Einteilige Kugelkopf-Implantate – Kniffe und Tricks für den „Klassiker“-Alltag

Um Vollprothesen auch bei einem atrophierten Kieferkamm sicheren Halt zu geben, werden diese mit einteiligen Kugelkopf-Implantaten fixiert. Vielfach werden dafür durchmesserreduzierte „Mini“-Implantate inseriert – minimalinvasiv ohne Bildung von Mukoperiostlappen. Implantologe Dr. Armin Nedjat zeigt in diesem Artikel eine Alternative dazu auf.
Seit 1994, also seit Beginn meiner implantologischen Tätigkeit, inserierte ich einteilige Implantate zur Stabilisierung von Prothesen. Die Ergebnisse waren erfolgversprechend und gleichzeitig vorhersehbar, und doch gibt es einige Punkte, die es zu beachten gilt. In diesem Artikel lege ich Kniffe und Tricks dar, damit es auch in Ihrem Workflow-Alltag optimal läuft.
1. Material
Titan-Implantate sollten immer aus dem immunologisch unbedenklichen 99 % Rein-Titan (Titan Grad 4) bestehen. Titan Grad 5, das Material aus dem viele durchmesserreduzierte „Mini“-Implantate hergestellt sind, enthält 6 % Aluminium- und 4 % Vanadium-Anteile (Ti-6Al-4V) und gilt wegen möglicher immunologischer Reaktion als bedenklich. Steinemann [1] belegte in seiner Studie Reaktionen des Zahnfleisches auf den Vanadium-Anteil des Materials, und Rao et al. [2] konnten sogar einen Zusammenhang zwischen Alzheimer-Erkrankung und den Aluminium-Anteilen im Titan Grad 5-Material erkennen.
Champions-Implants produziert seine ein- und zweiteiligen Systeme in sämtlichen Durchmessern – auch die ø 2,5 mm – ausschließlich aus kaltverformtem Titan Grad 4. Mein Standard-Durchmesser ist im Unterkiefer übrigens ø 3,0 mm und im Oberkiefer ø 4,0 mm. Unbedingte Voraussetzung für eine Sofortbelastung ist eine „balancierte“, okklusal gut eingestellte Prothese.
2. Planung
Die optimale statische Positionierung von vier einteiligen Kugelkopf-Implantaten ist: 4 – 2 – 2 – 4. Um ein intraoperatives Aufklappen zur Darstellung des Foramen mentale vermeiden zu können, bediene ich mich präimplantologisch röntgensichtbarer Medien, z. B. Stahlkugeln, ø 5 mm, die man bukkal regio 44 und 34 mit Kunststoff auf der Prothese (wenn möglich ohne MEG) fixiert. Liegen dann die Foramina (rote Kreise auf Seite 180) distal der Stahlkugeln, so kann man die Prothese okklusal an 34 und 44 mit Löchern versehen, durch die dann mit dem „gelben“ konischen Dreikantbohrer die ersten Pointierungen für die Pilotbohrungen erfolgen.
Die Prothese wird also zu einer „Bohrschablone“ umfunktioniert. Alternativ oder auch zusätzlich kann man auch die CHAMPIONS Implantat Guides als Schablone (nach Steri immer wiederverwendbar) vorbereiten, mit dessen Hilfe man sehr einfach die idealen Positionen der Implantate ermitteln kann.
Beim Unterkiefer ist es gut zu wissen, dass man bei einem unbezahnten Patienten durchaus durch den Mentalis-Loop bohren, Knochen-Kavitäten aufbereiten und implantieren kann, da dieser nur die vorderen Frontzähne innerviert. Diese Tatsache erleichtert so Manchem die Planung und Befürchtungen. Bleiben Sie bitte nur ca. 2 mm mesial der beiden Foramina und führen ggfs. auch radiologische Kleinröntgenbild-Messaufnahmen, z. B. mit Condensern, durch.
3. Chirurgie
Die Chirurgie ist einfach, wenn man CNIP (Cortical Navigated Implantation Procedure) und MIMI (minimal-invasive Methodik der Implantation) verstanden hat und routiniert anwendet. Für meine ø 3,0 mm Standard-Kugelkopf-Implantate in 10 mm bereite ich transgingival 14 mm (!!) auf die volle Arbeitslänge aus. Diese berechnet sich wie folgt: 2 mm Gingiva plus 2 mm „Hals“ des Implantats, so dass sich die Kugeln weniger als 1 mm supragingival befinden und wir sogar 1 mm subkrestal implantieren.
Dies erspart viel Arbeitszeit, es entstehen keinerlei Hebelmöglichkeiten und die Chance, ohne Unannehmlichkeiten selbst die MMT-Matrizen in die Prothese einarbeiten zu können (keine unter sich gehenden Stellen bei den Matrizen). Zwei konische Dreikantbohrer („gelb“ und „weiß“) genügen, um die Kavitäten mit einem grünem Winkelstück (kein Mikromotor erforderlich!) in einem „normalen“ Unterkieferknochen mit etwa 50-250 U/min ohne Wasserkühlung aufzubereiten. Die Kavitäten werden regelmäßig mit einer flexiblen Metallsonde in allen fünf Dimensionen überprüft und die Implantate mit 20-50 Ncm mittels langsamen, kleinen Ratschenbewegungen inseriert.
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Abb. 3: Mit den Champions Implantat Guides kann man auch bei einem zahnlosen Kiefer die ideale Implantatposition finden.
© Dr. Nedjat -
Abb. 4: Mit den Champions Implantat Guides kann man auch bei einem zahnlosen Kiefer die ideale Implantatposition finden.
