Sofortversorgung  ein funktionierendes Konzept?

Provokant kann man fragen: Drängen die Industrie mit ihren Sofortversorgungskampagnen und die Patienten mit ihrem Anspruchsdenken die Implantologen zum Verlassen gut dokumentierter und erfolgreich praktizierter Behandlungsschemata? Oder ist es möglich, die Vorteile der Sofortversorgung und Sofortbelastung auszunutzen, ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müssen? Der Autor diskutiert dies anhand einer gründlichen Literaturrecherche. Dabei werden Faktoren wie Mikro- und Relativbewegungen, die Primärstabilität, die Knochenqualität und ästhetische Gesichtspunkte eingehend beleuchtet. Es zeigt sich, dass die Sofortversorgung als sicheres Therapiemittel für ausgewählte Behandlungsfälle angesehen werden kann.
Die Verkürzung der Behandlungsdauer soll die Patientenzufriedenheit und den Patientenkomfort erhöhen. Längere Zeiträume der Zahnlosigkeit oder der Versorgung mit ästhetisch und funktionell kompromittierenden Provisorien können vermieden werden, da beim konventionellen Vorgehen "Wartefristen" durch die Ausheilung der Alveole und die gedeckte, lastfreie Einheilphase entstehen [1]. Konzepte, die die Behandlungsdauer verkürzen, können sein [2]:
1. die Sofortimplantation
2. die Verkürzung der Einheilzeit
3. die Sofortbelastung.
Bei der Sofortimplantation bleibt dem Patienten die Phase der knöchernen Ausheilung der Alveole nach Zahnentfernung erspart, die nach dem BrånemarkProtokoll bis zu 12 Monate dauern sollte [3]. Die Verkürzung oder Beschleunigung der Einheilzeit kann z. B. durch moderne "aktive" Implantatoberflächen [4, 5] oder durch die Verwendung von Wachstumsfaktoren (BMP) erzielt werden [6, 7]. Sofortfunktion heißt, dass unmittelbar ein provisorischer oder definitiver Zahnersatz auf dem Implantat etabliert wird [8]. Dass durch Sofortversorgung eine höhere Patientenzufriedenheit und Kosteneffektivität erzeugt wird, konnte bisher nicht wissenschaftlich bestätigt werden [8]. Zu den Vorteilen gehört aber, dass die Gefahr durch Mikrobewegungen unter herausnehmbaren Prothesen, das sogenannte "Jiggling" vermieden wird. Es müssen keine kompromittierten Zähne zur Fixation eines Provisoriums erhalten werden, und es entfällt die Notwendigkeit zahlreicher implantatchirurgischer Eingriffe [4, 8].
Einfluss von mechanischer Belastung auf die Knochenheilung
Die Frage, inwiefern mechanische Belastung die Einheilung von Implantaten beeinflusst, wurde bereits in der orthopädischen Literatur diskutiert. Makrobewegungen durch exzessive Belastungen führten vorhersagbar zur bindegewebigen Einscheidung, der Bildung einer fibrösen Gewebeschicht zwischen Implantat und umgebendem Knochen [9, 10]. Diese negativen Ergebnisse dürften zum größten Teil der Tatsache geschuldet sein, dass sich eine Sofortbelastung im orthopädischen Bereich deutlich von der Belastung einer zahnärztlichen Rekonstruktion unterscheidet [11]. Brunski et al. identifizierten noch die frühzeitige Belastung als Faktor, der zu bindegewebiger Einscheidung führt [12]. Demgegenüber konnten Piattelli et al. in Versuchen an Affen [13] und am Menschen [14] zeigen, dass frühe Belastung mit erfolgreicher Osseointegration einhergehen kann. Diese Ergebnisse wurden von Testori et al. [15] und Romanos et al. [16] bestätigt.
Wesentlich für den Erfolg der sofortigen Belastung ist es, Mikro- bzw. Relativbewegungen zwischen Implantat und umgebenden Knochen sowie traumatische Überbelastungen des Implantates zu vermeiden [10, 18, 22]. Dies soll pathologische Deformationen des Knochens verhindern [19]. Nicht die Belastung an sich, sondern die Relativbewegung ist verantwortlich für die bindegewebige Einscheidung [18, 20]. Brunski nennt folgende Faktoren, von denen die Knochenreaktion auf biomechanische Belastung abhängig ist [21]:
1. die Belastung an sich
2. die Heilungsvorgänge am Interface Implantat  Knochen
3. Entwicklung der Verbindungskraft zwischen Implantatoberfläche undumgebenden Geweben
4. Mikrobewegungen und Relativbewegungen
5. die Überlastung des periimplantären Knochens
6. das Wolff`sche Gesetz, auch unter dem Begriff Adaptationsvorgänge des Knochens und Remodellation bekannt.
Tolerierbare Relativbewegungen
Nötig ist, eine Schwelle für akzeptable und exzessive Mikrobewegungen zu definieren [9, 11]. Mikrobewegungen bis etwa 50 mm scheinen die knöcherne Integration nicht zu stören. Mikrobewegungen von 100 mm und mehr verhindern dagegen die Kontaktbildung zwischen Knochen und Implantat und somit die knöcherne Einheilung [22, 23, 24]. Die Schwelle scheint also zwischen ungefähr 50 und 150 mm zu liegen [18]. Die fibröse Einscheidung eines Implantats bei exzessiver Belastung kommt durch die Gewebe- und Gefäßtraumatisierung in der frühen Heilungsphase zustande. Die Relativbewegung verhindert womöglich die Bildung und Differenzierung des Blutkoagulums und damit die Revaskularisierung des heilenden Gewebes [21].
