Hirngerechte Patientenberatung in der Praxis

Information, Aufklärung, Beratung gehören zu den wichtigsten Aufgaben in der Beziehung zwischen Patient und Praxis. Nur gut informierte Patienten verstehen die anstehende Behandlung und werden sich Ihrem Therapievorschlag vertrauensvoll anschließen. So macht es Sinn, der Kommunikation mit dem Patienten allergrößte Bedeutung beizumessen. Anstatt „mal ebenso zwischendurch“ zu beraten, sollte sämtliche Patienteninformation an jedem Kontaktpunkt mit der Praxis sorgfältig geplant sein. Überlassen Sie hier nichts dem Zufall!
Die Einwilligung zu einer Behandlung fällt nicht erst in der Beratungssitzung selbst, sondern ist ein Prozess, der sich bei jedem Besuch in Ihrer Praxis weiter formt. Jede Entscheidung, das hat die Hirnforschung inzwischen längst bewiesen, wird in höchsten Maße vom Unterbewusstsein des Menschen getroffen. Alle Sinne des Patienten werden bei jedem Besuch in der Praxis stimuliert, ob positiv oder negativ. Häufigere lange Wartezeiten, Fehler, mangelnde Herzlichkeit und Wertschätzung, falsche Auskünfte etc. können am Ende dazu führen, dass sich der Patient gegen Ihren Behandlungsvorschlag entscheidet. Es geht darum, eine Gehirn- und gefühlsgerechte Beratungskultur zu entwickeln, die es Ihnen möglich macht, noch erfolgreicher als bisher zu beraten.
No emotions – no money
Warum sind Emotionen bei (Kauf-) Entscheidungen so wichtig? Wir alle unterliegen häufig dem Irrglauben, dass wir unsere Entscheidungen ganz bewusst, ganz rational getroffen haben. Doch die moderne Hirnforschung weiß, dass 70 bis 80 % unserer Entscheidungen unbewusst fallen und die verbleibenden 20 bis 30 % längst nicht so frei sind, wie wir glauben (vgl. z. B. Hans-Georg Häusel, Emotional Boosting, Haufe). Wir nehmen ständig Reize auf, die unser Gehirn stimulieren. Denken Sie dabei einmal an die Wirkung von Gerüchen und Geräuschen. Wie angenehm ist es, sich in einem Raum aufzuhalten, in dem es angenehm duftet, eine ruhige und lärmfreie Atmosphäre herrscht.
In solch einer Umgebung fühlen wir uns wohl. Das Lustzentrum unseres Gehirns wird dabei angesprochen und signalisiert: „Hier ist es gut, hier will ich bleiben, hierher will ich wieder kommen“.
Inzwischen wissen Marketingexperten, dass Gerüche und die Geräuschkulisse in Geschäften ausschlaggebend für das Kaufverhalten der Kunden sind. Es gibt bereits Unternehmen, die in ihren Kaufhäusern und Geschäften dieses Wissen entsprechend nutzen, um die Kaufbereitschaft der Kunden zu steigern.
Emotional Branding an allen wichtigen Patientenkontaktpunkten der Praxis
Wenn wir dieses Wissen der Hirn- und Konsumforschung auf den Praxisalltag übertragen, wird klar, dass wir jeden Patientenbesuch in der Praxis zu einem einzigartigen Erlebnis „designen“ müssen. Das Ziel dabei ist, gute Gefühle beim Patienten zu erzeugen, damit der Besuch in der Praxis vom Patientengehirn als lohnenswert eingestuft wird und das Signal „Daumen hoch“ gesendet wird.
Serviceorientierte Praxen wissen es längst, dass die Investition in reibungslose Abläufe, Terminpünktlichkeit, ein freundliches und gut geschultes Team, äußerst lohnend für Praxis und Patient ist. Patienten, die sich wohl und wertgeschätzt behandelt fühlen, kommen gerne wieder, fassen Vertrauen zur Praxis und schließen sich auch Therapievorschlägen an, die mit einer Zuzahlung aus der eigenen Tasche verbunden sind.
So fällt die Entscheidung für eine Prophylaxe- oder Zahnersatzbehandlung nicht erst in der eigentlichen Beratungssitzung, sondern bereits beim ersten und jedem weiteren Besuch in der Praxis. Ob am Telefon, beim Besuch in der Praxis, im Beschwerdefall, bei Fragen und Ängsten ? an jedem dieser wichtigen Patientenkontaktpunkte bewertet das Patientengehirn, wie die Praxis mit ihm umgeht. Und wenn die Bilanz positiv ausfällt, fällt die Entscheidung für hochwertigen Zahnersatz in der Beratungssitzung ebenfalls positiv aus.
