Parodontologie

Minimalinvasivität, Parodontologie, Implantologie

Minimalinvasivität in der parodontalen und periimplantären Chirurgie

Abb. 1: Das moderne parodontologische Therapieschema sieht ein stufenweises Behandlungskonzept vor.
Abb. 1: Das moderne parodontologische Therapieschema sieht ein stufenweises Behandlungskonzept vor.

Die moderne Parodontologie lässt sich mit einem homologen Akronym treffend beschreiben: PERIO. Es setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben von Parodontologie, Endodontie, Restaurativer Zahnheilkunde, Implantologie und Orthodontie. In einem synoptischen Behandlungskonzept, wie es der parodontal kompromittierte Patient in der Regel benötigt, muss die Abwägung von Therapievarianten alle diese Bereiche einbeziehen.

 

Dabei umfasst Parodontitis das Spektrum multifaktoriell verursachter genetisch und systemisch modulierter akuter und chronisch destruktiver wirtsabhängiger opportunistischer Infektionserkrankungen des thekodonten Zahnhalteapparates durch pathogene Keimspektren [1]. Es werden Gewebe unterschiedlicher Keimblätter, nämlich des Mesoderms und Ektoderms, gleichzeitig involviert, was die Modalitäten in der Heilung nach chirurgischen Interventionen erklärt, wenn Regeneration und nicht Reparation das Ziel sein soll. Ein wesentlicher zentraler Bestandteil der klinischen Diagnostik dieser Erkrankung besteht in der Sondierung. Sondierungen zu Zeitpunkten unterschiedlicher Entzündungsaktivität werden zu unterschiedlichen Sondierungstiefenmessungen führen [2], wobei die Differenzen eigentlich Messfehlern zuzuschreiben sind. Gerade deshalb aber bietet die Serie der Sondierungstiefenmessung über die Zeit einen Eindruck hinsichtlich der Entzündungsaktivität und damit zur Beantwortung der Frage: Ist die Parodontitis in einer Phase der Stagnation oder der Progression?

Die Parodontitis wird als eine Infektionserkrankung angesehen. Dabei hängt die Virulenz der Keime insbesondere auch von der Konstellation des Biofilms ab. Die Organisation der Lebensform der Bakterien in einem Biofilm ermöglicht zudem deren Resistenz gegenüber Antibiotika um einen Faktor von bis zu tausend Bakterien, die sich in der planktonischen Lösung aus einem Abstrich sensibel gegenüber einem Antibiotikum gezeigt haben, müssen also in der in-vivo Situation noch lange nicht sensibel darauf reagieren. Dies erklärt die Notwendigkeit der mechanischen Zerstörung des Biofilms im Rahmen des Scaling und Root planing.

Über die systemische Zirkulation der proinflammatorischen Zytokine wird die Assoziation der Parodontitis mit systemischen Erkrankungen vermutet. Dabei ist zu betonen, dass die Assoziation zum Diabetes insbesondere auch zum Typ II erwiesen ist und damit die Parodontitis als die sechste Komplikation des Diabetes wissenschaftlich anerkannt ist [3]

Daher gilt im parodontologischen Therapieschema der Erfassung systemischer Hintergründe in der Anamnese besonderes Augenmerk. Die klinische und radiologische Dignostik wird die Beantwortung der ersten von Roy Page postulierten vier Fragen bringen: Hat der Patient eine Parodontitis? Diese Frage ist mit „ja“ zu beantworten, wenn wir entzündlich bedingten Attachmentverlust sehen. Die zweite Frage, ob die Entzündung sich in der Progression oder Stagnation befindet, kann mithilfe der Entzündungsparameter Blutung und Suppuration beantwortet werden, wenngleich bekannt ist, dass keine Blutung eher darauf verweist, dass keine Progression vorliegt, als dass positive Blutung auf Progression verweist. Es bleibt andererseits zu berücksichtigen, dass wir bei Rauchern wesentlich weniger Blutung auch in Phasen der Progression sehen, da hier offensichtlich durch die Wirkung des Nikotins weniger Blutgefäße gebildet werden [4]. Die Frage um welche Form der Parodontitis es sich handelt, muss über die Zeit beantwortet werden. Im Wesentlichen gilt es die chronische von der aggressiven Parodontitis zu unterscheiden. Dabei deutet ein Missverhältnis vom chronologischen Alter zum Attachmentverlust, ein Missverhältnis des Mundhygienestatus zum Entzündungsgrad und das Vorhandensein von A.a. auf eine aggressive Parodontitis hin. Für die Bestimmung des individuellen Risikoprofils des Patienten bietet sich das Risikoevaluationshexagon nach Lang und Tonnetti an, auf das später noch eingegangen werden soll.

