Praxisführung

Touchpoint Rezeption – Teil 2

Analoge Herzlichkeit in digitalen Zeiten

24.10.2019

© Stock
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Die Rezeption ist für den Patienten meist der erste persönliche Kontakt mit der Praxis und ist verbunden mit einigen Erwartungen. Patienten gehen bekanntlich mit gemischten Gefühlen zum Zahnarzt, auch wenn ein Praxisbesuch im 21.Jahrhundert viel vom Schrecken früherer Tage verloren hat. Doch was genau erwartet ein Patient bei seinem Besuch in der Praxis?

In erster Linie erwartet der Patient einen persönlichen, herzlichen und professionellen Empfang und natürlich eine erfolgreiche, schmerzarme Behandlung. Doch was genau versteht man unter einem persönlichen, herzlichen und professionellen Empfang?

Ein ankommender Patient ist ein Gast der Praxis. Und Gästen schenkt man herzliche Aufmerksamkeit, begrüßt sie persönlich mit Namen und kümmert sich um sie und ihre Anliegen. Ein kleiner Smalltalk, ein paar persönliche Worte runden das Begrüßungsritual ab.

Doch Hand aufs Herz: Schaffen Sie es jedes Mal, einen Patienten so zu begrüßen? Oder nimmt ein Telefonat, ein Gespräch mit Kollegin oder Chef Ihre momentane Aufmerksamkeit gerade mehr in Beschlag, als der eintretende Patient? Kennen Sie den Namen des Besuchers, schalten Sie sofort von konzentrierter Computerarbeit um auf ein strahlendes Lächeln und begrüßen den Patienten freundlich?

Häufig bietet sich dem Patienten ein ganz anderes Bild. Er betritt die Praxis und wird zunächst einmal gar nicht bemerkt. Die Person hinter der Rezeption tippt konzentriert in die Tastatur des Computers, eine andere steht mit dem Rücken zum Eingang und sortiert Unterlagen. Manchmal unterhalten sich die beiden auch recht lautstark dabei. Wenn sich endlich jemand kümmert, geht das häufig so:

MitarbeiterIn: „Ja bitte?“
Patient: „Ich habe um 10.00 Uhr einen Termin.“
MitarbeiterIn: „Name?“
Patient: „Müller“
MitarbeiterIn: „Vorname?“
Patient: „Sabine“
MitarbeiterIn: „Geburtsdatum?“
Patient: „2.2.1990“
MitarbeiterIn: „Versichertenkarte?“
Patient: „Hier bitte.“
Mitarbeiterin liest die Karte ein, tippt im Computer, seufzt ein paar Mal. Und das alles ohne Blickkontakt zum Patienten. Dann endlich die erlösenden Worte:
MitarbeiterIn: „Nehmen Sie noch im Wartezimmer Platz.“
Patient: „Danke“ … und entfernt sich erleichtert.

Sie denken jetzt vielleicht, die Situation ist maßlos übertrieben? Mitnichten. In vielen Praxen passiert das genau so, unzählige Male am Tag. Dabei ist vielen ihre Wirkung auf den Patienten nicht einmal bewusst, sondern man macht einfach seine Arbeit und denkt sich gar nichts dabei. Um den Patienten aufzunehmen benötigt man ja tatsächlich nur den Namen und evtl. das Geburtsdatum. Dazu die Versichertenkarte, fertig.

Erwartung trifft Realität

Wie muss einem Besucher der Praxis wohl zumute sein, wenn er das erleben muss?

Sie selbst haben sicher auch schon ähnliche Situationen erlebt. Man wird unsicher, fühlt sich übergangen, überlegt, ob man sich bemerkbar machen soll, räuspert sich lautstark oder hüstelt. Andere werden eher ungehalten und lassen dies die Mitarbeiter der Praxis auch spüren. Wohl kaum ein gelungener Start in eine vertrauensvolle und harmonische Praxis-Patientenbeziehung. Während erfreuliche Erfahrungen ein regelrechtes Glücksgefühl auslösen und der Mensch danach trachtet, dieses Gefühl möglichst oft zu erzeugen, z.B. indem er die Glück verursachende Situation immer wieder reproduzieren möchte, passiert bei einer Enttäuschung etwas ganz anderes. Stimmen Erwartung und Realität nicht überein, erschüttert das ganz massiv das Grundvertrauen des Menschen. Ein Forschungsteam aus Texas und Kalifornien konnte nachweisen, dass Vertrauens-Entscheidungen deutlich schneller getroffen wurden, wenn eine vertrauensvolle Atmosphäre vorherrschte. Nach vorausgegangener Enttäuschung fielen Entscheidungen deutlich verhaltener aus. Das erklärt, warum ein enttäuschter Patient wohl kaum in der folgenden ZE-Beratung die zahnfarbene Implantatbrücke wählen oder sich sofort für die hochwertige Füllungstherapie entscheiden wird, sondern sich eher verweigert und unkooperativ wird. Warum? Weil seine Erwartungen nicht mit der erlebten Realität übereinstimmen.

