Anästhesie

Die technische, wissenschaftliche und klinische Entwicklung

Jubiläum: 100 Jahre intraligamentäre Anästhesie

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Schmerzausschaltung vor zahnmedizinischen Maßnahmen ist Voraussetzung für die Compliance des Patienten. Weltweit gelehrt und weitgehend praktisch angewandt wird zur Schmerzausschaltung im OK- und UK-Frontzahnbereich die Terminalanästhesie und im UK-Seitenzahnbereich, wo die Infiltrationsanästhesie wegen der dichten Compacta nicht angewendet werden kann, die intraorale Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior. Eine weitere Variante der dentalen Schmerzausschaltung gewinnt zunehmend an Akzeptanz: Die intraligamentäre Anästhesie.

Eine der ersten Veröffentlichungen über die Möglichkeit einer Einzelzahnanalgesie durch Injektion von Lokalanästhetika in das Ligamentum circulare erschien 1925 als Promotionsarbeit von Charles-Louis Bourdin: „L’Anesthésie par l’injection intra-ligamentaire pour l’extraction des dents“ [2].
Bourdin kommt bereits 1925 zu folgenden Schlussfolgerungen:

  • Die Anästhesie durch intraligamentale Injektion ist die logischste, da sie die Anästhesieflüssigkeit genau an den Eingriffsort bringt.
  • Sie ist weniger toxisch, da nur wenige Tropfen Flüssigkeit für jede Intervention ausreichen.
  • Da nur Gewebe infiltriert werden, die im Verlauf der Operation
  • (der Extraktion) zerstört werden, bietet sie keine Ansatzpunkte für Risiken von Infektionen.
  • Die Wirkung der intraligamentäre Anästhesie tritt rasch ein und ist dauerhaft.

Erste Nennung im Jahr 1920

Die Technik der intraligamentalen Injektion wurde erstmals von Chompret (1920) [3] im Detail beschrieben. Bourdin (1925) berichtet darüber und nimmt in seiner Dissertation darauf Bezug.
Wörtlich zitiert er Chompret:

„Folgendermaßen operiere ich: Ich benutze eine Spritze mit einem Zylinder und einem vollkommen dichten Kolben, […], wenn sie gut reguliert sind. Ich nehme eine Kanüle so dünn wie möglich, beispielsweise eine auswechselbare Kanüle mit einer Länge von etwa 1 cm, deren Anschliff kurz und spitz ist, damit sich einerseits die Spitze nicht verbiegt und andererseits keine zu lange Penetration ohne Verdrängung von Flüssigkeit in das Gewebe erforderlich ist. 

Dann injiziert man je einen Tropfen Anästhesielösung an der mesialen und distalen Seite des zu extrahierenden Zahnes. Auf diese Weise ist das Ligamentum circulare schnell analgesiert und die Wirkung des Anästhetikums umfasst sowohl die gingivale wie die alveoläre Seite.

Nun beginnt die zweite Phase, während der die Anästhesielösung ins intraalveoläre Ligament injiziert wird. Dafür hält man die Spritze fast senkrecht, d. h. sie bildet zur Achse des Zahnes einen Winkel von kaum mehr als 20°. Die Kanüle wird mit der Spitze am Zahnhals angesetzt, entweder mesial oder distal, durch das Ligamentum circulare geführt und allmählich ganz gleichmäßig so weit wie möglich in den Zahnhalteapparat Richtung Apex gedrückt, ohne dabei den Kontakt zum Zahn zu verlieren. Wenn kein weiterer Vorschub mehr möglich ist, wird die Injektion vorgenommen, die immer nur eine winzige Menge Anästhetikum erfordert.