© Dr. Nedjat
Ein „Anfänger-Fehler“ ist das zu weite bukkale Aufbereiten der Kavitäten! Deshalb fangen „Routinierte“ immer von lingual kommend mit der Präparation an, richten während des langsamen Bohrens die Bohrer – CNIP-navigiert – auf. Dadurch werden Perforationen ausgeschlossen, die bukkale Wand („Die heilige Wand der Chirurgen“) bleibt vollumfänglich erhalten.
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Abb. 5: Das regio 34 aufbereitete Implantat ist ca. 2 mm zu weit bukkal aufbereitet und inseriert
worden. Die bukkale Knochenwand ist relativ dünn und die Matrize könnte in der Prothese ästhetische
Probleme verursachen. Die Implantatpositionierungen in regio 32 und 44 sind dagegen perfekt.
© Dr. Nedjat -
Abb. 6: Das regio 34 aufbereitete Implantat ist ca. 2 mm zu weit bukkal aufbereitet und inseriert
worden. Die bukkale Knochenwand ist relativ dünn und die Matrize könnte in der Prothese ästhetische
Probleme verursachen. Die Implantatpositionierungen in regio 32 und 44 sind dagegen perfekt.
© Dr. Nedjat
Auch die so wichtige „befestigte Gingiva“ wird bukkal der Implantate auf jeden Fall vorhanden sein. Beim finalen Inserieren der Implantate achten wir darauf, dass eine der vier abgeflachten Seiten der Kugeln nach bukkal gerichtet ist, um in der prothetischen Phase ein oftmaliges Auswechseln der O-Ringe in den Metallgehäusen MMTs zu vermeiden.
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Abb. 7: Chirurgie und Prothetik funktionieren prinzipiell auch im Oberkiefer, wobei dort besser die blauen O-Ringe in den MMT-Matrizen zur Anwendung gelangen, um Hebel beim Ausziehen der Prothese durch einen zu starken Halt (mit braunen O-Ringen) zu vermeiden
© Dr. Nedjat -
Abb. 8: Chirurgie und Prothetik funktionieren prinzipiell auch im Oberkiefer, wobei dort besser die blauen O-Ringe in den MMT-Matrizen zur Anwendung gelangen, um Hebel beim Ausziehen der Prothese durch einen zu starken Halt (mit braunen O-Ringen) zu vermeiden
© Dr. Nedjat
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Abb. 9: Chirurgie und Prothetik funktionieren prinzipiell auch im Oberkiefer, wobei dort besser die blauen O-Ringe in den MMT-Matrizen zur Anwendung gelangen, um Hebel beim Ausziehen der Prothese durch einen zu starken Halt (mit braunen O-Ringen) zu vermeiden
© Dr. Nedjat -
Abb. 10: Chirurgie und Prothetik funktionieren prinzipiell auch im Oberkiefer, wobei dort besser die blauen O-Ringe in den MMT-Matrizen zur Anwendung gelangen, um Hebel beim Ausziehen der Prothese durch einen zu starken Halt (mit braunen O-Ringen) zu vermeiden
© Dr. Nedjat
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Abb. 11: Chirurgie und Prothetik funktionieren prinzipiell auch im Oberkiefer, wobei dort besser die blauen O-Ringe in den MMT-Matrizen zur Anwendung gelangen, um Hebel beim Ausziehen der Prothese durch einen zu starken Halt (mit braunen O-Ringen) zu vermeiden
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Abb. 12: Chirurgie und Prothetik funktionieren prinzipiell auch im Oberkiefer, wobei dort besser die blauen O-Ringe in den MMT-Matrizen zur Anwendung gelangen, um Hebel beim Ausziehen der Prothese durch einen zu starken Halt (mit braunen O-Ringen) zu vermeiden
© Dr. Nedjat
4. Prothetik
Die Einarbeitung der MMT-Matrizen erfolgt unmittelbar post implantionem in Sofortbelastung: a) ’Chair-side‘ mit „Fiber Force“ (Vertrieb über Champions-Implants GmbH) oder b) über eine Abformung mit Prothese (bei gleich optimiertem Biss wie vor der Operation), aber ohne Matrizen über ein zahntechnisches Labor. Hierbei werden gleich nach der radiologischen Chirurgie-Kontrolle kleine Fenster vestibulär und lingual in der Prothese eingebracht, um alleine die Implantate unter retralem Prothesen-Biss abzuformen. Ein weiterer Vorteil dieser „Fenster“: Es kommt zu keinen Druckstellen und Bisserhöhungen, da das überschüssige Material durch die Fenster abgeführt wird.
Fazit
Statt Mini-Implantate aus dem nicht ganz unbedenklichen Material Titan Grad 5 transgingival ohne Bildung von Mukoperiostlappen zu inserieren, stehen Implantologen Kugelkopf-Implantate aus Titan Grad 4 ab einem Durchmesser von ø 2,5 mm zur Verfügung. Wer zudem diese nach dem minimalinvasiven Insertionsprotokoll „MIMI“ inseriert, kann selbst bei einem Kieferknochenangebot von 4 mm Breite sicher Implantate inserieren. Ohne großen chirurgischen Aufwand für den Implantologen und ohne große Kosten für den Patienten kann deren Lebensqualität ganz erheblich gesteigert werden.
Unter Beachtung der Mindestanzahl von Implantaten pro Kiefer (Konsensuskonferenz Implantologie, im UK: 4, im OK mindestens 6 Pfeiler) ist das Verfahren auch in Sofortbelastung vollends etabliert: Sofortbelastung. „Feste Zähne in einer Stunde“, der Praxis-Workflow und nicht zuletzt Bezahlbarkeit für den Patienten und Hygienefähigkeit der Gesamtbehandlung/Versorgung seitens der Patienten lassen „den Klassiker“ in der Implantologie immer wieder erfolgreich und nachhaltig in unseren Praxen zum Tragen kommen.