Das zahnärztliche MVZ ? Chancen und Risiken

Die nachfolgende Zusammenfassung soll interessierte Zahnärzte über die verschiedenen abzuwägenden Aspekte hinsichtlich der Gründung eines MVZ informieren. Berufs- und vertragszahnärztliche Hintergründe werden ebenso beleuchtet, wie Fragen des Gesellschaftsrechts, insbesondere die Frage der individuell richtigen Rechtsformwahl. Des Weiteren werden steuerrechtliche Vor- und Nachteile betrachtet sowie abschließend ein strategischer Ausblick gegeben, ob bzw. für wen sich die Gründung eines MVZ mittel- bis langfristig lohnen kann.
Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) ist nach mehrmonatiger Beratung in seinen wesentlichen Teilen in Kraft getreten. Seit Anfang 2016 finden sämtliche Regelungen des GKV-VSG Anwendung. Zukünftig werden auch fachgruppengleiche MVZ zugelassen. Nach langen Jahren ist es damit auch Zahnärzten endlich möglich, sich als MVZ zusammen zu schließen.
Berufs- und Vertragszahnarztrecht
Um das Grundverständnis der Konstruktion eines MVZ zu fördern, soll im Folgenden zunächst auf dessen berufsund vertragszahnarztrechtliche Besonderheiten eingegangen werden:
Das MVZ ist als selbständiges Konstrukt Leistungserbringer im Sinne des SGB V. Da das MVZ aber nur durch seine Angestellten und Gesellschafter handeln kann, sieht das Gesetz vor, dass das MVZ unter einer eigens in Person zu benennenden zahnärztlichen Leitung stehen muss. Die zahnärztliche Leitung muss in den Händen mindestens eines Zahnarztes liegen, der durch die Einbindung in die Organisations- und Versorgungsstrukturen des MVZ in die Lage versetzt wird, auf Abläufe im MVZ einzuwirken und sicher zu stellen, dass zahnärztliche Entscheidungen unabhängig von sachfremden Erwägungen getroffen werden. Weitere Gründungsvoraussetzung für ein MVZ ist, dass am Standort des MVZ wenigstens zwei Zahnärzte, sei es als Gesellschafter oder als Angestellte, tätig sind.
Liegen diese Voraussetzungen vor, erhält das MVZ eine eigene Zulassung und nimmt auf Basis dieser an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Da das MVZ über einen eigenen Leistungserbringerstatus verfügt, sind angestellte Zulassungen direkt mit der Zulassung des MVZ verknüpft. Durch diese enge Verknüpfung wird erreicht, dass eine angestellte Zulassung nicht von dem Verbleib eines zugelassenen Gesellschafters abhängig ist. Dieses Maß an Kontinuität und Stabilität der MVZ-Struktur ist zudem durch eine Neuregelung des GKV-VSG noch untermauert worden.
Nunmehr ist es auch Gesellschaftern des MVZ möglich, auf ihre Zulassung zu Gunsten einer Anstellung im MVZ zu verzichten, gleichzeitig aber ihren Gesellschafterstatus im betroffenen MVZ zu wahren.
Das MVZ ist deutlich stärker darauf ausgelegt, in wesentlichem Umfang Leistungen durch Angestellte zu erbringen. Die Regelungen des Bundesmantelvertrages für Zahnärzte, wonach jeder Vertragszahnarzt höchstens zwei Vollzeit beschäftigte Zahnärzte anstellen darf, erfasst MVZ nicht.
Der Gesetzgeber des GKV-VSG hat zudem die Leistungserbringung durch angestellte Ärzte und Zahnärzte aufgegriffen und neben den üblichen Vertretungsgründen auch die Möglichkeit einer Vertretung von Angestellten im Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund von Tod, Kündigung oder sonstigen Gründen in der Zulassungsverordnung verankert. Auch insoweit wird der vermehrten Leistungserbringung durch angestellte (Zahn-) Ärzte Rechnung getragen, was selbstverständlich aber sowohl auf MVZ-Strukturen, als auch auf die bekannten Berufsausübungsgemeinschaften zutrifft.
Das MVZ hat darüber hinaus die Möglichkeit, auch an weiteren Standorten jenseits seines Hauptstandortes in Form von Filialen tätig zu sein. Der hieraus erwachsene Vorteil kann von Zahnärzten, die an diversen Standorten Filialen gründen wollen, genutzt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Vertragszahnarztrecht die Gründung einer Filiale nur dann gestattet, wenn die Versorgung der Versicherten am Filialort verbessert wird. In Gebieten mit hoher Zahnarztdichte dürfte also die Filialgründung nicht möglich sein.
