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Praxisknigge im Behandlungszimmer

21.04.2015

Für das Praxisteam ist eine Behandlung oft reine Routine. Für den Patienten hingegen bedeutet ein Zahnarztbesuch meist Stress. © prodente
Für das Praxisteam ist eine Behandlung oft reine Routine. Für den Patienten hingegen bedeutet ein Zahnarztbesuch meist Stress. © prodente

Der Praxisknigge ist das Service- und Betreuungskonzept für Zahnarztpraxen, die an allen Patientenkontaktpunkten eine außerordentlich hohe Patientenorientierung zum Ziel haben. Die wichtigsten Patientenkontaktpunkte sind u. a. die Webseite der Praxis, das Telefon, das Terminmanagement, Empfang und Verabschiedung von Patienten, der Umgang im Beschwerdefall sowie auch die eigentliche zahnärztliche Behandlung.

Der Betreuung des Patienten vor, während und nach einer zahnärztlichen Behandlung kommt dabei eine ganz besondere Bedeutung zu. Der Kontaktpunkt „Zahnärztliche Behandlung“ sollte nicht dem Zufall überlassen werden, sondern einem zur Praxis passenden Prozessstandard unterliegen. So stellt die Praxis sicher, dass die hohe Erlebnisqualität des Praxisknigge-Konzepts auch im Behandlungszimmer vom Patienten als etwas Besonderes wahrgenommen wird.

Patientenkontaktpunkt Behandlung

Die Behandlung eines Patienten ist für das Praxisteam meist reine Routine. Für den Patienten jedoch bedeutet jeder Zahnarztbesuch und jede zahnärztliche Behandlung Stress. Dies ist verbunden mit Ängsten. Der Patient befürchtet Schmerzen und ist unsicher, was passieren wird. Dazu kommt nicht selten, dass Patienten für die Behandlung aus eigener Tasche zuzahlen müssen, was einen weiteren „wunden Punkt“ der zahnärztlichen Behandlung darstellt.

So macht es Sinn, die Servicequalität der Praxis nicht nur auf den Umgang mit dem Patienten an Telefon und Rezeption zu beschränken, sondern auch und gerade die Behandlungsprozesse auf Serviceorientierung und Patientenfreundlichkeit zu überprüfen.

Das Erste prägt, das Letzte bleibt

Der persönliche Empfang des Patienten hinterlässt bei jedem Besuch in der Praxis einen prägenden Eindruck. Jeder Mensch wünscht sich Aufmerksamkeit von anderen, will beachtet und ernst genommen werden – so auch bei einem Besuch in Arzt- oder Zahnarztpraxis. Ein professionell herzlicher Empfang des Patienten, sowie kurze Wartezeiten sind durchaus wertvolle Pluspunkte, die einer Vertiefung der Beziehung zwischen Patient und Praxis durchaus förderlich sind. Das reicht allerdings noch lange nicht aus.

Die Bewährungsprobe, in der jeder Patient das Serviceversprechen der Praxis prüft, erstreckt sich auch auf die Behandlungssitzung bzw. beginnt bereits mit dem Aufruf des Patienten aus dem Wartezimmer. Der Patient erwartet eine durchgängig erstklassige Betreuung während seines Aufenthalts bis zum Verlassen der Praxis. Denn: Das Erste prägt und das Letzte bleibt. Hält Ihre Servicequalität den Erwartungen Ihrer anspruchsvollen Patienten stand?

Der Moment der Servicewahrheit

Auch wenn Sie via Webseite noch so schöne Dinge über Ihre Praxis zu berichten wissen – der Patient wird diese Versprechen bei jedem seiner Praxisbesuche aufs Neue prüfen.

Gerade wenn es um die eigentliche Behandlung geht, sollten Sie sämtliche Prozesse regelmäßig einer kritischen Prüfung unterziehen. Oft schleichen sich Nachlässigkeiten ein, die im Praxisalltag keine Beachtung finden, vom Patienten aber als Minuspunkte verbucht werden und im schlimmsten Fall mit dem Verlust des Patienten enden können.

Die Behandlungssitzung sollte – ebenso wie alle anderen patientenrelevanten Prozesse – einer festgelegten Dramaturgie folgen, um auch an diesem wichtigen Patientenkontaktpunkt die Servicequalität der Praxis nachhaltig zu sichern.

Der Nächste bitte

Der Aufruf des Patienten bedeutet, das „sichere“ Wartezimmer mit der anregenden Lektüre und einer Tasse exzellentem Espresso zugunsten der bevorstehenden Behandlung zu verlassen. Es obliegt der zahnärztlichen Mitarbeiterin, die den Patienten aus dem Wartebereich abholt, den Übergang von Warten zur Behandlung so angenehm wie möglich zu gestalten. Der Patient sollte persönlich und namentlich aufgerufen werden – aber erst, nachdem die Mitarbeiterin allen wartenden Patienten mit einem Rundumblick und einem fröhlichen Lächeln einen guten Tag gewünscht hat. Unhöflich ist, nur den nächsten Patienten aufzurufen, ohne die anderen wartenden Patienten zu grüßen bzw. zu beachten. Häufig lautet die Aufforderung zur Behandlung „Frau XY, Sie dürfen jetzt mitkommen“.