Davies vermutet zudem, dass Mikrobewegungen die Adhäsion des Koagulums am Implantat in der initialen Heilungsphase erschweren oder verhindern und dass dieser Effekt durch raue Implantatoberflächen gemildert werden kann [25].
Frost teilt die mechanische Belastung des Knochens aufgrund seiner unterschiedlichen biologischen Reaktion in verschiedene Stufen ein [26]. Die Deformation des Knochens wird von ihm in microstrains (= µ) gemessen: 1.000 me entsprechen 0,1 % Verformung des Knochens. Frost definiert die Schwelle für eine physiologische Belastung bei 1.000  3.000 µ. Innerhalb dieser Belastungsschwelle kommt es zu einem knöchernen Gleichgewichtszustand oder sogar zu appositionellem Knochenwachstum. Oberhalb der Schwelle von 3.000 µ resultiert aus der Überlastung osteoklastäre Resorption und im Extremfall die Fraktur. Unterhalb der Schwelle von 1.000 µ kommt es aufgrund der fehlenden physiologischen Reize zur Inaktivitätsatrophie und zum Schwinden der Knochenmasse. Diese Belastungsschwelle zwischen 1.000 und 3.000 µ zeigt, dass funktionelle Belastung in einem bestimmten, kontrollierten Ausmaß während der Einheilphase möglich ist. Inwieweit auch Microleakage für den Erfolg oder Misserfolg von Sofortversorgung eine Rolle spielt, ist bislang noch nicht geklärt. Microleakage ist abhängig von der Passgenauigkeit der Suprastruktur, der Mikrobewegung der Suprastruktur und dem Drehmoment, mit dem die Implantatteile miteinander verbunden wurden [27].
Sofortversorgung versus gedeckte, unbelastete Einheilung
Der Langzeiterfolg von enossalen Implantaten hat das Therapiespektrum entscheidend erweitert. In der Literatur werden mit verschiedenen Implantatsystemen hervorragende Langzeiterfolgsraten von über 90 % bei Beobachtungszeiträumen von fünf bis zehn Jahren dokumentiert [28, 29]. Abhängig ist diese hohe Erfolgsquote allerdings von verschiedenen Faktoren. Esposito et. al. identifizieren unter anderem die mit biologischem Misserfolg assoziierten Faktoren [30]: Medikamenteneinnahme, Rauchen, Bruxismus, Knochenqualität und Kieferkammaufbauten, Erfahrung des Operateurs, Operationstrauma, Strahlentherapie, Implantatzahl sowie Implantatoberfläche und -design. Auch die Sofortbelastung und die nicht gedeckte Einheilung können für frühe Implantatverluste in der Einheilphase verantwortlich sein. In den letzten Jahren hat hier allerdings ein Paradigmenwechsel stattgefunden.
Brånemark et al. postulieren in den Implantationsprotokollen die Notwendigkeit einer ausgedehnten schleimhautgedeckten und unbelasteten Einheilung ohne Kontakt zur Mundhöhle [3, 1, 31], die eine 3bis 6-monatige Dauer aufweisen sollte [3, 32]. In der Einheilphase sollten funktionelle Belastungen auf das Implantat verhindert werden, um eine weichgewebige Einkapselung oder Entzündungen zu verhindern [31, 33]. Diese Angaben haben rein empirischen Charakter und wurden nicht durch experimentelle Studien untermauert [18]. Die Verankerung des Implantates soll im Wesentlichen durch den in der Heilungsphase neugebildeten Knochen zustande kommen. Bereits früh wurde dieses Postulat von der Schweizer Schule in Frage gestellt [34]. 1983 beschrieb Ledermann eine Erfolgsrate von 91,2 % bei sofortbelasteten Implantaten. Bei seinem Konzept der Sofortbelastung werden interforaminal im zahnlosen Unterkiefer vier Implantate inseriert, die sofort mit einem Steg als Träger einer Steg-Prothese verblockt werden. Eine Reduktion der auf die Implantate einwirkenden Kräfte resultiert allerdings aus der Resilienz der Kieferkamm-Mukosa. Dieses Therapiekonzept wird heute auch von anderen Implantatsystemen empfohlen [4, 35]. Inzwischen konnten verschiedene Sofortbelastungsprotokolle erfolgreich auch mit Brånemark-Implantaten durchgeführt werden [36-38].
Zwei diametral entgegengesetzte Therapiekonzepte treffen aufeinander, deren Erfolgsergebnisse nahezu identisch sind. Dieser scheinbare Widerspruch hat seine Ursache in der biologischen Reaktion des Organsystems Knochen. Mechanische Belastungsreize werden in biologisch funktionelle Impulse umgesetzt [2]. Die Erhaltung des Knochens sowie seine funktionelle Adaptation auf Belastung basiert auf einem belastungsabhängigen bzw. belastungsgesteuerten Regulationsprozess von Zellen und Matrixkomponenten [39]. Wichtig für den Implantologen sind allerdings nicht die absoluten Werte der Bewegung oder Verformung in mm oder µ, sondern die Tatsache, dass Verformung und Bewegung im weichen Knochen bei gleicher Belastung größer ist. Daher spielen Maßnahmen, die Knochendichte lokal zu erhöhen, eine große Rolle, z. B. die Kompression des Knochens, das sogenannte "bone-condensing" oder "bone-spreading". Der Zusammenhang zwischen all diesen genannten klinischen, biologischen und biomechanischen Erfordernissen bezüglich Knochenqualität, Belastungsprotokollen und Primärstabilität ist heute noch nicht ausreichend untersucht [157].