Gesellschaftsrecht und Rechtsformwahl
Mit Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes ist die Möglichkeit der Gründung eines MVZ in der Rechtsform einer Personengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft oder einer GmbH möglich. Damit läuft die grundsätzliche Entscheidung üblicherweise darauf hinaus, ob eine Personengesellschaft in Form einer GbR oder PartG oder einer juristischen Person in Form der GmbH gegründet werden soll.
Wie ihr Name bereits andeutet, ist die Haftung bei einer GmbH begrenzt – und zwar auf deren Vermögen. Im Alltag wirkt sich diese Haftungsbegrenzung bei zahnärztlichen Gesellschaften jedoch kaum aus. So sieht das SGB V vor, dass sämtliche Gesellschafter einer GmbH eine selbstschuldnerische Bürgschaft für Forderungen von Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gegen das MVZ aus dessen vertragszahnärztlicher Tätigkeit abgeben müssen.
Honorarrückforderungen oder Regresse, die das Vermögen der GmbH überschreiten, können damit von jedem MVZ-Gesellschafter eingefordert werden, so dass die Haftungsprivilegierung insoweit ins Leere läuft. Da erfahrungsgemäß auch andere Großgläubiger, wie Vermieter anlässlich des Abschlusses eines langjährigen Mietvertrages sowie Banken vor der Finanzierung größerer Kredite, eine solche Bürgschaftserklärung von den GmbH-Gesellschaftern verlangen, sind in der Regel nur vertragliche Verbindlichkeiten aus Alltagsgeschäften und damit überschaubarer Größe vom Haftungsprivileg der GmbH umfasst. Daneben treten etwaige Ansprüche aus denkbaren Behandlungsfehlern. Hier kann die GmbH, mit der der Behandlungsvertrag zustande kommt, von ihrer Haftungsprivilegierung profitieren. Indes haftet der die Behandlung ausführende Zahnarzt jedoch auch stets selbständig neben den vertraglichen Vorschriften auch aus dem deliktischen Schadenersatzrecht, da eine fehlerhafte zahnärztliche Behandlung eine Körperverletzung darstellt. Einzig die weiteren GmbH-Gesellschafter, die nicht an der zahnärztlichen Behandlung mitgewirkt haben, sind insoweit vor einer Inanspruchnahme geschützt.
Entscheiden sich die Gesellschafter hingegen für die Gründung einer Personengesellschaft, haften sie grundsätzlich im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch. Der Vorteil einer Haftungsbeschränkung für Behandlungsfehler, an denen nur einer oder bestimmte zahnärztliche Gesellschafter mitgewirkt haben, lässt sich allerdings auch im Bereich der Personengesellschaften dadurch realisieren, dass statt einer GbR eine PartG gegründet wird.
Sowohl PartG als auch GmbH müssen notariell beurkundet sowie im Partnerschafts- bzw. Handelsregister eingetragen werden, so dass neben dem Sitz der Firma und sämtlichen Filialen auch die vertretungsberechtigten Personen ebenso erkennbar sind wie die Rechtsform des Unternehmens sowie bei der GmbH zudem das Stammkapital.
Diese Veröffentlichungspflicht wird bei einer GmbH um weitere handelsrechtliche Offenlegungspflichten ergänzt. So muss die GmbH als Kapitalgesellschaft im öffentlich einsehbaren elektronischen Bundesanzeiger jedes Jahr den festgestellten und gebilligten Jahresabschluss der Gesellschaft sowie den Lagebericht mit entsprechendem Bestätigungsvermerk spätestens ein Jahr nach dem Abschlussstichtag einreichen. Neben den hiermit verbundenen Kosten führt die entsprechende Veröffentlichungspflicht selbstverständlich auch zu einer nicht unbedingt gewünschten Transparenz gegenüber Dritten.
