Praxisführung


Die zahnärztliche Dokumentation und ihre Schwachstellen

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Neben der zahnärztlichen Versorgung und Behandlung der Patienten/-innen nehmen im Praxisalltag zahlreiche administrative und regulatorische Tätigkeiten Zeit und Ressourcen in Anspruch – Tendenz steigend.

So gewann unter anderem die Dokumentation zahnärztlicher Leistungen signifikant an Bedeutung. Die verbindliche Basis dafür bilden die Qualitätsprüfungs-Richtlinie (QP-RL-Z) [1] und die Qualitätsbeurteilungs-Richtlinie (Überkappung/QBÜ-RL-Z) [2]. Diese beschreiben die Anforderungen an die indikationsgerechte Erbringung einer zahnmedizinisch notwendigen Leistung und deren Nachvollziehbarkeit anhand vollständiger Dokumentationen zu Befund, Diagnose, Aufklärung und Therapie.

Ebenso sind vollständige Dokumentationsketten für die Einhaltung von Richtlinien sowie die Überprüfung von wirtschaftlichen oder unwirtschaftlichen Behandlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung unabdingbar. Um all diese Anforderungen zu gewährleisten, müssen nicht nur die Mitarbeiter/-innen in der Verwaltung umfangreiche Kenntnisse hinsichtlich Dokumentation und Abrechnung besitzen, sondern auch behandelnde Zahnärzte/-innen und Teammitglieder in der Assistenz. Eine vollumfängliche Dokumentation und Abrechnung sind nämlich eindeutig Teamarbeit.

Letztlich ist eine adäquate Dokumentation die Grundlage für die Berechnung des zahnärztlichen Honorars und damit ein Baustein für den finanziellen und wirtschaftlichen Erfolg der Praxis. Außerdem dient sie als Beweismittel im Streitfall und kann als Grundlage für die Behandlung und zur Information der Patienten/-innen herangezogen werden.

Die Praxis zeigte bislang allerdings, dass die Bedeutung der zahnärztlichen Dokumentation nicht selten unterschätzt oder vernachlässigt wird, beispielsweise aufgrund zeitlicher oder personeller Engpässe. Die Konsequenzen daraus können vielfältig sein. Sie reichen von mühsamen Nacharbeiten durch das Abrechnungsteam, Rückfragen bei Behandler/-innen oder anderen Teammitgliedern bis hin zu massiven monetären Einbußen.

Konsequenzen einer unvollständigen Dokumentation

Eine lückenhafte und unstrukturierte Dokumentation kann somit gleichfalls zu massiven Honorarverlusten in der Zahnarztpraxis  führen, denn § 630 h Absatz 3 BGB (Patientenrechtegesetz) definiert eindeutig: Maßnahmen, die nicht in der Patientenakte dokumentiert wurden, gelten als nicht durchgeführt. Dies betrifft sowohl den BEMA- als auch den GOZ-Bereich. Das führt nicht nur zu finanziellen Einbußen, sondern bisweilen auch zu rechtlichen Konsequenzen, z.B. im Bereich der Haftung, was jüngste Gerichtsurteile eindrücklich belegen*.

Eine weitere Folge ergibt sich unter Umständen in Verbindung mit der mangelhaften Dokumentation einer Aufklärung. Kann diese nicht eindeutig ausgemacht und rückverfolgt werden, könnte der Vorwurf entstehen, dass aufgrund einer mangelnden Aufklärung keine ordentliche Einwilligung in die Behandlung und deren Maßnahmen erfolgen konnte.

Dies kann unter Umständen zu sowohl zivilrechtlichen als auch strafrechtlichen Konsequenzen für die Behandler/-innen führen. Zahnarztpraxen sollten sich also akribisch mit den Anforderungen und Pflichten der Dokumentation vertraut machen, da sie auch Personen in der Praxis betreffen, die nicht unmittelbar mit der Dokumentation betraut sind.

Vollständig und rechtssicher

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Zu einer korrekten, vollständigen und vor allem rechtssicheren Dokumentation gehören sämtliche Details, die mit den Patienten/-innen besprochen, vereinbart und umgesetzt wurden. Das Patientenrechtegesetz § 630 f BGB gibt dabei die maßgeblichen Details und Fakten vor. Zunächst sind Anamnesen und Diagnosen schriftlich festzuhalten.

Anschließend folgt die Dokumentation von Untersuchungen, Eingriffen und Therapien sowie deren Ergebnisse. Patientenvereinbarungen, Einwilligungserklärungen und die Patientenaufklärung gehören ebenso dazu. Es gilt, die Patientenakte in direktem zeitlichem Zusammenhang mit dem Behandlungsprozess zu führen.

Im Nachhinein dürfen keine Änderungen an der Dokumentation vorgenommen werden. Sollte dies aus irgendeinem Grund unumgänglich sein, müssen die Originaleinträge auf jeden Fall nachvollziehbar bestehen bleiben.