Erzielung ausreichender Primärstabilität
Implantate, die sofort oder früh versorgt werden sollen, müssen primärstabil inseriert werden, um Relativbewegungen an der Grenzfläche Implantat zu Knochen auf die physiologisch akzeptablen Werte zu begrenzen [8]. Es liegt ausreichende Evidenz darüber vor, dass Primärstabilität im Zusammenhang mit der Sofortfunktion unter anderem von Knochenqualität und -quantität, Implantatdesign, -form, -oberfläche, -charakteristika und chirurgischen
echniken abhängig ist [158]. Allerdings ist noch deutlicher Forschungsbedarf vorhanden bei Vorliegen von geringer Knochenqualität und -quantität sowie der Notwendigkeit augmentativer Maßnahmen, aber auch welche positiven Effekte durch Verblockung multipler Implantate zustande kommen [158]. Chirurgische Parameter scheinen die Primärstabilität in der Sofortfunktion stärker zu beeinflussen als biologische Parameter [157]. Chirurgische Maßnahmen zur Verbesserung der Primärstabilität im knöchernen Lager können sein:
1. Vermeidung oder Reduktion des Gewindeschneidens
2. Gewindeschneiden nur im dichten Knochen
3. Vermeidung oder Limitation des Schulterversenkens ("countersinking") im spongiösen Knochen
4. bikortikale Stabilisation
5. Unterpräparation des Implantatlagers mit unterdimensionierten Vorbohrern oder durch Verwendung breiterer Implantate oder
6. verschiedene Osteotomtechniken.
Welchen Einfluss diese Maßnahmen auf das Behandlungsergebnis haben, geht aus der Literatur nicht klar hervor. Gründe sind, dass Kieferknochen
regionsspezifisch strukturell sehr unterschiedlich sind, kein Vergleich der
verschiedenen Parameter vorgenommen wurde oder die Maßnahmen keinen
relevanten Einfluss hatten. Nkenke et al. konnten in einer
histomorphometrischen Studie an Minischweinen zeigen, dass durch Präparation
des Implantatlagers mit einer Osteotomtechnik deutlich mehr
Knochen-ImplantatKontakte erzielt werden können [40]. Da dem Implantologen
außer der relativ ungenauen Röntgendiagnostik wenig Hilfsmittel zur
Verfügung stehen, um Informationen über Struktur und Dichte des ortständigen
Knochens zu erhalten, muss ein anderes Maß für diese Parameter gefunden
werden. Einzig validierter Kontrollmechanismus hierfür ist das
Eindrehmoment. Die enge Korrelation zwischen Knochendichte und dem finalen
Eindrehmoment wurde von Friberg et al. nachgewiesen [41]. Neugebauer et al.
konnten an Minischweinen einen signifikanten Zusammenhang zwischen finalem
Eindrehmoment und der Überlebensrate von sofortbelasteten Implantaten
nachweisen [42]. Heute empfehlen viele Autoren finale Eindrehmomente
zwischen 25 und 35 Ncm, da sie für eine ausreichende Knochendichte sprechen
[22, 2, 43-45]. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass bei ausreichendem
finalem Insertionstorque hohe Implantatüberlebensraten erzielt werden
[119-134].
Klinische Richtlinien der Sofortimplantation
Ein wichtiger Aspekt von Belastungsprotokollen sind die Verhältnisse am
Implantatlager, die vom vollständig ausgeheilten zahnlosen Kieferabschnitt
bis zur frischen Extraktionswunde reichen. Cornelini et al. bezeichnen die
Sofortbelastung von Implantaten, die in frische Extraktionsalveolen inseriert wurden, aufgrund ihrer positiven Ergebnisse als sichere Behandlungsoption [46]. Die Sofortimplantation soll zum Erhalt des knöchernen Alveolarfortsatzes sowie der dazugehörigen Weichgewebe beitragen [47, 48]. Carlsson et al. zeigten bereits 1967 auf, dass ungefähr 23 % des anterioren Oberkieferkamms in den ersten sechs Monaten nach Extraktion und Versorgung mit einem herausnehmbaren Immediatersatz durch Knochenresorption verloren gingen [49]. Araujo und Lindhe dokumentierten den rapiden Ablauf der vor allem bukkalen horizontalen und vertikalen Resorption nach Zahnextraktion im Hundeversuch [50].
Bei der Sofortimplantation besteht in der Regel ein das Implantat umgebender Defekt von unterschiedlicher Größe. Wenn dieser Spalt eine Größe von 1,5 mm (die sogenannte "jumping distance") nicht überschreitet, führt die Sofortimplantation auch ohne Barrieremembranen zu klinisch guten Ergebnissen [51-53]. Zur Deckung von Dehiszenzen im Zusammenhang mit Sofortimplantationen wird aber die Verwendung von Barrieremembranen empfohlen [54]. Touati und Guez empfehlen klinische Richtlinien für die Sofortimplantation im Zusammenhang mit der Sofortversorgung, bei deren Beachtung das Erfolgspotential optimiert werden kann [43]:
1. Es sollten keine akuten periapikalen oder marginalen Infektionen vorliegen.
2. Das Implantat sollte mindestens 3 bis 5 mm unterhalb der apikalen
Begrenzung der Alveole des extrahierten Zahnes im Knochen verankert werden.
