Osteotomien und Kieferknochentrepanationen gehören zu den täglichen Basistätigkeiten jedes Oralchirurgen und Implantologen und wurden bisher fast ausschließlich mit Fräsen, Bohrern und niederfrequent oszillierenden Sägen durchgeführt. Erst in der letzten Dekade wurden alternative Instrumente (Laser, Piezotome) für die Kieferknochenchirurgie zertifiziert. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass sich die physikalischen Mechanismen von Fräsen, Bohrern, Lasern und Piezotomen beim Knochenschneiden und -bohren grundsätzlich unterscheiden.
Fräsen, Bohrer, niederfrequent oszillierende Sägen
Von Mikromotoren oder Turbinen angetrieben, verursachen Fräsen und Bohrer eine rein mechanische Abtragung des Kieferknochens durch Hacken und Zermalmen. Der Grad der unselektiven mechanischen Zerstörung des Kieferknochens hängt von der Geometrie der rotierenden Instrumente (kugelförmig, konisch, zylindrisch), der Rauigkeit der Oberflächenstruktur (diamantbeschichtet, Sägezahnstruktur, kreuzverzahnt, Spiralverzahnung) und der Rotationsgeschwindigkeit ab. Die Makro- und Mikrostruktur sowie die Rotationsgeschwindigkeit und der Anpressdruck der rotierenden Instrumente durch die Hand des Chirurgen führen zu mehr oder minder ausgeprägten Knochennekrosen, bereits bei oberflächlichen Osteotomien [1] und verstärken sich in der Praxis signifikant bei höheren Drehzahlen und zunehmender Osteotomietiefe. Der kühlende Kühlmittel- Strahl ist selten perfekt auf das rotierende Instrument zentriert, in der Tiefe wird das Instrument nicht mehr erreicht oder wird vom umgebenden Kieferknochen oder den Weichteilen abgelenkt [2].
Durch das hohe und unkompensierte Drehmoment ist das Anlegen einer präzisen Osteotomielinie oder eines punktgenauen Bohrloches besonders am kortikalen Knochen stark erschwert und erfordert lange Jahre der Übung. Dieser Effekt nimmt ebenfalls mit steigender Drehzahl des Instruments und dessen möglicherweise grob-verzahnter Oberflächenstruktur weiter zu.
Der größte Nachteil von rotierenden Fräsen und Bohrern ist der enorme systematische Knochenverlust beim Knochen-Schneidevorgang, bedingt durch die Material-mechanischen Mindesterfordernisse des Instrumenten-Durchmessers von mindestens 1,5 bis 2 mm (um die Gefahr von Instrumentenbrüchen zu minimieren) und die fehlende Präzision des Knochenschnitts infolge des o.a. Drehmoments, das durch die Hand des Chirurgen ausgeglichen werden muss (Abb. 1). Zusätzlich besteht höchste Gefahr durch scharfkantige rotierende Instrumente, kritische Weichgewebsstrukturen (N. mandibularis, N. mentalis, N. lingualis, A. lingualis, A. palatina, Sinus-Membran) zu zerstören [3] und Abrieb von unedlen Metallen und Bakterienkolonien in den umgebenden Knochen einzusprengen [4].
Laser
Verglichen mit Fräsen, Bohrern und oszillierenden Sägen verhalten sich Laser beim Schneiden von Knochen physikalisch grundsätzlich unterschiedlich. Lasersysteme für die Oralchirurgie und Implantologie („Erbiumlaser“, „Nd:YAG-Laser“, „CO2-Laser“) senden einen kohärenten Lichtstrahl einer genau definierten Wellenlänge im infraroten Lichtspektrum („Hitzestrahlung“) aus, der über optische Linsensysteme, optische Hohlwellenleiter oder fiberoptische Quarzfasern auf die Knochenoberfläche projiziert wird. Der Focus des Hitzestrahls auf der Knochenoberfläche hat typischerweise einen Durchmesser von 0,5 bis 1,0 mm, abhängig von der Güte des Linsensystems, des Hohlwellenleiters oder der Quarzfaser und des Abstandes des Laserhandstücks und dessen Winkel zur Knochenoberfläche [5]. Verschmutzte Linsen- oder Spiegelsysteme, Hohlwellenleiter und Quarzfasern führen darüber hinaus zu einer ungewünschten Abschwächung und Divergenz des Laser-Hitzestrahls, der nur unter Laborbedingungen tatsächlich aus lauter exakt parallelen infraroten Einzellichtwellen besteht. Nicht verwechselt werden darf der eigentlich aktive und unsichtbare Laserstrahl mit dem roten oder grünen Positionslaser am Knochen, der nur der Navigation dient und nichts anderes als ein Laserpointer wie bei Vorträgen ist.
