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Das Gesundheitswesen auf dem Weg ins digitale Zeitalter

© NicoElNino/fotolia.com
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Heute so gut wie überall Alltag: Smartphones in der Rolle eines persönlichen Assistenten. Der persönliche Kalender, Kontakte sowie unterschiedliche Kommunikationskanäle werden über das Smartphone organisiert. Daneben ist das Telefon durchgängig mit dem Internet verbunden, ermöglicht Navigation, speichert Bewegungsdaten und bietet Zugriff auf ortsbezogene Informationen. Dadurch wird auch die sogenannte Selbstvermessung beziehungsweise das sogenannte „quantified self“ ermöglicht. Es werden Trainingseinheiten, Laufwege oder Gewichtsverläufe dokumentiert und mit dem sozialen Umfeld geteilt.

Für das Gesundheitssystem ist dies eine große Chance: Patienten können durch solche Applikationen und Sensoren selbstständig Gesundheitsdaten erheben. Das Gesundheitswesen von „heute“ verändert sich dadurch erheblich: Zum einen werden Patienten durch die Selbstvermessung und die Nutzung des Internets sowie der sozialen Online-Medien eine aktive Rolle im Rahmen der Diagnose und der Therapie übernehmen. Zudem kann durch die Digitalisierung eine im Einzelfall passgenaue Steuerung der Therapie unter Berücksichtigung der individuellen Präferenzen und Parameter erfolgen.

Chancen für das Gesundheitswesen

Für die Implementierung der individualisierten Medizin bietet dies eine vielversprechende Basis. Zum anderen wird die Digitalisierung dazu führen, dass sich der Aufwand der Datenerhebung zur Abrechnung, Dokumentation und Qualitätssicherung von Leistungen im Gesundheitswesen durch professionelle Dienstleister erheblich reduzieren und deren Informationsaustausch untereinander deutlich vereinfachen wird.

Wie verändert sich der Praxisalltag?

Auch wird sich der Praxisalltag der Mediziner – soweit er dies an einigen Stellen nicht bereits getan hat – verändern: Digitale Krankenakten und Roboter im Operationssaal sind längst keine Zukunftsvision mehr, sondern Realität. Zudem kann seit April 2017 die Videosprechstunde als neue telemedizinische Leistung durchgeführt werden. Dadurch ist beispielsweise die digitale Beratung von Patienten in ländlichen Räumen durch einen in einer Metropolregion ansässigen Arzt via Videochat in Echtzeit möglich. Ärzte, die Videosprechstunden anbieten wollen, bedienen sich dabei eines Videodienstanbieters, welcher über entsprechende Sicherheitsnachweise verfügen muss. Insbesondere muss die Videosprechstunde während der gesamten Übertragung nach dem Stand der Technik Ende-zu-Ende verschlüsselt sein. Überdies ist festgelegt, dass die apparative Ausstattung der Praxis und die elektronische Datenübertragung eine angemessene Kommunikation mit dem Patienten gewährleisten müssen.

E-Health-Gesetz

Bewegung hat auch das zum 01.01.2016 in Kraft getretene Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz) in die Digitalisierung des Gesundheitswesens gebracht. Worte wie „Stärkung der Telemedizin“, „Digitalisierung im Gesundheitswesen“ und „bessere Vernetzung der Leistungserbringer“ sind seither in aller Munde. Das Gesetz enthält einen konkreten Plan für den Aufbau der sicheren Telematikinfrastruktur und die Einführung medizinischer Anwendungen. Ziel des Gesetzes ist es, die sich aus der Digitalisierung ergebenden Chancen für die Gesundheitsversorgung zu nutzen sowie eine schnelle Einführung medizinischer Anwendungen für die Patienten zu ermöglichen.

Vielfältige Fragestellungen

Die zum Thema E-Health diskutierten Fragestellungen sind vielfältig. Sie erstrecken sich von Innovationen wie digitale Gesundheits- Apps und Smart-Health-Anwendungen bis hin zu den mit der Digitalisierung verbundenen neuen Kommunikationsmöglichkeiten, wie die oben bereits angesprochene und im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verankerte Videosprechstunde, die telemedizinische Befundbeurteilung bei Röntgenaufnahmen, der elektronische Arztbrief oder der Medikationsplan. Als nächste Schritte sieht das Gesetz die Notfalldaten auf der elektronischen Gesundheitskarte, die elektronische Patientenakte, das Patientenfach und die Einbindung mobiler Anwendungen vor.