Auf diese Weise wird erst eine Einspritzung auf der mesialen Seite des Zahnes durchgeführt, gefolgt von einer auf der distalen Seite. Dies reicht vollständig für Schneidezähne, Eckzähne und Prämolaren. Bei den Molaren erfolgt ebenfalls eine Injektion ins alveoläre Ligament und zwar auf der vestibulären und auf der lingualen Seite. Dabei spielt der Applikationspunkt der Einspritzung keine große Rolle, sofern die Kanüle 2 bis 4 mm in den Zahnhalteapparat (ins Parodontium) eindringen kann.“

Die von Chompret (1920) und von Bourdin (1925) verwendeten und beschriebenen Spritzen und Injektionsnadeln erforderten vom ILA-Anwender ein hohes Maß an Sensibilität und Kraft zur intraligamentalen Injektion von Anästhetikum ins Ligamentum circulare. Erst mit der Entwicklung von sogenannten Druckspritzen, mit denen die vom Behandler aufgebrachte Kraft über ein mehrstufiges, integriertes Hebelsystem verstärkt wurde, war es möglich, die Anästhesielösung gegen den Widerstand des Desmodontalgewebes (back-pressure) mit geringer Kraftaufwendung in das Ligament zu applizieren.

Seit den 1970er Jahre stehen Injektionssysteme zur Verfügung, bei denen die vom Behandler aufgebaute Injektionskraft so verstärkt wird, dass der Gewebsgegendruck problemlos überwunden und die Anästhesielösung mit hohem Druck ins Desmodont appliziert werden kann.

Wissenschaft und Technik

Wegen der bekannten unerwünschten Effekte der Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior sollte die behandelnde Zahnärztin/der behandelnde Zahnarzt überprüfen, ob die intraligamentäre Anästhesie (IL-A) diese allgemein angewandten Methoden der örtlichen dentalen Betäubung kompensieren kann. Alle in der Literatur angesprochenen Komplikationen der intraligamentären Anästhesie, d. h. histologisch feststellbare Gewebstraumatisierungen [6,7,12,13,16] und Nekrosen, Bakteriämien, Injektionsschmerzen sowie ungewünschte Effekte wie Elongationsgefühl und Druckschmerz nach Abklingen der Analgesie stehen im direkten Zusammenhang mit den jeweils verwendeten Instrumenten (ILA-Spritzen) und ihrer Handhabung.

Alle relevanten Fragen zu diesen Effekten sind durch Studien beantwortet – sie sind nicht mehr von Relevanz [1,9]. Seit den 1970er Jahren hat es eine technische Entwicklung der Injektionssysteme gegeben, die bei der Erreichung des Anästhesieeffekts der IL-A in Betracht gezogen werden müssen. Der Druckaufbau und die Anwendung am Patienten ist so unterschiedlich, dass ein direkter Vergleich nur sehr bedingt möglich ist.

Entwicklung der Spritzentypen

Die 1. Generation der ILA-Spritzen sind die Pistolen-Spritzen – ohne und mit Druckbegrenzung (Abb. 1 und 2). Die 2. Generation der ILA-Spritzen sind die Dosierhebel-Spritzen, die Mitte der 1980er Jahre eingeführt wurden (Abb. 3). Seit Beginn dieses Jahrhunderts stehen ILA-Spritzen ohne ein integriertes, mehrstufiges Hebelsystem zur Verstärkung des Injektionsdrucks zur Verfügung – das sind die Dosierradspritzen (Abb. 4). Üblicherweise erfolgt die intraligamentale Injektion mit handelsüblichen mechanischen Injektionssystemen entsprechend dem gelehrten und publizierten Stand der Zahnheilkunde [1,5,9,13,16,17,18].