Sobald der Hitzestrahl des Lasers auf die intra- und extrazellulären Wassermoleküle von Dentin (~ 20 % H2O), kortikalem oder spongiösem Knochen (~20-30 % H2O) und Hydroxylapatit (OH-, CO3, PO4 ? Molekülgruppen und interkristallines Wasser) trifft, wird die Hitze je nach Wellenlänge sofort und nahezu vollständig absorbiert (Abb. 2) und führt zu Mikro-Explosionen von supererhitztem Wasserdampf („Wasser-Plasmadampf“, Abb. 2). Diese Mikroexplosionen von supererhitztem Wasser werden – vom Chirurgen und Patienten deutlich hörbar – in kinetische Bewegungsenergie mit bis zu 120 dB Schalldruck [5] umgewandelt (entspricht dem Schalldruck eines Presslufthammers oder startenden Düsenflugzeugs). Diese kinetische Schalldruck-Schockwelle (auch „photoakustischer Laser-Effekt“ genannt) verursacht ein Aufbrechen der Hydroxylapatit- Kristalle und das Zerreißen von Kollagenfasern. Physikalisch handelt es sich um einen hitzeverursachten Kavitations-Effekt der supererhitzte Wasser-Kavitationsblasen erzeugt (Abb. 3). Das heißt, dass nicht der Laserstrahl an sich den Knochen schneidet, sondern der Laserstrahl in Wasser Mikroexplosionen erzeugt, die dann den Knochen trennen.
Sobald der Laser-Hitzestrahl das intra- und extrazelluläre Wasser vollständig verdampft hat, kann die Hitze des Laserstrahls nicht mehr in kinetische Schalldruck-Energie umgewandelt werden und der Hitzestrahl beginnt den Knochen an der Stelle des Auftreffens zu karbonisieren („verbrennen“) und die benachbarten Knochenschichten zu nekrotisieren [6]. Im Falle von Dentin und Schmelz führen diese Mikroexplosions-Druckwellen zu substantiellen Schmelz- und Dentinbrüchen und Rissen am Schmelz-Dentin-Interface (Abb. 4) ? vergleichbar zu Erdbeben-Druckwellen, die Risse in Mauern verursachen.
Um das Risiko einer laserstrahlbedingten hitzeinduzierten Knochennekrose besonders bei tiefen Osteotomien zu verringern und ausreichend Wasser in das Osteotomiegebiet einzubringen, muss zwingend eine ausreichende Wasserkühlung bereitgestellt werden, die allerdings durch die explosionsartige Wasserverdampfung zu einer (unsichtbaren) Aerosolbildung von Körperflüssigkeiten und Pathogenen des Patienten führt, die sich im gesamten OP-Raum ausbreiten und vom ungeschützten Personal eingeatmet werden können [5].
Die Effizienz und Atraumatizität des Knochenschnitts der in der Oralchirurgie gebräuchlichsten Lasertypen – der Erbium- oder CO2-Laser – hängt von mehreren wesentlichen Faktoren ab:
- Der Präzision und Sauberkeit des Spiegel- oder Linsensystems oder des Lichtwellenleiters.
- Des Durchmessers des unsichtbaren Brennpunktes („Fokus“) des Laserstrahls am Knochen und der ausreichenden Energiedichte im Brennpunkt, um den photoakustischen Effekt zu erzeugen. (Hier darf keinesfalls die rote oder grüne „Laserpointer“-Markierung am Knochen fälschlicherweise mit dem schneidewirksamen Laserstrahl verwechselt werden!)
