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Recht

Zulassung von Dentalimplantaten gemäß der neuen EU-MDR

Die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation, kurz MDR) tritt nach einer Übergangsphase zum 26. Mai 2021 vollständig und verbindlich in Kraft. Spätestens bis zum Stichtag müssen die Hersteller von Medizinprodukten die neuen Bedingungen der Verordnung erfüllt haben. Dirk Pfützner, Geschäftsführer der FMZ GmbH in Rostock und Hersteller der Implantate von Henry Schein, ist tagtäglich mit der Thematik befasst und klärt auf.

Dirk Pfützner, Geschäftsführer der FMZ GmbH. privat
Dirk Pfützner, Geschäftsführer der FMZ GmbH.
Dirk Pfützner, Geschäftsführer der FMZ GmbH.

DI: Zahnimplantate fallen gemäß EU-MDR in die Risikoklasse IIb (hohes Risiko). Was bedeutet das konkret?

Dirk Pfützner: Die Risikoklasse gibt an, wie potentiell verletzlich der menschliche Körper durch das jeweilige Produkt ist. In der Risikoklasse IIb wird ein hohes Risiko angenommen. Und abhängig von der Risikoklasse sind dann die Zulassungskriterien für ein Medizinprodukt gestaltet.

DI: Betrifft das denn alle Implantate?

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Dirk Pfützner: Es stimmt nicht, dass grundsätzlich alle Zahnimplantate in die Risikoklasse IIb fallen, auch wenn Zahnimplantate in den Übersichtsdarstellungen zum MDR häufig als Beispiel für die Risikoklasse IIb genommen werden. Zahnimplantate mit bioaktiven Oberflächen fallen in die Risikoklasse III und haben entsprechend strengere Zulassungskriterien zu erfüllen. Das haben wir beispielsweise bei den BONITex®-Implantaten von alphatech®. Die Oberfläche dieser Implantate hat nicht nur eine optimale Rauheit, sondern auch eine dünne, schnell resorbierbare CaP-Schicht, die das Anwachsen des Knochens anregt – Stichwort Osseointegration. Die BONITex®-Beschichtung gilt als bioaktiv, diese Implantate müssen deshalb strengere Zulassungskriterien erfüllen als beispielsweise unsere DUOTex®-Implantate, deren Oberfläche nur bearbeitet, aber nicht beschichtet ist.

DI: Wie relevant ist das für den Zahnarzt?

Dirk Pfützner: Wichtig ist zu verstehen, dass diese Risikoklasse von Medizinprodukten in erster Linie den Hersteller betrifft, also unter anderem die Dokumentationspflichten. Sie ist nicht zu verwechseln mit der „Risikobewertung und Einstufung von Medizinprodukten vor der Aufbereitung“, die den Zahnarzt betrifft.

DI: Was ändert sich durch die EU-MDR ab Mai für Implantat-Hersteller wie die FMZ GmbH?

Dirk Pfützner: Im Mai kommenden Jahres endet die Übergangsfrist für Neuzulassungen und Wiederzulassungen nach der alten Richtlinie. Wir haben unsere Produkte wie gesagt im vergangenen Jahr neu zertifiziert, für uns ändert sich also erst einmal nichts.

Die großen Änderungen in Bezug auf die Zulassungskriterien gab es aber ja schon davor. Die Anforderungen – zum Beispiel Marktbeobachtung, eigene klinische Studien – an uns als Hersteller wurden bereits vor einigen Jahren verschärft. Auch die Überwachungsaudits sind, abhängig von der benannten Stelle, schon seit etwa fünf Jahren wesentlich strenger und umfassender als zuvor.

Die wichtigere Übergangsfrist für uns als Implantat-Hersteller läuft im Mai 2024 aus – ab dem Zeitpunkt brauchen dann alle unsere Produkte eine Zulassung nach der neuen Richtlinie. Es gab hier Ende 2019 eine Verlängerung der Übergangsfrist, aber die betrifft nur Produkte der Klasse 1R, also z.B. wiederverwendbare Werkzeuge.

