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Abutment, Mukosa, periimplantär, Weichgewebe

Das periimplantäre Weichgewebe als Schlüsselfaktor für einen Langzeiterfolg

Die Rolle des periimplantären Weichgewebes ist immer wieder Inhalt wissenschaftlicher Artikel. Die Frage, ob und wie viel keratinisiertes Gewebe um Implantate notwendig ist, wird teilweise kontrovers diskutiert. In früheren ? tierexperimentellen ? Studien konnte die Notwendigkeit von keratinisierter bzw. befestigter Mukosa für den implantologischen Langzeiterfolg nicht nachgewiesen werden. Neuere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass eine geringe Breite (< 2 mm) an keratinisierter befestigter Mukosa um Implantate, das Hart und Weichgewebe anfälliger für periimplantäre Entzündungen sowie Hart- und Weichgewebeabbau macht.

Endgültige Kronenversorgung.
Endgültige Kronenversorgung.
Endgültige Kronenversorgung.

Dem periimplantären Gewebe kommt eine wichtige Bedeutung zu, da es das Implantat gegen die Mundhöhle abschirmt und das Eindringen von Bakterien verhindern soll.

Die kollagenen Fasern des periimplantären Bindegewebes strahlen nicht in die Implantatoberfläche ein, sondern verlaufen parallel zu dieser. Im Gegensatz zum Zahn, bei dem die kollagenen Fasern in den Wurzelzement einstrahlen, ist der Weichgewebeabschluss nicht fest mit dem Implantat verbunden und weniger widerstandsfähig. Hinzu kommt, dass die Gefäßversorgung der periimplantären Gewebe deutlich geringer als bei Zähnen ist.

In tierexperimentellen Studien konnte schon 1992 nachgewiesen werden, dass die Entzündungsreaktion und die Zusammensetzung von Plaque an Zähnen und Implantaten in den ersten drei Wochen gleich ist. Nach drei Monaten zeigt sich an den Zähnen eine Gingivitis, bei welcher sich Gewebeabbau und Gewebeaufbau die Waage halten. Bei einer Plaque induzierten Mukositis um Implantate überwiegt nach drei Monaten der Gewebeabbau und die Entzündung greift auf den Knochen über.

Eine bewegliche periimplantäre Mukosa und insbesondere einstrahlende Muskelzüge führen zu vermehrter Plaqueakkumulation und einer mechanischen Reizung der Mukosa. Dies führt in vielen Fällen zu Beschwerden bei der Reinigung, wodurch die Mundhygiene in diesem sensiblen Bereich schlechter durchgeführt wird.

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Im Frontzahnbereich kommt dem periimplantären Weichgewebe neben den oben genannten funktionellen Aufgaben, eine besondere Bedeutung zum Erreichen einer guten „roten Ästhetik“ zu. Hier ist nicht nur ein breites Band an keratinisierter Mukosa wichtig, sondern auch ein möglichst dickes und stabiles Gewebe notwendig, um Rezessionen zu vermeiden. Rezessionen des Weichgewebes führen zu unbefriedigenden ästhetischen Beeinträchtigungen und lassen sich nach der prothetischen Versorgung von Implantaten nur schwer und nicht vorhersagbar korrigieren.

Zur Ausformung eines natürlichen Gingivaverlaufs mit möglichst erhaltenen Interdentalpapillen ist ein dickes Gewebe von Vorteil. Zu guter Letzt sollten sich die Farbe und die Oberflächenbeschaffenheit des Weichgewebes in der Front im Bereich von Implantaten nicht von dem Weichgewebe an den natürlichen Nachbarzähnen unterscheiden.

Das Problem klinischer Studien ist die oftmals kurze Beobachtungszeit. Die folgende Fallbeschreibung zeigt, dass sich Probleme durch ein zu geringes Band an keratinisierter und befestigter periimplantärer Mukosa erst nach vielen Jahren etablieren können.

Fallbeispiel 1

Bei dem männlichen 51 Jahre alten Patienten wurden im Jahr 2000 in regio 36/37 zwei Implantate gesetzt (Nobel Biocare). Im Anschluss an die Freilegungsoperation wurde der Patient in unsere Praxis zur prothetischen Versorgung überwiesen. Die beiden Implantate wurden mit zwei konfektionierten Titanabutments und metallkeramischen verblockten Kronen versorgt (Abb. 1).

Abb. 1: Röntgenkontrolle nach prothetischer Versorgung im Jahr 2000.
Abb. 1: Röntgenkontrolle nach prothetischer Versorgung im Jahr 2000.
Abb. 2: Radiologischer Befund im Jahr 2010.
Abb. 2: Radiologischer Befund im Jahr 2010.

