Recht

Ausfallhonorar des Zahnarztes?!

Der Patient erscheint nicht zum Termin

© a_korn/fotolia.com
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Immer wieder kommt es vor, dass Patienten ihre vereinbarten (Zahn-)Arzttermine nicht einhalten und ohne den Termin abzusagen einfach nicht zum Termin erscheinen. Auf Seiten der (Zahn-)Ärzteschaft führt dieses Patientenverhalten zur Verärgerung. Aus diesem Grund werden Forderungen von (Zahn-)Ärzten nach Ausfallhonoraren für versäumte Termine laut. Von Gerichten wird ganz unterschiedlich beurteilt, ob Patienten für verpasste (Zahn-) Arzttermine zahlen müssen.

Die Frage, ob der betroffene (Zahn-)Arzt dem Patienten ein Ausfallhonorar in Rechnung stellen kann, lässt sich deshalb nicht mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Vielmehr hängt die Beantwortung dieser Frage von vielen Faktoren ab.

Rechtslage

Erscheint der Patient aus einem von ihm zu vertretenden Umstand nicht zu dem mit dem (Zahn-)Arzt vereinbarten Termin oder kommt er zu spät, so ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Bestellpraxis handelt oder nicht. In jedem Fall des Nichterscheinens gerät der Patient in Annahmeverzug mit der Folge, dass der (Zahn-)Arzt nach § 326 Abs. 2 oder § 615 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für die infolge des Nichterscheinens nicht geleisteten (zahn-)ärztlichen Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen kann. Jedoch muss er sich darauf das Honorar anrechnen lassen, das er durch die Behandlung eines anderen Patienten in der fraglichen Zeit verdient hat oder hätte verdienen können (§§ 615 Abs. 2, 326 Abs. 2 S. 2 BGB).

Die Rechtsprechung ist in der Beurteilung dieser Frage sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung sehr uneinheitlich. Überwiegend lehnt sie den Anspruch auf Bezahlung einer „Verweilgebühr“ in den Fällen des Patientenverzugs mit der Begründung ab, dass das geltende Gebührenverzeichnis für diese Fälle keine Regelung enthalte. Neuere Gerichtsentscheidungen hingegen sprechen dem (Zahn-)Arzt einen im Umfang generell niedrigeren Anspruch auf Schadensersatz aus positiver Forderungsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) oder Ausfallhonorar zu. Allerdings werden hierbei hohe Anforderungen an den Beweis gestellt. Das führt dazu, dass die Voraussetzungen im Rahmen einer reinen Bestellpraxis praktisch nie vorliegen.

Rechtsprechung

Wie eingangs angesprochen, ist in der Rechtsprechung umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen einem (Zahn-)Arzt für den Fall eines nicht zu kompensierenden Behandlungsausfalls bei einem fest vereinbarten Behandlungstermin ein Ausfallhonorar zusteht. Nachfolgend soll ein – allerdings nicht abschließender – Überblick über einzelne einschlägige Gerichtsentscheidungen gegeben werden.

Nach Ansicht des Amtsgerichts München macht sich ein Patient, der ohne die für eine Operation erforderlichen Unterlagen und Voruntersuchungen zu einem für eine ambulante chirurgische Behandlung geplanten Operationstermin erscheint, schadensersatzpflichtig, wenn infolgedessen die Operation nicht durchgeführt werden kann. Der Schaden des Arztes, der deshalb einen chirurgischen Eingriff nicht vornehmen kann beläuft sich auf gemäß § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) zu schätzende 200,00 DM (ca. 100,00 €) stündlich.

Das Landgericht Konstanz (Urteil vom 27.05.1994, Az.: 1 S 237/93) entschied ähnlich. Ist eine kieferorthopädische Praxis so organisiert, dass der Arzt mit längeren Terminvorläufen arbeitet und den jeweiligen Patienten im Voraus auf einen Termin bestellt, der wegen der Dauer der Behandlung mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann und zu dem kein anderer Patient gleichzeitig bestellt wird, so steht dem Arzt ein Vergütungsanspruch zu, wenn der Patient zum vereinbarten Termin nicht erscheint oder kurzfristig absagt.

Nach Ansicht des Amtsgerichts Bremen verstößt die von einem Patienten unterschriebene Klausel, nach der sich der Zahnarzt vorbehält, reservierte und nicht 24 Stunden vorher abgesagte Termine dem Patienten in Rechnung zu stellen, nicht gegen § 10 Nr. 7 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) alte Fassung (a.F.) (§ 308 Nr. 7 BGB) und auch nicht gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG a.F. (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Vielmehr ist eine solche Klausel wirksam.

Das Amtsgericht Rastatt entschied hingegen anders: Nimmt der Patient einen vereinbarten Zahnarzttermin nicht wahr, kann der Zahnarzt für diesen Termin in der Regel keine Ansprüche gegen den Patienten geltend machen, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt einer Vergütung noch unter dem eines Schadensersatzes.