Eine GmbH ist zudem von Gesetzes wegen verpflichtet, für den Jahresabschluss zu bilanzieren, statt die für Personengesellschaften übliche Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu verwenden. Der entscheidende Nachteil einer solchen Bilanzierungspflicht kann darin liegen, dass Rechnungen bereits mit ihrer Fälligkeit unabhängig vom tatsächlichen Geldeingang in die Bilanz einzustellen und damit auch zu versteuern sind. Hierdurch kann es durchaus zu Liquiditätsverschiebungen und nicht unerheblichen steuerlichen Belastungen der Gesellschaft kommen. Daneben ergeben sich weitere Vor- und Nachteile der Rechtsformwahl zwischen der Personengesellschaft auf der einen und der GmbH auf der anderen Seite durch das Zusammenspiel des Gesellschaftsrechts einerseits und des zahnärztlichen Vergütungsrechts andererseits. Diese stellen insoweit „Nebeneffekte“ der Rechtsformwahl dar, die aber dennoch von nicht unerheblicher Bedeutung sein können und damit in die Erwägungen des Einzelfalles hinsichtlich der Wahl der richtigen Rechtsform einzubeziehen sind.
Rechnet man in einem MVZ, das in der Rechtsform einer GbR betrieben wird, privatzahnärztliche Leistungen ab, ist dieses an die GOZ gebunden. Das bedeutet, dass insbesondere die jeweiligen Leistungen höchstpersönlich erbracht werden müssen, damit eine Abrechnung möglich ist.
Auch eine Abrechnung von Leistungen angestellter Zahnärzte ist möglich, falls diese Leistungen nach den Vorschriften der GOZ unter Aufsicht und nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Dieses Kriterium soll sicherstellen, dass der Zahnarzt an der Leistungserbringung im Einzelfall je nach der Art der Leistung, mehr oder weniger intensiv mitwirken muss. Ein organisatorisches Weisungsrecht alleine ist hingegen nicht ausreichend, um dem Zahnarzt eine vom Mitarbeiter erbrachte Leistung als eigene zuzurechnen. Die entsprechenden Vorschriften der GOZ sind damit deutlich enger, als die des Bundesmantelvertrages für Zahnärzte im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Insbesondere falls es an einer Aufsicht sowie Anwesenheit des zuständigen Gesellschafters in der Praxis oder einer gegebenenfalls möglichen kurzfristigen Erreichbarkeit fehlt, gerade auch im Bereich reiner Filialpraxen ohne Anwesenheit eines MVZ-Gesellschafters, dürfte es insoweit im GOZ-Bereich zu Abrechnungsproblemen kommen.
Wird das MVZ hingegen in der Rechtsform einer GmbH betrieben, wird mit Blick auf den Anwendungsbereich der GOZ vertreten, dass die Gebührenordnung für eine juristische Person ? wie eine GmbH ? keine Anwendung findet. Denn die GOZ will nur die beruflichen Leistungen der Zahnärzte bestimmen, worunter eine GmbH als juristische Person nicht fällt. Dennoch ist zu empfehlen, dass sich das MVZ auch als GmbH an der GOZ als „üblicher Taxe“ im Sinne der Preisfindungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bedient. Allerdings entfällt die zuvor dargestellte Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung. Denn dieser Pflicht kann eine juristische Person nicht nachkommen. Mithin stellt sich die Abrechnung von Leistungen zahnärztlicher Angestellter in Form der GmbH aus Sicht der GOZ als deutlich weniger problematisch dar.
Hingegen ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der fehlenden Anwendbarkeit der GOZ auf die Abrechnung durch zahnärztliche GmbHs bei vielen privaten Krankenversicherern Vorbehalte gegen eine Erstattungsfähigkeit der in Rechnung gestellten Leistungen bestehen. So wird insbesondere bei Abrechnung durch eine GmbH argumentiert, dass aufgrund des in den Musterbedingungen der Krankenversicherer enthaltenen Niederlassungsverbots einzig Rechnungen niedergelassener Zahnärzte für die Inanspruchnahme ambulanter Heilkunde erstattungsfähig sind. Da jedoch weder die GmbH als juristische Person ein niedergelassener Zahnarzt ist, noch die im MVZ angestellten Zahnärzte formal niedergelassen sind, ist es denkbar, dass private Krankenversicherer eine Erstattung privatzahnärztlicher Rechnungen des MVZ verweigern.
Allerdings ist bei den meisten privaten Krankenversicherern zumindest für MVZ-GmbHs zu verzeichnen, dass die anfänglichen Vorbehalte geringer werden, da jedenfalls der Bundesgesetzgeber im SGB V die Rechtsform der GmbH explizit für Medizinische Versorgungszentren vorgesehen hat. Ganz auszuschließen sind Erstattungsschwierigkeiten in diesem Bereich jedoch nicht.
