Recht


Gesellschaftsverträge in der Praxis

16.08.2022

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Wer gemeinsam mit Kollegen eine Praxis betreibt, hat irgendwann zu Beginn der gemeinsamen Tätigkeit einen Gesellschaftsvertrag geschlossen. In diesem wurde – bestenfalls mit medizinrechtlicher Hilfe – festgelegt, wie die Zusammenarbeit ausgestaltet sein soll und wie sie enden kann. Im Praxisalltag gerät der Gesellschaftsvertrag dann häufig in Vergessenheit. Wie gut und aktuell der Vertrag ist, zeigt sich meist erst dann, wenn es zu Konflikten kommt. Unklare oder veraltete Regelungen können dann schnell teuer werden.

Was ist ein Gesellschaftsvertrag?

Der Gesellschaftsvertrag regelt wer, warum, in welcher Form und zu welchen Konditionen gemeinsam tätig wird. Neben der Konstitution der Gesellschaft, den Beteiligungen der Gesellschafter und deren Mitspracherechten enthält der Gesellschaftsvertrag auch Regelungen, wie die Kooperation enden kann. Je besser und exakter durchdacht der Vertrag in diesen Punkten ist, desto einfacher und kostengünstiger kann gehandelt werden, wenn sich einmal etwas in der Gesellschaft verändert.

Auch zahlreiche weitere Punkte können und sollten im Gesellschaftsvertrag enthalten sein. Gerade in alten Verträgen fehlen oft zeitgemäße und an die aktuelle Rechtslage angepasste Regelungen.

Digitalisierung auch im Gesellschaftsvertrag

Für die meisten Zahnärzte und Zahnärztinnen ist die Internetnutzung aus dem beruflichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Vom Telefon über die elektronische Gesundheitskarte bis hin zur Nutzung der ersten E-Health werden die meisten Praxen Schritt für Schritt immer digitaler. Regelungen hierzu sucht man in den meisten Verträgen jedoch vergeblich.

Die Probleme tauchen allerdings dann auf, wenn sich am Gesellschafterbestand etwas ändert oder die Zusammenarbeit aufgelöst werden soll. Wer darf die den Patienten vertraute Telefonnummer weiter nutzen? Wer erhält die Rechte an der bekannten Internetdomain und darf die Webseite weiterführen?

Was passiert mit vielleicht weitreichend etablierten E-Mail-Adressen? Ein guter Gesellschaftsvertrag beantwortet diese Fragen und lässt so langwierige Streitigkeiten gar nicht erst aufkommen.

Trennung der Kapitalkonten

Die Trennung der Kapitalkonten in das Kapitalkonto I, welches das den Anteil am Gesamthandvermögen wiedergebende Festkapital enthält, sowie in das Kapitalkonto II mit dem variablen Kapital ist für Personengesellschaften gesellschaftsrechtlich nicht gesetzlich vorgeschrieben, wird von den Finanzbehörden seit einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 (BFH 4.2.16 IV R 46/12) allerdings übereinstimmend gefordert. Hintergrund hierfür ist, dass die alleinige Gutschrift auf einem variablen Kapitalkonto kein entgeltliches Geschäft darstellt, sondern als Einlage zu behandeln ist.

Bei einer Einbringung eines Vermögenswertes auf das variable Kapitalkonto erhält der Gesellschafter keine Geschäftsanteile für die Einbringung, es fehlt also an der Gegenleistung. Die Gesellschaft hat dann demnach auch keine Anschaffungskosten und kann hierauf in der Folge auch keine Abschreibungen vornehmen.

Fehlt es an einer durchdachten Regelung der Kapitalkonten kann dies nicht nur bei Umstrukturierungen des Gesellschaftsgefüges erhebliche steuerliche Probleme mit sich bringen. Die Grundsätze zum Umgang mit den steuerrechtlich vorgeschriebenen Kapitalkonten sollten im Gesellschaftsvertrag verankert werden, um unliebsame Schätzungen und erhebliche finanzielle Nachteile zu vermeiden.

Das Ende am Anfang bedenken

Ähnlich wie der Ehevertrag am Tag der Hochzeit ein oft unliebsames Thema ist, wird auch dem Ende der Gesellschaft bei der Verfassung des Gesellschaftsvertrages häufig nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt. Genau dann, wenn die Zusammenarbeit beendet werden soll, kommt es allerdings zu den meisten Konflikten. Klare Regelungen im Gesellschaftsvertrag sparen hierbei dann Zeit, Nerven und erhebliche Kosten.

So geht beispielsweise beim Tod eines Gesellschafters die Erbschaft inklusive einer bestehenden Praxis nach § 1922 BGB grundsätzlich auf dessen Erben über. Für eine Berufsgemeinschaft in der Form der GbR sieht allerdings § 727 I BGB vor, dass die Gesellschaft mit dem Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird, was den oder die verbleibenden Gesellschafter regelmäßig zwingen wird, sich mit den Erben auseinander zu setzen. Es ist es daher dringend notwendig, entsprechende Regelungen in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen und so von vorneherein Rechtssicherheit zu schaffen – stellt die Praxis doch meist die Lebensgrundlage der einzelnen Gesellschafter dar.

Bestenfalls sollte der Gesellschaftsvertrag also vorsehen, dass die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt, der Geschäftsanteil des Verstorbenen von ihnen übernommen wird und die Erben im Gegenzug eine angemessene Abfindung erhalten. Aber auch Vorkaufsrechte einzelner Gesellschafter können vertraglich geregelt werden.

Gefahren bei ungleicher Beteiligung

Ein beliebter Weg den eigenen Berufsausstieg und die Übergabe der eigenen Praxis vorzubereiten ist die Aufnahme junger Kollegen in die Gesellschaft. Regelmäßig können die Eintretenden keine oder nur geringe Vermögenswerte einbringen und sollen auch keine weitreichenden Mitbestimmungsrechte haben.

Je nach Gestaltung des Gesellschaftsvertrages kann dann eine sogenannte Nullbeteiligung vorliegen und die Praxis als unechte Gemeinschaftspraxis zu qualifizieren sein. Wurde dies in steuerlicher Hinsicht nicht berücksichtigt, drohen unter anderem erhebliche Steuernachzahlungen.

Auch die Arbeitsteilung zweier Gesellschafter, bei der ein Gesellschafter sich hauptsächlich um Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis kümmert und selbst nur noch in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- und Behandlungsleistungen am Patienten erbringt, kann nach einem aktuellen Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (4 K 1270/19) dazu führen, dass es an der Freiberuflichkeit des Gesellschafters fehlt und so die gesamte Praxis als Gewerbebetrieb einzustufen ist. Auch hier drohen hohe Steuernachzahlungen.

Praxistipp

Auch Gesellschaftsverträge unterliegen dem Wandel der Zeit. Gerade im medizinischen Bereich sind zahlreiche Besonderheiten zu beachten, um im Rahmen der berufsrechtlich zulässigen Grenzen zu bleiben. Die leider immer wieder verwendeten frei zugänglichen Musterverträge können dieser wichtigen Funktion für die individuelle Praxisgestaltung nicht gerecht werden und sollten daher unbedingt gemieden werden. Sprechen Sie uns an – wir beraten Sie gerne.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Nadine Ettling