Sofortimplantation im sensiblen Frontzahnbereich - Hart- und Weichgewebsmanagement

Endodontische Probleme und Misserfolge sind unter anderem die häufigste Ursache für den Verlust der Zähne. Der Circulus Vitiosus sieht oft ähnlich aus: großflächige Füllungen, Sekundärkaries, PA-Behandlung, irreversible Pulpitis, Wurzelbehandlung, Wurzelspitzenresektion oder auch Beschwerden und Extraktion. In diesem Fallbericht gehörten alle diese Ereignisse zur Vorgeschichte und nun stellte sich die Frage – Was jetzt?
Die Möglichkeiten und Vorgehensweisen sind zahlreich. Die Extraktion ist in solchen Fällen indiziert und notwendig. Die Entscheidung, wie man danach vorgeht ist nicht immer leicht und hängt von vielen Faktoren ab.
Wie versorgen wir den Patienten bis zur prothetischen Rehabilitation? Welche prothetische Lösung ist die beste für den Patienten und finanziell für ihn tragbar? Wann fange ich mit der Behandlung an? Konventionelle Versorgung mit einer Brücke oder chirurgisch mit einem Implantat?
Lassen wir die Extraktionsalveole ausheilen oder implantieren wir sofort? Für welches Implantatsystem entscheiden wir uns?
Falldarstellung
Der 30-jährige Patient stellte sich erstmalig im September 2011 in der Praxis vor. Familien- und Eigenanamnese waren unauffällig. Zur speziellen Anamnese gab der Patient Beschwerden an Zahn 22 an. Die Beschwerden beschrieb er als sporadisches Drücken oder Klopfen in regio 22 sowie Schmerzen bei der Nahrungsaufnahme.
Der Patient gab auch an, dass ihn die Beweglichkeit des Zahnes beim Sprechen störe. Ein Abbeißen sein nicht möglich. Vor allem aber hatte er ästhetische Probleme, weil dieser Zahn großflächige Füllungen hatte und durch die Wurzelbehandlung mit den Jahren dunkler geworden sei.
Nach gezielter Befragung kam der typische Circulus Vitiosus zum Vorschein: Zahn 22 hatte eine großflächige Füllung. Sekundärkaries führte zu einer Infektion der Pulpa mit anschließender Wurzelbehandlung. Die Wurzelfüllung erfolgte vor etwa 3 Jahren. 6 Monate nach der Füllung traten erneut Beschwerden und Klopfempfindlichkeit an diesem Zahn auf, woraufhin der Hauszahnarzt die Wurzelfüllung revidierte.
Der Patient wurde 12 Monate nach Endorevision zum Oralchirurgen überwiesen und eine Wurzelspitzenresektion mit retrograder Wurzelfüllung durchgeführt. Jetzt, 30 Monate nach der ersten endodontischen Behandlung und 6 Monate nach WSR, ist der Patient nicht beschwerdefrei und in Bezug auf diesen Zahn ästhetisch und funktionell beeinträchtigt (Abb. 1).
Befundung
Allgemeinzustand und extraoraler Befund waren unauffällig. Der klinische Befund zeigte einen verfärbten Zahn 22 mit Lockerungsgrad II.
Der Zahn war großflächig gefüllt (2/3 der palatinalen Fläche). Der SST betrug 3 - 4 mm.Die vertikale Perkussion war positiv und die laterale durch den Lockerungsgrad nicht aussagekräftig. Eine Verfärbung des Zahnes 22 war ebenso festzustellen. Die Untersuchung des Restgebisses zeigte ein konservierend und prothetisch suffizient versorgtes Gebiss.
Radiologisch war der Zahn 22 endodontisch und chirurgisch im Sinne einer WSR behandelt worden. 1/3 der Wurzel fehlte und apikal war eine Aufhellung im Sinne einer apikalen Entzündung deutlich zu sehen. Die apikale Aufhellung war trichterförmig, ca. 3 mm breit und 6 mm lang und reichte fast bis zur medialen Wand der KH (Abb. 2).
Diagnose
Lockerungsgrad II an Zahn 22.
Prothetisch insuffizient versorgter Zahn 22.
Klopfempfindlichkeit an Zahn 22.
Apikale Aufhellung an Zahn 22.
Nicht erhaltungswürdiger Zahn 22.
Behandlungsziel
Die Initialbehandlung war unumstritten. Der Zahn 22 war nicht erhaltungswürdig und musste entfernt werden. Diese Entscheidung brachte uns und den Patienten auf die nächste Frage, welche Art von Restauration die beste für den Patienten ist und wie er bis zum endgültigen Zahnersatz provisorisch versorgt wird?
Da die Nachbarzähne gesund waren und nur mit kleinen Füllungen auf der palatinalen Seite versorgt, kam für den Patienten eine konventionelle Brücke nicht in Frage.
