Klinische Effektivität gerader versus abgewinkelter Interdentalraumbürsten

Insbesondere die approximale Plaqueentfernung stellt einen essentiellen Bestandteil der effektiven Mundhygiene dar. Ziel ist es, das Risiko von Karies und Parodontalerkrankungen zu reduzieren. Im Rahmen einer klinischen Studie an der Uni Witten/Herdecke wurde die Effektivität von abgewinkelten Interdentalraumbürsten mit geraden Zahnzwischenraumbürsten verglichen.
Die demographische Altersentwicklung in industrialisierten Ländern deutet von Jahr zu Jahr auf eine steigende Lebenserwartung mit derzeit 82,7 Jahren für Frauen und 77,7 für Männer hin (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2014). Parodontitis gehört neben Karies weltweit zu den häufigsten chronischen Erkrankungen und ist eine primär durch den bakteriellen Biofilm verursachte Entzündung des gesamten Zahnhalteapparates, welcher das Zahnzement, das Desmodont, die marginale Gingiva sowie den Alveolarknochen umfasst. Ausgehend von der Evidenz, dass das Risiko von Parodontalerkrankungen mit dem Alter zunimmt (Brown und Löe, 1993 ), fällt die Erkrankungsrate für chronische Verlaufsformen bei Jugendlichen deutlich geringer aus als bei Erwachsenen und Senioren. Bei den unter 15-Jährigen leiden in Deutschland 13 % an einer mittelschweren und 0,8 % an einer schweren Parodontitis, bei den Erwachsenen zwischen 35 und 44 Jahren kommt die mittelschwere Form bei 53 % und bei 21 % eine schwere Form der Parodontitis vor (Micheelis 2006). Als ätiologische Faktoren werden sowohl exogene als auch endogene Faktoren beschrieben, die sowohl die Ausprägung als auch den Schweregrad des Krankheitsbildes prägen (Armitage 1994). Zu diesen Faktoren gehören systemische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Adipositas, rheumatoide Arthritis und HIV, aber auch die Einnahme bestimmter Medikamente und individuelle Verhaltensweisen, unter denen besonders die Mundhygiene und das Rauchen hervorzuheben sind. Unbehandelt führt Parodontitis zu einem Abbau des Zahnhalteapparates bis hin zum Zahnverlust. Die Behandlung dieser multifaktoriell bedingten Infektionserkrankung sieht vor, sowohl supraals auch subgingival den Biofilm zu zerstören und damit die Reduktion parodontopathogener Keime zu erreichen (Cobb 1996). Vor allem die approximale Plaqueentfernung stellt einen essentiellen Bestandteil der Mundhygiene dar, um das Risiko von Karies und Parodontalerkrankungen zu reduzieren (Rösing 2006, Noorlin 2007). Die herkömmliche Handzahnbürste kann zwar bis zu 40 % des dentalen Biofilms in der Mundhöhle reduzieren, jedoch zeigt sie vor allem in den approximalen Regionen deutliche Schwächen (Slot 2012). Im Sinne einer optimalen parodontalen Erhaltungstherapie konnte in der Vergangenheit mehrfach gezeigt werden, dass Zahnzwischenraumbürsten doppelt so effektiv waren wie die herkömmliche Zahnseide (Rösing 2006). Zudem zeigt die Anwendung von Interdentalraumbürsten positive Effekte auf gingivale Entzündungen sowie die Ausbildung parodontaler Taschen (Slot 2008). Mit fokussiertem Blick auf zunehmende manuelle Einschränkungen mit steigendem Alter stellt sich die Frage, ob geometrische Veränderungen an Zahnzwischenraumbürsten dem Patienten einerseits die Anwendung der Interdentalraumpflege erleichtern als auch andererseits eine zunehmende Effektivität in der Reduzierung approximaler Beläge zu erreichen ist. Daher wurde im Rahmen einer klinischen Studie die Effektivität von neuen abgewinkelten Interdentalraumbürsten mit dem „Goldstandard“ (gerade Zahnzwischenraumbürsten) verglichen.