„Dürfen“ klingt gutsherrenartig, überheblich, überholt. Wieviel netter rufen Sie einen Patienten z. B. mit den Worten „Guten Morgen Frau XY, darf ich Sie bitten mitzukommen, Herr/Frau Doktor erwartet Sie schon“ o.ä.

Entwickeln Sie in Ihrem nächsten Team-Workshop nette und höfliche Formeln, wie Sie Ihre Patienten zum Mitkommen auffordern möchten. Häufig eilt die Helferin nach dem Aufruf bereits in Richtung Behandlungszimmer voran, ohne sich zu vergewissern, ob der Patient überhaupt folgt. Manch einer legt erst umständlich seine Garderobe ab, der andere hat Mühe sich aus der bequemen Sitzgelegenheit zu erheben, wieder andere sind im Laufen eingeschränkt und können der Laufgeschwindigkeit der zahnärztlichen Mitarbeiterin gar nicht folgen.

Warten Sie deshalb so lange, bis Ihr Patient bei Ihnen ist, gehen Sie voran, Sie sind ja sozusagen die „Hausherrin“ und kennen sich in der Praxis besser aus als Ihr Patient. Während des Gehens vergewissern Sie sich ab und an, ob und wie schnell Ihr Patient Ihnen folgt und verlangsamen Ihren Schritt gegebenenfalls entsprechend.

Mit Stil und Etikette überzeugen

Am Behandlungszimmer angekommen halten Sie dem Patienten die Türe auf und bitten ihn, Platz zu nehmen. Nun kommt der Moment, in dem Sie sich von Ihren Mitbewerbern signifikant unterscheiden können. Stellen Sie sich dem neuen Patienten nun selbst namentlich vor, noch bevor Sie ihn auf den Behandlungsstuhl bitten. „Herr XY, ich bin Melanie Montag und assistiere Herrn/Frau Doktor bei Ihrer Behandlung.“ Die namentliche Vorstellung bitte auch dann, wenn Sie Namensschilder tragen. Patienten fühlen sich besser, wenn sie die Person kennen, die bei der Behandlung dabei ist. Diese nicht nur höfliche, sondern auch vertrauensbildende Maßnahme zeugt von besten Umgangsformen in der Praxis und wird auch Ihre Patienten positiv überraschen.

Die Behandlung

  • So wichtig wie der Empfang eines Patienten ist auch dessen Verabschiedung. © prodente

  • So wichtig wie der Empfang eines Patienten ist auch dessen Verabschiedung. © prodente
Angenehm für den Patienten ist es, wenn Sie die Behandlungsvorbereitungen bereits erledigt haben, bevor der Patient ins Zimmer geführt wird. So erlebt er kein Instrumentengeklapper und baut womöglich Angst dabei auf. Wenn bereits alles vorbereitet ist, können Sie sich ohne Einschränkung um den Patienten kümmern. Empfehlenswert ist jedoch ein kleiner Hinweis, dass alles frisch und hygienisch für diesen Patienten und dessen Behandlung vorbereitet wurde. Das überzeugt auch die Skeptiker.

Lassen Sie den Patienten nicht auf dem Behandlungsstuhl warten.

Bei ängstlichen Patienten, legen Sie den Schutzumhang erst kurz vor der Behandlung um und vermeiden es, das Grundbesteck in Sichtweite des Patienten aufzubauen. Stattdessen lenken Sie den Patienten mit ein bisschen Small-Talk ab, oder stellen Ihre Zusatzleistungen, wie z. B. Bleaching, PZR, Prothesenreinigung, Ästhetikrestaurationen etc. vor.

Das entspannt den Patienten und baut seine Angst ab. Auch die Anknüpfung an die letzte Behandlung, die Frage nach dem Befinden danach und die kurze Erklärung der bevorstehenden Behandlung überbrücken die Zeit bis zum Eintreffen des Behandlers patientenorientiert und persönlich. Wenn der Patient gesetzt wurde, sollte die Behandlung umgehend beginnen. Informieren Sie den Patienten bei jedem Positionswechsel des Behandlungsstuhls, achten Sie auf seine Körpersprache während der Behandlung. Saugen Sie sorgfältig ab, unterstützen Sie den Behandler so professionell, dass der Patient selbst eine Behandlung im Oberkiefer noch als angenehm empfindet.

Darf‘s ein bisschen mehr Service sein?