Für uns war derselbe Grund ausschlaggebend, um dem Patienten die Implantation vorzuschlagen [4-7]. Aufgrund der Lokalisation des Problems im ästhetisch hochsensiblen Bereich der Oberkieferfront entschieden wir uns für eine Sofortimplantation mit GBR und primärem Verschluss der Extraktionswunde mit einem Lappen. Für die prothetische Versorgung fiel die Entscheidung zugunsten einer VMK-NEM-Krone.
Behandlungsablauf
Vor der Extraktion wurde eine professionelle Zahnreinigung durchgeführt, um für die Implantation optimale Oralhygiene zu erreichen. Der Patient wurde instruiert und motiviert eine gute Mundhygiene zu erhalten.
Extraktion
Die Extraktion wurde schonend durchgeführt. Da der Zahn schon locker war, war es möglich den Zahn mit einem Periotom weiter zu mobilisieren und ohne Kraft mit der apikalen Entzündung zu entfernen. Die Extraktion gestaltete sich leicht und führte zu keiner Beschädigung der Alveolenwände [9, 12].
Implantation mit GBR
Für die Implantation wurde das TRI-Vent Implantat gewählt. Die Extraktionsalveole wurde apikal vorsichtig mit einem dünnen, geraden, scharfen Löffel kürettiert und mit CHX und physiologischer Kochsalzlösung gespült. Danach erfolgte die Implantation.
In diesem Fall wurden nur der Pilotbohrer und der letzte Bohrer verwendet. Die letzte Bohrung wurde ohne Kühlung und mit einer Umdrehung von 40 r\min durchgeführt.Das TRI-Vent Implantat wurde aus vielen Gründen gewählt. Die ZBM-Oberfläche ist eine plasmabehandelte und mit Zirkonpartikeln gestrahlte Implantatoberfläche, welche die Osteoblastenanhaftung anregt. Das führt zu schnellerer und stärkerer Osseointegration, was die Implantatstabilität im Vergleich zu einer nur maschinierten Oberfläche verbessert (Abb. 3).
Beim TRI-Grip ist das apikale Drittel des Implantats viel stärker konisch als die krestalen zwei Drittel, was besonders bei Sofortimplantationen zu einer hohen Primärstabilität führt. Das Gewinde im apikalen Drittel ist zudem scharf und stärker schneidend als die Trapezwindungen am krestalen Teil des Implantates.
Im mittleren Drittel des Implantats erlaubt sein spezielles Windungsdesign, TRI-BoneAdapt, einen maximalen Knochenkontakt [1]. Das Gewinde ist selbstschneidend und erhöht ebenso die Primärstabilität.
Die Breite der Lücke betrug 7 mm. Orovestibulär betrug die Lücke innerhalb der Alveole 6 mm und die Alveolarwand war im krestalen Drittel 0,5 bis 1 mm dick [3, 8]. Der verwendete Durchmesser war 4,1 mm und die Länge 11,5 mm. Zeitgleich mit der Implantation wurde eine GBR mit Eigenknochen und Cerabone [2, 3] durchgeführt. Das Implantat wurde 2,5 mm unterhalb der Schmelz-Zement-Grenze des 11 gesetzt und mit einer Jason Pericardiummembran gedeckt.
Die Membran kleidete auch die Innenwand der bucallen Lamelle. Ein Split-thickness flat sorgte für einen primären, spannungsfreien Verschluss. Die radiologische Kontrolle der Implantation zeigte eine erfolgreiche Implantation und ein am richtigen Platz für die spätere prothetische Versorgung inseriertes Implantat. Das Nahtmaterial war 4-0 Supramid.
Provisorische Versorgung
Für die Dauer der Einheilphase wurde die Krone des alten Zahnes mit Pontic [10] und SÄT an den Nachbarzähnen befestigt. Die Nahtentfernung erfolgte, nach entsprechendem Setzen der Nähte ohne das Provisorium zu entfernen, zwei Wochen postoperativ.
Einheilphase
Während der Einheilphase wurde ein enges Recall eingehalten. Kontrolltermine erfolgten in 1 - 4 - 8 - 12 - 16 Wochen postoperativ.
Freilegung
Bei der Freilegung 4 Monate postoperativ war das Implantat vollständig osseointegriert. Das Weichgewebe war durch das Provisorium gut ausgeformt und die Papillen vollständig erhalten. Auf der bukkalen Seite war ein Weichgewebsdefizit festzustellen. Aus diesem Grund und um die Sicherheit zu haben, dass das Ergebnis ästhetisch zufriedenstellend bleibt, entschieden wir uns für einen Rolllappen (Abb. 4 bis 6). Der Lappen wurde palatinal entnommen und mit 5-0 Supramid genäht. Als Gingivaformer wurde ein Abutment eingesetzt und mittels Kunststoff-Kappe eine Krone modelliert (Abb. 7 bis 9).
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Abb. 4: Weichgewebssituation nach Entfernen der Provisorien.
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Abb. 5: Rolllappen gehoben für Weichgewebsästhetik.
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Abb. 6: Rolllapen angenäht.
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Abb. 7: Provisorische Versorgung.
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Abb. 8: Provisorische Versorgung nach Freilegung.
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Abb. 9: Provisorische Versorgung nach Freilegung.