Ebenfalls komplettieren Arztbriefe und die abrechnungstechnisch notwendigen Leistungsnachweise eine Patientenakte. Die Aufbewahrungsfrist lt. § 630 f Absatz 3 BGB beträgt nach Abschluss der Behandlung 10 Jahre. Das Festhalten und Archivieren der Patientenunterschrift auf den einzelnen Vereinbarungen und Dokumenten bietet für die Praxis eine valide Absicherung der Behandlung sowie eine Beweisgrundlage im Streitfall.

Bei Neulandmethoden müssen zudem weitere Vorgaben beachtet werden. Wählt der Behandler eine Neulandmethode, muss er den Patienten darüber sowie über die alternativen Behandlungsmethoden aufklären und dies entsprechend lückenlos dokumentieren. Man spricht von einer Neulandmethode, wenn diese noch keine Standardmethode darstellt.

Dabei muss immer der ausdrückliche Hinweis erfolgen, dass hierbei noch nicht alle Risiken bekannt sind, um eventuelle Haftungsansprüche vorab auszuschließen. Denn Patienten haben grundsätzlich ein Mitspracherecht bei der Wahl der Behandlungsform.

Weiterhin gilt es, nicht nur alle ausgeführten Behandlungsmaßnahmen, sondern auch die dabei verwendeten Materialien festzuhalten – so fordert es die MDR. Produkte, die länger als 30 Tage im Mund verbleiben, müssen sogar mit der entsprechenden LOT-Nummer angegeben werden. Insofern müssen auch sterile Instrumente nach der Benutzung inklusive Chargennummer dokumentiert werden.

Implantologische Leistungen

Als Wunschleistung erfordert darüber hinaus die Durchführung von implantologischen Maßnahmen ein spezielles Augenmerk hinsichtlich der Dokumentation aller relevanter Fakten. Neben der Aufklärung und Anamnese muss ein Behandlungsbericht über die operativen Maßnahmen angefertigt werden, welcher zusätzlich die vorbereitenden Behandlungsschritte umfasst, wie beispielsweise die Knochenaugmentation und die Entfernung von Zähnen oder Wurzelresten. Werden diese Maßnahmen in mehreren Sitzungen durchgeführt, muss zwingend für jede Behandlung ein OP-Bericht erstellt werden.

Im Bericht zu berücksichtigen sind die verwendete Art der Anästhesie, die Schnitttechnik und Anzahl der Nähte, der Bereich der Knochenfreilegung sowie Methoden und verwendetes Knochenaufbaumaterial. Der Operationsverlauf während der Implantatinsertion wird ebenso festgehalten. Dabei müssen beispielsweise die eingesetzten Implantatsysteme inklusive Modellbezeichnung, Größe, Chargennummer und Einsetztiefe erfasst werden.

Zusätzlich sollten überdies die eingesetzten Instrumente für die Vorbereitung des Implantatlagers beschrieben werden. Das Prozedere beim Auffüllen von Defekten und bei Implantatabdeckungen, die Art des Wundverschlusses inklusive Material sowie gegebenenfalls besondere Vorkommnisse während des Eingriffs komplettieren die Berichterstattung. Auch im Bereich der neuen PAR-Richtlinien kommt der Dokumentation eine besondere Rolle zu: Neben der Verordnung von Medikamenten sowie deren Einnahmehinweisen und Dosierungsangaben muss beispielsweise die patientenbezogene Begründung für den modifizierten Umfang der PAR-Behandlung im Krankenblatt festgehalten werden.

Zugleich sind sämtliche durchgeführten Therapiemaßnahmen, einschließlich Anästhesie, mit Datum, Zahnangabe und Behandlung zu dokumentieren. In der Karteikarte muss unter anderem spezifisch angegeben werden, welche Einschleifmaßnahmen an welchen Zähnen durchgeführt wurden. Allein der Eintrag „108“ ist nicht ausreichend.

Aufbereitung von Medizinprodukten

Die Dokumentationspflichten setzen sich bei der Aufbereitung von Medizinprodukten fort. Die RKI-Richtlinien fordern die Einteilung der Instrumente in verschiedene Risikogruppen. Aus der Kategorisierung abgeleitet ergibt sich das korrekte Prozedere der Aufbereitung.

Die Risikobewertung und Einstufung müssen vorab schriftlich festgehalten werden. Gemäß RKI-Richtlinien ist die maschinelle der manuellen Aufbereitung vorzuziehen. Die Vorteile einer maschinellen Aufbereitung liegen auf der Hand.

So bietet sie ein hohes Maß an Sicherheit für das Praxisteam: Verletzungs- und Infektionsgefahr reduzieren sich, Verfahren werden validierbar und reproduzierbar. Reinigungs- und Desinfektionsverfahren (RDG), wie beispielsweise unter Verwendung eines Thermodesinfektors, müssen nach Herstellerangaben revalidiert werden. Eine sachgemäße Dokumentation wird automatisch erstellt.

Nach der Reinigung und Desinfektion folgen die Verpackung und im Anschluss die Sterilisation in einem Sterilisator und schließlich die Freigabe. Auch für diese beiden Schritte muss jeweils eine nachvollziehbare Dokumentation vorliegen. Die Dokumentation dient der lückenlosen Überwachung und abschließenden Bewertung des Aufbereitungsprozesses.

