Weichgewebsmanagement

Knochenaugmentation, Perforation der Kieferhöhlenschleimhaut, phasenreines ß-Tricalciumphosphat, regenerative Materialien, Sinusbodenelevation, Sinuslift

Sinusbodenelevation mit einer optimierten Zubereitung von phasenreinem ß-Tricalciumphosphat - eine Multicenterstudie

Abb. 1: Ceros putty® - links mit physiologischer Kochsalzlösung und rechts mit Patientenblut angemischt.
Abb. 1: Ceros putty® - links mit physiologischer Kochsalzlösung und rechts mit Patientenblut angemischt.

Die zahnärztliche Implantologie hat bereits vor einigen Jahren den Einzug in die Praxis und in die tägliche Behandlungsroutine gehalten. In zunehmendem Umfang muss jedoch vor einer Implantatinsertion das Knochenangebot im Bereich der Kiefer verbessert werden. Als eine Standardmethode hat sich die Sinusbodenelevation zur Verbesserung der vertikalen Kieferknochendimension im lateralen Oberkiefer bewährt. In der vorliegenden Multicenterstudie wurden insgesamt 66 Sinusbodenelevationen mit phasenreinem ß-Tricalciumphosphat (Ceros putty®) durchgeführt und die beobachteten intraoperativen Besonderheiten sowie die postoperative Wundheilung analysiert.

Das Angebot an biologischen und synthetischen Knochenregenerationsmaterialien hat in den letzten Jahren eine geradezu unübersichtliche Dimension angenommen. Seit der Entwicklung von synthetischen phasenreinen mikroporösen ß-Tricalciumphosphat-Keramiken wurde die Therapiesicherheit im Vergleich zum autogenen Knochentransplantat, dem so genannten „golden standard“, nahezu erreicht. Verbesserungen lassen sich bei richtiger Indikationsstellung durch die gezielte Auswahl eines geeigneten Präparates erreichen.

Unterschiedliche Knochenregenerationssubstrate In den vergangenen 15 Jahren wurden knochenregenerative Materialien in einem außerordentlich großen Umfang entwickelt und in der täglichen Praxis verwendet. Für unterschiedliche Anwendungen und Ansprüche wurden verschiedene Substrate entwickelt, welche grob in natürliche (biologische), synthetische und Verbundmaterialien eingeteilt werden [3-5, 9, 12].

Ein Fortschritt in der Knochenregeneration wurde mit der Einführung von mikroporösen phasenreinen alpha- und ß- Tricalciumphosphatkeramiken erreicht, da diese Materialien nahezu simultan zur ortständigen Knochenregeneration remodelliert bzw. zum lebenden ortsständigen Knochen umgewandelt werden. Ein weiterer Vorteil dieser synthetischen Knochenregenerationsmaterialien ist ihre Herkunft, woraus sich eine Diskussion einer möglichen Krankheitsübertragung erübrigt.

Nachdem bei diesen synthetischen Knochenaufbausubstraten eine mikroporöse Struktur hergestellt werden konnte, kann ihr Einsatz ohne Einschränkung empfohlen werden.

Fein- bzw. grobkörnige Schüttungen ermöglichen eine passende Auswahl des Granulates je nach Größe des zu regenerierenden Knochendefektes, wobei die gröberen Korngrößen eine bessere Haftung im Defekt haben als die feinkörnigen Zubereitungen.

Die synthetische phasenreine interkonnektierend mikroporöse ß-Tricalciumphosphatkeramik bildet nach seinem Remodelling ein Knochengerüst aus Hydroxylapatit, das mit dem natürlichen Hydroxylapatit bidentisch und damit nicht unterscheidbar ist [12].

Mischkeramiken aus ß-TCP und Hydroxylapatit bewirken eine höhere Volumenstabilität des keramo-ossären Regenerates, weil Hydroxylapatit nur im geringen Umfang resorbiert wird.

Ein weiterer Vorteil der synthetischen Knochenregenerationssubstrate ist deren unbegrenzte Verfügbarkeit.

Biologische Protegierung der Knochenaufbaumaterialien

Um eine schnellere und sicherere Knochenregeneration zu erreichen, wurden bereits vor rund 20 Jahren Versuche unternommen, durch Zugabe biologisch inerter und biologisch aktiver Substrate die Wundheilung zu protegieren [6, 8]. Die Herstellung und Zugabe von PRP (Platelet Rich Plasma) wurde als bioaktive Protegierung der Einheilung von Knochenersatzgranula Mitte der 1990-er Jahre eingeführt und wird auch heute noch angewendet [2, 7, 8, 15, 16]. Die dabei erreichbare Konzentration an PRP beträgt um den Faktor 10 höhere Thrombozytenkonzentration als im unbearbeiteten Blut.