Exzellenz am Touchpoint Rezeption

Wohl kaum ein anderer Kontaktpunkt (Touchpoint) der Praxis hat mehr Auswirkung auf Patientenzufriedenheit, Patientenbindung und Zuzahlungsbereitschaft als die Rezeption. Während ein Patient die Behandlungsqualität nicht beurteilen kann, spürt er jedoch ganz deutlich, ob ihm beim Besuch in der Praxis mit Aufmerksamkeit, Höflichkeit, Herzlichkeit, Wertschätzung und Interesse begegnet wird. Diese Erlebnisse beeinflussen künftige Entscheidungen sehr intensiv, z.B. ob die Praxis weiterempfohlen, ob einer Zuzahlung zugestimmt wird, ob der Patient Stammpatient wird oder eher Gelegenheitspatient bleibt.

Wer schon einmal Dienst an der Rezeption einer stark frequentierten Praxis verrichtet hat, weiß genau, dass es nicht immer leicht ist, jedem Patienten das Gefühl von Wichtigkeit und Einzigartigkeit zu geben, ihm ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken und dadurch gute Gefühle zu erzeugen, die die Bindung an die Praxis verstärken.

Doch Profis können diesen Spagat zwischen hoher Arbeitsbelastung an der Rezeption und herzlicher Patientenbetreuung schaffen!

Hier ein paar Praxisknigge-Tipps:

Wahrnehmung erzeugen

Auch wenn bereits einige Patienten an der Rezeption stehen, Sie selbst gerade am Telefon oder mit einer Terminvergabe beschäftigt sind, sollte der Patient das Gefühl bekommen, dass er wahrgenommen wurde. Diese Wahrnehmung erzeugen Sie durch Augenkontakt, ein freundliches Nicken, Lächeln, evtl. ein Handzeichen zur Begrüßung.

Wartezeit an der Rezeption minimieren

  • Nie mehr als eine Person an der Rezeption.
  • Weitere Patienten ins Wartezimmer bitten, bis diese aufgenommen werden können.
  • Persönlich aus dem Wartezimmer zurück an die Rezeption bitten.

Diskretion, Datenschutz und DSGVO

Niemand möchte über den Anamnesebogen, einen Kostenvoranschlag/ HKP im Beisein anderer sprechen. Der Gesetzgeber verbietet das sogar im Rahmen der Datenschutzverordnung DSGVO.

  • Gespräche in einem separaten Raum, nicht an der Rezeption führen.
  • Keine Auskünfte zu Befunden oder Therapien im Beisein Dritter, z.B. „Frau Müller, wir ziehen die Zähne am ….und gleich am nächsten Tag bekommen Sie die neue Prothese“ o.ä.

4. Aufmerksamkeit, Höflichkeit, beste Umgangsformen

  • Auch wenn ein Patient Sie meist bei einer anderen Tätigkeit „stört“, sollten Sie sich dies keinesfalls anmerken lassen. Selbst wenn Sie die Posten des Kassenbuchs nun schon zum vierten Mal in den Rechner tippen und erneut durch einen eintretenden Patienten unterbrochen werden – lächeln Sie!
  • Begrüßen Sie den Patienten namentlich, stehen Sie auf und nehmen Augenkontakt auf.
  • Stellen Sie sich einem neuen Patienten auch selbst namentlich vor.
  •  Erst dann im Praxistimer den Patienten als angekommen markieren etc.
  • Ein bisschen Smalltalk lockert die Stimmung, macht den Empfang persönlich und erzeugt gute Gefühle beim Patienten.
  • Fragen Sie nicht nur ab, nach Namen, Geburtsdatum, Versichertenkarte, sondern sprechen Sie in ganzen Sätzen: „Frau Müller, bevor wir mit der Behandlung starten können, steht erst mal ein bisschen Bürokratie auf dem Programm, Sie kennen das ja. Ich bräuchte Ihre Versichertenkarte, Ihren Röntgenpass und wenn Sie Ihr Bonusheft dabei haben, nehme ich hierfür auch gleich den Eintrag vor.“
  • Der Patient sollte nicht unnötig lange an der Rezeption stehen, bis Sie alles erledigt haben. Ein toller Service ist es, den Patienten direkt ins Wartezimmer zu bitten und ihm seine Unterlagen wie Chipkarte, Bonusheft etc. dorthin zu bringen.
  • Garderobe abnehmen, persönlich ins Wartezimmer führen.

Prozessmanagement Rezeption

Wie auch Behandlungs-, Hygiene- und sonstige Prozesse, sollten auch die Prozesse an der Rezeption zu Ihrem Qualitätsmanagement gehören. Setzen Sie Standards, die keinesfalls unterschritten werden dürfen und erarbeiten Sie regelmäßig in praxisinternen Workshops oder mit Hilfe einer externen Service- Expertin neue Begeisterungsfaktoren für die Rezeption. Dieses kostenlose Touchpoint-Marketing wird Ihr Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb weiter ausbauen. Exzellente Patientenprozesse lösen Begeisterung aus und steigern die Empfehlungsquote. Wer seine Prozesse tatsächlich „vom Patienten aus“ denkt, zeigt höchste Patientenorientierung und überzeugt damit auch anspruchsvollste Patienten.

Ihr Vorteil als Mitarbeiterin an der Rezeption: Weniger Beschwerden, mehr Respekt seitens der Patienten und dadurch mehr Freude an Ihrem Praxisalltag. 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Sybille David