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Erfahrungsbericht

Wann implantiere ich einteilige, wann zweiteilige Implantate?


Noch vor wenigen Jahren wurden in manchen Implantologiefachkreisen einteilige Implantate verpönt oder gar verspottet. Sie galten als „keine richtigen Implantate“ oder als „Provisoriums- bzw. Interimsimplantate“. Doch heute sind einteilige Implantate aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, zumal bei festsitzendem Zahnersatz sehr elegant und leicht Pfeilerdivergenzen bis zu 40 Grad ausgeglichen werden können. Auch der Siegeszug der „Mini-Implantate“ mit kleinem Durchmesser von weniger als 3,0 mm ist zur Stabilisierung von herausnehmbarem Zahnersatz und zur natürlichen Restzahndentition-Unterstützung weltweit nicht mehr aufzuhalten. Die Frage, wann ich bevorzugt einteilige, wann zweiteilige Systeme implantiere, beantworte ich nachfolgend sehr subjektiv, dennoch hoffe ich, die Kernfrage für alle Leser plausibel zu erörtern.

Die Frage nach dem Divergenzausgleich ist bei einteiligen Champions-Implantaten beispielsweise schon seit Jahren beantwortet: Hier gibt es „Prep Caps“ aus Zirkon oder Titan, die - ohne die Möglichkeit, dass Zement nach apikal abgleiten kann - direkt post OP und nach Röntgenkontrolle einfach über die konischen Titanpfeiler mit „Haltenuten“ zementiert. Diese „Prep Caps“ gibt es in verschiedenen Gingiva- und Arbeitshöhen, was die Arbeit der behandelnden Prothetiker erleichtert. Nach Erreichen der geforderten Primärstabilität von Implantaten (als einer der Erfolgsfaktoren der Chirurgie bezüglich der Implantation) ist es obligat und unverzichtbar, einteilige Implantate für 6 bis 8 Wochen post OP so zu stabilisieren, dass auf sie keine lateralen Mikrokräfte ausgeübt werden können. Die Anfertigung eines solchen oft verklebten Provisoriums erfordert fast genau so viel Zeit wie das Implantieren selbst. Weiterer Schwachpunkt der einteiligen Implantate ist die Mitarbeit der Patienten! Diese müssen verstehen, dass nach der erfolgreichen Insertion erst die „erste Schlacht gewonnen wurde“ und dass alle Implantate ihre physiologische Schwächephase erst ab der 2. Woche post OP haben. Erst mit Erreichen der 8. Woche post OP - bei Erreichen der Sekundären Osseointegrations-Stabilitäts-Phase – ist der Krieg gewonnen. „Essen Sie nur das, was Sie als Patient auch mit der Zunge kleinkriegen können!“ sind Standardanweisungen, die ich z. B. den Patienten, die mit einteiligen Implantaten versorgt werden, mit auf den Weg gebe. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass unsere Anweisungen befolgt werden.

Entsprechend der Studie, die ich mit 5.000 einteiligen Implantaten Ende der 90er Jahre durchgeführt habe (wöchentliche Periotest-Messungen) leitete ich ab, dass wenn man mindestens vier Pfeiler zur Verfügung hat, innerhalb der ersten zwei Wochen der definitive Zahnersatz angefertigt und spannungsfrei eingegliedert werden kann bzw. sogar sollte.

 

Sogenannte Tulpen (oder einteilige Kugelköpfe) werden von mir immer sofort belastet, achte ich jedoch auf die von der Konsensuskonferenz Implantologie geforderte Mindestanzahl von Pfeilern: Beim herausnehmbaren implantatgestützten Zahnersatz in Sofortbelastung belasse ich bei einer Oberkiefer-Vollprothese den Gaumenanteil der Prothese. Erst 8 Wochen nach OP entferne ich den Kunststoff in der Palatum-Region. Auch lasse ich mir vom Patienten gleich einen Tag - also nach Einarbeitung der Matrizen oder Preci-Clix - zeigen, wie er seine Prothese aus- und wiedereingliedert. So können unerwünschte und übermässige laterale Scherkräfte auf die einteiligen Implantate verhindert werden, was wiederum den Implantatverlust vermeiden kann. Die Aufklärung der Patienten gilt als wichtige Basis für den Gesamterfolg der Implantation mit einteiligen Implantaten.