  • Abb. 1: ILA-Pistolenspritzen ohne Druckbegrenzung.
  • Abb. 2: ILA-Pistolenspritze mit Druckbegrenzung 100 N.
  • Abb. 1: ILA-Pistolenspritzen ohne Druckbegrenzung.
    © Taubenheim
  • Abb. 2: ILA-Pistolenspritze mit Druckbegrenzung 100 N.
    © Taubenheim

  • Abb. 3: ILA-Dosierhebelspritzen – Stand der Technik 1985.
  • Abb. 4: ILA-Dosierradspritze – aktueller Stand der Technik.
  • Abb. 3: ILA-Dosierhebelspritzen – Stand der Technik 1985.
    © Taubenheim
  • Abb. 4: ILA-Dosierradspritze – aktueller Stand der Technik.
    © Taubenheim

Zum Vergleich der 1., 2. und 3. Generation der ILA-Spritzensysteme wurde in wissenschaftlicher Begleitung der Friedrich-Schiller-Universität Jena, eine klinisch-medizinische Studie durchgeführt. Die Fallzahl wurde mit mindestens 200 festgelegt, d. h. Fälle lokalanästhetischer Schmerzausschaltung, die konventionell durch eine Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior oder eine Infiltrationsanästhesie anästhesiert worden wären. Ausschließlich angezeigte zahnerhaltende Maßnahmen (konservierende, restaurative und endodontische) wurden dokumentiert und gingen in die Auswertung dieser Observationsstudie ein [4].

In allen Fällen und für alle Spritzensysteme wurden dieselben, systemadaptierte Kanülen mit einem Außendurchmesser von 0,3 mm (alte engl. Bezeichnung 30 G), einer Länge von 13 mm und kurzem Anschliff verwendet. Für die intraligamentalen Injektionen wurde das auch üblicherweise für die Infiltrations- und die Leitungsanästhesie verwendete Anästhetik um 4%ige Articainhydrochlorid-Lösung mit 1:200 000 Adrenalinzusatz (z. B. Ultracain D-S oder Septanest 1/200.000) appliziert [1,9].

Ergebnisse

Im Rahmen der in einem Zeitraum von 16 Monaten durchgeführten Studie wurden alle applizierten intraligamentären Lokalanästhesien dokumentiert. Mit allen benannten und gezeigten ILA-Spritzen ist es möglich, intraligamentäre Anästhesien zu erreichen. In die Studie integriert wurden alle konservierenden, restaurativen und endodontischen Behandlungen unter Schmerzausschaltung sowie Lokalanästhesien im Zusammenhang mit prothetischen Maßnahmen. Lokalanästhesien vor chirurgischen Eingriffen, z. B. Zahnextraktionen und Parodontalbehandlungen sind nicht in die Studie eingegangen.

Insgesamt wurden 321 Zähne durch intraligamentale Injektionen anästhesiert, davon 88 im Oberkiefer und 233 im Unterkiefer, davon 207 im Seitenzahnbereich. Unter konventionellen Bedingungen wären von den dokumentierten 321 Zähnen 114 durch Infiltrations- bzw. Terminalanästhesien und 207 durch Leitungsanästhesien des N. alveolaris inferior anästhesiert worden. Bei allen 207 Zähnen im Unterkiefer-Seitenzahnbereich wurde vor den anstehenden zahnerhaltenden Therapien versucht, durch intraligamentale Injektionen mit handelsüblichen Instrumentarien eine Lokalanästhesie zu erreichen.

Zur Anwendung kamen die Dosierhebelspritze (56 Fälle), die Pistolenspritze mit Druckbegrenzung Ultraject (62 Fälle) und die Dosierradspritze SoftJect (89 Fälle). Mit allen Spritzensystemen konnten alle Zähne analgesiert werden.

Zur intraligamentalen Injektion wurde die systemadaptierte Kanüle entlang des Zahnhalses 1-2 max. 3 mm in den Desmodontalspalt eingeführt, bis fester Halt gespürt wurde (Abb. 5). Pro Zahnwurzel sind etwa 0,2 ml Anästhetikum zu applizieren – in mindestens 20 Sekunden. Bei mehrwurzeligen Zähnen ist die Injektionszeit zu verlängern: > 20 Sekunden bei der 2. Wurzel und bei einer 3. Wurzel ? 25 Sekunden. Das zahnumgebende Gewebe muss ausreichend Zeit haben, das angediente Anästhetikum zu resorbieren.