In letzter Zeit wird die Zugabe von wachstumsfaktorenreichem Plasma (PRGF) oder von L-PRF (Leukocyte-Platelet Rich Fibrin) zur Verbesserung und Beschleunigung der Wundheilung empfohlen [1].

Man unterteilt den Wundheilungsprozess grob in drei Phasen (Wang):

  1. Die akute Entzündungsphase, in der es zur Aggregation und Aktivierung der Thrombozyten sowie zur Migration von Granulozyten und Makrophagen kommt.
  2. Die Phase der Proliferation und Differenzierung von Mesenchymalzellen.
  3. Die Phase der Geweberegeneration durch die gewebespezifischen Zellen.

Mit Hilfe der bioaktiven Zusätze können die ersten beiden Wundheilungsphasen beschleunigt und protegiert werden. Dabei spielen die Thrombozyten eine entscheidende Rolle, weil sie nach Aktivierung eine ganze Reihe von Kininen aussenden, welche die Proliferation und Differenzierung der an der Wundheilung beteiligten Zellen steuern [10, 11].

Mit den heute etablierten Verfahren kann in der Oralchirurgie chairside PRP (Platelet Rich Plasma) oder L-PRF (Leukocyte-Platelet Rich Fibrin) hergestellt und entweder dem Granulat beigemischt oder topisch angewendet werden. Das Verfahren, mit körpereigenen Substraten die Wundheilung zu verbessern, ist sowohl für den Operateur als auch für den Patienten faszinierend. Schließlich kann durch Zugabe von Hyaluronsäure zum Knochenregenerationsgranulat ein günstigeres Handling und Materialapplikation im Defekt sowie eine günstigere Einheilung des Materials erreicht werden [13].

Material und Methode

Die Zugabe von Hyaluronsäure zum Knochenersatz bzw. Knochenaufbaumaterial wurde schon relativ früh vorgenommen, aber erst mit der Verwendung mittelgroßer Granulatschüttung konnte die Applikation deutlich verbessert werden. In einer Multicenterstudie wurden insgesamt 66 Sinusbodenelevationen durchgeführt und bezüglich ihrer Ergebnisse ausgewertet. Dabei ging es in erster Linie um die Frage, wie zuverlässig das mit Hyaluronsäure zubereitete synthetisch hergestellte phasenreine ß-Tricalciumphosphat zur Knochenregeneration geeignet ist und ob grundsätzlich die Zugabe von körpereigenen wundheilungsprotegierenden Substraten indiziert ist.

Für die Knochenregeneration wurde das Substrat Ceros putty® (Thommen Medical, CH-Grenchen) verwendet. Es ist ein nach Zusatz von physiologischer Kochsalzlösung oder Blut knetbares Knochenregenerationsmaterial aus reinstem, synthetischem ß-Tricalciumphosphat in einem Hydrogel aus fermentiertem Natriumhyaluronat [13] (Abb. 1).

Aus diesem Grunde wurden für die Studie ausschließlich gesunde Patienten ausgewählt. Wurden intraoperativ besondere erschwerende Befunde, wie z. B. narbige Verwachsungen oder entzündliche Prozesse vorgefunden, welche zusätzliche protegierende Maßnahmen erforderlich machten, schieden diese Behandlungsfälle aus dem Patientenkollektiv aus. In allen Fällen wurde ein externer Sinuslift nach dem von Tatum vorgestellten Vorgehen durchgeführt [14]. Das Knochenfenster wurde jeweils mit resorbierbaren Augmentationsmembranen abgedeckt. In 26 Fällen konnten aufgrund eines vertikalen Knochenangebotes von 6 bis 8 mm gleichzeitig Implantate inseriert werden.

Ergebnisse

Da sämtliche Operationen von ausreichend chirurgisch erfahrenen Zahnärzten durchgeführt wurden, konnte bei der Auswertung der Ergebnisse davon ausgegangen werden, dass verfahrenstechnische Behandlungsfehler mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen waren. Die Nachuntersuchungen wurden in verschiedenen Zeitintervallen vorgenommen und die Befunde in einem standardisierten Befundbogen dokumentiert:

  1. Nach 8 bis 12 Tagen klinische Kontrolle zur Beurteilung der Weichteilheilung.
  2. Nach 28 bis 36 Tagen klinische Kontrolle zur Beurteilung der definitiven Abheilung.
  3. Nach 6 bis 12 Monaten zur Feststellung der Knochenregeneration und Röntgenkontrolle.

