Sofortversorgung in der Oberkieferfront trotz qualitativ und quantitativ schlechtem Knochenangebot

Die Implantation im ästhetisch sensiblen Frontzahnbereich stellt eine besondere Herausforderung dar, wenn sich das Knochenangebot durch die Folgen einer Parodontitis sukzessive reduziert hat und mehrere Implantate nebeneinander platziert werden sollen [1]. Nehmen zusätzliche Allgemeinerkrankungen – wie in diesem Fall ein Diabetes mellitus Typ II – und funktionelle Aspekte einen negativen Einfluss auf die Knochenqualität, muss während der Operation individuell auf die Knochenverhältnisse eingegangen werden. Kondensierendes und osteotomierendes Verdichten des Knochens in Kombination mit Knochenaufbau und einem chirurgischen Weichgewebsmanagement stellen hohe Anforderungen an den Operateur.
Die 54-jährige Patientin äußerte sich im Ersttermin unzufrieden mit dem Ergebnis zweier kieferorthopädischer Behandlungen mit einer Multibandapparatur, in denen versucht wurde, die starke Labialstellung der Oberkieferfront ästhetisch und funktionsgerecht einzustellen. Beide Male waren Rezidive nach Abschluss der Behandlungen das Ergebnis. Hinzu kam, dass die Oberkieferfrontzähne nach und nach extrudiert waren und einen Lockerungsgrad II-III aufwiesen (Abb. 1). Im Ober- und Unterkiefer fehlten bereits die Zähne 15, 16, 25, 26, 46 und 36. Die Lücken von 36 und 46 waren durch Kippung und Wanderung von 37 und 38 beziehungsweise 47 und 48 geschlossen (Abb. 2 und 3).
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Abb. 1: Die Frontzähne im Oberkiefer waren stark protrudiert und hatten einen Lockerungsgrad II-III.
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Abb. 2: In der Profilansicht ist die Protrusion deutlich zu sehen.
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Abb. 3: Bereits hier ist zwischen 21 und 22 der Verlust des interdentalen knöchernen Septums erkennbar.
Eine Modellgussprothese ersetzte die Zähne 41, 42, 31, 32, 44 und 45; die Molaren waren konservierend versorgt. Die Patientin äußerte vorrangig den Wunsch, die Lücken im Oberkiefer zu schließen und die Oberkieferfront langfristig ästhetisch einzustellen.
Risikofaktoren
Chronische Parodontitis: Die Patientin war seit mehreren Jahren an einer chronischen generalisierten Parodontitis erkrankt. Das OPG machte einen allgemeinen, horizontalen Knochenabbau in den bezahnten Arealen sichtbar, vertikale Knocheneinbrüche vor allem im Oberkieferfrontzahnbereich und Konkremente an den Molaren. Die sondierten Taschen in der Oberkieferfront erreichten pathologische Werte von 6 bis 8 mm. Die Zähne 17, 14, 24, 27 und 43 wiesen einen Lockerungsgrad II auf. Die Parodontitiserkrankung stellte nicht nur ein Risiko für die Restbezahnung dar, sondern gefährdete auch die Langzeitprognose des implantologischen Erfolgs [1, 2].
Funktionelle Komponente: Die Zahnwanderungen und -kippungen im Ober- und Unterkiefer verschlechterten sukzessive die parodontale Einbettung im Knochenfach und verstärkten den virulenten Effekt der unbehandelten Parodontitis. In der Oberkieferfront führte die mangelnde Abstützung zu einer extremen Pro- und Extrusion und dadurch zu einer ausgeprägten Labialstellung. Die Einlagerung der Unterlippe begünstigte das Protrudieren der Front. Ein Retainer war nach den KFO-Behandlungen nicht eingesetzt worden. Der Biss war aufgrund der mangelhaften Abstützung im Seitenzahnbereich abgesunken. Die kodestruktive Krafteinwirkung der Multibandapparatur während der kieferorthopädischen Therapie in Kombination mit der parodontopathogenen Keimbesiedlung der Zähne trug zur Progression des Knochenabbaus bei [3].