Vertrauen und Transparenz aufbauen
Presse und Medien leisten ihren Beitrag dazu, Patienten zu verunsichern. Nicht selten werden Zahnärzte als geldgierige Abzocker dargestellt, die nur an das Geld der Patienten wollen. Dass viele Behandlungen von den Kassen gar nicht mehr in vollem Umfang übernommen werden, verschweigen diese Berichte. Umso wichtiger ist es, dass die Praxis durch eine wertschätzende, aufmerksame und patientenorientierte Praxiskultur dem Patienten Sicherheit und Überblick gewährt. Deshalb macht es Sinn, noch vor der eigentlichen Beratung durch Information und Aufklärung von Patienten für Vertrauen und Transparenz zu sorgen.
Patienten wollen und müssen wissen, warum eine Behandlung notwendig ist, welche Therapie-Alternative für sie ideal ist, und was die Behandlung kosten wird. Durch gute Erfahrungen mit der Praxis steigt das Vertrauen und sinkt die Preissensibilität, sodass eine gute Basis gegeben ist.
Wie Entscheidungen im Gehirn fallen
Schon in Goethes Faust kämpft Doktor Faust mit verschiedenen Mächten, er klagt: „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“. Damals wusste man noch nicht, was die heutige Hirnforschung weiß. In unserem Hirn „wohnen“ sogar „drei Seelen“, nämlich die drei großen Emotionssysteme, die letztendlich alle (Kauf-)Entscheidungen beeinflussen.
Balancesystem
Das Balance-System ist das stärkste Emotionssystem im Gehirn. Es strebt nach Sicherheit, will Risiken vermeiden und Stabilität und Ordnung in unser Leben bringen. Gesundheitsprodukte, aber auch Arzt- und Zahnarztbehandlungen sind Balance-Produkte. Menschen wollen ihren Körper „in Ordnung“ halten, wollen ihren Gesundheitszustand verbessern, sicher sein. Aber das Balancesystem ist auch konservativ, wenig aufgeschlossen für neue Ideen. Arbeiten Sie in der Beratung deshalb auch mit Begriffen wie „Vorsorge, Sicherheit, bewährte Therapie“ etc. Dann wird das Balancesystem sein „go“ zur Entscheidung geben!
Stimulanzsystem
Der große Gegenspieler des Balancesystems ist das Stimulanzsystem. Es strebt nach neuem, aufregendem, will Abwechslung und Spaß. Diese große Gegensätzlichkeit führt deshalb dazu, dass wir bei Entscheidungen häufig regelrecht „hin- und hergerissen“ sind. Wenn Sie in Ihrer Zahnersatz-Beratung dem Patienten „von neuer Technologie“ vorschwärmen, sprechen Sie direkt das Stimulanzsystem an. Doch das Balancesystem warnt, möchte eher auf Bewährtes zurückgreifen, sucht die Entscheidung in Richtung Sicherheit und Risikominimierung zu treiben. Deshalb sollte in Ihrer Beratungskommunikation diesen Umständen Rechnung getragen werden und mit der richtigen Wortwahl alle Emotionssysteme auf ihre Kosten kommen.
Dominanzsystem
Das Dominanzsystem hilft uns, uns im Leben durchzusetzen, Ziele zu erreichen. Das Dominanzsystem hat im Laufe der Evolution dafür gesorgt, uns stärker und effizienter zu machen. Das System lässt uns aber auch nach Macht streben, will den Status erhöhen. Die negativen Seiten des Dominanzsystems sind Neid und Aggression. Wenn Sie also in Ihrer Beratung auch das Dominanzsystem ansprechen wollen, arbeiten Sie in der Beratung mit Begriffen wie „ unsere anspruchsvollen Patienten bevorzugen diese Versorgung, mit diesem Zahnersatz werden Sie sich besser, jünger und leistungsfähiger fühlen“ etc.
Patienteninformation – aber bitte hirngerecht
Entscheidungen werden durch alle unsere Sinne beeinflusst. Das heißt für Sie in der Zahnersatzberatung, dass Sie alle Sinne des Patienten ansprechen müssen, damit dieser eine gute Entscheidung treffen kann. Doch Sinneswahrnehmungen sind nicht objektiv, sondern subjektiv, was in vielen Studien bewiesen wurde. So hat man z. B. Probanden einen Orangensaft testen lassen. Der Saft einer Versuchsgruppe wurde mit einer völlig geschmacksneutralen Lebensmittelfarbe dunkler gefärbt. Die Versuchspersonen empfanden diesen Saft als „kräftiger“ und zugleich „wohlschmeckender“, als den geschmacksidentischen, aber helleren Ursprungssaft. Dieses Beispiel, das um unzählige weitere Beispiele fortgeführt werden könnte, zeigt, dass es bei Beratung auch und gerade auf die äußeren Umstände ankommt. So macht es Sinn, die Beratungssitzung zu einem Gesamterlebnis zu designen, das der Patient als einzigartig im Gedächtnis behält.