Wie bequem sind die Sitzgelegenheiten für Begleitpersonen? Machen Sie die Sitzprobe und entscheiden selbst, ob die Sitzgelegenheit komfortabel ist. Die Zeit der wackeligen Klappstühle aus schwedischen Möbelgeschäften sollte vorbei sein. Etwas mehr Komfort für die Begleitung Ihrer Patienten ist ein Zeichen von Wertschätzung und Servicebewusstsein.

Weibliche Patienten führen meist eine Handtasche mit sich, die sich gut auf dem Besucherstuhl ablegen lässt. Doch wenn die Patientin mit Begleitung erscheint, wo legt sie dann die Tasche ab?

Ein Haken in der Wand oder ein zweiter Stuhl, Hocker oder Beistelltischen bieten sich an, die Tasche hygienisch abzulegen, ohne sie auf den Boden stellen zu müssen.

Wenn Patienten Brillen oder Schmuck ablegen müssen oder wollen – wo können sie diese Gegenstände ablegen? Auf Ihrer Arbeitsfläche, auf dem Schwebetisch oder an ähnlichen unpassenden Stellen? Schöner ist eine hübsche, farblich passende Ablageschale oder Tablett, auf dem die Utensilien der Patienten sicher und hygienisch abgelegt werden können. Sie sollten beachten, dass das Behältnis vorschriftsmäßig zu reinigen und zu desinfizieren ist.

Bitte nicht stören

Der Patient wird gerade behandelt, da geht die Türe geräuschvoll auf. Eine weitere Mitarbeiterin „stürmt“ in das Behandlungszimmer, weil sie etwas holen muss. Alltag in vielen Praxen. Doch was empfindet der Patient, der gerade behandelt wird? Er hört ungewohnte Geräusche, fühlt vielleicht sogar, dass Assistenz und Zahnarzt kurz abgelenkt sind. Während einer Behandlung ist das Zimmer für Dritte tabu. Nur mit dieser Regelung ist eine ungestörte Behandlung des Patienten möglich.

Eine weitere Unsitte ist das Drängeln bei zeitlichem Verzug. Eine Mitarbeiterin kommt ins Behandlungszimmer und informiert den Behandler – nicht selten in harschem, vorwurfsvollem Ton darüber, dass er im zeitlichen Verzug ist und dass soundso viele Patienten bereits warten und Frau XY schon ganz außer sich ist.

Erkennen Sie sich wieder? Versetzen Sie sich in die Lage des Patienten, der gerade behandelt wird. Er wird sich wie ein Störfaktor fühlen, ist besorgt, dass die Behandlung nun eventuell rascher und dabei vielleicht nicht mehr so sorgfältig wie üblich zu Ende geführt wird.

Natürlich ist eine funktionierende Kommunikation zwischen Rezeption und Behandlungszimmer wichtig – aber es gibt andere Kommunikationswege, Organisatorisches zu klären. Der Patient hat Anspruch auf eine ungestörte Behandlung.

Das Erste prägt, das Letzte bleibt

So wichtig wie der Empfang eines Patienten ist auch dessen Verabschiedung im Behandlungszimmer. Bevor Sie den Behandlungsstuhl in die Ausgangsposition fahren, informieren Sie den Patienten darüber. Nehmen Sie den Schutzumhang niemals von hinten ab, sondern nur von vorne, damit der Patient sieht, was Sie tun. Im Stehen verabschieden sich Behandler und Assistenz vom Patienten – bitte erst danach mit dem Aufräumen des Zimmers beginnen.

Helfen Sie dem Patienten, Tasche, Brille etc. wieder an sich zu nehmen und begleiten ihn mindestens bis zur Tür des Sprechzimmers, besser noch bis an die Rezeption, sofern dies Ihr Praxismanagement und Ihre Personalsituation erlaubt. Idealerweise erhält die Kollegin an der Rezeption die Anforderungen an die nächsten Termine, sodass die Terminvergabe dann reibungslos vorgenommen werden kann. Wird die Terminvereinbarung im Behandlungszimmer vorgenommen, sollte dies geschehen, ohne dass nebenher jemand aufräumt und das Zimmer reinigt. Der Patient steht immer im Mittelpunkt!

Prozessqualität regelmäßig überprüfen

Wenn Sie den Patientenprozess „Behandlung“ regelmäßig überprüfen, die beteiligten Mitarbeiterinnen entsprechend in Service und Betreuungsqualität schulen (lassen), werden Ihre Patienten nicht nur zufrieden, sondern begeistert sein. Und die Praxis weiterempfehlen.

„Spielen“ Sie den Prozess in einer Ihrer nächsten Teamsitzungen ruhig einmal durch, schlüpfen Sie dabei in die Haut des Patienten. Sie werden erstaunt sein, wieviel Verbesserungspotenzial Sie finden werden! Und Spaß macht es auch.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Sybille David

Bilder soweit nicht anders deklariert: Sybille David