Diabetes mellitus Typ II: Bei der Patientin hemmt eine Insulinresistenz den Hormon-Rezeptor-Mechanismus, sodass der Blutzuckerspiegel ansteigt. Langfristig beeinträchtigt dies die Gefäßversorgung und damit die Osseointegration [4]. Überschüssige Glucose verbindet sich erst mit Proteinen (Advanced Glycation Endproducts) und haftet sich danach an die Osteoblasten. Das hemmt die Knochenbildungsrate [5]. Diese Faktoren führen zu einer Verschlechterung der Knochenqualität. Die immunologische Leukozytenfunktion ist durch den erhöhten Glucosespiegel zusätzlich eingeschränkt. Dies kann nach der OP zu Wundheilungsstörungen führen [4]. Der behandelnde Hausarzt hat den Blutzuckerspiegel entsprechend eingestellt. Das hat im Vorfeld der Behandlung signifikant die potentielle periimplantäre Knochenneubildung verbessert und damit auch die Langzeitprognose des Implantats [6].
Vorbehandlung
Die Patientin kam ins Recall-Programm. Nach der ersten Vorreinigung wurde sie parodontologisch behandelt und erhielt eine unterstützende Antibiose. Unter lokaler Anästhesie wurden die Zahnwurzeln mittels Kürettage gereinigt, geglättet und die Taschen wie der Mundraum nach dem Prinzip der Full-Mouth-Desinfection vor- und nachbehandelt [7]. Die insuffizienten Versorgungen an 27, 37 und 48 wurden durch adhäsive Komposit-Füllungen ersetzt.
Im nächsten Schritt wurden Situationsmodelle erstellt und der Biss registriert. Nach dem Einartikulieren radierten die Techniker die OK-Frontzähne von 12 bis 22, um den Zahnbogen idealisiert mit Kunststoffzähnen in Wachs aufzustellen. Das Modell wurde mit der Patientin besprochen. Sie war mit dem ästhetischen Ergebnis zufrieden. In Anlehnung an die ideale Aufstellung stellten die Techniker bereits vor dem chirurgischen Eingriff ein verblocktes, festsitzendes Kunststoffprovisorium her, das im Bereich der geplanten provisorischen Abutments großzügig ausgeschliffen wurde.
Die Planung
Die vier Frontzähne sollten im Optimalfall extrahiert und sofort mit vier NobelActive™ Implantaten ersetzt werden (Abb. 4a/4b). Jedoch war zu Beginn des Eingriffs nicht klar, ob die knöchernen Platzverhältnisse für vier Implantate ausreichten. Das musste während der Implantation sukzessive überprüft werden. Die Implantate wurden mit einem Abstand von mindestens 3 mm geplant, um einen lateralen Knochenabbau zu vermeiden [8]. Deshalb sollten die Implantate in der Reihenfolge 12, 22 und 11 inseriert werden. Je nach Platzverhältnis in regio 21 galt es zu entscheiden, ob die Patientin mit drei Implantaten und einer verblockten Brückenkonstruktion oder mit vier Einzelimplantaten versorgt wird.
Die Sofortimplantation sollte ein Einfallen des Gewebes und des Knochens nach der Extraktion verhindern. Zudem begünstigte ein einzeitiges Vorgehen die Wundheilung, die möglicherweise durch den Diabetes mellitus Typ II beeinträchtigt war. Das selbstschneidende und osteotomierende NobelActive™ Gewinde mit dem inversen Implantathals sollte die ästhetisch sensible buccale Lamelle zusätzlich schonen und trotz Alveole eine größtmögliche Primärstabilität und räumliche Flexibilität beim Inserieren gewährleisten. Der Labialstand der Frontzähne und die geplante palatinale Positionierung der Implantate ließ eine große Diskrepanz zwischen vestibulärer Knochenlamelle und der Buccalfl äche der Implantate erwarten. Mit Hilfe der inserierten Implantate sollte die buccale Knochensituation stabilisiert werden.
Nach einer ausführlichen Beratung wollte die Patientin aus finanziellen Gründen vorerst nur die Front behandeln lassen. Die verbleibenden Lücken will sie sukzessive auch mit Implantaten schließen lassen. Langfristig ist eine Schienentherapie geplant, um den abgesunkenen Biss zu erhöhen. Im Oberkieferseitenzahnbereich ist wegen der schlechten Knochenverhältnisse ein zweizeitiges Vorgehen mit Sinuslift vorgesehen.
