Weichgewebsmanagement

Papille, Seitenzahnbereich, Weichgewebssituation, Gingivaformer

Natürliches Papillendesign bei Standardimplantation im Unterkiefer

Die fertige Arbeit in situ.
Die fertige Arbeit in situ.

Gerade bei einer Implantation im Seitenzahnbereich bleibt der Anspruch des Chirurgen im Hinblick auf die Ästhetik und Weichgewebsfunktionen und im Vergleich zur Frontzahnimplantation oft hinter der natürlichen Anatomie zurück. Ein optimales Weichgewebsmanagement erfordert einen erheblichen Aufwand, der nicht nur Zeit sondern auch Geld kostet. Häufig ist der Patient nicht bereit beides aufzubringen. Im folgenden Beitrag soll gezeigt werden, wie mit einfachen Mitteln dennoch eine befriedigende ästhetische und funktionell einwandfreie Weichgewebssituation erreicht werden kann.

 

 

 

 

Am Behandlungsfall einer 60-jährigen Patientin, deren Vollgussbrücke von 44-47 insuffiziente Ränder aufwies, soll die Vorgehensweise demonstriert werden. Die Patientin kommt im März 2009 zur regelmäßigen Routinekontrolle, wobei sich die etwa 20 Jahre alte Vollgussbrücke im IV. Quadranten als insuffizient herausstellt. Darüber hinaus besteht kein Behandlungsbedarf. Allgemeinmedizinisch bestehen keinerlei Probleme. Die Patientin wünscht sich sowohl ästhetische als auch funktionale Verbesserungen, vor allem sollen zukünftig keine Speisereste unter den Zähnen hängen bleiben. Der Patientin wird neben der konventionellen Brückenlösung die Möglichkeit der Implantatversorgung angeboten. Die Patientin entscheidet sich für eine Implantatlösung.

Vorbehandlung

Die Brücke wird in der Folgesitzung entfernt und die Pfeilerzähne mit adhäsiven Aufbaufüllungen versorgt, nachdem die vorhandene Karies entfernt wurde. Am Ende der Sitzung verlässt die Patientin die Praxis mit einem einfachen Kunststoffprovisorium, das chairside angefertigt wird. Die alte Brücke soll nach der Implantation als Langzeitprovisorium verwendet werden.

OP-Planung und Vorbereitung

Nach der klinischen Untersuchung der Operationsregion 45, 46 werden Abformungen genommen, die zur Herstellung einer einfachen Röntgenschablone mit Röntgenkugeln und einem Diagnosemodell dienen. Einzelröntgenbilder reichen aus, um das vertikale Knochenangebot zu beurteilen. Die laterale Ausdehnung wird mit Hilfe eines Gipsmodells ermittelt. In regio 45, 46 sollen Einzelzahnimplantate gesetzt werden. Benötigt wird ein Implantatsystem, das nicht nur ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet, sondern auch Individualisierungen ermöglicht, etwa durch verschiedene Abwinklungen und Gingivahöhen. Die Entscheidung fiel auf das alphatech®-System (Henry Schein Dental Depot). Die vielfältigen Längen- und Größendesigns der Implantatkörper in diesem System ermöglichen es dem Operateur auch sehr schwierige Situationen zu behandeln, etwa dann, wenn das Implantat nicht in Achsrichtung der späteren Krone gesetzt werden kann, weil das Knochenangebot nicht ausreicht. Die Auswahl der Abutments für die Suprakonstruktionen ist vielseitig. Jedes Abutment weist zudem eine Arbeitsschraube und eine definitive Schraube auf, so dass eine präzise Verschraubung des Abutments gewährleistet und die Überdrehungsgefahr vermindert ist. Nach derzeitiger Studienlage entspricht das Implantatdesign dem Optimum für gute Osseointegration bezogen auf die polierte Implantatschulter und die Porengröße der Implantatoberfläche.

Labor

Die ehemaligen Brückenpfeiler werden mit Kronen aus Vollkeramik versorgt und adhäsiv zementiert. Zu Beginn der Planung wird die Endsituation funktionell mit Hilfe von Gesichtsbogen, Kondylographie und Okklusogramm vorab konstruiert. Informationen aus klinischer und instrumenteller Funktionsanalyse wurden im Labor verwendet. Ein Waxup lieferte die genaue Implantatposition, die auf die Bohrschablone übertragen wurde.

Operation

Die Operation verlief komplikationslos. Die Abbildungen 1 bis 9 zeigen Ausgangssituation, Schnittführung, Bohrschablone in situ, den freigelegten Knochen, die Richtungsindikatoren, die Bohrlöcher, die Implantate in situ (regio 45: 3,8 x 12 mm, regio 46: 4,3 x 12mm), Naht und Röntgenkontrolle. Am nächsten Tag folgte eine routinemäßige Nachkontrolle. Die alte Brücke wurde als Langzeitprovisorium mit Temp- Bond befestigt.

  • Abb. 1. Ausgangssituation.
  • Abb. 2: Schnittführung.
  • Abb. 1. Ausgangssituation.
  • Abb. 2: Schnittführung.