Steuerrechtliche Besonderheiten
Für die Frage, wie viel Steuern insgesamt zu zahlen sind, gilt es genau zu beachten, dass die GmbH eine juristische Person ist, die auf ihren Gewinn Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, zusammen rund 30 % Gewinnsteuern, zahlt. Der Steuertarif ist nicht progressiv. Der Arzt in einer Personengesellschaft dagegen zahlt auf seinen Gewinn Einkommensteuer. Dieser Tarif ist progressiv, d. h. bei höheren Einkommen fällt überproportional höhere Einkommensteuer an, bis zu insgesamt 45 % als Höchststeuersatz.
Im direkten Vergleich sehen die 30 % Steuerbelastung auf den Gewinn der GmbH viel günstiger aus, als 45 % bei der Einkommensteuer. Dabei wird jedoch übersehen, dass die GmbH bis hierhin auch noch Eigentümerin der erwirtschafteten Gewinne ist und nicht etwa der Arzt als Gesellschafter der GmbH. Um diese in den Privatbereich der Gesellschafter zu bringen, müsste zunächst eine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter erfolgen.
Darauf fielen nochmals 25 % Abgeltungssteuer, also 25 % auf 70 % = 17,5 % weitere Steuerbelastung für die GmbH an. Bis der Gesellschafter der GmbH über seinen Gewinn verfügen kann, fallen somit 47,5 % Gesamtsteuerbelastung an.
Nun schlägt die große Stunde der Berater, die dieses Problem der GmbH minimieren, indem die Ärzte dort Anstellungsverträge erhalten und Gehalt beziehen, Praxisräume an die GmbH vermieten oder auf andere Weise Geld aus der GmbH beziehen. Auf diese Einkünfte zahlt der Bezieher die normale Einkommensteuer, genauso wie der Arzt in der Personengesellschaft. Wenn aber die Kreativität der GmbH-Berater zu ausufernd wird, werden diese Versuche, den Gewinn der GmbH zu mindern, als sogenannte „verdeckte Gewinnausschüttung“ qualifiziert.
Will ein Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil verkaufen, ergeben sich erneut Unterschiede:
Exemplarisch sei der Fall beleuchtet, dass ein Gesellschafter in den Ruhestand geht, aus der Gesellschaft austritt und seine Kollegen oder ein Nachfolger seinen Anteil kaufen möchten. In der Personengesellschaft hat der Käufer den Vorteil, dass er den Kaufpreis für den Gesellschaftsanteil über mehrere Jahre verteilt steuermindernd geltend machen kann, in der Regel über 6 bis 10 Jahre. In der GmbH kann der Käufer eines GmbH-Anteils den Kaufpreis zunächst steuerlich gar nicht geltend machen. Er kann diesen erst später, z. B. wenn er selbst den Anteil wieder verkauft, von seinem Veräußerungserlös steuermindernd abziehen.
Strategische Überlegungen und Ausblick
Die aufgezeigten, umfassenden Aufarbeitungen des Themas „Zahnärzte-MVZ“ zeigen deutlich auf, dass es ein „Hurra, das Zahnärzte-MVZ ist da!“ nicht gibt.
In jedem Einzelfall gilt es, unter Berücksichtigung der persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen wie auch der marktstrategischen Verhältnisse, die für den konkreten Planungsfall geeignete Kooperationsform zu finden. Dies kann (im Einzelfall) auch das Zahnärzte-MVZ sein; gleichwohl dürften aber nach aller Erfahrung die traditionellen Kooperationsformen, wie die Gemeinschaftspraxis & Co., den Sprint um die individuell beste Kooperationsform gewinnen.
Auch in den Traditionskooperationsformen werden die bestehenden Möglichkeiten vielerorts noch nicht oder nicht ausreichend genutzt. Zu nennen ist hier insbesondere die wirtschaftlich und marktstrategisch oft angezeigte Sonderform der Gemeinschaftspraxis als sog. Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, in der u. a. Marktabdeckung, Personaleinsatz, Schwerpunktausschöpfung, Kosteneffizienz etc. optimal ein- und umgesetzt werden können.
Unabhängig von der am Ende tatsächlich ausgesuchten Form der kollegialen Zusammenarbeit; ohne qualifizierte Fachberater lässt sich im Dschungel der anzustellenden Überlegungen wohl kaum die richtige Entscheidung treffen.