Wenn die Periimplantitis einmal zugeschlagen hat, ist es oft zu spät

Zunehmend stellen periimplantäre Entzündungsprozesse nach der prothetischen Versorgung für den Behandler besondere Herausforderungen dar. Doch einen Standard für die Therapie der periimplantären Mukositis oder Periimplantitis gibt es bis heute nicht [1]. Periimplantitis-Prävention beginnt daher schon mit der Planung der Versorgung und der Auswahl des Implantats.
Parodontale Therapie
Verbliebene, auf BOP positive Parodontaltaschen über 5 mm sind ein Risiko für periimplantäre Entzündungen [1]. Eine effektive Parodontaltherapie mit dem Ziel diese Taschen zu reduzieren und das Commitment des Patienten für ein parodontales Erhaltungsprogramm ist daher vor dem Setzen des Implants unbedingt notwendig. Auch wenn diese Punkte jedem implantologisch tätigen Zahnarzt durchaus bewusst sind, geraten diese Voraussetzungen für eine optimale Parodontitis-Prävention unter dem Druck des Praxisalltags, mangelnder Absprachen zwischen Chirurgen und Prothetiker oder dem eindringlichen Patientenwunsch schon mal in den Hintergrund.
Planung der prothetischen Versorgung
Dreh- und Angelpunkt für eine präventiv ausgelegte Behandlungsplanung ist die Entscheidung für abnehmbare oder festsitzende Strukturen und deren Gestaltung auf der Basis des backward plannings. Dort werden die Weichen gestellt, inwieweit der Patient in Zukunft die Implantatsuprastruktur selbst reinigen kann. Auch sollte bereits in der Planungsphase mit dem Patienten besprochen werden, was im Rahmen der häuslichen Mundhygiene erforderlich ist. Jeder Patient muss darüber aufgeklärt werden, dass diese häusliche Mundhygiene allein nicht als Erhaltungstherapie des Implantats ausreicht, sondern dass regelmässige Nachsorgetermine einzuhalten sind.
Verschraubte Versorgung
Ziel der prothetischen Planung sollte ? wann immer möglich ? die verschraubte Restauration sein. Verschraubte Versorgungen helfen, die Gefahr von Entzündungen durch zurückgelassene Zementreste zu umgehen. Auch wenn mit Hilfe individuell gefertigter Abutments heutzutage die Kontrolle und Entfernung von Zementresten vereinfacht wird, so kann dieser Zement auch nach Jahren noch die Ursache für Periimplantitis sein [2]. Verschraubte Restaurationen erleichtern auch die ästhetischen Anpassungen und die reinigungsfreundliche Gestaltung von Brückenzwischengliedern, wie sie als Reaktion auf periimplantäre Knochenumbauvorgänge bisweilen notwendig wird.
Die full contour crown oder monolithische Krone ist dabei die Königin der Versorgungen, wenn es um die Einhaltung der biologischen Prinzipien geht. Bestmöglich auf die Materialanforderungen der Keramik abgestimmt, auf der Grundlage von Titanbasis (Abb. 1) oder individuellen Abutments (Abb. 2) gefertigt ? wird sie im Labor unter idealen Bedingungen verklebt.
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Abb. 1: Full contour crown: Individuell gefertigt auf der Thommen Titanbasis für CAD/CAM. Der kleine Schraubenkanal erlaubt Dimensionierung nach funktionellen und ästhetischen Anforderungen (Mit freundlicher Genehmigung von D. Bettosini, dentaltechnik-bettosini.ch, Bern).
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Abb. 2: Angulierte Schraubenkanäle in individuellen Abutments erlauben heute auch verschraubte Lösungen bei größeren Implantatdivergenzen (mit freundlicher Genehmigung von Heraeus Kulzer).
