Knochenmanagement

Atrophie, Knochenaufbau, Nasenbodenelevation

Die Nasenbodenelevation als Behandlungsoption bei Knochenabbau in der Front


Hochatrophe zahnlose Kiefer stellen noch immer eine Herausforderung für den Patienten und den Behandler dar. Denn nicht jede Form der Atrophie kann mit dem gleichen Verfahren behoben werden. Schwierig wird es vor allem, wenn nicht mehr ausreichend Knochen im Frontzahnbereich vorhanden ist, um eine sichere Implantation gewährleisten zu können. In vielen Situationen kann dann auf den Bereich der Dentes canini ausgewichen werden, doch gibt es Fälle, in denen das aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist oder in denen ein Ausweichen keinerlei Vorteile brächte, da der Kiefer dort auch nicht mehr Substanz aufweist. Es helfen nur noch aufbauende Verfahren, damit eine Implantation sicher durchgeführt werden kann.

Nach dem Verlust von Zähnen wird der Kieferknochen, der nun nicht weiter belastet wird, vom Körper resorbiert. Das führt zu einer Atrophie, gerade dann, wenn der Kiefer für lange Zeit unversorgt bleibt oder nur mit einer Vollprothese versorgt ist, die nicht optimal angepasst ist [1]. Die Knochenumbauvorgänge unterscheiden sich in Ober- und Unterkiefer entscheidend. Während sich der Unterkiefer in transversaler Richtung verbreitert und eher in der Höhe abnimmt, verschmälert sich der Oberkieferknochen bei Nichtbelastung, nimmt aber trotzdem auch an Höhe ab. Im Falle des Oberkiefers spricht man daher vom sagittalen Resorptionstypen [2, 3].

Außerdem kann das Gesicht durch den Knochenabbau im schlimmsten Fall auch an Struktur verlieren. Denn sowohl Lippen als auch Wangen sind im natürlichen Prozess Indikatoren für die Alterung. Sinkt der Knochen ab, der sie unterstützen soll, wirken sie schnell eingefallen und lassen den Patienten automatisch älter wirken. Hilfe ist dann nur in Form einer adäquaten Zahnbehandlung und der vorher stattfindenden Knochenaufbauten möglich [4].

Vor einer geplanten Implantatinsertion muss der Knochenmangel behoben werden, damit eine Primärstabilität für das Implantat gewährleistet werden kann und nach der Implantation die Osseointegration optimal ermöglicht wird. Der laterale Knochenabbau im Oberkiefer kann weitestgehend mit dem beidseitigen Sinuslift behoben werden. Was aber bei Knochenabbau im Frontbereich? In diesem Fall gibt es verschiedene Verfahren zur Verbesserung der Voraussetzungen: Einerseits die weithin angewandte Methode des Bone Splittings oder der Knochenspreizung. Dabei ist es zwar möglich ohne zusätzliches Knochenmaterial eine Verbreiterung durch das Aufspreizen des Knochens zu erreichen, jedoch besteht die ernstzunehmende Gefahr, dass der Knochen während des Eingriffs splittert oder gar ganz bricht.

Außerdem kann bei zu niedriger Höhe eine Knochenspreizung mit gleichzeitiger Implantateinsetzung normalgroßer Implantate nicht erfolgen, da ansonsten die Gefahr einer Fraktur extrem erhöht wäre.

Nasenbodenelevation

Ein weiteres Beispiel für den Knochenaufbau im Frontzahnbereich ist die Nasenbodenelevation oder auch der Nasenlift. Neben der Trapdoor-Technik [5] kommt auch die herkömmliche Methode zum Einsatz, die dem Sinuslift nicht unähnlich ist. Vorteil der Methode ist, dass sie genügend Knochenmaterial liefert, um eine sichere Implantation durchführbar zu machen und zudem effektiv und berechenbar ist. Studien zufolge liegt die Erfolgsbzw. Überlebensrate der Implantate nach einer Nasenbodenelevation bei 100 %. Knochengewinne von bis zu 5,7 mm können mit ihr erreicht werden [6, 7].

Fallbeispiel aus der Praxis

Eine 47-jährige Patientin kam mit zahnlosem Kiefer und dem Wunsch nach festsitzendem Zahnersatz in unsere Klinik. Nach ersten Untersuchungen stellte sich heraus, dass im Frontzahnbereich nicht genügend Knochensubstanz für eine Implantation vorhanden war. Der Nasenboden wies eine unregelmäßige Struktur auf, die Knochenmasse war vor allem auf der rechten Seite unzureichend (Abb. 1). Auch die angefertigten Knochenschnitte zeigten kein anderes Bild (Abb. 2).