Im Falle der positiven Diagnose schließt sich die Vorbehandlungsphase an, in deren Rahmen die Hygienephase eine zentrale Rolle spielt. Professionelle Zahnreinigungen dienen dazu, den Patienten in die Lage zu versetzen, eine suffiziente, dem Krankheitsbild angemessene, individuelle Mundhygiene auszuüben. Eine zentrale Rolle spielt die Kommunikation mit dem Patienten in deren Rahmen ihm die Möglichkeit zur Nachahmung des Gezeigten gegeben wird. In der Regel wird der Patient nach drei Sitzungen in der Lage sein, eine adäquate Hygienesituation zu erzielen. Dies ist der Zeitpunkt, wenn über die Reevaluation der klinischen Parameter die Entscheidung für die konservative Therapieetappe im Sinne des SRP gefällt wird.

Von vielen Patienten wird insbesondere die Anästhesie im Rahmen des Scaling und Root planing wegen der multiplen Einstiche als sehr unangenehm empfunden. Eine Alternative zur Injektion bietet das injektionslose Oraqix®-Verfahren. Dabei wird mit einer stumpfen Kanüle ein Oberflächenanästhetikum in Gelform in die parodontale Tasche eingebracht. Es handelt sich dabei um eine eutektische Mikroemulsion in deren öliger Phase Prilocain (2,5 %) und Lidocain (2,5 %) im 1:1 Verhältnis vorliegen. Durch die Beteiligung an einer multizentrischen Studie hatten wir die Gelegenheit, diese Anästhesieform in der studentischen Behandlung zu testen. Die Ergebnisse werden demnächst veröffentlicht. Aus unserer Sicht hat sich eine sehr gute Patientencompliance gezeigt, da die Empfindung bei der Applikation mit der der parodontalen Sondierung verglichen werden kann und die erreichte Anästhesietiefe ausreicht, um die schmerzfreie Wurzeloberflächenbearbeitung im Sinne des Scaling und Root planing zu gewährleisten. Entscheidend bei dieser Anästhesieform ist das Anfluten der Tasche mit dem Anästhesiegel. Dazu muss die stumpfe Kanüle weitgehend atraumatisch in die Tasche eingeschwenkt werden (Abb.2). Erst wenn das Gel aus der Tasche herausquillt (Abb.3), sollte die nächste Stelle angegangen werden. Dabei kann es erforderlich sein, an einem Zahn an mehreren Stellen das Anästhesiegel zu applizieren.

  • Abb. 2

  • Abb. 2
  • Abb. 2 und 3: Bei der Applikation des Anästhesiegels ist auf das Anfluten der Tasche zu achten.

  • Abb. 2 und 3: Bei der Applikation des Anästhesiegels ist auf das Anfluten der Tasche zu achten.


Die konservative Behandlung wird nach drei Monaten zu reevaluieren sein. Jetzt wird die Entscheidung gefällt, ob der Patient in der Erhaltungstherapie weitergeführt wird, oder ob er weiterer eventuell chirurgischer Maßnahmen bedarf. Zeigt sich eine Besserung der Parameter, was in der Regel der Fall ist, kann weiter zugewartet werden. Zeigen die Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg, sollte nach eventuell systemischen bisher nicht bekannten Faktoren gefahndet werden. So ist es nicht selten, dass über aus parodontologischer Sicht beobachtete Heilungsverläufe in der weiterführenden allgemeinmedizinischen Diagnostik systemische Implikationen detektiert werden können. Sind weiterführende parodontalchirurgische Maßnahmen erforderlich, so werden diese in resektive regenerative und plastisch rekonstruktive unterschieden.