Alle Patienten bekamen eine perioperative Antibiotikaprophylaxe im Sinne der Endocarditisprophylaxe. In den meisten Fällen wurden Amoxicillin-Tabletten (peroral 2 x 1.000 mg/ die) oder Clindamycin-Kapseln (peroral 3 x 300 mg/die) verordnet. In keinem Fall kam es in diesem Zusammenhang zu unerwünschten Nebenwirkungen, wie z. B. allergischen Reaktionen oder Magen-Darm-Störungen.

  • Abb. 2: Unzureichendes Knochenangebot für Implantate im Oberkiefer beiderseits.
  • Abb. 3: Vollständiger Umbau des Regenerationssubstrates bei dem Patienten aus Abbildung 2 etwa 1,5 Jahre nach der Sinusbodenelevation beiderseits vor der Implantatinsertion.
  • Abb. 2: Unzureichendes Knochenangebot für Implantate im Oberkiefer beiderseits.
  • Abb. 3: Vollständiger Umbau des Regenerationssubstrates bei dem Patienten aus Abbildung 2 etwa 1,5 Jahre nach der Sinusbodenelevation beiderseits vor der Implantatinsertion.

Bei den operierten Fällen wurden folgende Komplikationen beobachtet:

a) Intraoperative Verletzung bzw. Einriss der Schneider’schen Membran wurden bei 26 Patienten beobachtet, was einer Häufigkeit von 39,4 % entspricht. Die Schleimhautruptur wurde mit resorbierbaren Membranen oder mit Kollagenvlies abgedeckt, wobei es in keinem Fall zu entzündlichen Komplikationen gekommen ist. In sieben Fällen, in denen die Dehiszenz nur gering ausgeprägt war, wurde das eingebrachte Granulat an der Oberfläche verdichtet und geglättet und ohne weitere Maßnahmen die Mundschleimhaut verschlossen.

b) Wunddehiszenzen im Bereich der Mundschleimhaut in 2 Fällen (3 %). In beiden Fällen wurde jeweils eine Sekundärnaht durchgeführt, so dass es in allen Fällen zur primären Wundheilung kam.

c) Sinusitis maxillaris bei einem Patienten (1,5 %), die aber nach einwöchiger Antibiotikatherapie mit Amoxicillin (peroral 3 x 1.000 mg/die) beherrscht werden konnte.

d) Teilweiser Verlust des eingebrachten Knochenregenerationsmaterials in 2 Fällen (2 %) über die Nasenwege. In beiden Fällen handelte es sich um Patienten mit einem breiten Defekt im Bereich der Kieferhöhlenschleimhaut und einer Abdeckung des Defektes mit einer resorbierbaren Membran. Von den jeweiligen Operateuren wurde dieser Materialverlust auf die Manipulation am eingebrachten Ceros putty® zurückgeführt. In beiden Fällen wurde im Endergebnis kein merklicher Substanzverlust festgestellt.

Bei allen behandelten Patienten konnte das geplante Therapieergebnis erreicht werden trotz einer Komplikationsrate von rund einem Drittel der Behandlungsfälle. Regelmäßig konnte rund anderthalb Jahre nach dem Sinuslift eine vollständige Resorption des Materials in ortsständigen Knochen im Röntgenbild festgestellt werden. In der nachfolgenden implantatprothetischen Therapie konnte in allen Fällen das geplante Resultat erreicht werden.

Die vertikale Knochenhöhe wurde in der Panoramaschichtaufnahme unter Berücksichtigung des Vergrößerungsfaktors in Millimeter gemessen.

Das geringste vertikale Knochenangebot bei dem untersuchten Patientenkollektiv betrug 2 mm und das größte 6 mm. In 14 Fällen war das Knochenvolumen ausreichend, so dass gleichzeitig in Kombination mit der Sinusbodenelevation enossale Schraubenimplantate eingesetzt werden konnten.

Schlussfolgerungen

Die außerordentlich günstigen Behandlungsergebnisse, welche einmal mehr in der vorliegenden Multicenterstudie bestätigt wurden, belegen die günstige Prognose der Sinusbodenelevation einerseits. Auf der anderen Seite ist das mit Hyaluronsäure versetzte phasenreine ß-Tricalciumphosphat (Ceros putty®) ein Knochenregenerationsmaterial, das voraussagbar und zuverlässig zu einer Knochenregeneration am Sinusboden verwendet werden kann. Die Studie zeigt gleichzeitig, dass die Verwendung von zusätzlichen, die Wundheilung protegierenden Maßnahmen nicht routinemäßig erforderlich ist und besonderen Fällen vorbehalten sein sollte.