Im Jahr 2010 erfolgte die Implantation im ersten Quadranten. In dem folgenden Arztbrief wurde von der chirurgischen Praxis auf die Region 36 hingewiesen, da zu diesem Zeitpunkt dort nur ca. 1 mm befestigte Mukosa vorhanden war. Der Patient erschien zweimal pro Jahr zur professionellen Zahnreinigung und zahnärztlichen Kontrolle. Es wurde ein abwartendes Vorgehen besprochen, da sich zu diesem Zeitpunkt weder erhöhte Sondierungstiefen noch eine Mukositis zeigte. Auch der krestale Knochen zeigte auf dem angefertigten OPG keinen Abbau (Abb. 2).

Im Mai 2017 stellte sich der Patient mit Beschwerden im Bereich des Implantats 36 in unserer Praxis vor (Abb. 3). Die Mukosa zeigte sich am Implantat 36 vollständig mobil und gerötet, bei einer Sondierungstiefe von 5 mm bukkal, mesial und distal. Es erfolgte die Entfernung der vorhandenen verblockten Implantatkronen auf den Implantaten 36 und 37. Deutlich war die Ansammlung von Speiseresten in der entstandenen Zahnfleischtasche zu sehen (Abb. 4). Die Tasche bei dem Implantat 36 wurde mit Chlorhexidin gespült und Dontisolon wurde in die Tasche injiziert. Im Anschluss erfolgte ein Röntgenbild der Region. Auf dem Einzelröntgenbild war ein deutlicher knöcherner Defekt um das Implantat 36 zu sehen (Abb. 5).

Abb. 3: Klinisches Bild am Tag der Erstvorstellung mit Beschwerden am Implantat 36.
Abb. 3: Klinisches Bild am Tag der Erstvorstellung mit Beschwerden am Implantat 36.
Abb. 4: Deutliche Plaqueansammlung regio 36.
Abb. 4: Deutliche Plaqueansammlung regio 36.
Abb. 5: Röntgenbild Mai 2017: Es zeigt sich ein deutlicher krestaler Knochendefekt um das Implantat regio 36.
Abb. 5: Röntgenbild Mai 2017: Es zeigt sich ein deutlicher krestaler Knochendefekt um das Implantat regio 36.

Die lokale antibakterielle Therapie mit Chlorhexidin erfolgte dreimal. Zur Korrektur der insuffizienten Weichgewebesituation erfolgten erneut die Entfernung der beiden Implantatkronen und das Einbringen von zwei Gingivaformern. Im Anschluss wurde ein apikal reponierter Mukosalappen präpariert und ein freies Schleimhauttransplantat eingebracht.

Nach Konsolidierung des Weichgewebes ist die Neuanfertigung der beiden Kronen vorgesehen. Die Neuanfertigung ist notwendig, um das Emergenzprofil der neu geschaffenen Weichgewebesituation anzupassen.

Der hier beschriebene klinische Fall zeigt, dass sich Probleme mit einem insuffizienten periimplantären Weichgewebe erst nach vielen Jahren manifestieren können. Da in diesem Fall trotz regelmäßiger Prophylaxe und zahnärztlichen Kontrollen eine Periimplantitis entstanden ist, wäre die frühzeitige Korrektur des Defizits im Weichgewebe sicher die bessere Therapieentscheidung gewesen. Hierdurch hätte die Entstehung des knöchernen Defekts eventuell verhindert werden können.

Fallbeispiel 2

Bei dem männlichen 20 Jahre alten Patienten waren die beiden oberen seitlichen Schneidzähne nicht angelegt. Kieferorthopädisch waren die beiden Eckzähne an die Position der seitlichen Schneidezähne gestellt. Im Anschluss sollte der kieferorthopädische Lückenschluss in den Eckzahnregionen erfolgen. Der Patient stellte sich mit der abgeschlossenen kieferorthopädischen Behandlung erstmalig am 4. Dezember 2008 in unserer Praxis vor. Der Patient empfand die Form der Eckzähne als kosmetisch störend und fragte nach Lösungsmöglichkeiten. Nach einem Mock-up und der Umsetzung des Mock-up in den Mund, konnten wir dem Patienten demonstrieren, dass eine kosmetisch zufriedenstellende Umformung der mesialisierten Eckzähne nicht möglich war. Nach ausführlicher Aufklärung wurde beschlossen, die Eckzähne wieder in ihre ursprüngliche Position zu bewegen, um dann bei 12 und 22 implantieren zu können (Abb. 6). Die Lücken bei 12 und 22 wurden mit zwei einflügeligen Marylandbrücken provisorisch versorgt (Abb. 7). Im Jahr 2010 wurden zwei Bone Level Implantate (ASTRA TECH) inseriert. Sowohl das Hart- als auch das Weichgewebe erschienen uns zum Implantatzeitpunkt ausreichend dimensioniert (Abb. 8). Über der Implantatschulter war bukkal 1,5 mm Knochen vorhanden. Das Weichgewebe stuften wir als dicken Biotyp ein. Die Marylandbrücken wurden nach der Implantation wieder adhäsiv befestigt (Abb. 9). Drei Monate nach der Implantation erfolgte die Freilegungsoperation und das Weichgewebe wurde durch zwei Langzeitprovisorien ausgeformt (Abb. 10). Nach Abschluss der Behandlung zeigte sich ein entzündungsfreies Weichgewebe und die rote und weiße Ästhetik war sehr gut. Alle Beteiligten zeigten sich mit dem Ergebnis sehr zufrieden (Abb. 11 und 12).