Das Amtsgericht Osnabrück (Urteil vom 02.04.2008, Az.: 2 S 446/07) dagegen hat in einer Entscheidung dem Arzt einen Vergütungsanspruch zugesprochen.

Ebenso das Amtsgerichts Diepholz (Urteil vom 26.06.2011, Az.: 2 C 92/11).

Das Gericht hat entschieden, dass bei einer Bestellpraxis und einer zeitaufwendigen Behandlung ein Ausfallhonorar anfallen kann. Das Gericht führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass der Arzt jedoch verpflichtet sei, den entstandenen Schaden gering zu halten. So könne er in dieser Zeit möglicherweise andere Patienten behandeln oder Verwaltungsaufgaben erledigen. Das Ausfallhonorar würde entsprechend geringer ausfallen. Kann der Arzt die Zeit auf diese Weise nicht nutzen und kann er dies nachweisen, steht ihm – nach Ansicht des Gerichts – unter Umständen ein Ausfallhonorar in voller Höhe zu. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen Arzt und Patient vorliegt, wonach bei ausbleibendem Erscheinen oder kurzfristiger Absage eine Vergütung in Höhe des ausgefallenen Honorars zu zahlen ist.

Das Amtsgericht Bremen (Urteil vom 09.02.2012, Az.: 9 C 0566/11) dagegen verneint einen Vergütungsanspruch. Es vertritt die Ansicht, dass eine Terminabsprache jederzeit folgenlos storniert werden könne – selbst wenn ein bereits abgeschlossener Behandlungsvertrag eine Vergütungspflicht vorsehe. Die Absage des Termins sei dann im Zweifel als eine außerordentliche Kündigung des Behandlungsvertrages mit dem behandelnden Arzt zu sehen, die an keine Fristen gebunden ist.

Auch das Landesgericht Berlin (Urteil vom 15.04.2005, Az.: 55 S310/04) verneint einen Vergütungsanspruch. Eine Klausel in einem vorgedruckten „Anmeldeformular“ eines Zahnarztes, wonach vereinbarte Termine bei Verhinderung des Patienten 24 Stunden vorher abgesagt werden müssen und ansonsten ein Ausfallhonorar von 75 € in Rechnung gestellt werde, halte der Inhaltskontrolle nicht stand. Sie benachteilige den Patienten in unangemessener Weise. Die Vereinbarung eines Ausfallhonorars für nicht eingehaltene Termine könne nur dann wirksam sein, wenn dem Patienten eine Entlastungsmöglichkeit im Falle des unverschuldeten Nichterscheinens gegeben wird.

Literaturansichten

In der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass auch weiterhin im Rahmen des § 615 S. 1 BGB die Nr. 9 des Gebührenverzeichnisses (a.F.) zur Bestimmung der Schadenshöhe heranzuziehen sei.

Nach einer anderen Ansicht liegt Verzug nur vor, wenn aus der Terminvereinbarung für den Patienten eindeutig hervorgeht, dass der (Zahn-)Arzt sich ausschließlich für den Patienten eine bestimmte Zeitspanne freihält und während dieser Zeit keinen anderen Patienten bestellen und behandeln kann. In solchen Fällen entfällt der Schadensersatzanspruch nur dann, wenn der (Zahn-)Arzt während der vereinbarten Zeit tatsächlich einen anderen Patienten behandelt oder es versäumt, einen Patienten zu behandeln, obwohl dies möglich gewesen wäre.

Um die rechtlichen Risiken auszuschließen, wird zum Teil dazu geraten, mit dem Patienten eine Kündigungsfrist (etwa 24 Stunden) zu vereinbaren bzw. eine schriftliche Vereinbarung über den Anfall einer Verweilgebühr zu treffen oder den Patienten auf die Rechtsfolgen des Verzuges hinzuweisen. Aber auch hier ist nicht sicher, ob die Rechtsprechung dieser Auffassung folgen wird.

Fazit

Wenn (Zahn-)Arzttermine für zeitaufwendige Behandlungen vereinbart waren, der (Zahn-)Arzt eine Bestellpraxis hat und zu diesem Zeitpunkt keine anderen Patienten behandeln konnte, besteht die Möglichkeit, dass er eine Entschädigung geltend machen kann, wenn der Patient zum vereinbarten Zeitpunkt nicht erscheint oder den Termin zu kurzfristig absagt.

Die Frage des Ausfallshonorars wird von Gerichten allerdings unterschiedlich bewertet. Entscheidend ist insoweit auch, warum der Patient den Termin nicht wahrnimmt. Hat er den Termin vergessen oder erscheint er mit mehr als einer halben Stunde Verspätung beim (Zahn-)Arzt, könnte ihn ein Verschulden treffen. Sagt der Patient einen Termin aber rechtzeitig – also mindestens 24 Stunden vorher – ab, hat der (Zahn-)Arzt keinen Vergütungsanspruch. Dasselbe gilt auch, wenn der Patient einen Termin ohne eigenes Verschulden nicht wahrnehmen kann, weil er beispielsweise einen Unfall hatte. 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Rechtsanwältin Stephanie Lamp