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Gesteuerte Prozessqualität an allen wichtigen Patientenkontaktpunkten

12.05.2015

© prodente
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Dass Service, hinwendungsvolle Patientenbetreuung und beste Umgangsformen ein unverzichtbarer Teil eines erfolgreichen und patientenorientierten Praxismanagements sind, ist wohl unbestritten. Dabei stellt sich die Frage, welche Services, Betreuungs- und Umgangsformenstandards zur jeweiligen Praxis passen und wie die MitarbeiterInnen dazu gewonnen werden können, evtl. neue, ungewohnte Verhaltensweisen anzuwenden und diesbezügliche Vorgaben auch umsetzen.

Fatal ist zu glauben, dass Mitarbeiter schon wüssten, was von Ihnen erwartet wird. Da jede Person Freundlichkeit, Höflichkeit und Wertschätzung anders definiert und die Selbstwahrnehmung niemals objektiv ist, sollten Praxisleitung und Team Prozessstandards für die wichtigsten Patientenprozesse gemeinsam entwickeln. So entsteht eine individuelle, für den Wettbewerb nicht kopierbare Praxiskultur, die eine Praxis einmalig macht. Es geht nicht darum, Patienten mit überflüssigem Service-Schnick-Schnack beeindrucken zu wollen. Vielmehr soll die Servicequalität ein Teil des Praxismarketings sein, für Neupatientengewinnung und Weiterempfehlung sorgen. Patienten beurteilen eine Praxis meist nicht ausschließlich nach den Behandlungsergebnissen, sondern auch danach, wie man mit ihnen umgeht, auf sie eingeht, ob Zusagen eingehalten werden, die Behandlung pünktlich beginnt und wie man z. B. im Falle einer Beschwerde mit ihnen umgeht. Und sie beurteilen die Kommunikationskultur der Praxis, die Umgangsformen des Teams und der Behandler, die Qualität der Praxisunterlagen, die Informationsqualität und dergleichen mehr.

Sicherung der Servicequalität durch Service-Prozessstandards

So macht es Sinn, die Prozesse für diese wichtigen Patientenkontaktpunkte passend zur Praxis zu designen, um eine gleichbleibend hohe Servicequalität zu garantieren.

Durch Prozessstandards gewinnen Mitarbeiter Sicherheit im Umgang mit alltäglichen Praxissituationen im Patientenkontakt, sie lernen, was von ihnen erwartet wird und können entsprechend interagieren und die Praxis dabei professionell vertreten.

Es geht nicht darum, starre und steife Verhaltensweisen anzutrainieren, sondern Mitarbeiter für das von der Praxisleitung erwünschte Serviceniveau zu sensibilisieren und zu trainieren und ihnen dennoch einen Rahmen für eigene Entscheidungen im Sinne der individuellen Praxiskultur zu geben. So werden Prozesse messbar, nachvollziehbar und die Basisvorgaben können von allen Mitarbeiterinnen nach dem entsprechenden Training erfüllt werden. Servicequalität ist ein wichtiger Teil des zahnärztlichen Praxismanagements, weil sie das Image der Praxis maßgeblich beeinflusst und verantwortlich für die Patientenzufriedenheit ist.

Wenn Mitarbeiter ein entsprechendes Seminar besucht haben, sollten sie diese Motivation direkt nutzen, indem die entsprechenden Mitarbeiter in einem Impulsreferat auf der nächsten Teamsitzung die Essenz des Seminars dem gesamten Team vermitteln. Aus dieser Essenz werden die zwei, drei besten Ideen direkt in die Serviceprozesse der Praxis integriert, womit der ständige Verbesserungsprozess auch für Servicequalität gewährleistet wird.

Prozessstandards an den wichtigsten Patientenkontaktpunkten

An welchen Patientenkontaktpunkten machen Prozessstandards Sinn?

Die Antwort lautet: Überall dort, wo tagtäglich Standardsituationen entstehen, die nach einer einmal erarbeiteten Vorgehensweise erfolgreich gemanagt werden können. Wichtige Kontaktpunkte sind z. B. das Telefon inkl. Anrufbeantworter, Warteschleife etc., der Besuch eines Patienten in der Praxis, die Behandlung selbst, das Terminmanagement, Wartezimmermanagement, Beratung und Umgang mit Beschwerden, sowie die gesamte interne und externe Kommunikationskultur der Praxis, aber auch die Website, Social Media-Kanäle, Bewertungsportale etc.

In nachfolgendem Beispiel wird der überaus wichtige Patientenkontaktpunkt Erstbesuch eines Neupatienten beispielhaft behandelt. Das Beispiel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dient lediglich als Leitfaden für die Beschreibung weiterer Patientenprozesse.