Die Heilung nach SRP wird in der Regel weitgehend in Form einer epithelialen Tiefenproliferation verlaufen. Allerdings lassen sich auch knöcherne Defektfüllungen über die Zeit beobachten. Zurückhaltung in der Entscheidung zur Chirurgie ist die Voraussetzung zur Ermöglichung solcher natürlicher regenerativer Ansätze. Es sind nicht wir als Zahnärzte, die Regeneration erzeugen und auch nicht die Biomaterialien, die wir zum Einsatz bringen. Wir müssen die klinischen Zeichen erkennen, die auf eine Programmierung in Richtung Regeneration deuten und können dann wagen diese zu unterstützen. Eine regelrechte Umpolung von Destruktion in Richtung Regeneration wird uns nicht gelingen.

Wir sehen, die lange geführte Diskussion, ob konservativ oder chirurgisch zu behandeln sei, ist dahingehend beantwortet, dass immer zunächst konservativ behandelt werden muss, bevor entschieden werden kann, ob es sinnvoll und notwendig ist, chirurgisch zu behandeln. Für den Umgang mit den Weichgeweben im Rahmen von Parodontalbehandlungen spielt der Gingivatyp eine entscheidende Rolle. Es werden der dicke und dünne Gingivatyp unterschieden. Durch die Einbringung eines freien Bindegewebstransplantates kann versucht werden, den dünnen Gingivatyp in einen festeren Typus zu überführen. Das Transplantat wird zum Teil die Charakteristik der mastikatorischen Schleimhaut des Gaumens auf das ortsständige Gewebe übertragen, wobei aber auch dieses Einfluss auf die Reifung des transplantierten Gewebes nimmt (Abb. 4).
  • Abb. 4a

  • Abb. 4a
  • Abb. 4a und b: Dicker und dünner Gingivatypus müssen in der Planung eines parodontalchirurgischen Eingriffes berücksichtigt werden.

  • Abb. 4a und b: Dicker und dünner Gingivatypus müssen in der Planung eines parodontalchirurgischen Eingriffes berücksichtigt werden.

Die minimal-invasive Vorgehenweise lässt sich anhand folgender Punkte charakterisieren:

  • In Hinblick auf die Schnittführung sollte weitgehend auf vertikale Entlastungen verzichtet werden.
  • Es ist ein altes chirurgisches Prinzip, den Schnitt nicht über den Defekt zu legen. Diesem Prinzip versucht die Papilla Preservation Technique in Ihren Variationen Rechnung zu tragen. Die Entscheidung für die oral bzw. bukkal gestielte Papille sollte durch die knöcherne Defektmorphologie bestimmt sein. Die Schnittstelle sollte auf jeden Fall knöchern unterstützt sein.
  • Beim Lappenmanagement wird heute dem Spaltlappen vielfach der Vorzug gegeben. Er bietet vielfältige Vorteile wie enorme Flexibilität, die sonst nur über die relativ traumatische Periostschlitzung an der Basis des Lappens zu erreichen war.
  • Einen wesentlichen Punkt betrifft die Nahttechnik. Hier wird über Nadelform, Nahtmaterial und dessen Stärke zu sprechen sein. Es sollte monofile atraumatische Nahtmaterialien ab der Stärke 6.0 bis 8.0 zum Einsatz kommen.
  • In der Regel wird eine optische Sehunterstützung erforderlich sein, um die Gewebespezifität erkennen und mit den entsprechenden Materialien arbeiten zu können.
  • Schließlich bedarf es eines entsprechenden Mikroinstrumentariums.
  • Der Prichard kombiniert das Raspatorium mit einem Spiegel, mit dem weitgehend atraumatisch die abpräparierten Weichgewebe abgehalten werden können.
  • Mit dem Bonescraper nach Buser können lokal kleine Mengen Knochen gewonnen werden, die mit künstlichen Knochenersatzmaterialien vermengt in den parodontalen Defekt eingebracht werden können. Das Papillenelevatorium, welches mit zwei verschiedenen Größen versehen ist, ermöglicht die Elevation des approximalen Gewebes im Zuge der Papillenerhaltung.