Mit dem Start eines sicheren Datennetzes im Gesundheitswesen wurde ein großer Schritt in Richtung Digitalisierung des Gesundheitswesens gemacht. Nun geht es darum, die großen Datenmengen im Sinne des Patientenwohls zu nutzen, um beispielsweise Krankheiten wie Alzheimer und Krebs in Zukunft besser verstehen und gezielt behandeln beziehungsweise bekämpfen zu können. Die bereits im E-Health-Gesetz angelegte Öffnung der Telematik-Infrastruktur für die Forschung soll dabei Unterstützung leisten.

Diese Veränderungen werden vor dem bestehenden Berufsbild des (Zahn)Arztes nicht halten und damit ein neues Denken über Altbekanntes erforderlich machen.

Letztlich wird die Gesellschaft und damit auch die Gesetzgebung die Frage beantworten müssen, in welchem Umfang unter Einsatz digitaler Medien beispielsweise auf den direkten Kontakt zwischen (Zahn)Arzt und Patient und damit auch auf den Einsatz aller fünf Körpersinne verzichtet werden kann. Hierbei sind die nicht unwesentlichen Risiken gegen die ebenso erheblichen Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen gegeneinander abzuwägen.

Risiken bestehen insbesondere in der Gefahr von Fehldiagnosen sowie möglichen Einbußen in der Qualität der Beratung. Chancen ergeben sich hingegen für ländliche Gebiete mit Ärztemangel. Überdies können durch den Einsatz digitaler Kommunikationsmittel die Hemmschwelle etwaiger Offenbarungsängste der Patienten gesenkt, die zusätzlichen Ansteckungsrisiken im Wartezimmer vermieden sowie die Chance auf eine frühzeitigere Feststellung eines Behandlungsbedarfs gesteigert werden.

Datenschutz

Die Ziele des E-Health-Gesetzes bedingen jedoch auch ein Mehr an Datenverarbeitung, insbesondere der personenbezogenen Gesundheitsdaten. Daher darf auch der Aspekt des Datenschutzes in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden.

Insoweit ist es konsequent, dass der Gesetzgeber auch beim E-Health-Gesetz dem Datenschutz höchste Priorität einräumt und diesen durch rechtliche und technische Maßnahmen sicherstellen will.

Die Herausforderung wird dabei insbesondere darin bestehen, die Regulierungen auf die technischen Möglichkeiten in der digitalen Welt optimal abzustimmen. Insbesondere da die Geschwindigkeit digitaler Entwicklungen der des Rechts oftmals voraus ist.

Fazit

Die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre haben zu einem tiefgreifenden Wandel geführt – auch im Gesundheitswesen. So werden (zahn)ärztliche Therapieentscheidungen im Wesentlichen durch die Ergebnisse von Mess- und Diagnoseverfahren sowie der Integration von Daten bestimmt. Die Unterstützung der Diagnose durch digitale Anwendungen und die damit einhergehende höhere Qualität in der Beurteilung steigert letztlich auch die Qualität der Therapie. Im Zeitalter des Big Data werden nach Möglichkeit alle verfügbaren Daten genutzt. Aufgrund der globalen Vernetzung entstehen hierbei jedoch rechtliche Grauzonen beziehungsweise Herausforderungen: International heterogene Rechtsräume, Urheber- und Nutzungsrechte der Daten und informationelle Selbstbestimmung des Patienten, Datensicherheit und Persönlichkeitsschutz. Eine Gefährdung der Privatsphäre des Einzelnen durch Big Data und Digitalisierung ist jedenfalls nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Auch insoweit muss ein neues Verständnis für Privatheit, Daten- und Persönlichkeitsschutz entwickelt werden, das der technischen Entwicklung gerecht wird, gleichzeitig aber auch einen angemessenen Mindestschutz für die Menschen sicherstellt.

Auf Seiten der (Zahn)Ärzteschaft sollte der Einsatz und die Weiterentwicklung der Digitalisierung im Gesundheitswesen aktiv mitgestaltet, als Chance begriffen sowie die neuen Möglichkeiten genutzt und vorangetrieben werden. Denn letztlich geht es neben der Verbesserung der Patientenversorgung auch um die Optimierung der Arbeitsprozesse der (Zahn)Ärzteschaft im Praxisalltag. Nutzen also auch Sie Ihre sich aus der Digitalisierung des Gesundheitswesens ergebenden Chancen!


Folgende Fragen sollten in jedem Fall bereits jetzt für die eigene Praxis beantwortet werden:

  • Kann ich in meiner Praxis die Telematik-Infrastruktur, die Datenspeicherung auf der Gesundheitskarte und telemedizinische Leistungen angemessen integrieren und sicherstellen?
  • Werden in meiner Praxis im Bereich der Datenspeicherung und Kommunikation alle datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten?
  • Ist die Praxis für den Einsatz neuer digitaler Medien und Techniken ausreichend vorbereitet und rechtlich abgesichert?
Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Rechtsanwältin Stephanie Lamp