Patientenkontaktpunkt Erstbesuch eines Patienten in der Praxis

Dem ersten Besuch eines Patienten in der Praxis gebührt höchste Aufmerksamkeit. So könnte z. B. der Prozessstandard hierfür folgendermaßen definiert werden:

  • Neupatienten erhalten innerhalb einer Woche den ersten Termin.
  • Es werden Name, vollständige Adresse und Telefonnummer notiert.
  • Nachfrage, wie der Patient auf die Praxis aufmerksam geworden ist und Dokumentation der Antwort.
  • Neupatienten erhalten eine schriftliche Terminbestätigung, einen Willkommensbrief, Praxisbroschüre, Visitenkarte, Anfahrtsbeschreibung mit Parkmöglichkeiten, Hinweis auf Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, evtl. QR-Code zur Praxiswebseite, Anamnesebogen, Patientenbogen etc.
  • Keine Wartezeiten bei Erstbesuch eines Patienten, absolut pünktlicher Behandlungsbeginn.
  • Empfangsdramaturgie z. B. so: Mitarbeiterin geht dem Patienten entgegen, begrüßt ihn persönlich, stellt sich namentlich vor, ist behilflich beim Ablegen der Garderobe, nimmt Unterlagen wie Chipkarte, Bonusheft, Röntgen- oder Allergiepass etc. entgegen, begleitet den Patienten ins Wartezimmer, bringt die Unterlagen später dem Patienten wieder vorbei. Auf Wunsch Hilfe beim Ausfüllen des Anamnesebogens, sofern dieser vom Patienten nicht schon zu Hause ausgefüllt wurde. Natürlich diskret, z. B. im Beratungszimmer oder im Behandlungszimmer, keinesfalls an der Rezeption oder im Wartezimmer, wenn sich dort noch weitere Personen aufhalten. Diskretion und Datenschutz!
  • Unterlagen wie z. B. das ausgefüllte Bonusheft, Chipkarte etc. werden dem Patienten ins Wartezimmer zurückgebracht.
  • Persönliche Abholung des Neupatienten durch die Assistenzmitarbeiterin, oder den Behandler selbst, namentliche Vorstellung der Mitarbeiterin im Behandlungszimmer.
  • Vor dem Erstgespräch mit dem Behandler noch kein Umhang, keine Instrumente in Sichtweite des Patienten.
  • Evtl. kurze Zerstreuung durch einen Praxisfilm bis zum Eintreffen des Behandlers.
  • Keine Wartezeit auf dem Behandlungsstuhl.
  • Patient bleibt niemals alleine im Behandlungszimmer, wird immer von einer Mitarbeiterin betreut.
  • Festgelegtes Neupatientenritual auch im Behandlungszimmer, z. B. Auswertung des Anamnesebogens, Erstellen einer Erwartungsabsprache (Abklären der Wünsche und Erwartungen des Patienten an die Beziehung zwischen ihm und Praxis, Behandlungswünsche etc.).
  • Information über die künftige Behandlungsabfolge der Praxis, z. B. Prophylaxe, Füllungstherapie etc.
  • Information über die Praxisphilosophie.
  • Smalltalk zur Entspannung.
  • Bei Eintreffen des Behandlers stellt Mitarbeiterin den Patienten dem Behandler vor, dieser wiederum stellt sich dem Patienten namentlich vor.
  • Befundaufnahme unter Einbeziehung des Patienten, Erklärung der erhobenen Befunde, Visualisierung durch intraorale Kamera o. ä.
  • Absolute Ungestörtheit, ruhige Atmosphäre, Konzentration auf den Patienten.
  • Unterlagen zum Thema der anstehenden Behandlung wie z. B. PZR, Füllungstherapie, PAR, ZE bereit halten, damit der Patient sich in Ruhe zu Hause (nach-) informieren kann.
  • Verwendung ausschließlich praxiseigener und für den Patienten personalisierte Unterlagen.
  • Vorher festgelegter Zeitrahmen für die Erstsitzung und pünktliche Einhaltung dieser Vorgabe.
  • Persönliche Verabschiedung des Patienten.
  • Begleitung durch die Assistenz-Mitarbeiterin zur Rezeption und „Übergabe“ an die Rezeptionskollegin zur weiteren Terminvereinbarung.
  • Persönliche Verabschiedung durch die Rezeptionsmitarbeiterin, Hilfe beim Anlegen der Garderobe, Öffnen der Ausgangstüre, herzliche Verabschiedung 

Vielleicht erscheint diese recht exakte Prozessbeschreibung aufwändig und man vermutet, dass man das ja sowieso so macht und dafür keine extra Beschreibung benötigt. Die Erfahrung bei unzähligen Praxisknigge-Live-Checks (Analyse sämtlicher Patientenkontaktpunkte) zeigt immer wieder, dass es ohne verbindlichen Prozessstandard keine verlässliche Prozessqualität gibt. Schnell werden wichtige Details weggelassen, die letztendlich die gesamte Erlebnisqualität des Patienten in der Praxis schmälern und sich nachteilig auf die Beziehung zwischen Patient und Praxis auswirken können. Dies gilt auch für alle weiteren Patientenkontaktpunkte, wie z. B. Telefon, Beschwerde, Beratung, Aufklärung etc.

Qualitätsorientierte Praxen kommen ohne verbindlich geregelte Prozessstandards kaum aus, zu groß ist die Gefahr, dass an diesen wichtigen Touchpoints die Tagesbefindlichkeit einzelner Mitarbeiterinnen die Qualität bestimmt – und dies sicher nicht immer im Sinne der Praxisleitung.

Tipp

Entwickeln Sie in eigenen Prozessworkshops Ihre ganz individuellen Praxisstandards für alle wichtigen Patientenkontaktpunkte gemeinsam mit dem gesamten Team. Dieser wichtige Teil Ihres Praxis-QMs wird Praxis und Patient gleichermaßen bereichern. Mehr zum Thema erfahren Sie bei der Autorin des Beitrages.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Sybille David

Bilder soweit nicht anders deklariert: Sybille David