Studiendesign
Im Rahmen einer Screening-Untersuchung wurden 128 Probanden, die im Zeitraum zwischen Januar und April 2012 zur zahnärztlichen Behandlung in die Zahnklinik des Universitätsklinikums Witten/Herdecke erschienen, in die Studie aufgenommen. Die Probanden wurden randomisiert und in zwei Gruppen unterteilt:
(1) Testgruppe: TePe Angle Interdentalbürsten (Tepe, Hamburg) (Abb. 4-6)
(2) Kontrollgruppe: TePe Interdentalbürsten (Tepe, Hamburg) – Original (Abb. 1-3)
Anschließend bekamen die Probanden den randomisiert zugeteilten und individuell angepassten Bürstentyp (gerade bzw. abgewinkelt) für eine 12-tägige häusliche Gewöhnungsphase. Nach dieser Phase erhielten die Probanden eine professionelle Zahnreinigung (PZR). Diese diente dazu, gleiche Ausgangsbedingungen für alle Studienteilnehmer zu schaffen (Plaqueindex=0).
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Abb. 2 und 3: TePe Interdentalbürsten im praktischen Einsatz.
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Abb. 4 und 5: Die abgewinkelte Form der Interdentalbürste im Front- und Seitenzahnbereich.
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Abb. 6: Die TePe Angle Interdentalbürste im Einsatz.
Im Anschluss an die PZR wurde für 48 Stunden eine Karenz jeglicher Mundhygienemaßnahmen angeordnet, woraufhin die entstandene Plaque mit UV-Revelatoren (Plaque Test; Ivoclar Vivadent AG, Schaan, Liechtenstein) angefärbt wurde. Anschließend erhob der verblindete Untersucher zur Beurteilung der Plaque-Menge den modifizierten approximalen Plaqueindex (mAPI) und zur Beurteilung der Traumatisierung der Gingiva den Danser-Index (DI).
Die Probanden begaben sich zum Putzen der Interdentalräume mit den jeweiligen Interdentalbürsten in einen gesonderten Raum außerhalb des Blickfeldes des Untersuchers. Die Patienten bekamen die Gelegenheit, für 2 Minuten mit den Interdentalbürsten die Zahnzwischenräume zu reinigen. Nach der Mundhygiene erfolgte eine erneute Untersuchung. Die Zähne wurden nochmals angefärbt und bewertet, um die interdentale Plaqueentfernungseffektivität der beiden Interdentalbürsten vergleichen zu können.
Ergebnisse
Im Rahmen dieser klinischen Studie war die abgewinkelte Zahnzwischenraumbürste der geraden signifikant unterlegen (Abb. 7). Dieser Unterschied konnte vor allem im Prämolaren- und Molarenbereich dokumentiert werden. Zudem zeigten gerade Interdentalraumbürsten auf den vestibulären und oralen Flächen eine überlegene Putzeffektivität, wobei während der gesamten Untersuchung keine Verletzung der Gingiva beobachtet wurde und somit beide Bürstentypen eine sichere Anwendung zeigen.
Schlussfolgerung
Zahnverluste und kariöse Läsionen werden mit zunehmendem Alter vornehmlich im Seitenzahnbereich beobachtet, wobei Front- und Eckzähne eher selten betroffen sind (Broadbent 2006). Darüber hinaus konnten Langzeitergebnisse aus Skandinavien nach Beobachtungszeiträumen von 30 Jahren belegen, dass eine optimale Mundhygiene unter Umständen sogar in approximalen Bereichen einen Attachmentgewinn zur Folge haben kann (Axelsson 2004). Diese Untersuchungen verdeutlichen die Wichtigkeit optimaler Mundhygieneverhältnisse gerade in posterioren Bereichen und unterstreichen dabei die Forschungsnotwendigkeit in der Vereinfachung der approximalen Plaqueentfernung gerade bei Patienten mit motorischen Einschränkungen. Da Interdentalraumbürsten in der Approximalraumpflege gegenüber anderen Hilfsmitteln deutlich überlegen sind, stellt sich die Frage nach der „optimalen“ Form (Noorlin 2007, Jackson 2006). Die Literatur konnte beim Bürstendesign keine Vorteile von konischen o.ä. Formen im Vergleich zu runden Borsten zeigen (Rösing 2006, Wolff 2006). Jedoch scheint der Aufbau der gesamten Interdentalraumbürste einen Einfluss auf die Reinigungseffektivität zu haben, da gerade die Angulation des Bürstenkopfes in unserer Studie einen relevanten Einfluss hatte. Vor dem Hintergrund der dargestellten Ergebnisse kann die Anwendung von geraden Zahnzwischenraumbürsten für die tägliche Approximalraumpflege empfohlen werden. Unabhängig vom Design ist aber die individuelle Instruktion und Motivation eines jeden Patienten dauerhaft essentiell, um eine langfristig stabile parodontale Situation zu schaffen und zu erhalten.