- Die Qualität, Zeitdauer und Frequenz der intermittierenden Laserpulse, um der sich ausbreitenden Plasma-Blase zwischen den einzelnen Laserstrahl-Pulsen ausreichend Zeit zu geben, vaporisiertes (Knochen-)Gewebe und vor allem Hitze aus dem Osteotomiespalt abzutransportieren [6]. (Dies erzeugt die typischen „Rattergeräusche“ von Lasern bei der Arbeit.)
- Die Fähigkeit des Chirurgen in der praktischen Anwendung von Lasern während der gesamten Osteotomie den unsichtbaren Laserstrahl hochpräzise im optimalen Fokusabstand zu führen. (Je tiefer die Osteotomie, umso weiter muss der Chirurg das Laserhandstück in den Osteotomiespalt absenken.)
Eine Verbesserung der Schneidegeschwindigkeit am Knochen mit leistungsfähigeren Lasern (durch höhere Hitzeenergie und Hitzedichte am Auftreffpunkt des Laserstrahls) ist in der Praxis nicht mehr möglich, da die knochenspezifische maximale Hitzekonzentration zum Knochenschneiden nie überschritten werden darf, um katastrophale Knochennekrosen zu vermeiden [5,6].
Obwohl Osteotomien mit Lasern im Vergleich zu rotierenden Instrumenten eine präzisere Osteotomielinie mit geringerem instrumentenbedingtem Knochenverlust ermöglichen [7] (Abb. 1), der Knochenschnitt durch den Hitzestrahl des Lasers sterilisiert wird [6] (aber dafür möglicherweise infektiöse Pathogene in der Mundhöhle des Patienten und im OP-Raum verteilt [5]), besteht der größte Nachteil von Lasern darin, dass es völlig unmöglich ist, die Osteotomietiefe zu kontrollieren und Laser grundsätzlich Weichgewebe wie Nerven und (Kieferhöhlen-) Schleimhäute unselektiv schneller schneiden als Knochengewebe [8].
Daher ist die Anwendung von Lasern zum Knochenschnitt in der Nähe kritischer Weichteilstrukturen (Nerven) absolut kontraindiziert. Weiteres fehlt dem Laser jegliches haptische Feedback für den Operateur zur Bestimmung der Knochenqualität im Osteotomiespalt und die Möglichkeit, präzise dimensionierte geometrische Trepanationen in Durchmesser und Länge (fehlende Tiefenkontrolle) für die Implantatinsertion anzulegen.
Piezotome
Obwohl piezoelektrische Chirurgie-Instrumente in ihrer Form makroskopisch durchaus konventionellen Fräsen, Bohrern und Sägen ähneln, beruht die Fähigkeit von Piezotomen Knochen zu schneiden nur zum geringsten Teil auf rein mechanischen Eigenschaften. Die in Piezotom-Handstücken verbauten piezoelektrischen Kristallringe bewirken bei Aktivierung durch elektrischen Strom eine präzise ausgerichtete lineare zweidimensionale harmonische Oszillationsbewegung – vor allem in der medizinischen Literatur fälschlicherweise als Vibrationen = ungeordnete dreidimensionale Bewegungen bezeichnet – mit einer Frequenz von 28.000 bis 36.000 modulierten harmonischen Oszillationsbewegungen von 60 bis 200 ?m (0,06 – 0,2 mm) Länge pro Sekunde (!) (Abb. 5).
Jeder Festkörper, der in Flüssigkeiten im Überschallbereich schwingt, erzeugt einen druckinduzierten Kavitationseffekt ähnlich der Überschalldruckwelle eines Überschall-Flugzeugs in der Luft. Dieser druckinduzierte Kavitationseffekt ähnelt dem hitzeinduzierten photoakustischen (Kavitations-)Effekt von oralchirurgischen Hitzestrahl-Lasern, findet aber bei signifikant niedrigeren Temperaturen statt [9].