Präprothetische Phase
Die Nähte wurden 10 Tage nach Freilegung entfernt. Der Zustand des Weichgewebes war zufriedenstellend und die Wundheilung abgeschlossen. In diesem Termin erfolgte die Abdrucknahme mit Polyether und individuellem Löffel (Abb. 10 und 11).
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Abb. 10: Zustand nach Rolllappen.
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Abb. 11: Zustand nach Rolllappen.
Prothetische Phase
Die erste Einprobe fand 1 Woche später statt. In diesen Fall wurde sich für ein Platform Switching und ein Abutment mit Platform-Durchmesser von 3,5 mm entschieden. Dieses Abutment und die Positionierung des Implantats gab das richtige Emergenzprofil für die Prothetik [1, 6, 7, 11].
Ein weiterer Vorteil der TRI-Vent ist die Presspassung zwischen Abutment und Implantat (TRI frictional/ conical Hex) sowie die zum Teil konische Form des Abutments. Die Presspassung im Hex-Bereich gewährleistet eine optimale Rotations- und Kippstabilität.
Ein Mikrospalt zwischen Abutment und Implantat beziehungsweise Abutmentplattform und Implantatplattform ist nicht vorhanden. Die konische Form erhöht die Kippstabilität und ist somit besonders für obere Schneidezähne sehr wichtig.
Die Einprobe des Abutments war zufriedenstellend. Das Abutment übte keinerlei Druck auf das Weichgewebe aus. Passung und Form der Krone waren gut und ästhetisch auch für den Patienten zufriedenstellend. Allerdings gefiel die Farbe nicht sehr gut. Die Transluzenz war sehr hoch, wodurch ein grauer Ton zum Vorschein kam.
Es erfolgten die Vorstellung des Patienten beim Labor, erneute Einproben und weitere 4 neue Kronen, um die richtige Farbe, Transparenz und Transluzenz der Keramik zu finden (Abb. 12 und 13). Das endgültige Ergebnis war sowohl für den Patienten als auch für uns sehr gut. Hart- und Weichgewebe sind optimal unterstützt. Die Passung der Krone und Farbgebung sind optimal (Abb. 14 bis 17).
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Abb. 12: Einprobe der Krone bis die Farbe passt.
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Abb. 13: Diverse Kronen zur Auswahl.
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Abb. 14: Optimal gestütztes Hart- und Weichgewebe.
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Abb. 15: Endgültige Krone eingesetzt.
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Abb. 16: Endgültige Krone eingesetzt.
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Abb. 17: Radiologische Kontrolle der Suprakonstruktion.
Schlussfolgerung
In den meisten Fällen wünschen sich die Patienten Funktionalität und Tragekomfort bei der Anfertigung eines neuen Zahnersatzes. Besondere Fälle stellen allerdings auch hohe ästhetische Anforderungen. Insbesondere obere Schneidezähne sind empfindliche Bereiche, vor allem bei „high-scalope“ Gesichtstypen. Solche Situationen sind für den Behandler eine große Herausforderung, die schwierige Entscheidungen benötigen.
Das subjektive Empfinden des Patienten über Halt und Funktion wird in solchen Fällen von den hohen ästhetischen Ansprüchen übertroffen. Nicht nur die Frage nach Sofortimplantation oder Spätimplantation ist wichtig, sondern wie man die Operation durchführt, welche GBR-Methode angewandt werden muss, mit welchen Materialien, welches Implantatsystem geeignet ist, wie das Implantat positioniert werden muss, wo und welche Dimensionen es haben soll sowie die prothetische Rehabilitation.
In dieser Falldarstellung dachten wir im Umkehrschluss. Wir brauchen eine implantatgetragene Krone in regio 22. Damit das Ergebnis ästhetisch sehr gut ist, brauchen wir genug Weich- und Hartgewebe, um es zu stützen und wir dürfen so wenig wie möglich von der ursprünglichen Alveole verlieren, bzw. wir müssen soviel wie möglich erhalten.
All diese Faktoren, unter Berücksichtigung des Wunsches des Patienten, seiner finanziellen Möglichkeiten und der Mundhygiene, erlaubten uns dieses neue Implantatsystem auszuprobieren. Das Resultat war sehr gut und bestätigte unsere Schlussfolgerung. Dieser Fall zeigte allerdings, dass sehr viele Faktoren das Endergebnis – und somit den Erfolg - beeinflussen können. Das Zusammenspiel zwischen Patientenwunsch, Indikationsstellung, Implantatsystem, Augmentationsmaterialien, GBR-Techniken und Labor ist für den Langzeiterfolg ausschlaggebend.
Implantate
TRI Implants TV41B11, 4,1 x 11,5 mm,
TRI Implants (CH-Baar)
Abutments
TRI Implants Contour Abutment Straight
TRI friction TV10-41-F, 3,5 mm Platform,
TRI Implants (CH-Baar)
Nahtmaterial
STOMA Supramid 4-0 HR17
Kunststoff-Provisorium
Bosworth Company Trim
Temporary Resin Acrylic