Chirurgischer Eingriff
Unmittelbar vor dem Eingriff erhielt die Patientin noch eine parodontologische Prophylaxe, um den aktiven Biofilm und damit die Virulenz des Keimspektrums zu reduzieren. Eine Stunde vor dem Eingriff nahm die Patientin außerdem ein hochdosiertes One-Shot-Antibiotikum (Amoxicillin 3 g) ein. Dieses sollte intraoperativ zusätzlich vor pathogenen Keimen schützen. Zudem unterstützt es die Wundheilung, die durch den Diabetes Typ II negativ beeinträchtigt wird [9]. Der Eingriff erfolgte in lokaler Anästhesie.
Das marginale Parodontium wurde mit dem Skalpell gelöst. Es folgte die Extraktion der Zähne 12, 11, 21 und 22. Anschließend wurde das Wundgebiet mit einem scharfen chirurgischen Löffel degranuliert (Abb. 5). Zuerst wurde die initiale Bohrung an 12 gesetzt (Abb. 6). Es war wichtig, die sensible buccale Lamelle möglichst zu schonen und die Blutversorgung und damit die Ernährung des Knochens nicht zu unterbrechen. Deshalb wurde das Bohrloch konsequent nach palatinal verlagert. Dies begünstigte auch die Primärstabilität. Der Spiralbohrer wurde mit der Spitze (Twist Drill with Tip) für jede Bohrung fast senkrecht zur palatinalen Knochenwand angesetzt, um dann mit einer fließenden Schwenkbewegung auf der Hälfte der Alveolenhöhe in Richtung der Vertikalen bis zur gewünschten prothetischen Einschubrichtung einzutauchen (Abb. 7 und 8). Die parallelwandige Bohrung erfolgte bei allen Extraktionsalveolen unter Wasserkühlung mit maximal 800 Umdrehungen und einem Durchmesser von 2 mm.
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Abb. 5: In der Aufsicht ist der ausgeprägte buccale Verlauf des Alveolarkamms erkennbar.
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Abb. 6: Starke labiale Ausrichtung des Bohrers zu Beginn.
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Abb. 7: Der Bohrer wurde mit einer fl ießenden Schwenkbewegung in Richtung der Vertikalen bis zur gewünschten prothetischen Einschubrichtung geführt.
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Abb. 8: Buccale Ansammlung des aufbereiteten Knochens bei 11, 21.
Der Motor sollte während der Aufbereitung nicht gestoppt und der Bohrer in einer gleitenden Bewegung bis auf die hier verwendeten Implantatlängen von jeweils 13 mm geführt werden. Abschließend wurde in derselben Weise das Implantatbett an 12 mit dem Stufenspiralbohrer (Twist Step Drill), Durchmesser von 2,4 auf 2,8 mm, bis zur Hälfte der geplanten Implantatlänge vergrößert, um die selbstschneidende und kondensierende Eigenschaft des konischen NobelActive™ Implantats mit einem Durchmesser von 3,5 mm maximal auszuschöpfen (Abb. 9 und 10). Für 22 galt das Bohrprotokoll entsprechend.
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Abb. 9: Die knöchernen Implantatlager 11 und 21 wurden nach dem gleichen Prinzip mit einem größeren Durchmesser von 2,8 bis 3,2 mm bis zur Hälfte der geplanten Implantatlänge präpariert und mit einem breiteren Implantat (4,3 mm) versorgt.
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Abb. 10: Die knöchernen Implantatlager 11 und 21 wurden nach dem gleichen Prinzip mit einem größeren Durchmesser von 2,8 bis 3,2 mm bis zur Hälfte der geplanten Implantatlänge präpariert und mit einem breiteren Implantat (4,3 mm) versorgt.
Die knöchernen Implantatlager 11 und 21 wurden mit einem größeren Durchmesser von 2,8 bis 3,2 mm bis zur Hälfte der geplanten Implantatlänge präpariert und demgemäß mit einem breiteren Implantat (4,3 mm) versorgt (Abb. 6 bis 11). Alle Implantate konnten im apikalen Bereich die ausgeprägten Gewindefl anken komplett im parallel unterdimensionierten aufbereiteten spongiösen Knochen verankern. Der Durchmesser des Bohrlochs ist bei diesem System immer kleiner zu wählen als der maximale Umfang der Gewindeflanken und orientiert sich am Durchmesser des Implantatkörpers. Bei einer schlechten Knochenqualität ist dies vorteilhaft für die Primärstabilität und Osseointegration [10]. Die Stabilisierung über die osteotomierende Wirkung des Schulter-Hals-Bereichs fiel wegen der Extraktionsalveole allerdings geringer aus.