3. Der nach Implantation verbleibende Spalt zwischen Implantat und
umgebenden Knochen sollte nicht größer als ungefähr 1 mm sein.
4. Adäquate chirurgische Techniken zur Schonung der periimplantären Gewebe,
zur Vermeidung des marginalen Knochenverlustes und zur Verhinderung des
Weichgewebekollapses und der Rezession sollten angewendet werden [55].
Belser et al. fordern zur Erzielung einer guten Langzeitprognose, dass eine
ausreichende Dicke der bukkalen Knochenlamelle erhalten bleibt (mindestens 1
mm) [56]. Spray et al. fordern sogar eine Dicke der Knochenlamelle von 1,8 Â
2 mm [135]. Die Multicenterstudie von Hyunh-Ba et al. konnte allerdings
zeigen, dass die mittlere Dicke der Knochenlamelle bukkal 1,0 und palatinal
1,2 mm beträgt [136], so dass die Autoren in den meisten klinischen
Situationen augmentative Maßnahmen im Zusammenhang mit der
Sofortimplantation für notwendig erachten.
Auch Kois empfiehlt eine Sofortimplantation nur bei flachem, dickem Gewebetyp [57]. Diese erreicht in einer Studie von Cooper et al. eine hundertprozentige
Erfolgswahrscheinlichkeit [58]. Diese Studie war allerdings auf 10 Patienten
und die Unterkiefer-Interforaminalregion beschränkt. Hartmann und Steup
konnten zeigen, dass die Sofortimplantation in Kombination mit der
Sofortversorgung in der Hand von erfahrenen Implantologen zur Erhaltung von
Hart- und Weichgewebsstrukturen beiträgt und eine erfolgreiche
Behandlungsmethode darstellt [59]. Attard und Zarb empfehlen, die
Sofortversorgung nach Sofortimplantation auf Fälle ohne parodontale
Beteiligung oder andere entzündliche Prozesse zu beschränken [8].
Neben diesen Faktoren spielt die ästhetische Erwartungshaltung der Patienten
eine entscheidende Rolle. Die ästhetischen Forderungen der Patienten sollten
erfüllbar sein, um eine Sofortimplantation in Erwägung zu ziehen.
Dokumentierte Erfolgsraten zur Sofortfunktion
Vor allem in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren sind zahlreiche
Literaturübersichten, Reviews, Konsensuspapiere und Metaanalysen zum Thema Sofort- und Frühversorgung von dentalen Implantaten erschienen [8, 11, 18, 43, 44, 54, 60 - 80, 114]. Gute bis sehr gute Erfolgsraten von 90 % und mehr sind in allen Literaturübersichten dokumentiert. Insbesondere die
Sofortbelastung bei interforaminaler, mandibulärer Implantation ist
wissenschaftlich gut dokumentiert und weist unabhängig von Implantattyp,
Oberflächenbeschaffenheit und Zahnersatzdesign eine hohe Erfolgsrate auf.
Geringere Evidenz besteht für den Oberkiefer und teilbezahnte Situationen
[11, 8]. Balshi und Wolfinger hatten in ihrer Studie zur Sofortbelastung
eine relativ hohe Misserfolgsrate von 20 % [81].
Allerdings war diese Quote auf Patienten mit schlechter Knochenqualität
beschränkt. Dieser Zusammenhang von Knochenqualität und Erfolgsrate wird in
einer Studie von Rocci et al. bestätigt [82]. Chiapasco konnte in seinem
Review gute klinische Evidenz für die Sofortbelastung im zahnlosen
Unterkiefer-Frontbereich feststellen, gleiches gilt für die Frühbelastung in
dieser Region [11]. Cooper et al. kommen zu der Konklusion, dass zum
jetzigen Zeitpunkt aufgrund der wissenschaftlichen Literatur noch keine
Evidenz dafür besteht, dass Sofortbelastung im unbezahnten Oberkiefer mit
einer Overdenture mit reproduzierbarem Erfolg erreicht werden kann [75]. Die
Spezialitäten bei der Implantatversorgung der Maxilla seien:
1. anatomische Faktoren (Knochenstruktur und -dichte)
2. funktionelle Faktoren (Kieferkammresorption, Lippenunterstützung,
Phonetik usw.) und
3. psychologische und psychosoziale Faktoren (ästhetisch-kosmetische
Faktoren, Prothesenunverträglichkeiten, z. B. durch Würgereiz).
Studiendesign zur Sofortfunktion
Eine Meta-Analyse von Ioannidou und Doufexi ergab in Bezug auf die
Implantatverlustrate keine Unterschiede zwischen den unterschiedlichen
Belastungsprotokollen [77]. Ein Konsensus-Statement der Autoren Cochran,
Morton und Weber untersucht die Literatur bezüglich der Fragestellungen zu
1. verschiedenen Belastungsprotokollen bei teilbezahnten Situationen
2. Belastungsprotokollen bei unbezahnten Situationen und
3. die klinischen Prozeduren der verschiedenen Belastungsprotokolle [67].