  • Abb. 1: Unregelmäßige Struktur des Nasenbodens. Vor allem unzureichende Knochenmasse auf der rechten Seite.
  • Abb. 2: Die Knochenschnitte bestätigen den Ausgangsbefund.
  • Abb. 1: Unregelmäßige Struktur des Nasenbodens. Vor allem unzureichende Knochenmasse auf der rechten Seite.
  • Abb. 2: Die Knochenschnitte bestätigen den Ausgangsbefund.

Um trotzdem in den Frontzahnbereich Implantate inserieren zu können, entschlossen wir uns zu einer Nasenbodenelevation. Mit einem Trapezschnitt wurde ein Fenster über dem Alveolarkamm eröffnet, Entlastungsschnitte wurden beidseitig über den Eckzähnen gesetzt. Das Zahnfl eisch wird nach oben geklappt, so dass der Knochen freiliegt. Wie bei einem Sinuslift wird ein kleines Knochenfenster eröffnet, durch das der Nasenboden vorsichtig vom Knochen abgelöst und leicht nach oben geschoben wird.

Anschließend wird Knochenersatzmaterial - in unserem Fall Allograft von Zimmer Dental - in den entstehenden Zwischenraum eingeführt und danach das Zahnfleisch darüber wieder vernäht. Eine Nasenbodenelevation kann entweder einige Monate vor der eigentlichen Implantation stattfinden oder zeitgleich. Im Fall der gleichzeitigen Implantation wird das Implantat vor Insertion des Knochenersatzmaterials inseriert. Dabei ist darauf zu achten, dass auch hinter dem Implantat genügend Ersatzmaterial eingesetzt wird, damit eine Stabilität später gewährleistet werden kann.

Im vorliegenden Fall wurde die zweizeitige Variante gewählt, bei der das Knochenmaterial inseriert wird und erst nach erfolgreicher Einheilung eine Implantation durchgeführt wird. Die Nasenbodenelevation war erfolgreich (Abb. 3). Die ursprüngliche Höhe des Knochens betrug 7,4 mm. Mithilfe der Elevation konnten 6,4 mm hinzugewonnen werden, so dass eine Gesamthöhe des Nasenbodens von 13,8 mm erreicht werden konnte.

  • Abb. 3: Erfolgreiche Nasenbodenelevation nach zweizeitigem Vorgehen.
  • Abb. 4: Mithilfe der coDiagnostiX Planungssoftware wurde eine genaue Planung durchgeführt. Der weiße Pfeil deutet auf die Stelle der erfolgreichen Nasenbodenelevation.
  • Abb. 3: Erfolgreiche Nasenbodenelevation nach zweizeitigem Vorgehen.
  • Abb. 4: Mithilfe der coDiagnostiX Planungssoftware wurde eine genaue Planung durchgeführt. Der weiße Pfeil deutet auf die Stelle der erfolgreichen Nasenbodenelevation.

Mithilfe der coDiagnostiX™ Planungssoftware wurde vor der Insertion des Implantates eine genaue Planung durchgeführt. Mit dem weißen Pfeil wird auf die Stelle verwiesen, an der die Elevation erfolgt ist. Eingang in die Planung haben die Daten gefunden, die der digitale Volumentomograph nach erfolgter Einheilung lieferte. Gut zu sehen ist, dass neben der Nasenbodenelevation auch ein beidseitiger Sinuslift erfolgreich durchgeführt wurde. Mit der seitlichen und frontalen Aufsicht der röntgenologischen Aufnahmen kann der theoretische Sitz der geplanten Implantate mit coDiagnostiX simuliert werden. Die ideale Größe und Positionierung der Implantate kann so festgestellt werden (Abb. 5).

  • Abb. 5: Mit der seitlichen und frontalen Aufsicht der röntgenologischen Aufnahmen kann der theoretische Sitz der geplanten Implantate simuliert und die ideale Größe und Positionierung der Implantate festgestellt werden.
  • Abb. 6: Implantat in situ. Die gelbe Linie zeigt, dass die ursprüngliche Knochenhöhe nicht ausreichend gewesen wäre.
  • Abb. 5: Mit der seitlichen und frontalen Aufsicht der röntgenologischen Aufnahmen kann der theoretische Sitz der geplanten Implantate simuliert und die ideale Größe und Positionierung der Implantate festgestellt werden.
  • Abb. 6: Implantat in situ. Die gelbe Linie zeigt, dass die ursprüngliche Knochenhöhe nicht ausreichend gewesen wäre.