Soll im Rahmen des Eingriffes Knochen transplantiert werden, so dient der Prichard mit seinem Raspatorium zur Mobilisierung eines Mukoperiostlappens, wobei dieser mit dem Spiegelende breitbasig abgehalten werden kann, sodass unter Einsatz des Bone Scrapers nach Buser Knochenspäne entnommen werden können.

Die Papillenerhaltung soll dem Prinzip Rechnung tragen, den Schnitt nicht über den Defekt zu legen. Takei war der erste, der diese Technik vorgeschlagen hat. Er legte den Schnitt oral, sodass das Gewebe vestibulär gestielt blieb. Cortellini et al. schlugen die modifizierte Erhaltungstechnik vor, die den Schnitt nach vestibulär verlegte. Da nicht in allen Fällen der Interdentalraum breit genug ist, um diese Technik durchzuführen, bestand schließlich die vereinfachte Technik in der diagonalen Durchtrennnung im Approximalbereich.

  • Abb. 5a

  • Abb. 5a
  • Abb. 5b

  • Abb. 5b

In engen Interdentalräumen ist von der streng intrasulkulären Schnittführung mit dem Beaver-Skalpell die vereinfachte Papillenerhaltung anzustreben. Die intrasulkuläre Inzision orientiert sich streng an der Wurzeloberfläche und führt so zur Bildung eines Vollhautlappens in diesem Bereich. Wir sprechen hier von einem Vollhautlappen, da sich auf der Wurzeloberfläche kein Periost befindet. Bei Vorliegen eines dicken Gingivatypus kann ab der hartgeweblichen Defektgrenze in die supraperiostale Mukosalappenpräparation übergegangen werden. Liegt ein dünner Gingivatyp vor, sollte bis zur Mukogingivalgrenze ein Mukoperiostlappen gebildet werden, da sonst die Gefahr der Perforation besteht. An der Mukogingivalgrenze sollte der Lappen dann als Mukosalappen präpariert werden.

  • Abb. 5a bis c: Wenn es wie hier gelungen ist, den interdentalen Col vollständig zu erhalten, kann mit einem zufriedenstellenden regenerativen Ergebnis gerechnet werden.

  • Abb. 5a bis c: Wenn es wie hier gelungen ist, den interdentalen Col vollständig zu erhalten, kann mit einem zufriedenstellenden regenerativen Ergebnis gerechnet werden.

Auch in der Unterkieferfront kann mit noch feineren Klingenformen die modifizierte Papillenerhaltung präpariert werden.
Ein weiteres wesentliches altes chirurgisches Prinzip gilt es im Rahmen der Papillenerhaltung zu berücksichtigen: Die Lappenspitze sollte nicht breiter als die Lappenbasis sein, die hier nicht palatinal zu sehen ist, sondern an der engsten Durchtrittsstelle des Gewebes im Approximalbereich. Nur wenn dieses Prinzip beherzigt wird, kann eine Heilung per primam erreicht werden (Abb. 5).

Am eröffneten Vollhautlappen, der bis zur knöchernen Defektgrenze als solcher präpariert wird, erfolgt die Exzision des Granulationsgewebes unter Sicht mit der Mikroschere. Um für den späteren Nahtverschluss eine spannungsfreie Readaptation zu erreichen, sollte ab der Defektgrenze unter Belassung des Periosts auf dem Knochen ein sogenannter Spaltlappen präpariert werden. Greenwell et al (2004) gehen sogar soweit, den sogenannten superfiziellen Spaltlappen zu bilden, der außer Periost bindegewebliche und muskuläre Anteile belässt [5]. Bei der Bildung dieses Lappens kann ausgehend von der Vollhautmobilisierung im Defektbereich an der knöchernen Grenze in die submuköse Präparation übergegangen werden. Es empfiehlt sich dabei ausgehend von einem Zugang tunnelierend von apikal nach zervikal zu präparieren. Dadurch wird die Gefahr der Perforation an der Defektgrenze

  • Keine Exposition von Knochen und dadurch weniger postoperative Resorption.
  • Keine Notwendigkeit vertikaler Entlastungen.
  • Passive Lage auch bei koronaler Verschiebung.
  • Spannungsfreie Nähte.