Abb. 6: Klinische Ausgangssituation nach erneuter kieferorthopädischer Behandlung.
Abb. 6: Klinische Ausgangssituation nach erneuter kieferorthopädischer Behandlung.
Abb. 7: Palatinale Ansicht der Marylandbrücken.
Abb. 7: Palatinale Ansicht der Marylandbrücken.
Abb. 8: Detailansicht Region 12 vor Implantation.
Abb. 8: Detailansicht Region 12 vor Implantation.
Abb. 9: Sieben Tage nach der Implantation zeigen sich gute Wundverhältnisse.
Abb. 9: Sieben Tage nach der Implantation zeigen sich gute Wundverhältnisse.
Abb. 10: Durch die Langzeitprovisorien ausgeformtes Weichgewebe.
Abb. 10: Durch die Langzeitprovisorien ausgeformtes Weichgewebe.
Abb. 11: Endgültige Kronenversorgung auf den Implantaten 12 und 22.
Abb. 11: Endgültige Kronenversorgung auf den Implantaten 12 und 22.
Abb. 12: Detailansicht der endgültigen prothetischen Versorgung regio 12.
Abb. 12: Detailansicht der endgültigen prothetischen Versorgung regio 12.

Drei Jahre nach der definitiven Eingliederung der endgültigen Kronen auf den Implantaten stellte sich der Patient zur Routinekontrolle in unserer Praxis vor. Der Patient zeigte sich mit dem Ergebnis nach wie vor sehr zufrieden. Bei der intraoralen Befundung zeigte sich eine Rezession des Weichgewebes bukkal am Implantat 12. Das Abutment war auf einer Länge von 1 mm sichtbar (Abb. 13 und 14). In der Detailansicht fiel auf, dass das bukkale Weichgewebe deutlich an Dicke verloren hatte und bukkal des Implantats eine Einziehung bestand.

Abb. 13: Zustand nach drei Jahren mit beginnender Rezession des Weichgewebes am Implantat 12.
Abb. 13: Zustand nach drei Jahren mit beginnender Rezession des Weichgewebes am Implantat 12.
Abb. 14: Detailansicht der Rezession regio 12.
Abb. 14: Detailansicht der Rezession regio 12.
Abb. 15: Implantat mit Abutment und Krone.
Abb. 15: Implantat mit Abutment und Krone.

Wodurch ist die Rezession entstanden? Es gibt sicherlich viele Erklärungsmodelle zur Entstehung der Rezession. In meinen Augen sind einige Faktoren zusammen gekommen, welche zum Rückgang des Weichgewebes geführt haben. Zunächst wurde die Situation als dicker Biotyp eingestuft und daher auf ein Weichgewebeaugmentat verzichtet. Im Bereich des Hartgewebes war etwa 1,5 mm bukkaler Knochen über dem Implantat vorhanden. Hier ist es durch die Deperiostierung zum Zeitpunkt der Implantation zu einer Resorption des bukkalen Knochens gekommen. Eine bukkale Konturaugmentation hätte das Volumen sicherlich erhalten können. Entscheidend ist die Angulation des Implantats, welche etwas zu weit nach bukkal ausgerichtet war. Im Bereich der Rezession entstand zum Ausgleich der Angulation ein Knick im Abutment (Abb. 15) und dadurch zu viel Druck auf das bukkale Weichgewebe. In diesem Bereich wäre eine schlankere Abutmentgestaltung wünschenswert gewesen.

Fazit

Im Seitenzahngebiet sollte auf ausreichend stabiles periimplantäres Weichgewebe besonderer Wert gelegt werden. Bei einem nicht ausreichend, beweglichen Weichgewebe sollte früh über eine chirurgische Korrektur nachgedacht und die Patienten/innen entsprechend aufgeklärt werden. In der ästhetischen Zone ist die Angulation der Implantate besonders wichtig. Auch Fälle mit vermeintlich ausreichendem Hart- und Weichgewebe sollten durch eine Konturaugmentation und der Verwendung von Bindegewebstransplantaten optimiert werden. Jeglicher Druck auf das bukkale Gewebe trägt die Gefahr einer späteren Rezession in sich. 

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