Dabei legten sie ihre Schwerpunkte auf die Identifikation von
Implantatüberlebensstatistiken sowie die möglichen Risikofaktoren der
unterschiedlichen Prozeduren. Auch sie stellen fest, dass der
Unterkieferfrontzahnbereich die einzige Indikation repräsentiert, über die
randomisierte und kontrollierte klinische Untersuchungen existieren. Attard
et al. teilten die Studien in drei große Gruppen ein [83]:
1. festsitzender Zahnersatz (diese beinhaltete zahnlose und teilbezahnte
Patienten im Ober- und Unterkiefer),
2. den Einzelzahnersatz und
3. die Versorgung mit Overdentures.
Die Erfolgsraten lagen fast immer über 90 % und erzielten damit ähnliche
Ergebnisse wie konventionelle Belastungsprotokolle. Ein Minimum von 4
Implantaten sollte im zahnlosen Unterkiefer gesetzt werden, um festsitzende
Rekonstruktion zu verankern. Die Empfehlung beruht auf einer Untersuchung
von De Bruyn und Collaer [84]. Sie kamen zum Ergebnis, dass der Verlust
eines Implantates in 15 % der FäIle auch zum Scheitern der Suprakonstruktion
und somit zu wiederholten chirurgischen oder prothetischen Eingriffen führe.
Die Datenlage für festsitzenden Zahnersatz in der unbezahnten Maxilla ist
limitiert. Von den meisten Autoren werden eine Anzahl von 8 bis 12
Implantaten sowie die Verwendung von Implantaten mit rauen Oberflachen bei
weichem Knochen empfohlen. Für den Einzelzahnersatz wurden von Attard und
Zarb ebenfalls hohe Erfolgsraten konstatiert [8]. Die Studien, die
schlechtere Erfolgsraten erreichten, hatten eine Platzierung der Implantate
in frische Extraktionsalveolen in die Untersuchung miteinbezogen, so dass
der Misserfolg auf Infektionen oder andere Risikofaktoren der
Sofortimplantation zurückzuführen sein könnte.
Ein weiterer von Attard und Zarb benannter Faktor für geringere Erfolgsraten beim Einzelzahnersatz könnte die Restauration des Zahnersatzes in direkter Okklusion ("full functional loading" und "light occlusal contact") sein [8]. Allerdings existieren auch Studien, die keinerlei Einschränkungen der Erfolgsraten bei direkter Okklusion fanden. Ebenso unklar ist der Zusammenhang zwischen Knochenqualität und Erfolgsrate für den Einzelzahnersatz. Die meisten der zitierten Autoren weisen darauf hin, dass die provisorische Versorgung während der Heilungsphase sehr vorteilhafte Weichgewebsreaktionen hervorruft. Die gingivale Architektur und die Interdentalpapille kann erhalten werden, woraus beste ästhetische Ergebnisse resultieren.
Aufgaben zukünftiger Studien
Viele Autoren beklagen die schlechte methodologische Qualität der meisten
vorhandenen Studien und fordern mehr randomisierte, kontrollierte klinische
Studien, um das Evidenzniveau des Behandlungskonzeptes zu steigern [8, 11,
67, 77]. Chiapasco stellt fest, dass nur zwei Studien existieren, die
höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und eine hohe Evidenzstufe
aufweisen [11]. Diese Studien [85, 86] haben ein prospektives angelegt,
vergleichend, randomisiertes Untersuchungsdesign mit einem mindestens
einjährigen Beobachtungszeitraum. Auch Esposito et al. konnten nur 7
randomisierte klinische Studien in der Literaturrecherche entdecken, wobei
nur 5 davon ihre Inklusionskriterien erfüllten [68]. Attard und Zarb stimmen
mit Cochran überein, dass der Nutzen von Sofortversorgungsprotokollen für
die Verbesserung der Lebensqualität von Patienten genauer untersucht und
definiert werden muss [8, 67].
Konklusionen zur Sofortfunktion
Sofortversorgung bzw. Sofortbelastung sind keine Kontraindikation für
erfolgreiche Osseointegration [8, 87]. Voraussetzung für Sofortversorgung
und Sofortbelastung sind [11]:
1. Primärstabilität (Überprüfung durch ausreichendes Eindrehmoment von mindestens 25 Ncm bei der Implantatinsertion)
2. gute Qualität des knöchernen Lagers (Grad I-III [88], bei Grad IV können knochenverdichtende Maßnahmen ergriffen werden [75]
3. Vermeidung von Mikrobewegungen bzw. Relativbewegungen (z. B. durch adäquate Zahl von Implantaten und/oder ihre Verbindung untereinander).