  • Abb. 5: Bei intraligamentalen Injektionen
wird nicht ins Gewebe eingestochen.
  • Abb. 5: Bei intraligamentalen Injektionen wird nicht ins Gewebe eingestochen.
    © Taubenheim

Nach der initialen intraligamentalen Injektion von Anästhetikum war bei 168 Zähnen/Fällen (81,2 %) eine ausreichende Analgesie gegeben; bei 39 Fällen wurde intraligamental nachinjiziert, was bei 94,9 % (37 Fälle) erfolgreich war. Bei den verbliebenen 2 Fällen (Zahn 46 und 44) wurde versucht, durch eine Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior eine für die angezeigte Behandlung ausreichende Schmerzausschaltung zu erreichen, was in einem weiteren Fall erfolgreich war. Ein Fall musste als absoluter Anästhesieversager dokumentiert werden (Phobiepatient). Durch die initialen und komplettierenden intraligamentalen Injektionen konnte ein intraligamentärer Anästhesieerfolg von 99,0 % erreicht werden.

Sofort nach Abschluss der intraligamentalen Injektion, die pro Zahnwurzel mit 20 bis 25 Sekunden anzusetzen ist, wurde der Anästhesieeintritt durch Sondierung und Kälte-Test überprüft. Die intraligamentäre Anästhesie war überwiegend ausgeprägt (81,2 %). Die erforderlichen Nachinjektionen erfolgten unverzüglich, die bis auf zwei Fälle (0,97 %) erfolgreich waren. Durch die Sondierung und den Kälte-Test konnte festgestellt werden, dass sich die Anästhesie nur auf den betroffenen, zu behandelnden Zahn und das zahnumgebende Gewebe begrenzte.

Da die Anästhesiewirkung ohne Latenz eintritt, kann bei intraligamentalen Injektionen der Anästhesieerfolg sofort überprüft werden. Die Überprüfung der Anästhesie zeigte, dass sie für die indizierte Behandlung ausreichend tief war, sodass der Behandlungsablauf ohne Unterbrechung fortgesetzt werden konnte. In die Feststellung der Anästhesie- Dauer wurden die Patienten eingebunden.

Sie wurden gezielt darauf hingewiesen, das Nachlassen der „Taubheit bis zur Rückkehr der vollen Empfindung“ festzuhalten und sich idealerweise dafür Notizen zu machen. Sie übermittelten diese Daten in den meisten Fällen telefonisch oder beim nächsten Termin. Die von den Patienten mitgeteilte Anästhesiedauer betrug im Durchschnitt 56,5 Minuten.

Beeinträchtigungen durch die Injektionen zur Erreichung einer intraligamentären Anästhesie traten in geringem Umfang auf. Der am häufigsten mitgeteilte unerwünschte Effekt „Druckschmerz/ Aufbissempfindlichkeit“ (27 Fälle = 13,0 %) steht im direkten Zusammenhang mit dem Injektionsdruck, der bei Spritzensystemen mit integrierten mehrstufigen Hebelsystemen nur eingeschränkt den anatomischen Gegebenheiten des Patienten angepasst werden kann.

Die dokumentierten unerwünschten Effekte wurden überwiegend mit der Pistolenspritze (Abb. 2) und der Dosierhebelspritze (Abb. 3) generiert. Artikulatorische und mastikatorische Einschränkungen wurden nur in zwei Fällen, nach den Komplettierungen durch eine Leitungsanästhesie, mitgeteilt.