Aufgenommen wurde das Implantat mit einem Eindreher (Implant Driver NobelActive™) samt einem aufgesteckten chirurgischen Eindreher (Surgical Driver). Die Kraft konnte mittels dieses „Schraubendrehers“ beim Inserieren des selbstschneidenden Implantats direkt vom Behandler übertragen werden, was sowohl die Kondensation als auch die optimale Ausrichtung erleichterte. Richtungsänderungen sind mit NobelActive™ während des Eindrehens möglich. Da die Primärstabilität dieses Implantattyps über die schneidende Verankerung der apikalen Gewindeflanken gewährleistet wird, besteht nicht die Gefahr einer zu starken Knochenkondensation. Mit dem manuellen Implantateindreher kann ein Drehmoment von 70 Ncm gewährleistet werden, der dem Knochen nicht schadet [11]. Beim Inserieren in das Implantatbett wurde analog – wie bei der Bohrung mit der scharfen Implantatspitze – initial in Richtung palatinal gearbeitet. Das Eindrehinstrument wurde dabei stark nach labial geneigt. So erreichte der Implantatkörper nach wenigen Umdrehungen die ausreichende Stabilität.
Die erste Orientierung über eine harmonische prothetische Einschubrichtung während des Inserierens von 12 lieferte der Eckzahn 13. Das NobelActive™ Implantat verfügt über eine rückwärtsschneidende Eigenschaft. Das ermöglicht zu jedem Zeitpunkt der Implantation dreidimensionale Richtungskorrekturen. Das gegenläufige Doppelgewinde machte ein kontrolliertes Zurückdrehen gegen den Uhrzeigersinn möglich. Eine halbe Umdrehung genügte, um das Implantatbett aktiv schneidend, minimal zu erweitern.
In die ausgeprägten Räume zwischen den Gewindegängen, die über zwei Abflussrinnen verfügen, floss nach dem Prinzip einer Archimedischen Schraube das abgetragene Knochenmaterial ab. Die Kondensation verbesserte zusätzlich die Primärstabilität. Dieser Faktor ist gerade bei schlechter Knochenqualität und -quantität von Vorteil [12]. Bei konventionellen Implantaten wird mit dem Osteotom vorverdichtet. Bei NobelActive™ ist die kondensierende Funktion in die funktionelle Implantatgeometrie integriert (Abb. 11a und b).
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Abb. 11: Die beiden Sonden zeigen die unterschiedlichen Achsen von Alveole und Bohrstollen.
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Abb. 11a: Insertion des Implantats 21 in ebenfalls buccaler Ausrichtung - Vergleich zur Achse der bereits inserierten Implantate.
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Abb. 11b: In der Endposition sitzt das Implantat 21 achsengerecht.
Das Implantat 12 wurde in die endgültige prothetische Idealposition gebracht. Während des selbstschneidenden und osteotomierenden Eindrehens erfolgte durch aktives Zurückdrehen und passives Verdichten langsam die Aufrichtung des Implantats nach vertikal bis in die gewünschte prothetische Endposition. Mit der Einbringhilfe wurde die prothetische Einschubrichtung überprüft. Danach folgten die Implantate 11 und 22 entsprechend. Die verbliebenen Knochenverhältnisse in regio 21 reichten aus, um ein viertes Implantat in derselben Weise zu setzen.