Die Präparation des superfiziellen Spaltlappens ermöglicht die Bildung des modifizierten laterokoronalen Verschiebelappens mit dem auch größere Defekte, wie sie sich nach der Exzision gutartiger Tumoren darstellen, primär – auch in der Entnahmeregion – gedeckt werden [6].

  • Abb. 6a

  • Abb. 6a
  • Abb. 6a und b: Bei der Präparation des superfiziellen Spaltlappens werden ab der knöchernen Defektgrenze das Periost sowie subepitheliale bindegewebige und muskuläre Anteile auf dem Knochen belassen.

  • Abb. 6a und b: Bei der Präparation des superfiziellen Spaltlappens werden ab der knöchernen Defektgrenze das Periost sowie subepitheliale bindegewebige und muskuläre Anteile auf dem Knochen belassen.

Atraumatisches Nahtmaterial sollte durch den Nadelhalter auch atraumatisch gefasst werden. Dies gelingt indem die Nadel innerhalb des zweiten Drittels gefasst wird. So wird einerseits die Traumatisierung des Hohlkörpers vermieden, in den der Faden in die Nadel eindringt, andererseits die Beschädigung der selbst schneidenden Nadelspitze ausgeschlossen. Selbstverständlich wird es sich nicht in allen Situationen vermeiden lassen, auch diese Bereiche mit den Branchen des Nadelhalters zu tangieren. Es sollte aber dann zumindest auf das Einrasten des Nadelhalters zugunsten eines gefühlvollen Handlings verzichtet werden. Das Fassen der Nadel sollte aber auch atraumatisch für den Nadelhalter erfolgen. Die Grazilität des Instrumentariums kann ein Aufbiegen der Branchen zur Folge haben, wenn die Nadel zu tief im Maul des Nadelhalters gegriffen wird.

Die Verwendung von Mikronahtmaterial erfordert die Instrumentennaht. Trotzdem sollte weitgehend vermieden werden, diese Materialien mit dem Nadelhalter bzw. der Pinzette fest zu fassen, da dies Sollbruchstellen im Nahtmaterial hinterlässt. Dies kann ungünstigen Falls in der ödematösen Wundheilungsphase über den Riss des Fadens zur Nahtdehiszenz führen.

Auch Knochenkontakt der Nadelspitze kann zu deren Deformierung führen. Periostale Nähte, wie sie z. B. bei apikaler Fixierung im Rahmen der klinischen Kronenverlängerung erforderlich sind, sollten also entweder an das Ende des Eingriffes gelegt werden, oder es sollte anschließend das Material gewechselt werden. Die Gegenüberstellung geflochtenen zu monofilen Nahtmaterials verdeutlicht die Dochtfunktion des geflochtenen Fadens. Dieser hat allerdings noch seine Berechtigung in der Akutchirurgie, da diese Dochtfunktion natürlich nicht nur in die Wunde hinein sondern auch aus ihr heraus funktionieren kann.

Die sicherlich verbreitetste Knüpftechnik stellt die Knopfnaht dar. Sie gewährleistet allerdings nur wenig vorhersagbar eine Annäherung der papillären Anteile im Approximalbereich. Die vertikale Matratzennaht eignet sich zur Aufstellung der Papillen insbesondere im Frontzahnbereich.
Liegt der Fokus in der approximalen Deckung des Augmentats, so bietet die modifizierte Matratzennaht nach Laurell eine exzellente Möglichkeit dies zu erreichen. Durch sie wird das Gewebe sowohl von innen als von auch über die außen verlaufende Schlaufe einander angenähert (Abb. 8).