Weitere Autoren / Literatur

Dr. M. Mensing2,
Dr. S. Wimmer2,
Dr. M. Lates3,
Prof. Dr. Dr. Dr. Ch. Foitzik1

1 OPI-Zentrum, Nieder Ramstädter Straße 18 - 20, 64283 Darmstadt

2 Hauptstrasse 7, 91369 Wiesenthau

3 Wichernstrasse 30, 60389 Frankfurt

 

 

LITERATUR

 

DENT IMPLANTOL (19)3 2015, S. 168–171
Dr. Jan Foitzik

Sinusbodenelevation mit einer optimierten Zubereitung von phasenreinem ?
-Tricalciumphosphat - eine Multicenterstudie


[1]        Anitua, E.: The use of plasma-rich in growth factors (PRGF) in oral surgery. Pract Proced Aesthet Dent 13; 487 – 493 (2001)
[2]        Choi BH, Zhu SJ, Kim BY, Huh JY, Lee SH, Jung JH. Effect of platelet-rich plasma (PRP) concentration on the viability and proliferation of alveolar bone cells: an in vitro study. Int J Oral Maxillofac Surg; 34 (4): 420–4 (2005).
[3]        Fischer, J., Kolk, A., Wolfart, S. et al.: Future of local bone regeneration – Protein versus gene therapy. J Craniomaxillofac Surg 39; 54 – 64 (2011)
[4]        Foitzik, Ch., Merten, H.A.: Knochenersatz- und Knochenaufbaumaterialien in der Implantologie und bei der Behandlung von Knochendefekten. in : Innovationen fu?r die Zahnheilkunde, Herausgeber : Heinenberg, B.J. SpittaVerlag, Balingen 1-50 (1999)
[5]        Foitzik, J., Foitzik, Ch.: Kieferknochenaugmentation mit einem neuen Knochenregenerationsmaterial. DENT IMPLANTOL 16, 6; 340 – 349 (2012)
[6]       
Govender, S., Csimma, C., Genant, H.K., Valentin-Opran, A., Amit, Y, Arbel, R., et al.: Recombinant human bone morphogenetic protein-2 for treatment of open tibial fractures: a prospective, controlled, randomized study of four hundred and fifty patients. J Bone Joint Surg Am 2002;84-A(12):2123–34.
[7]        Graziani F, Ivanovski S, Cei S, Ducci F, Tonetti M, Gabriele M. The in vitro effect of different PRP concentrations on osteoblasts and fibroblasts. Clin Oral Implants Res 2006;17(2):212–9.
[8]        Intini, G.: The use of platelet-rich plasma in bone reconstruction therapy. Biomaterials 30; 4956 – 4966 (2009)
[9]        Kolk, A., Handschel, J., Drescher, W., et al.: Current trends and future perspectives of bone substitute materials – from space holders to innovate biomaterials. J Craniomaxillofac Surg 40; 706 – 718 (2012)
[10]     Marx, R.E., Carlson, E.R., Eichstaedt, R.M., Schimmele, S.R., Strauss, J.E., Georgeff, K.R.: Platelet-rich plasma: growth factor enhancement for bone grafts. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod 1998;85(6):638–46.
[11]     Marx RE. Platelet-rich plasma: evidence to support its use. J Oral Maxillofac Surg 2004;62(4):489–96.
[12]     Smeets, R., Jung, O., Hanken, H., Hartjen, P., Al Dam, A., Gröbe, A. et al.: Was können regenerative Materialien in der Zahnmedizin leisten – und wo sind die Grenzen? D Z Z 69 (12); 708 – 721 (2014)
[13]     Stiller, M., Kluk, E., Bohner, M., Lopez-Heredia, M.A., Müller-Mai, Ch., Knabe, Ch.: Performance of b-tricalcium phosphate granules and putty, bone grafting materials after bilateral sinus floor augmentation in humans. Biomaterials 35; 3154 – 3163 (2014) 
[14]     Tatum, H. jr.: Maxillary and sinus implant reconstruction Dent Clin North Am 30:207-226 (1986)
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[16]    
Wang, E.A., Rosen, V., D’Alessandro, J.S., Bauduy, M., Cordes, P., Harada, T., et al.: Recombinant human bone morphogenetic protein induces bone formation. Proc Natl Acad Sci U S A; 87 (6); 2220 – 4 (1990).

 

 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Jan Foitzik

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Jan Foitzik