Die Primärstabilität wurde jeweils mit der manuellen chirurgischen Drehmomentratsche (NobelActive™ Manual Torque Wrench Surgical) ermittelt. Jedes der vier Implantate musste einem gegenläufigen Drehmoment von mehr als 35 Ncm standhalten, um sofort provisorisch versorgt werden zu können (Immediate Function™) [13, 14]. Das Implantat 22 erreichte diesen Wert nicht. Es wurde deshalb nicht in die verblockte, provisorische Kunststoffversorgung integriert. Das Implantat 22 erhielt einen Gingivaformer. Provisorische QuickTemp™ Abutments wurden an den Implantaten 12, 11 und 21 intraoral fixiert (Abb. 12), mit Kunstoffkappen (Immediate Copings) versehen und mit fließfähigem Komposit bestrichen (Abb. 13). Die im Labor gefertigte Idealaufstellung wurde mit einer Tiefziehfolie in die richtige Position gebracht, mit fließfähigem Komposit befüllt und harmonisch auf die drei Abutments gesetzt und lichtgehärtet. Die Immediate Copings wurden in das Provisorium integriert. Blasen und Kanten wurden nach der Lichthärtung extraoral korrigiert. Die Form wurde dem Alveolenverlauf angepasst, um eine Ausformung der Mucosa während der Wundheilung zu gewährleisten [15] (Abb. 14).
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Abb. 12: Die Implantate 12, 11 und 21 erhielten QuickTemp™ Abutments.
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Abb. 13: Sie wurden mit Kunststoffkappen (Immediate Copings) versehen und mit fl ießfähigem Komposit bestrichen.
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Abb. 14: Die Immediate Copings wurden in das Provisorium integriert und die Form dem Alveolenverlauf angepasst, damit die Mucosa während der Wundheilung geformt wird.
Das Implantieren in die palatinale Region hatte einen vestibulären Spalt zwischen Implantatgewinde und buccaler Knochenlamelle zur Folge, sodass das Einfallen der vestibulären Strukturen verhindert werden musste. Um ein ästhetisch ansprechendes Ergebnis zu generieren, wurde vestibulär in regio 12 bis 22 ein minimalinvasiver Mukosalappen präpariert. Die vier buccalen Spalten wurden mit einem Gemisch aus ß-Tricalciumphosphat, Eigenknochen und Eigenblut aufgefüllt [16] (Abb. 15).
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Abb. 15: Die buccalen Spalten wurden mit einem Gemisch aus ß-Tricalciumphosphat, Eigenknochen und Eigenblut aufgefüllt, um die Qualität und Quantität des buccalen Weichgewebes zu verbessern.
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Abb. 16: Aus dem Gaumen in regio 23 bis 26 wurde ein freies Bindegewebstransplantat entnommen, um es vestibulär in die chirurgisch geschaffene Tasche einzufügen.
Die Qualität und Quantität des buccalen Weichgewebes sollten verbessert werden, um dadurch die Höhenunterschiede in den Bereichen 11 und an 21 auszugleichen. In regio 23 bis 26 wurde ein freies Bindegewebstransplantat aus dem Gaumen entnommen und vestibulär in die chirurgisch geschaffene „Zahnfl eischtasche“ eingefügt [17] (Abb. 16). Das Transplantat wirkt der natürlichen Rezession entgegen und deckt den Knochenaufbau ab.
Das Wundgebiet inklusive Bindegewebe wurde mit Gore-Tex CV6 Matratzen- und Einzelknopfnähten spannungsfrei fixiert (Abb. 17). Das Provisorium konnte abschließend mit Glasionomerzement eingesetzt werden (Abb. 18). Die Zementreste wurden penibel entfernt, das Wundgebiet mit Kochsalzlösung gespült. Eine Dexamethason-Injektion sollte postoperativen Schwellungen und Schmerzen entgegen wirken. Zehn Tage post OP wurden die Nähte entfernt.
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Abb. 17: Das Transplantat wurde in die buccal präparierte Mucosa eingebracht.
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Abb. 18: Das eingesetzte Provisorium.
Nach zwei Monaten wurde das Provisorium erstmals entfernt. Das Implantat 22 war mit 35 Ncm fest (Abb. 19) und konnte in das Provisorium integriert werden. Das Immediate Coping wurde mit fließfähigem Komposit fixiert und die Alveole im Anschluss ausgeformt. Die provisorische Brücke wurde wieder mit GIZ-Zement eingegliedert. Drei Monate später wurde eine Silikonabformung mit geschlossenem, individuellem Löffel von den aufgeschraubten Abformpfosten (Abb. 20) genommen. Der Gegenkiefer wurde mit Alginat abgeformt, der Biss mit Registriersilikon registriert.