 

In der Regel ist die Versorgung für festsitzenden Zahnersatz auf mindestens vier stabilen Pfeilern innerhalb der ersten 14 Tage, wenn es im MIMI®- flapless-Verfahren durchgeführt wird, überhaupt kein Problem! Die minimal-invasive Methodik der Implantation ohne Mukoperiostlappen-Bildung ist jedoch sicherlich nicht jedem Implantologie- Anfänger zu überlassen. Auch wenn es in diversen OP-Filmen sehr einfach aussieht, gehört ein gehöriges Stück Erfahrung und Know-How dazu, um ein versierter „MIMInologe“ zu werden. Grundlage ist grundsätzlich die klassische Implantologie unter direkter Sicht auf den Knochen. Die Patienten danken es Ihnen, empfehlen Ihre Praxis weiter und so können mit steigender Erfahrung jährliche Stückzahlen von 600 bis 2.000 Implantaten zustande kommen. Was natürlich nicht vergessen werden darf, ist der Gesamtpreis bzw. der Eigenanteil für den Patienten. Wenn für eine Full-Arch-Restauration 17-27 beispielsweise zwölf Implantate „nur“ 1.000 Euro kosten (inklusive diversen Prep-Caps) und das Labor bei unter 3.000 Euro liegt, so wird diese Art von Versorgung auch für die Normalbevölkerung bezahlbar. Wenn ich eine Totalprothese (egal wieviel Implantate und in welchem Kiefer) mit Tulpen versehe, dann bezahlt der Patient nur selten mehr als 3.800 Euro.

 

Natürlich haben platform-geswitchte, bakteriendichte, zweiteilige Implantate keinesfalls ihre Daseinsberechtigung verloren, doch dürfen diese dann im Ganzen (inkl. Abutment, Gingivaformer und sonstigem Zubehör) nicht wesentlich teurer sein als ihre einteiligen Mitbewerber. Auch das zahntechnische Labor sollte nicht drastische Mehrkosten für Kronen zweiteiliger Implantatsysteme verlangen.

Zweiteilige Systeme halte ich bei normalem bis breitem Knochen und bei einer Pfeileranzahl unter vier für indiziert. Da wo idealerweise auf eine Sofortbelastung der Implantate verzichtet wird. Es entfällt hierbei komplett die Provisorienerstellung auf den Implantaten. Bei den Champions®-Implantaten wird direkt post OP nur ein Gingiva-Clix - erhältlich in sechs Höhen und Durchmessern - auf den Shuttle gesteckt. Dieser dient als Gingiva-Former. Im Frontbereich besitzt der Patient meist noch eine provisorische Prothese, die er noch weitere zwei Monate trägt. Im MIMI®-flapless-Verfahren entfällt die „navigierte Präparation“ der Pfeiler komplett. Auch die geschlossene Abformung bei den Champions (R)Evolutions® ist mit wenigen Handgriffen, ganz ohne Wiedereröffnung der Gingiva, ohne Anästhesie und Röntgenkontrolle, in wenigen Minuten zu bewerkstelligen.

  • 99-jährige Patientin wünscht sich zum 100. Geburtstag schöne Zähne: 4 Tulpenkopf-Implantate in situ. Situation direkt post OP.

  • 99-jährige Patientin wünscht sich zum 100. Geburtstag schöne Zähne: 4 Tulpenkopf-Implantate in situ. Situation direkt post OP.
Selbst schmale Kiefer im D1 Knochen sind mit der von Dr. Ernst Fuchs-Schaller (Schweiz) mitentwickelten MIMI-flapless-II Methodik faszinierend zu begegnen und mit zweiteiligen Systemen optimal lösbar. Die Insertion der zweiteiligen Champions (R)Evolution®-Implantate erfolgt über einen ab Produktionswerk mit nur 10 Ncm am Implantat fixierten „Shuttle“. Mit dessen Hilfe sind - auch bei Primärstabilitäten von bis zu 80 Ncm - keinerlei Deformierungen der labilen Implantatgrad 4-Aussenwand zu konstatieren. Daraus folgt: keine Abutment- Lockerungen in der prothetischen Phase.