In Bezug auf das Qualitätsmanagement bedeutet die sorgfältige Dokumentation nicht zuletzt Rechtssicherheit. Hiermit seien nur einige Beispiele genannt. Nicht zu vergessen ist, dass es diesbezüglich noch zahlreiche weitere Eckdaten gibt, die Berücksichtigung bei der Dokumentation finden müssen.

Analog oder digital?

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Bis hierher ist bereits zu erkennen, dass Patientenakten und andere dokumentarische Unterlagen schnelle zu Mammutwerken anwachsen können. Daher stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Art und Weise der Dokumentation.

Hier regelt das Patientenrechtegesetz in § 630 f BGB, dass die Dokumentation sowohl klassisch auf Papier als auch mit Hilfe einer Software erfolgen kann. Wie immer gibt es Vorteile, die für eine papierlose Dokumentation sprechen, aber auch Vorteile, die für eine Karteikarte sprechen. Ob die Wahl auf eine traditionelle Karteikarte fällt oder ein professionelles EDV-System zum Einsatz kommen soll, hängt von der Praxisart und der allgemeinen Organisationsauffassung ab.

Gegen Karteikarten sprechen das limitierte Platzangebot sowie die fehlende Möglichkeit, Dokumente und Berichte in direktem Zusammenhang mit den handschriftlichen Notizen abzulegen und diese im Zweifelsfall schnell und unkompliziert hinzuholen zu können. Es besteht die Gefahr, dass eine unvollständige Dokumentation stattfindet, beispielsweise aus Platzgründen. Enthält die Karteikarte keine Eintragungen hinsichtlich durchgeführter Untersuchungen, Behandlungsmaßnahmen oder Aufklärungen, wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass diese Leistungen nicht erbracht wurden.

In solchen Fällen muss der Zahnarzt oder die Zahnärztin den vollen Beweis dafür erbringen, dass die Maßnahme tatsächlich stattgefunden hat. Gelingt dies nicht, gilt sie weiterhin als nicht durchgeführt.

Allerdings unterliegen auch EDV-basierte Dokumentationen speziellen Anforderungen. Auch hier müssen nachträgliche Änderungen deutlich und nachvollziehbar zu erkennen sein – eine Pflicht, die nicht mit jeder Software erfüllt werden kann. Einer nicht revisionssicheren EDV wird somit seitens der Gerichte ein geringerer Beweiswert zugebilligt.

Weiterhin besteht bei Umstellungen oder technischen Problemen das Risiko eines partiellen oder im schlimmsten Fall eines vollständigen Datenverlusts. Belegt wird dieser Umstand durch ein Gerichtsurteil. Gegenstand war die Streitfrage, ob eine Praxis abgerechnete Leistungen wirklich erbracht hatte**.

Die Praxis verwies auf ihre vorhandene Dokumentation. Diese war aber aufgrund eines Wechsels der Praxissoftware und eines damit einhergehenden Datenverlusts unvollständig und nicht schlüssig. Weiterhin habe ein Virus zur Einbuße von zusätzlichen Daten geführt.

Diese Angaben waren vor Gericht nicht haltbar. Schließlich ist jede Praxis vollumfänglich dafür verantwortlich, die Daten so zu sichern, dass derartige Verluste nicht entstehen.

Zahlreiche Vorzüge von EDV-basierten Lösungen liegen dennoch klar auf der Hand. Die Notizen sind flexibel erweiterbar und dabei immer sauber und leserlich.

Sie lassen sich schnell im System finden und bei Bedarf können sie für Behandler/-innen, Patient/-innen oder die Krankenkasse ausgedruckt werden. Außerdem können nach einmaliger Definition und Anlage von Textbausteinen oder ganzer Leistungsketten meist häufig wiederkehrende Leistungen im Handumdrehen abgerufen werden.

Fazit

So umfangreich und kompliziert die Vorgaben der zahnärztlichen Dokumentation auch scheinen mögen, eine detaillierte Auseinandersetzung damit ist wichtig, um rechtlich – oder auch im Rahmen von Praxisbegehungen – auf der sicheren Seite zu stehen. Wie bereits erwähnt gilt die Faustregel: Alles, was nicht ordnungsgemäß dokumentiert ist, kann auch nicht abgerechnet werden. Und das kann in vielerlei Hinsicht teuer werden.

Denn im Umkehrschluss kann dies nicht nur zu finanziellen Einbußen führen, sondern bisweilen auch zu rechtlichen Konsequenzen, z.B. im Bereich der Haftung. Zahnarztpraxen sollten sich also ausführlich über ihre Pflichten in Sachen Dokumentation informieren.

 

* Schadensersatz aufgrund mangelnder Dokumentation. Ein Gerichtsurteil: openjur.de/u/2321533.html
** Gerichtsurteil bzgl. nachträglicher Abrechnung aufgrund eines Softwarefehlers: openjur.de/u/299385.html

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Iris Wälter-Bergob