Die intraligamentäre Anästhesie – Stand 2020 

Die Grenzen der Methode der intraligamentären Anästhesie (ILA) [19] liegen im chirurgischen Bereich. Da die IL-A die anästhetischen Anforderungen vor großflächigen und lang dauernden dento-alveolären chirurgischen Eingriffen nicht erfüllen kann, sind diese Maßnahmen unter Infiltrations- beziehungsweise unter Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior durchzuführen [1, 5,9]. Die technische Entwicklung und in den letzten 25 Jahren gewonnenen wissenschaftlichen und klinischen Erkenntnisse haben dazu geführt, dass die Einzelzahnanästhesie (IL-A) heute uneingeschränkt eine primäre Methode der dentalen Lokalanästhesie ist.

Die publizierten Ergebnisse der evidenzbasierten klinischen Studien [4,5,13,16] zeigen, dass es fast keine Einschränkungen beim Patientengut, den Indikationen und der praktischen Anwendung gibt. Bei Behandlung von Patienten mit Blutungsneigung (Patienten mit Hämophilie, Thrombopenie, Behandlung mit Antikoagulanzien etc.) ist die intraligamentäre Anästhesie die prioritäre Methode der dentalen Lokalanästhesie. Schwenzer und Ehrenfeld (2000) schreiben, dass bei Patienten mit hämorrhagischen Diathesen auf keinen Fall Leitungsanästhesien vorgenommen werden dürfen. Diese können infolge massiver Hämatombildung lebensbedrohliche Folgen haben. Sie verbieten sich wegen der Gefahr einer Gefäßverletzung (Arteria oder Vena alveolaris inferior) durch die Injektionskanüle [14].

Im Desmodontalspalt sind keine Gefäße, die bei der ILA-Insertion der Kanüle touchiert werden können. Eine Einschränkung für die intraligamentäre Anästhesie gibt es nur bei endokarditisgefährdeten Patienten. Hier gilt besondere Vorsicht, da die Absiedlung von Bakterien aus dem Blut (Bakteriämien) bei diesen Patienten zu ernsthaften Komplikationen führen kann. Bei diesen Patienten sind invasive Eingriffe unter Antibiotikaschutz vorzunehmen [14].

Diese Vorsichtsmaßnahme ist nicht nur bei einer intraligamentären Anästhesie, sondern auch bei anderen Manipulationen am Zahnfleischsulkus, z. B. subgingivalen Kürettagen, Zahnsteinentfernungen, Extraktionen, einzuhalten. Für die intraligamentäre Anästhesie ist das Risiko einer Endokarditis eine absolute Kontraindikation [9]. Bei allen anderen Patientenkategorien ist die intraligamentäre Anästhesie uneingeschränkt anwendbar:

  • bei jungen, gesunden Patienten
  • bei Kindern
  • bei Risikopatienten, auch bei Patienten mit „Spritzenangst“ - und auch bei Patienten mit parodontaler Vorschädigung [13,15].

Bei Risikopatienten ist die IL-A bevorzugt in Betracht zu ziehen, da die intraligamental applizierte Anästhetikum-Menge signifikant geringer ist, als bei der Infiltrations- oder der Leitungsanästhesie. Außer bei großflächigen und lang dauernden dento-alveolären chirurgischen Eingriffen kann die intraligamentäre Anästhesie vor allen dentalen Indikationen zur punktgenauen Anästhesie appliziert werden.

Unter IL-A ist es sogar möglich, in derselben Sitzung Zähne in verschiedenen Quadranten zu therapieren, ohne dass der Patient – nach Ende der Behandlung – noch Stunden unter artikulatorischen und mastikatorischen Beeinträchtigungen leidet und seine Dispositionsfreiheit eingeschränkt ist. Da zwischen Injektion und Anästhesieeintritt praktisch keine Latenz liegt, kann der Anästhesieerfolg sofort durch Sondierung und Kälte/Wärme-Test festgestellt und erforderlichenfalls intraligamental nachinjiziert werden.