Die fortlaufende Naht sollte im Bereich horizontaler und vertikaler Entlastungen zum Einsatz kommen. Sie erleichtert die Situation insbesondere bei der Nahtentfernung, da hier lediglich Anfangs- und Endknoten durchtrennt werden müssen. Das über dem Gewebe liegende Nahtmaterial kann dann leicht entfernt werden. Auch in der resektiven Chirurgie ist der Spaltlappen hilfreich, da bei apikaler Verschiebung auf vertikale Entlastungsschnitte verzichtet werden kann und durch die Fixierung des Lappens am Periost eine prognostisch sichere Lage gewährleistet ist. So lassen sich unter vollständiger Belassung der attached Gingiva auch weitgehend zerstörte Zähne prognostisch günstig erhalten.
Bei Vorliegen eines dicken Biotyps besteht auch in Situationen des totalen Papillenverlustes mit Hilfe der resektiven Parodontalchirurgie die Möglichkeit des Wiederaufbaus von Papillen. Über eine meandrisch verlaufende Exzision marginalen Gewebes im Sinne des modifizierten Widman-Lappens können die prospektiven Papillen geschaffen werden (Abb. 9).

Eine selektive Periostschlitzung gelingt am besten von lateral im Bereich der vertikalen Entlastung. Von hier aus lässt sich das Periost gut identifizieren und dann aus dem Lappen heraus gegen den Knochen separieren. So wird es möglich, den Lappen koronal zu verlagern und schließlich über die apikal verlagerte Kontaktpunktgestaltung neue Papillen zu generieren (Abb.10).

Ähnlich wie in der Situation nach SRP zeigt das Follow-up nach resektiver Parodontalchirurgie offensichtlich eine Regeneration der alveolären Strukturen. Röntgenologisch lässt sich daraus natürlich keine Restitution ad integrum ableiten, jedoch erkennen wir deutlich den vollständigen Verschluss der Furkation, deren Grad III Befall seinerzeit die Indikation zu resektivem Vorgehen vorgab. Die Regeneration parodontaler Strukturen mit Hilfe der GTR –- könnte man also provokativ sagen – funktioniert nur deshalb, weil sie auch ohne möglich ist (Abb. 11).

Klinische Kronenverlängerungen können aus unterschiedlichen Indikationsstellungen heraus durchgeführt werden. Neben der kosmetisch motivierten Ausführung zur Schaffung momentan als schön angesehener länglicher Frontzahnkronen liegt die medizinische Indikationsstellung hauptsächlich in der Schaffung einer ausreichenden biologischen Breite, die im Mittel mit ca. 3 mm angegeben wird. Die biologische Breite umfasst die Distanz des Restaurationsrandes bis zum alveolären Attachment. Sie bietet Raum für den Sulkus und das epitheliale und bindegewebige Attachment. Oft reicht schon die Exzision des Granulationsgewebes aus dem Approximalbereich von der Unterseite des Lappens aus, um den Lappen auf der Höhe des prospektiven Restaurationsrandes zu liegen lassen zu kommen. Ob dann der Abstand tatsächlich 3 mm betragen muss hängt natürlich im wesentlichen vom Gingivatyp ab. Ist Knochenentfernung erforderlich, so kann dies in Form kreuzförmiger Inzisionen in den Knochen hinein geschehen. Der so geschwächte Knochen lässt sich dann leicht mit der Kürette herausschälen und Wurzeloberflächenbeschädigungen, wie sie unweigerlich am therapierten und am Nachbarzahn durch rotierendes Instrumentarium verursacht würden, werden vermieden. In der Aufklärung des Patienten muss darauf hingewiesen werden, dass es auch am Nachbarzahn zu einer Freilegung im Bereich des Zahnhalses kommen kann. Dies kann auch die erneute Restaurierung dieses Zahnes erforderlich machen (Abb.12).

Bei Vorliegen eines dicken Gingivatyps kann es jedoch auch zu einem Rebound kommen sodass im Sinne des creeping attachment diese Wurzelareale wieder bedeckt werden (Abb. 13). Im Falle weit voran geschrittener Parodontitis sollte darauf fokussiert werden, welche Zähne in Hinblick auf eine langfristige prothetische Rehabilitation strategisch wichtig sind. Es kann nicht immer das Ziel sein, alle Zähne zu erhalten (Abb. 14).

Der Eckzahn ist sicher einer dieser strategisch wichtigen Pfeiler und sollte daher mit den Mitteln der GTR erhalten werden, wenn intraossäre vertikale Knochendefekte dessen Prognose kompromittieren. Hier wurde unter Verwendung eines bovinen Knochenminerals in der Mischumg mit autologen Knochenspänen von der Spina nasalis anterior und einer Abdeckung mittels einer Kollagenmembran eine Defektfüllung erreicht, sodass dieser Zahn in die prothetische Rehabilitation mittels teleskopierender Versorgung einbezogen werden konnte (Abb. 15).