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Abb. 19: Nach 2 Monaten war auch das Implantat 22 mit 35 Ncm fest.
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Abb. 20: Die Silikonabformung wurde mit einem geschlossenen, individuellen Löffel von den aufgeschraubten Abformpfosten genommen.
Die Laborarbeit
Die Patientin erhielt vier autarke Einzelkronen als endgültige Prothetik. Dafür wurden die Arbeitsmodelle anhand der Abformungen hergestellt und einartikuliert. Für die Zähne 11, 12, 21 und 22 dienten individuell hergestellte vollkeramische NobelProcera™ Abutments Zirconia als Arbeitsgrundlage, um den frontalen Zahnbogen zu harmonisieren (Abb. 21).
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Abb. 21: Individuell hergestellte vollkeramische NobelProcera™ Abutments an 11, 21 und 22 dienten dazu, den frontalen Zahnbogen zu harmonisieren. Im Vergleich dazu an 12 ein Standardabutment mit der geringen buccalen Unterstützung.
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Abb. 22: Die gleiche Situation im Mund. Für die definitive Versorgung wurde auch für 12 ein individuelles Abutment verwendet.
Die individuellen Abutments ermöglichten außerdem die optimale Stütze und Ausformung des Weichgewebes [18]. Dieser Effekt macht sich vor allem im buccalen Bereich der juga alveolaria bemerkbar. Abbildung 22 zeigt ein konfektioniertes Abutment an 12 im Vergleich mit drei individuellen Abutments.
Die provisorischen, laborgefertigten Kunststoff-Abutments wurden im Labor mit dem Procera® Scanner abgetastet und anhand der Daten individuelle Abutments im Nobel Biocare Fertigungszentrum gefräst. Danach wurde im Labor die Oberfläche der individuellen Abutments gescannt, um auf der Basis dieser Daten maschinell passende Aluminiumoxidgerüste auf die Abutments zu fräsen. Das Labor verblendete diese abschließend mit einer Aluminiumoxidkeramik. Die endgültigen Kronen wurden nach einer Abheilzeit von rund sechs Monaten mit Glasionomerzement befestigt (Abb. 23 und 24). Der Schraubenkanal wurde zuvor mit Wachs verschlossen. Die Patientin war mit dem ästhetischen Ergebnis sehr zufrieden.
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Abb. 23: Die endgültigen Kronen wurden mit Glasionomerzement befestigt.
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Abb. 24: Die endgültigen Kronen wurden mit Glasionomerzement befestigt.
Fazit
Die drei NobelActive™ Funktionen (kondensierend, osteotomierend, rückwärtsschneidend) erleichterten in diesem Fall nicht nur das operative Vorgehen im kompromittierten Knochen, sondern trugen auch dazu bei, die Patientin einzeitig mit einem festsitzenden Provisorium zu versorgen. Das Profil der Zahnfleischgirlande zeigte sich nach der endgültigen Versorgung beim Einsetzen trotz des freien Bindegewebstransplantats noch nicht perfekt. Ob ein zweizeitiges Vorgehen mit einer langwierigen Knochenblockaugmentation hier zu einem besseren Ergebnis geführt hätte, bleibt allerdings fraglich [19]. Der Mehraufwand für Operateur und Patientin wäre wesentlich größer gewesen. Mittlerweile sind 3 Jahre seit dem Eingriff vergangen. Es zeigt sich eine sukzessive Verbesserung des ästhetischen Resultats (Abb. 25) und stabile knöcherne Verhältnisse (Abb. 26).
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Abb. 25: Die Situation nach 3 Jahren: Durch die Weichgewebsaugmentation verbesserte Langzeitästhetik.
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Abb. 26: Stabile interdentale Knochenverhältnisse nach 2 Jahren.
Implantatsystem
NobelActive™ Implantat (Nobel Biocare, Köln)
Drehmomentratsche
NobelActive™ Manual Torque Wrench Surgical
(Nobel Biocare, Köln)
Provisorische Abutments
QuickTemp™ Abutments (Nobel Biocare, Köln)
Nahtmaterial
GORE-TEX® (W.L. Gore, Putzbrunn)
Abutments
Vollkeramische NobelProcera™ Abutments
Zirconia (Nobel Biocare, Köln)