten, hergestellt mittels einer dafür geeigneten Zentrifuge. Diese Unterstützung mit Fibrin hat sich klinisch als sehr vorteilhaft erwiesen.