Und so geht’s:
- Nehmen Sie sich Zeit für die Beratung.
- Beratung ausschließlich mit Termin.
- Bereiten Sie sich auf den Patienten gut vor, lesen Sie in der Patientenakte nach, welche Information und Aufklärung bereits stattgefunden hat, in welche Richtung die Entscheidung des Patienten tendiert, welche Vorbehalte er in vorangegangenen Sitzungen bereits geäußert hat, etc.
- Sorgen Sie für ein angenehmes Raumklima, gute Gerüche, Ruhe und Ungestörtheit.
- Beraten Sie in einer bequemen Haltung für Patient und Sie selbst. Bequeme Patientenstühle sind ein absolutes Muss – wacklige Klappstühle tabu.
- Bieten Sie Tee, Kaffee, Wasser an ? das lockert die Stimmung und schafft gute Gefühle beim Patienten.
- Ermuntern Sie ältere und unsichere Patienten, eine Begleitung zur Beratung mitzubringen, das fördert das Vertrauen in die Praxis und schafft Transparenz.
- Vereinbaren Sie mit dem Patienten einen Folgetermin, an dem die Entscheidung mitgeteilt werden soll. Das schafft Verbindlichkeit und hilft, eventuell noch offene Fragen des Patienten zu klären.
- Binden Sie bei Bedarf Ihren Zahntechniker aus dem gewerblichen oder Praxislabor in die Beratung mit ein. Patienten nehmen die zusätzliche Information durch den Zahntechniker häufig als „Zweitmeinung“ wahr, worauf nicht selten die Entscheidung schneller und zugunsten der hochwertigen Versorgungsform fällt.
- Verwenden Sie zur Beratung zeitgemäße, hirngerechte Unterlagen und Medien. So können z. B. kurze Praxisfilme die gängigsten Versorgungsformen, wie z. B. Kronen, Brücken, Implantat- und Suprakonstruktionen, Kombiarbeiten, Prophylaxe etc., dem Patienten noch einmal nachdrücklich näherbringen.
- Verwenden Sie Bilder. Diese stimulieren das Gehirn stärker als reiner Text, z. B. Fotokarten mit den Standardversorgungen, Hochglanz und in erstklassiger Qualität. Verzichten Sie unbedingt auf nachlässig erstellte Kopien oder Fotos in nur mittelmäßiger Qualität ? das turnt Patienten eher ab, als an.
- Geben Sie dem Patienten aussagekräftige, in patientenverständlicher Sprache gehaltene Infomaterialien mit. Verzichten Sie auf die üblichen Patientenbroschüren, wie sie beinahe in jeder Zahnarztpraxis verwendet werden. Heben Sie sich mit eigenen Broschüren ab vom Wettbewerb und zeigen Sie so dem Patienten, dass Sie dessen Bedürfnisse genau kennen.
Fazit
Patientenberatung ist ein komplexer Prozess, der sich nicht nur in der eigentlichen Beratungssitzung abspielt. Vielmehr trägt eine wirklich patientenorientierte Praxiskultur, ein sich ständig weiterentwickelndes Patienten- und Servicemanagement und erstklassig geschulte Mitarbeiter dazu bei, dass Sie künftig noch mehr geplante Behandlungen realisieren dürfen. Wenn es Ihnen gelingt, den Aufenthalt eines Patienten ausnahmslos bei jedem Besuch zu einem guten Erlebnis zu machen, alle Emotionssysteme des Patienten anzusprechen, wenn Sie es schaffen, eine vertrauensvolle und nachhaltige Patienten-Zahnarzt-Beziehung aufzubauen, dann werden zufriedene, vielleicht sogar begeisterte Patienten Ihren Therapievorschlägen gerne folgen. Die Preissensibilität wird sinken, denn im Mittelpunkt der Beratung steht ausschließlich die Frage, welche Versorgung die beste für den jeweiligen Patienten ist. Und die muss ja nicht zwangsläufig auch die teuerste sein. Wenn der Patient merkt, dass Sie nicht nur die absoluten High-End-Versorgungen realisieren möchten, sondern zugunsten der Patientenpersönlichkeit und seiner motorischen und finanziellen Fähigkeiten therapieren, werden Sie gerne und häufig weiterempfohlen. Denn dann zeigt das Gehirn „Daumen hoch“ für Ihre Praxis!