Bis vor wenigen Jahren waren direkt verschraubte Brückenkonstruktionen bei grösseren Implantatdivergenzen nicht möglich, da entweder der Schraubenaustrittskanal an einer ästhetisch unvorteilhaften Stelle lag oder der Zugang für den Schraubendreher durch Nachbarzähne versperrt wurde. Diese Probleme sind heutzutage mit schräg angesetzten Schraubenkanälen innerhalb einer Kronen- oder Brückenkonstruktion lösbar. Es empfiehlt sich vor der Implantation zu prüfen, inwieweit ihr Implantatsystem von den CAD/CAM-Herstellern bei der Fertigung solcher verschraubten Lösungen unterstützt wird.
Auswahl von Implantatgeometrie und Oberflächenbeschaffenheit
Auch die richtige Wahl des Implantats kann dazu beitragen, dass das Weichgewebe im Durchtrittsbereich des Implantats seine schützende Funktion voll entfaltet. Soft tissue Implantate mit maschiniertem Hals bieten vielfältige Vorteile gegenüber Implantatsystemen, deren angeraute Oberfläche bis zur Implantatschulter reicht. Zum einen schützt die Gingivamanschette um den maschinierten Hals die implantatintegrierenden Knochenanteile. Das sich an der glatten Oberfläche des Halses anlagernde Weichgewebe hat eine wichtige protektive Funktion, indem es den transepithelialen Durchbruch des Implantats gegen die Mundhöhle abschliesst [3] und somit vor der Invasion von parodontalpathogenen Keimen schützt.
Zum anderen wird bei rauen Implantatoberflächen ohne maschiniertem Hals die Entwicklung und Persistenz von Biofilm erleichtert [4]. Plaqueanlagerungen können in jedem Fall vom maschinierten Hals deutlich einfacher entfernt werden ? bevor sich die bakterielle Infektion auf die rauen Implantatoberflächen ausbreitet und sich zu einer unkontrollierbaren Periimplantitis ausweitet.
In-vivo Experimente konnten außerdem zeigen, dass hydrophile maschinierte Oberflächen einen positiven Effekt auf die bindegewebige Heilung haben. Die Zahl der Blutgefässe im Bindegewebe – verantwortlich für die bessere Heilung aber auch für die immunologische Abwehr – sind auf maschinierten, hydrophilen Flächen deutlich erhöht [5] (Abb. 3).
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Abb. 3: Ein hydrophiler Implantathals verbessert die Weichgewebsintegration.
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Abb. 4: Weichgewebsintegration über den maschinierten Hals.
Eine Auswahl verschieden hoher maschinierter Hälse eröffnet auch klinisch vielfältige prothetische Perspektiven: Ein Implantat mit einem besonders langen maschinierten Hals kann beispielsweise dann gezielt eingesetzt werden, wenn besonders viel Augenmerk auf eine gute Reinigung der Suprastrukturen gelegt wird. Die Anwendung von Interdentalbürstchen ist für den Patienten dann besonders einfach, weil dem Zahntechniker genug Möglichkeiten für die „putzfreundliche“ Gestaltung der Suprakonstruktion gelassen wird. Eine solch vorwiegend funktionell ausgelegte Versorgung profitiert außerdem davon, dass die Distanz der Implantatverbindung zum Knochen recht weit ist. Dies beeinflusst sowohl das bone remodelling als auch die Weichgewebsdimensionen positiv. Die Ästhetik und Langzeitprognose des Implantats verbessert sich entscheidend. Suprakrestal gesetzte Implantate mit weniger ausgeprägten maschinierten Halsanteilen sind hingegen für alle Standardsituationen geeignet, wo geringere okklusale Abstände oder dünnere Gingivatypen keinen breiteren Hals zulassen. Das Prinzip der Weichgewebsintegration über den maschinierten Hals bleibt jedoch bei allen Längen des Halses erhalten (Abb. 4).
Wird der maschinierte Hals des Implantats und der Halsbereich des Abutments schon in der Planung als eine Einheit betrachtet, lassen sich mit nur wenigen (standardisierten) Abutments kostengünstige Lösungen finden, die auch noch andere klinische Vorteile bieten.
Dr. Annika Meyer, Lörrach