Durch die supraperiostale Präparation wurde eine flexible weichgewebliche Manschette erhalten, die es zuließ den distalen Defekt ohne distale Entlastung zu therapieren. Nach Ausräumung des Granulationsgewebes konnte der distale Defekt für die Defektfüllung vorbereitet werden. Nach Biomodifikation der Wurzeloberfläche mit 24 %-igem EDTA und anschließender Applikation von EMD wurde bovines Knochenmineral eingelagert (Abb. 17).
Durch Schwenken des Lappens wurde die „Kondensation“ des Knochenminerals erzeugt. Der approximale Verschluss erfolgte mittels modifizierter Matratzennaht nach Laurell, wobei der vertikale Entlastungsanteil durch Einzelknopfnähte versorgt wurde (Abb. 18 und 19).

Das Leitbild der plastisch rekonstruktiven Parodontalchirurgie wird durch folgende Punkte bestimmt:

  • Keratinisierung der attached Gingiva.
  • Das Vorhandensein einer attached Gingiva.
  • Von Weich- und Hartgewebe bedeckte Wurzeloberflächen.
  • Bis zum Kontaktpunkt aufragende Papillen.

Der lange Streit wieviel attached Gingiva erforderlich sei, um von einer gesunden Situation zu sprechen, konnte dahingehend beigelegt werden, dass das vorhandene Maß ausreiche, solange es nicht mit pathologischen Phänomenen assoziiert sei. Es gibt also keine metrische Angabe darüber, wie viel attached Gingiva nötig sei. Insbesondere in der plastisch-rekonstruktiven Parodontalchirurgie ist es wichtig im Arzt-Patient-Gespräch klar herauszuarbeiten, wie die Patientenwünsche aussehen und dies den Möglichkeiten und Grenzen realistisch gegenüberzustellen. Es muss klar sein, dass auch diese Form der Chirurgie keinen Jungbrunnen darstellt.
Dennoch bietet sie Möglichkeiten der Idealisierung insbesondere im Bereich der Rezessionsdeckung.

Auch in der Frage der Rezessionsdeckung ist es wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass es sich hier nicht um ein rein metrisches Problem handelt. Die wesentliche Unterscheidung zwischen der guten Deckungsmöglichkeit in den Miller Klassen I und II, und den stark reduzierten Möglichkeiten in den Klassen III und IV liegt im approximalen Papillenverlust der mit horizontalem und vertikalem Knochenabbau assoziiert ist.
Über das freie Bindegewebstransplantat steht uns heute in guter Zugänglichkeit eine gewebliche Matrix zur Verfügung, die durch die Beeinflussung der Empfängerregion durch seine Eigenschaften aus der mastikatorischen Schleimhaut zu einer festeren Gewebscharakteristik führt. Durch die Entnahme in der Single-Incision-Technique [7] bleibt die Entnahmestelle epithelial bedeckt. Dies verhindert die ausgeprägte Schmerzempfindung, wie sie vielen Patienten noch aus den Zeiten des freien Schleimhauttransplantates in bleibender Erinnerung verweilt. Bei der Trimmung des Transplantates sollten Fettanteile weitgehend entfernt werden.
Große Verunsicherung besteht in Hinblick auf die Verletzung der Arteria palatina bei der Transplantatentnahme. Hier sind die Untersuchungen von Monnet-Corti et al. hilfreich, die durch Vermessungen von Gipsmodellen zeigen konnten, dass selbst bei Einhaltung des 2 mm betragenden Sicherheitsabstandes zum Sulkusboden bzw. 3 mm zum Übergang der vertikalen zur horizontalen Gaumenwölbung, an deren Stelle der Verlauf der Arterie anzunehmen ist, ein Transplantat von mindestens 5 mm Höhe entnommen werden kann [8]. Ob das Transplantat mit oder ohne Periost entnommen wird, hängt im wesentlichen von der Dicke der Schleimhaut ab. Besser für die Heilung der Spenderregion ist selbstverständlich die Belassung des Periostes.