  • Abb. 7: Die durchgezogene rote Linie zeigt die Höhe des Knochens vor der Nasenbodenelevation plus aufgebauten Knochen. Die bordeauxrote Linie zeigt die Nasenscheidewand, die gestrichelte Linie den Sitz des Nasenbodens vor der Elevation. Die gelbe Linie deutet die neue Höhe des Nasenbodens an.
  • Abb. 7: Die durchgezogene rote Linie zeigt die Höhe des Knochens vor der Nasenbodenelevation plus aufgebauten Knochen. Die bordeauxrote Linie zeigt die Nasenscheidewand, die gestrichelte Linie den Sitz des Nasenbodens vor der Elevation. Die gelbe Linie deutet die neue Höhe des Nasenbodens an.

Abbildung 6 zeigt den endgültigen Sitz des Implantates. Durch die gelbe Linie ist angedeutet, wie hoch der Knochen vor der Elevation gewesen wäre. Gut ersichtlich ist, dass er nicht ausreichend war. Auch eine einseitige Nasenbodenelevation kann erfolgreich durchgeführt werden. Die durchgezogene rote Linie der Abbildung 7 zeigt die Höhe des Knochens an: vor der Nasenbodenelevation (rechts: 9,3 mm und links: 5,7 mm) plus zusätzlich aufgebautem Knochen (rechts: 7,1 mm und links: 9,0 mm). Die durchgezogene bordeauxrote Linie zeigt die Nasenscheidewand, die gestrichelte bordeauxrote Linie den Sitz des Nasenbodens vor der Elevation. Die gelbe Linie deutet die neue Höhe des Nasenbodens an. Seit 2007 wurde diese Methode in unserer Klinik an mehr als 350 Patienten durchgeführt. Unsere Ergebnisse decken sich mit denen aus der Fachliteratur. Die Erfolgsquote liegt bei 100 Prozent bei einem zusätzlichen Knochengewinn bis zu 5 mm.

Fazit

Die Nasenbodenelevation ist eine innovative Möglichkeit des Knochenaufbaus. Diese Methode ist vor allem interessant, weil bisher eher die Knochenspreizung genutzt wird, um einen Aufbau an dieser Stelle zu provozieren. Durch das extern eingeführte Knochenersatzmaterial wird dem Knochen ein Aufbau erleichtert. Vorteilhaft ist ebenso, dass eine Nasenbodenelevation sowohl gleichzeitig mit einer Implantation stattfinden kann als auch nachzeitig.

Besonders geeignet zeigt sich das Verfahren in Zusammenhang mit der Fast- & Fixed-Versorgung. Eine ausreichende Primärstabilität kann durch bikortikale Implantatverankerung mit gleichzeitiger vertikaler Knochenhöhegewinnung stattfinden.


VERWENDETE MATERIALIEN UND LITERATUR

Knochenersatzmaterial
Puros Allograft (Zimmer Dental, Freiburg)

Implantatsystem
blueSKY (bredent medical, Senden)

Planungssoftware
coDiagnostiX™ (Dental Wings, Chemnitz)

Digitaler Volumentomograph
New Tom 3G (QR, Verona)

 

 

DENT IMPLANTOL (18)1 2014, S. 16–21
Dr. Regina Schindjalova

Die Nasenbodenelevation als Behandlungsoption bei Knochenabbau in der Front


[1]        Marxkors, R (1980): Zusammenhänge zwischen Okklusion totaler Prothesen und Knochenabbau. Dtsch Zahnärztl Z, 35(11): 1036 - 1038.
[2]        Döring, H (2012): Klinisch vergleichende Studie zur Zufriedenheit von Patienten mit implantatgetragener Unterkiefer-Totalprothese im Vergleich zur totalprothetischen Versorgung im zahnlosen Unterkiefer. Dissertation an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. (2012)
[3]       
Aoki, C/ Nara, T/ Kageyama, I (2011): Relative position of the mylohyoid line on dentulous and edentulous mandibles. Okajimas Folia Anat Jpn., 87(4):171-176.
[4]        Kuhl, W (2011): Die Bedeutung der Lippen für die orofaziale Ästhetik. Cosmetic Dentistry, 2/2011: 44-47.
[5]        Lindorf, HH/ Müller-Herzog, R/ Lehner, J: Der laterale Nasenlift mittels Trapdoor-Technik. ZMK Sonderausgabe Implantologie / Jg. 27/ S. 6-14, 2011.
[6]       
Mazor, Z/ Lorean, A/ Mijiritsky, E/ Levin, L: Nasal floor elevation combined with dental implants. Clin Implant Dent Relat Res, 14(5): 768-771. (2012)
[7]        El-Ghareeb, M/ Pi-Anfrus, J/ Khosousi, M/ Aghaloo, T/ Moy, P: Nasal floor augmentation for the reconstruction of the atrophic maxilla: a case series. J Oral Maxillofac Surg, 70(3):e235-241. (2012)

 

 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Regina Schindjalova

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Regina Schindjalova