Einzelzahnimplantate erfahren bis zum Einsetzen der Krone keinerlei Kontamination im Inneren, da der Shuttle nach Beendigung der Implantation in der Regel einfach in situ verbleibt. Selbst die Abformung erfolgt transgingival über den Shuttle. Das Implantat bleibt in den so wichtigen ersten 8 Wochen post OP in seinem Inneren völlig steril. Der physiologische Knochenabbau wird beim (R) Evolution® durch verschiedene Faktoren verhindert, auch weil die Gingiva in der prothetischen Phase nicht wiedereröffnet werden muss. Platform Switching und die Sterilität im Innenhohlraum zweiteiliger Implantate spielen sicherlich ebenfalls eine Rolle, um den Knochenabbau zu verhindern. Das Prozedere ist also bei diesen zweiteiligen Champions-Implantatsystemen dasselbe wie bei einem einteiligen.

Zusammenfassung

Sowohl einteilige als auch zweiteilige Systeme haben ihre Daseinsberechtigung. Beide können inzwischen im MIMI®-flapless-Verfahren eingesetzt werden. Reine Chirurgen bevorzugen zweiteilige Systeme, weil die Themen „Provisorium“ und „Patientenmitarbeit“ dort keine so grosse Rolle spielen. Langzeituntersuchungen und Studien vieler Systeme zeigen, dass Implantat-Durchmesser-Reduzierungen mit einer optimaleren periimplantären Knochen-Ernährung einhergehen, sofern die geforderten Primärstabilitäten in der OP erreicht werden. Die Aufklärung der Patienten spielt gerade nach Insertion einteiliger Implantate eine grosse Rolle.

  • Nach MIMI- flapless-Implantation wird der WIN! Clix einfach über den Shuttle geklickst und verbleibt acht Wochen ohne Provisorium. Aus dem Zahnfleisch heraus sollte maximal 1 mm Shuttle und Clix herausragen, um laterale Scherkräfte auf das Implantat gänzlich auszuschliessen.
  • Nach acht Wochen wird der Clix abgenommen, die kleine Halteschraube Shuttle/ Implantat per Hand entfernt und mit einem sog. Shuttle-Abzieher im Uhrzeigersinn der Shuttle vom (R)Evolution erstmalig abgenommen. Keine Deformierung der dünnen Titan-Wand während der Implantation bis zu 70 Ncm sowie die bis dato verbliebene Sterilität des Implantatinneren bedeuten optimale Periimplantitis-Prophylaxe in der „Einheilphase“.
  • Nach MIMI- flapless-Implantation wird der WIN! Clix einfach über den Shuttle geklickst und verbleibt acht Wochen ohne Provisorium. Aus dem Zahnfleisch heraus sollte maximal 1 mm Shuttle und Clix herausragen, um laterale Scherkräfte auf das Implantat gänzlich auszuschliessen.
  • Nach acht Wochen wird der Clix abgenommen, die kleine Halteschraube Shuttle/ Implantat per Hand entfernt und mit einem sog. Shuttle-Abzieher im Uhrzeigersinn der Shuttle vom (R)Evolution erstmalig abgenommen. Keine Deformierung der dünnen Titan-Wand während der Implantation bis zu 70 Ncm sowie die bis dato verbliebene Sterilität des Implantatinneren bedeuten optimale Periimplantitis-Prophylaxe in der „Einheilphase“.

  • Ein klassisches Abutment, welches inzwischen auch mit Multi-Unit-Abutments (verschraubbarer ZE) ergänzt wurde.
  • Ein klassisches Abutment, welches inzwischen auch mit Multi-Unit-Abutments (verschraubbarer ZE) ergänzt wurde.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Prof. (Assoc. PMS Science & Research) Dr. Armin Nedjat

Bilder soweit nicht anders deklariert: Prof. (Assoc. PMS Science & Research) Dr. Armin Nedjat