Bei der approximalen Vernähung des Transplantates soll darauf geachtet werden, dass dies an der Basis der Papillen vernäht wird.
Nach der koronalen Fixierung des Lappens auf den entepithelisierten Papillen soll dieser das Transplantat vollkommen bedecken.
Zum Zeitpunkt der Nahtentfernung sieht die Situation in der Regel etwas „wüst“ aus, jedoch ist in einer solchen Situation wie hier gezeigt von einer komplikationslosen Heilung auszugehen. Im Follow-up ist deutlich die Reifung und Remodellation des Gewebes erkennbar, die die Stabilität des Ergebnisses verdeutlicht (Abb. 20). Durch die tunnelierende Präparationstechnik ist es auch in Fällen der Miller Klasse III – IV möglich Optimierungen des gingivalen Verlaufes im Sinne einer teilweisen Rezessionsdeckung zu erzielen. Über den intrasulkulären Zugang wird dabei supraperiostal über die Mukogingivalgrenze bis weit in das Vestibulum präpariert. Über von palatinal geführte Matratzennähte kann das Transplantat angeschlungen werden und samt der darüber liegenden gingivalen Manschette über die Hypomochleonfunktion des Approximalraumes koronal fixiert werden.
Prinzipien der minimal invasiven Parodontalchirurgie finden sich zunehmend auch in der periimplantären Chirurgie wieder. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht die Lage der Implantate unter der Mukosa. Ausstanzungen hätten hier dazu geführt, dass sämtliche vestibulären Anteile im Bereich der beweglichen Schleimhaut gelegen hätten (Abb. 21).

Durch Bildung eines apikal gestielten Lappens konnte der keratinisierte Anteil in den Bereich der vestibulären Implantatmanschette verlegt werden sodass hier eine entsprechende Keratinisierung gewährleistet wurde (Abb. 22). Die teleskopierende Versorgung erlaubt eine exzellente Plaquekontrollmöglichkeit (Abb. 23). Die Frage, ob Implantate im parodontal kompromittierten Gebiss zum Einsatz kommen sollten, muss weiterhin kritisch hinterfragt werden. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, doch ist das erhöhte Risiko für periimplantäre Entzündungen erkennbar. Dabei muss gesehen werden, dass die bisher einzig Erfolg versprechende Therapie der Periimplantitis in deren Prophylaxe besteht. In Hinblick auf die Papillenrekonstruktion ist leider zu sagen, dass es bis heute keine Prädiktabilität für den Erfolg in der Literatur beschriebener Methoden gibt. Eine wesentliche Erkenntnis aber besteht darin, dass die Höhe der Papille im Wesentlichen auch von deren Breite an der Basis abhängig ist. Zu dem kann durch die Variierung der Lage des approximalen Kontaktpunktes eine gewebliche Auffüllung des „schwarzen Dreieckes“ erzielt werden wenn, wie Tarnow beschreibt, der approximale Kontaktpunkt nicht weiter als 5 mm von der krestalen Knochengrenze entfernt ist.

Bei den vielfältigen Möglichkeiten der Optimierung funktioneller und kosmetischer Aspekte sollte die konsequente Erhaltungstherapie derart aufwendig therapierter Patienten Hauptfokus sein. Das Risikoevaluationshexagon nach Lang und Tonnetti bietet eine exzellente Möglichkeit der individuellen Risikobestimmung und kann zudem als motivierendes Instrument zur Vermittlung der Einsicht des Patienten in diese Notwendigkeit herangezogen werden (Abb. 24).

Der Artikel basiert auf dem Vortrag, der im Rahmen der Initiative Umfassende Zahnheilkunde (IUZ) am 8. April an der Landeszahnärztekammer Sachsen (LZKS) in Dresden von OA Dr. Georg Gaßmann gehalten wurde.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Prof. Dr. Georg Gaßmann - Wolf-Dieter Grimm

Bilder soweit nicht anders deklariert: Prof. Dr. Georg Gaßmann , Wolf-Dieter Grimm