Der unverzügliche Anästhesieeintritt gestattet es, sofort nach Abschluss der intraligamentalen Injektion mit der Behandlung zu beginnen. Die in der Literatur beschriebenen unerwünschten Effekte, wie Aufbissempfindlichkeit, Druckschmerz, Elongationsgefühl, Gingivaschmerz/-entzündung, reversible Nekrosen, wurden wahrscheinlich durch zu schnelle Injektion des Anästhetikums ins Ligament des zu behandelnden Zahnes generiert, was mit Pistolen- und Dosierhebelspritzen leicht, mit Dosierradspritzen kaum möglich ist [8,10-12].

Patientenakzeptanz

Die Akzeptanz der Methode der intraligamentären Anästhesie durch den Patienten hängt auch von den angewandten Injektionssystemen, also der Spritze, ab. Bei den verschiedenen verglichenen Spritzensystemen variierten die Reaktionen der Patienten von „reserviert – genervt“ bis „interessiert – positiv überrascht“. Uneingeschränkt akzeptiert wurde die Dosierradspritze [4]. Als besonders angenehm wurde von allen Patienten empfunden, dass bereits kurze Zeit nach Abschluss der Behandlung das Empfindungsvermögen wieder vollständig zurückgekehrt war.

Eine Einschränkung der Dispositionsfähigkeit der Patienten nach Abschluss der Behandlung unter intraligamentärer Anästhesie war in aller Regel nicht gegeben. Einstich-/Injektionsschmerz kann durch Ablage eines Tropfens des zu applizierenden Anästhetikums an der vorgesehenen Injektionsstelle weitgehend eliminiert werden (Abb. 6), was mit der Dosierradspritze sehr punktgenau erfolgen kann. Unter intraligamentärer Anästhesie können auch in derselben Sitzung Zähne sowohl im 3. als auch im 4. Quadranten behandelt werden, ohne dass die Dispositionsfähigkeit der Patienten nach Abschluss der Behandlung beeinträchtigt ist [4].

  • Abb. 6: Ablegen eines Tropfens Anästhetikum zur Oberflächenanästhesie vor der
Insertion der Kanüle zur Vermeidung von Einstich-/Injektionsschmerz.
  • Abb. 6: Ablegen eines Tropfens Anästhetikum zur Oberflächenanästhesie vor der Insertion der Kanüle zur Vermeidung von Einstich-/Injektionsschmerz.
    © Taubenheim

Schlussfolgerungen

Die intraligamentäre Anästhesie kann die Infiltrations- und die Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior auch vor zahnerhaltenden Maßnahmen uneingeschränkt kompensieren. Sie ist als primäre Methode der Lokalanästhesie zu betrachten, über die der Patient zu informieren ist. Durch die sehr gut zu kontrollierenden Abläufe bei der intraligamentalen Injektion, der sofortigen Überprüfung des ohne Latenz eintretenden Anästhesieeffekts, die auf den zu behandelnden Zahn begrenzte Analgesie und die hohe Akzeptanz durch den Patienten kann die behandelnde Zahnärztin/der behandelnde Zahnarzt auch die Thematisierung mit dem Patienten der Risiken sehr minimieren. Die bei der Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior bekannten Risiken eines Gefäß- und/oder Nervkontakts sind bei der intraligamentalen

Applikation von Anästhetikum nicht gegeben. Im Desmodontalspalt sind keine Gefäße und Nervenstränge. Die Grenzen der intraligamentären Anästhesie liegen im chirurgischen Bereich, wo diese Lokalanästhesie-Methode die Anforderungen für länger dauernde und ausgedehnte dento-alveoläre chirurgische Eingriffe nicht erfüllen kann [19].

Abrechnung nach BEMA

Seit mehr als 20 Jahren gilt, dass die intraligamentäre Anästhesie nach BEMA Nr. 40 abrechnungsfähig ist. Werden im Ausnahmefall zwei nebeneinanderstehende Zähne intraligamentär anästhesiert, so kann die Nr. 40 je Zahn einmal berechnet werden.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Lothar Taubenheim - Prof. Dr. Eike Glockmann