Der Aufwand und damit die Kosten für Zulassungen haben sich in den letzten Jahren vervielfacht. Das betrifft auch die regulatorischen Kosten allgemein, um Produkte am Markt zu halten, und das ist eine große Belastung für Firmen wie uns. Aber wir sehen natürlich die Intention der Gesetzgeber, also das Ziel, Medizinprodukte für die Patienten so sicher wie möglich zu machen, und dafür setzen wir uns gerne ein.

DI: Wo stehen Sie jetzt mit dem Implantatsystem alphatech und den zugehörigen Komponenten?

Dirk Pfützner: Wir haben das Implantatsystem alphatech® im vergangenen Jahr zertifiziert, damit haben wir eine Zulassung bis 2024. Und auch die Änderungen der letzten Jahre haben wir sehr gut bewältigt, weil wir bereits seit vielen Jahren höchste Anforderungen an unser QM-System stellen. Entsprechend war für unser Unternehmen die Umstellung gar nicht so groß.

Bei der Zulassung des alphatech®-Systems nach EU-MDR im Jahr 2024 rechnen wir dann zwar nochmal mit einigen Veränderungen, größere Herausforderungen sind bei der MDR aber nicht die Rezertifizierungen, sondern eher die Neuzulassungen.

DI: Was müssen implantologisch tätige Zahnärzte in Bezug auf das von Ihnen genutzte Impantatsystem jetzt wissen und beachten?

Dirk Pfützner: Für Zahnärzte gibt es in Bezug auf die Zertifizierung ihrer Implantatsysteme nach MDR keinen Handlungsbedarf. Der Ball liegt im Feld von uns Herstellern. Der Zahnarzt, der ein Implantat kauft, auf dem ein CE-Zeichen drauf ist und eine Haltbarkeit, der kann sich darauf verlassen, dass er ein zugelassenes Produkt einsetzt. Aber sie müssen natürlich wissen, wie lange sie die von ihnen genutzten Systeme einsetzen dürfen. Aber das müssen Sie heute ja auch schon, denn gamma-sterilisierte Implantate haben aufgrund der Sterilität eine begrenzte Haltbarkeit, die der Implantologe beachten muss.

Anders sieht das bei unseren Multi-Abutments aus, die vom Kunden, also im Labor oder im Praxislabor, selbst gefräst werden. Sobald das individuell bearbeitet wird, ist das Abutment kein Medizinprodukt mehr und hat dann z.B. auch kein CE-Zeichen mehr. In dem Moment sind wir als Hersteller raus aus der Haftung. Hier ist dann der Zahnarzt, das Praxislabor oder das Labor in der Pflicht, und muss zukünftig natürlich die geänderten Anforderungen an das QM-System, die Aufbewahrungspflichten etc. einhalten. Aber das ist ja grundsätzlich heute schon so, an dem Prinzip hat sich durch die MDR nichts geändert.

Herausforderungen können sich hier eher für den Hersteller ergeben. Etwa, wie vielerorts geschehen, wenn die benannten Stellen geschlossen werden. Dann verkauft ein Hersteller zertifizierte Produkte, zu denen es aber die zugehörige benannte Stelle nicht mehr gibt. Aber auch das betrifft, wie gesagt, den Implantologen nicht.

DI: Wird die EU-MRD Einfluss nehmen auf die Vielfalt an Dentalimplantaten?

Dirk Pfützner: Womit Zahnärzte allerdings rechnen müssen, ist, dass einige Produkte vom Markt verschwinden werden, auch Hersteller werden verschwinden. Wir werden vermutlich eine Marktkonzentration erleben. Die großen Implantat-Hersteller werden sich mit Sicherheit behaupten, und die haben ja einen ganz überwiegenden Teil des Marktes unter sich aufgeteilt.

DI: Vielen Dank für das Interview!

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