  • Abb. 3: Bohrschablone.
  • Abb. 4: Knochenfreilegung.
  • Abb. 3: Bohrschablone.
  • Abb. 4: Knochenfreilegung.

  • Abb. 5: Richtungsindikatoren.
  • Abb. 6: Zustand vor Insertion.
  • Abb. 5: Richtungsindikatoren.
  • Abb. 6: Zustand vor Insertion.

  • Abb. 7: Implantate in situ.
  • Abb. 8: Naht.
  • Abb. 7: Implantate in situ.
  • Abb. 8: Naht.

  • Abb. 9: Röntgenkontrolle.
  • Abb. 9: Röntgenkontrolle.

Freilegung und Weichgewebsmanagement

Nach sechs Monaten erschien die Patientin zur Freilegung. Zunächst wurde die Gingiva in Kreuzform geschlitzt und konfektionierte Gingivaformer eingesetzt, nachdem eine erste Abformung erfolgt war. Die Modelle wurden im Labor gefertigt. Im Detail wird hier die Herstellung einer Gingivamaske gezeigt, die für das Weichgewebsmanagement und die Herstellung von individuellen Gingivaformern unverzichtbar ist. Die Modelle werden nach den eingangsbestimmten Werten einartikuliert und das bereits modellierte Wax-up auf die neue Implantatsituation übertragen. Mit Hilfe eines Silikonschlüssels wird das Modell in provisorischen Kunststoff umgesetzt, nachdem die provisorischen Abutments auf dem Modell individualisiert wurden (Abb. 10 bis 15).

  • Abb. 10: Freilegung mit Kreuzschnitt.
  • Abb. 11: Einartikulierte Situation mit Gingivamaske.
  • Abb. 10: Freilegung mit Kreuzschnitt.
  • Abb. 11: Einartikulierte Situation mit Gingivamaske.

  • Abb. 12: Wax-up.
  • Abb. 13: Silikonvorwall.
  • Abb. 12: Wax-up.
  • Abb. 13: Silikonvorwall.

  • Abb. 14: Kunststoff-Provisorium.
  • Abb. 15: Provisorium in situ.
  • Abb. 14: Kunststoff-Provisorium.
  • Abb. 15: Provisorium in situ.

Erst jetzt kommt der entscheidende Schritt mit den individuellen Gingivaformern, die am Patienten absolut kontrollierbar eingeschraubt werden können. Darüber wird die prothetische Endversorgung in Kunststoff zementiert. Das Weichgewebe beansprucht in der Regel eine „Reifezeit“ von weiteren sechs Monaten, die die Patientin absolut nicht warten wollte. Die Abbildung mit den Abdruckpfosten und der ausgeformten Gingiva zeigt, dass das Gewebe binnen Minuten wieder in sich zusammen fallen wird, wenn nicht extrem schnell abgeformt wird (Abb. 16 bis 18). Dieses Problem lässt sich durch längere Wartezeit umgehen. Allerdings ist trotz anfänglicher anämischer Gingiva keine Nekrose entstanden, so dass ein gleiches Ergebnis der endgültigen Arbeit zu erwarten ist. Sechs Tag nach Platzierung der individuellen Gingivaformer erfolgt die endgültige Abformung. Im Labor werden nach den Vorgaben, die mit Hilfe vom Wax-up ermittelt wurden, Modelle individueller Abutments und die endgültigen Vollkeramikkronen hergestellt (Abb. 19 bis 22).

  • Abb. 16: Individuelle Gingivaformer.
  • Abb. 17: Individuelle Gingivaformer in situ.
  • Abb. 16: Individuelle Gingivaformer.
  • Abb. 17: Individuelle Gingivaformer in situ.

  • Abb. 18: Abformpfosten.
  • Abb. 19: Ausgeformte Gingiva.
  • Abb. 18: Abformpfosten.
  • Abb. 19: Ausgeformte Gingiva.

  • Abb. 20: Individuelle Abutments mit Gingivasaum.
  • Abb. 21: Individuelle Abutments.
  • Abb. 20: Individuelle Abutments mit Gingivasaum.
  • Abb. 21: Individuelle Abutments.

  • Abb. 22: Fertige Kronen auf Meistermodell.
  • Abb. 22: Fertige Kronen auf Meistermodell.

Nach zwei Monaten wurden die Kronen adhäsiv zementiert. Wie zu erwarten zeigen sie nach der Zementierung noch keine optimalen Papillen und Girlandenform. Schon nach zwei Monaten hat sich das Weichgewebe bedeutend besser entwickelt. Fazit Der vorliegende Fallbericht zeigt, dass es mit einfachen Mitteln aus dem Labor und ohne großen zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand möglich ist, mit Hilfe individueller Gingivaformer ein ästhetisch funktionelles befriedigendes Weichgewebsergebnis zu erzielen.

 

 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Johannes C. Niederau

Bilder soweit nicht anders deklariert: Johannes C. Niederau