Diese Schlüsselfaktoren für den Erfolg von sofortbelasteten Implantaten werden durch andere Autoren durch zusätzliche Forderungen erweitert: bilaterale Verblockung der Implantate im zahnlosen Unterkiefer, ausreichende
Knochenquantität, spannungsfreie Passung der Suprakonstruktionen sowie
Mindestlänge sofortbelasteter Implantate von 10 mm [66]. Weitere Kriterien
zur Sofortbelastung von festsitzenden Rekonstruktionen werden von
unterschiedlichen Autoren gefordert [8, 11, 17, 35, 44, 73, 89 - 92]. Dazu
gehören gute Knochenqualität, Verwendung von Implantaten mit rauen
Oberflächen und Implantatformen, die eine mechanische Verankerung
begünstigen (z. B. spezielle Gewindeformen). Des Weiteren möglichst
bikortikale Fixation der Implantate, möglichst Verblockung von Implantaten
[61], Vermeidung von Extensionen bei der provisorischen Versorgung und ein
Okklusionskonzept zur axialen Belastung der Implantate, bzw. zur Kontrolle
der okklusalen Belastung. Cochran et al. fordern zudem, dass keine schädigenden Patientengewohnheiten (z. B. Bruxismus)
vorliegen sollten [67]. Misch verweist auf die Möglichkeit von
ernährungsbedingten negativen Einflüssen [72]. Attard und Zarb stellen fest,
dass die Mehrzahl der Autoren in ihren Studien die medizinische Anamnese der
Patienten diskutieren [8]. Die Studien versuchten generell nur gesunde
Patienten oder solche mit einer kontrollierten medizinischen Anamnese in das
Studiendesign aufzunehmen. Uneinigkeit bestand bei Ausschlusskriterien wie
Diabetes oder Rauchen. Ibanez et al., die explizit Raucher und Bruxer
einschließen [93], erzielen eine Erfolgsrate von 99,42 %. Attard und Zarb
konstatieren, dass bisher kein signifikanter Zusammenhang zwischen Rauchen
und dem Implantatverlust festgestellt werden konnte [8]. Die zu diesem Thema
veröffentlichten Studien sind widersprüchlich. Deshalb fordern sie
zusätzliche Studien zur Klärung dieses Sachverhaltes [8]. Auch der Einfluss
von Verblockung auf den Erfolg von Sofortversorgungsmaßnahmen bedarf
weiterer Forschung [2]. Attard und Zarb betonen, dass die Verblockung, die
von vielen Autoren zur Vermeidung axialer Rotationen oder Mikrobewegungen
als notwendig erachtet wird, nicht als obligat zum Erreichen der
Osseointegration angesehen werden kann [8]. Eine neuere Untersuchung von
Abboud et al. kommt vielmehr zu der Schlussfolgerung, dass die
Sofortbelastung unverblockter Einzelzahnversorgungen im posterioren Bereich
von Maxilla und Mandibula eine zuverlässige Behandlungsoption mit ästhetisch
anspruchsvollen Ergebnissen darstellt [94]. Zudem wird beklagt, dass
keinerlei Studien zum Zustand der Gegenbezahnung (natürliche Zähne,
Totalprothese, implantatgetragener Zahnersatz oder anderes) vorliegen.
Cochran et al. [67] und Jivrai et al. [95] weisen explizit darauf hin, dass
zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der Evidenzlage davon ausgegangen werden
muss, dass Sofort- oder Frühbelastung mit einem höheren Risiko assoziiert
seien. Dieses muss in Hinsicht auf den Nutzen für den Patienten evaluiert
werden. Es kann konstatiert werden, dass ein hoher Evidenzlevel für das
Funktionieren und die hohen Erfolgsraten bei Sofortfunktionsprotokollen
besteht. Dies wird durch zahlreiche Studien [148, 159 - 162, 180 - 183] und
Metaanalysen [163 Â 168] der letzten Jahre belegt. Den Hartog et al. konnten
in ihrer randomisierten klinischen Studie belegen, dass für
Sofortfunktionsprotokolle im ausgeheilten Kieferknochen keinerlei
statistische Unterschiede bezüglich Implantatüberleben, marginalem
Knochenverlust, Weichgewebsaspekten, ästhetischem Ergebnis und
Patientenzufriedenheit im Vergleich zum konventionellen Belastungsprotokoll
feststellbar waren [161]. Auch die Metaanalysen belegen, dass zwischen den
verschiedenen Belastungsprotokollen keine statistisch signifikanten
Unterschiede bestehen. Im Trend weist die Sofortfunktion etwas schlechtere
Ergebnisse auf als das konventionelle Prozedere. Trotzdem kann die
Sofortfunktion als erfolgreiche Therapievariante bei ausgewählten Patienten eingesetzt werden.
Allerdings fordern Cochran und CoAutoren deshalb [67]:
"Sofortfunktionsprotokolle gehören aufgrund des erhöhten Risikos und der
noch nicht vollständig geklärten Voraussetzungen in die Hände von
geschickten und erfahrenen praktisch tätigen Implantologen." Gleiches
fordern Schropp und Isidor für die Sofortimplantation, die nur von
erfahrenen und gut ausgebildeten Behandlungsteams durchgeführt werden
sollte.
Bimodales Protokoll  Kombination von Sofortimplantation mit Sofortfunktion
Dass die Sofortimplantation ein zuverlässiges, ästhetisches und mit hohen
Erfolgsraten einhergehendes Behandlungsprotokoll darstellt, ist in
zahlreichen Studien [144 - 146, 148 - 150, 151, 172 - 177, 183, 185 Â 187]
und auch Metaanalysen [147, 151 - 154, 178, 179, 188] belegt worden.