Daher beruht die Fähigkeit von Piezotomen, Knochen zu schneiden, auf den kavitationsbedingten harmonisch oszillierenden Druckwellen, die das kontaktlose präzise Aufbrechen von Hydroxylapatit- Kristallen ähnlich dem Ultraschall-Nierenstein-Zertrümmern ermöglichen, aber in dem für das Knochenschneiden optimalen Frequenzband von 28-36 KHz keinerlei Schädigung von Weichgeweben (Nerven, (Sinus-)Schleimhäuten) verursachen können [10,11]. Die Arbeitsspitze gleitet – stark vereinfacht ausgedrückt – auf einem Wasserdampf-Druckpolster durch den Knochen wie ein Hovercraft über den Boden.
Der druckinduzierte Kavitationseffekt an den Enden der Arbeitsspitzen (Abb. 6) ermöglicht die hochpräzise Separation von mineralisierten Geweben (Knochen, Dentin, Schmelz) und verbessert signifikant die Knochenheilung [10,11]. Bei niedrigen Energieeinstellungen vermögen Piezotome erstmals durch den Kavitationseffekt Weichgewebsschichten völlig zerstörungsfrei in den Bindegewebs-Zonen voneinander zu separieren [12] und postoperativ für eine signifikant bessere hämodynamische Mikrozirkulation der Gewebe im OP-Gebiet zu sorgen [13].
Einer möglichen Hitzeentwicklung beim Knochenschneiden wird bei den zertifizierten Piezotomen durch einen effizienten Kühlmittelfluss entgegengewirkt, der im Gegensatz zu Lasern durch akustische Resonanzeffekte gleichsam an der Arbeitsspitze „klebt“ (Abb. 7). Nur die unsachgemäße Anwendung von Piezotomen durch den Chirurgen (zu hoher Anpressdruck der Arbeitsspitze am Knochen, Reduktion des Kühlmittelflusses unter die verpflichtend vorgeschriebenen Werte, Absaugen des an der Arbeitsspitze „klebenden“ Kühlmittels durch die Assistenz) oder fehlerhaft konstruierte Ultraschall-Chirurgie-Geräte (die mit freiem Auge leider nicht sichtbar ungeordnet dreidimensional vibrieren anstatt zweidimensional moduliert harmonisch zu oszillieren) können in der Osteotomie zu unerwünschten intraossären Hitzeeffekten führen.
Piezotome führen zum geringstmöglichen prozeduralen Knochenverlust aufgrund einer Dicke der Arbeitsspitzen von nur 0,1 bis 0,2 mm und ermöglichen ein präzises Design der Osteotomie- Linie vergleichbar zum Laser. Im Gegensatz zum Laser, und um ein vielfaches besser als rotierende Instrumente, erlauben Piezotome jedoch eine präzise Tiefenbestimmung der Osteotomie, können Weichgewebe (Nerven, Membranen) nur bei unsachgemäßer Anwendung verletzen und geben dem Chirurgen ein exzellentes akustisches und haptisches Feedback bei der intraoperativen Bestimmung der Knochenqualität. Präzis geometrische Trepanationen vergleichbar zu Implantatbohrern sind mit Piezotomen möglich.
Ausblick
In Teil 2 in der Mai-Ausgabe unterziehen die Autoren den aktuellen Stand der Technik einer kritischen Überprüfung. Es wurden aktuelle vergleichende experimentelle ex-vivo und in-vivo-Studien auf molekularbiologischer, mikro- und makroskopischer Ebene sowie vergleichende klinische Studien bezüglich postoperativer Patienten-Morbidität statistisch ausgewertet. Ziel war es zu bestimmen, welche Klasse von Instrumenten evidenzbasiert zum Knochenschneiden heute als Gold-Standard definiert werden müssen. Darüber hinaus sollten die Indikationsbreiten und Vor- und Nachteile der drei Instrumentenklassen analysiert und Empfehlungen für den klinisch tätigen Oralchirurgen erarbeitet werden.
Weitere Autoren:
Dr. Dr. Ziad Tarek Mahmoud, Department of Oral and Maxillofacial Surgery, Faculty of Dentistry, Alexandria University, Egypt
Prof. Dr. Marcel Wainwright, School of Dentistry, University of Seville, Spain
Univ. Prof. Dr. Moataz Mohamed Khamis, Department of Prosthodontics, Faculty of Dentistry, Alexandria University, Egypt
Weiterführende Links
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