Sofortimplantate weisen Erfolgsraten von mehr als 95 % auf [139] und haben
gute Prognosen bei einem leicht erhöhten Risiko [150]. Deshalb wird der
Kombination von Sofortfunktionsprotokollen mit der Sofortimplantation sowie
der Einzelzahnrekonstruktion in der ästhetischen Zone in den letzten Jahren
ein immer größerer Stellenwert beigemessen. Studien belegen, dass es sich
bei der Sofortimplantation in Kombination mit Sofortfunktionsprotokollen um eine sichere, vorhersagbare und ästhetische Behandlungsmethode
handelt [46, 141 - 143, 147, 148, 155]. Allerdings scheint bei der
Kombination von Sofortfunktionsprotokollen mit der Sofortimplantation ein
höheres Misserfolgsrisiko zu bestehen. Atieh et al. [133] und Grütter und
Belser [137] fanden in ihren Metaanalysen Überlebensraten für die
Sofortfunktion in der ästhetischen Zone, die mit denen konventioneller
Belastungsprotokolle übereinstimmen. Atieh und Mitarbeiter [139] fanden in
ihrer Literaturübersicht aber auch ein signifikant erhöhtes Risiko für
Einzelkronen, die einem Sofortfunktionsprotokoll unterzogen wurden. Grütter
und Belser mussten feststellen, dass die Überlebensrate bei der Kombination
von Sofortfunktion mit der Sofortimplantation um ca. 10 % sinkt [137]. Dies
wurde auch von der Arbeitsgruppe um Atieh bestätigt [140]. Sie fanden für
den bimodalen Ansatz (Kombination Sofortimplantation mit der Sofortfunktion) ein deutlich erhöhtes Risiko im Vergleich zur Sofortfunktion in Kombination mit der "späten" Implantation in den ausgeheilten Kieferkamm. Allerdings konnte Atieh et al. auch nach einem Jahr günstige Knochenveränderungen bei der Kombination dieser Behandlungsprotokolle [140] sowie für die Sofortfunktion an sich [139] feststellen. Weiterhin können De Rouck et al. [153] aufzeigen, dass das Risiko für gingivale Rezessionen nicht vom Implantationszeitpunkt abhängig
zu sein scheint. Vielmehr weist das konventionelle Belastungsprotokoll ein
Jahr nach Sofortimplantation im Vergleich zum bimodalen Ansatz eine 2,5- bis
3fach höhere bukkale gingivale Rezession auf. Es ergaben sich zusätzliche
0,75 mm Verlust [148]. Gute ästhetische Ergebnisse und stabile
Weichteilverhältnisse können mit der bimodalen Technik vorhersagbar erreicht
werden [185, 186]. Demgegenüber können Shibly et al. [170] und Crespi et al.
[187] in ihrer Studie keinerlei statistische Unterschiede zwischen der
Sofortimplantation und dem bimodalen Protokoll bezüglich Implantatüberleben
und radiologischem Knochenlevel nachweisen. Dass es sich bei der
Sofortimplantation sogar bei schlechten Voraussetzungen, wie z. B.
periapikale entzündliche Prozesse oder chronische Parodontitiden, um ein
erfolgreiches Therapieprotokoll handelt ist ebenfalls durch Studien belegt
[176, 177]. Eine Metaanalyse bestätigt dies, kommt allerdings zu der
Schlussfolgerung, dass weitere Studien mit größeren Patienten und Fallzahlen
erforderlich sind [178]. Das Vorgehen bei der Implantation in die frische
Extraktionsalveole scheint vor allem vom Zustand der vorhandenen Hart- und
Weichgewebe abhängig zu sein [173] und weichgewebige Augmentationen durch Bindegewebstransplantate scheinen ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Verbesserung der Ästhetik zu haben [174]. Esposito et al. fassen in ihrem
systematischen Review zusammen, dass zur Zeit leider keine eindeutige
wissenschaftliche Datenlage vorhanden ist. Möglicherweise besteht für die
Sofortimplantation und den bimodalen Ansatz ein höheres Risiko des
Implantatverlusts oder für Komplikationen. Andererseits scheinen ästhetische
Vorteile dieser Protokolle vorhanden zu sein [171]. Knoernschiel kommt 2010
aufgrund der vorhandenen Literatur zu der Aussage (Evidenz-Level 2): Das
frühe Überleben von Einzelimplantaten in der ästhetischen Zone scheint
unabhängig vom Implantations- und Versorgungszeitpunkt vorhersagbar zu sein [184].
Ästhetische Gesichtspunkte der Sofortversorgung
Bei Betrachtung der ästhetischen Belange einer implantatgetragenen
Restauration insbesondere in der Frontzahnregion des Oberkiefers ist nicht
nachvollziehbar, dass in vielen wissenschaftlichen Studien einzig die
Überlebensrate von Implantaten als Erfolgsparameter betrachtet wird.
Vielmehr müssen auch ästhetische Aspekte und die Langzeitstabilität der
periimplantären Gewebe bewertet werden [65, 54]. Testori et al. [54] beschreiben für die ästhetische Bewertung einen Implantat-Ästhetik-Index ("implant aesthetic score"). Weitere Indizes, wie der "Pink Esthetic Score"
[115], der Papillenindex [116] und der "Implant Crown Aesthetic Index" [117]
wurden vorgeschlagen, um die Ästhetik der periimplantären Gewebe und der
prothetischen Rekonstruktionen zu bewerten. Die Validität dieser Indizes zur
objektiven Ästhetikauswertung ist allerdings bisher nicht in ausreichendem
Maße untersucht und ihre Reproduzierbarkeit fragwürdig [118]. Wichtige
Grundvoraussetzungen für die Erhaltung und Schaffung ästhetischer
parodontaler und periimplantärer Gewebe wurden in grundlegenden Arbeiten
beschrieben [96  100]. Tarnow et al. fordern einen idealen interimplantären
Abstand von mindestens 3 mm [99]. Dieser Abstand verhindere, dass es zum
Konfluieren der Resorptionskoni um benachbarte Implantate und damit Verlust
an inter-implantärer Knochenhöhe komme. Die Erfahrung zeige aber, dass ein 5
mm Abstand als noch sicherer betrachtet werden kann. Dies bestätigen auch
Scarano et al. [101]. Der vertikale Knochenverlust beträgt bei einem Abstand
von 5 mm und mehr nach 12 Monaten im Durchschnitt nur 0,23 mm, wohingegen
bei 4 mm und weniger interimplantärem Abstand immer ein durchschnittlicher
Knochenabbau von mindestens 1 mm erzeugt wird.
Schaffung einer interdentalen Papille
Zwischen natürlichen Zähnen und dem Implantat wird die Papillenhöhe
hauptsächlich von der krestalen Knochenhöhe am natürlichen Zahn abhängen.
Ideale Bedingungen für die Schaffung einer Pseudopapille zwischen zwei
benachbarten Implantaten liegen vor, wenn der Abstand zwischen
interimplantärer Knochenkante und dem Kontaktpunkt in etwa 3 bis 4 mm
betragt [100, 102]. Die Papille war zu 100 % vorhanden, wenn der Abstand von
der Knochenkante zum Kontaktpunkt kleiner oder gleich 5 mm ist. Sie ist
hingegen nur noch zu 50 % vorhanden, wenn dieser Abstand 6 mm oder mehr
beträgt [102]. Chang et al. konnten zeigen, dass die ästhetischen Parameter
(Zahnlänge, Papillenhöhe, Gewebestruktur etc.) von implantatgetragenen
Einzelzahnrekonstruktionen in ästhetisch relevanten Zonen im Vergleich zu
den kontralateralen eigenen Zähnen deutlich schlechter war [103]. Trotzdem
war ein mittlerer Zufriedenheitsgrad von 96 % bei den Patienten vorhanden.
Das zeigt, dass von Implantologen geforderte ästhetische Standards nicht
unbedingt die vom Patienten erwartete Qualität darstellen. Grunder et al.
untersuchten die Stabilität der periimplantären Gewebe [104]. Ein Jahr nach
Chirurgie fand er durchschnittlich eine vestibuläre Gewebeschrumpfung von
0,6 mm. Das interdentale Gewebevolumen hingegen nahm durchschnittlich um
0,375 mm zu. Keine der Papillen verlor an Volumen. Allerdings umfasste seine
Untersuchung nur 10 Einzelzahnrekonstruktionen. Small und Tarnow fanden in
ihrer Untersuchung die größte Rezession imVerlauf der ersten drei Monate [105]. Sie konstatierten, dass nach der Abutment-Verbindung mit ungefähr 1 mm Gewebeverlust gerechnet werden muss.
Ähnliche Ergebnisse beschreiben Oates et al. [106]. Bei 61 % der 106
untersuchten Implantate fanden sie einen fazialen Gewebeverlust von 1 mm und mehr, bei 19 % einen Gewebegewinn von 1 mm und mehr. Diesem Potential für signifikante Gewebeveränderungen in ästhetisch relevanten Regionen solle
erhöhte Beachtung geschenkt werden. Zusammenfassend kann man eststellen,
dass es in den ersten drei Monaten nach Chirurgie in der Regel zur Rezession
der Weichgewebe von 0,6  1 mm kommt [104, 105]. Diese Gewebeschrumpfung ist bei Implantaten mit breitem Durchmesser im Vergleich zum Standardimplantat dreimal größer [107]. Interessant sind vor allem auch die Ergebnisse von Choquet und Mitarbeitern [108]. Sie führten eine retrospektive Untersuchung von 27 implantatgetragenen Oberkiefereinzelzahnrekonstruktionen durch. Wenn der Abstand zwischen Knochenkante und Kontaktpunkt dabei 5 mm oder weniger betrug, war mit nahezu 100-prozentiger Sicherheit eine Interdentalpapille vorhanden. Betrug der Abstand 6 mm oder mehr, war die Papille nur noch mit maximal 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorhanden. Auch bei dieser Studie
ist die relativ geringe Fallzahl zu bemängeln. Priest et al. nahmen
retrospektive fotografische Untersuchungen an 55 implantatgetragenen
Einzelzahnrekonstruktionen vor [109]. Sie fanden Papillenregeneration in
83,9 % der Fälle und ein mittleres Papillenwachstum von etwa 0,65 mm. Die
komplette Auffüllung des Interdentalraums konnte bei 75 % der Patienten in
einem Untersuchungszeitraum von 1 bis 9 Jahren festgestellt werden. Glauser
et al. beschreiben eine Zunahme der Papillenhöhe von 0,6 - 0,7 mm zwischen
dem 1. und 4. Jahr nach Insertion der Rekonstruktionen [110]. Belser et al.
weisen einschränkend darauf hin, dass es bei implantatgetragenem
Einzelzahnersatz in Regionen ohne Gewebedefizite relativ einfach ist,
vorhersagbare ästhetisch gute Behandlungsergebnisse zu erzielen [65]. In
diesen Situationen resultiert die Gewebestützung durch die erhaltenen
Strukturen an den benachbarten natürlichen Zähnen. Zahlreiche Autoren
fordern in zunehmendem Maße die Herstellung harmonischer Verhältnisse
zwischen der periimplantären Mukosa und den umgebenden Geweben und stellen chirurgische und prothetische Ansätze zur Optimierung des Gewebeerhalts in der anterioren ästhetischen Zone vor [89, 111  113].