Regeneration

GTR, Parodontologie, Regeneration

Aktuelle Aspekte der GTR-Technik in der Parodontologie

Nach Aufklappung zeigt sich der vertikale Knochendefekt mit einer bukkalen Dehiszenzbildung.
Nach Aufklappung zeigt sich der vertikale Knochendefekt mit einer bukkalen Dehiszenzbildung.

Die Regeneration von ausgedehnten parodontalen Defekten stellt eine anspruchsvolle chirurgische Technik dar, die von unterschiedlichen klinischen Faktoren abhängig ist. Durch eine Kontrolle dieser technischen und biologischen Faktoren ist die Regeneration auch von ausgedehnten PA-Defekten insbesondere um einwurzelige Zähne möglich.

Die Behandlungskonzepte für schwer parodontal geschädigte Zähne haben sich durch die Einführung der dentalen Implantologie gewandelt. Häufig wird mittlerweile auf aufwändige, teilweise technisch hoch sensitive Verfahren (GTR-Techniken) zum Erhalt dieser Zähne verzichtet und der fragliche Zahn durch ein dentales Implantat ersetzt.

Allerdings haben sich auch die Erfolgsraten der parodontalen Regeneration in den letzten Jahrzehnten dramatisch verbessert und die Komplikationsraten verringert, so dass heute viele – auch teilweise „hoffnungslose“ Zähne – erhalten werden können. Cortellini und Tonetti konnten diese Komplikationsanfälligkeit deutlich reduzieren, indem sie einer evidenzbasierten Strategie folgten [3]. Dieses in 15 Jahren entwickelte Konzept beruht auf der Kontrolle von patienten-, defekt- und verfahrensabhängigen Faktoren. Unter diesen Faktoren scheint neben einer optimalen Patientensituation (ideale Vorbehandlung mit minimalen Plaque- und Blutungsindizes, Raucherabstinenz) besonders die Anwendung mikrochirurgischer Techniken in Verbindung mit minimalinvasiven Lappenpräparationen ein Schlüsselelement für vorhersagbare parodontale Regeneration bei minimaler Komplikationsrate zu sein. Primärer interdentaler Lappenschluss und folgende primäre Heilung konnten bei Anwendung von mikrochirurgischen Techniken auf über 90 % der Fälle gesteigert werden [2, 3, 13].

Allerdings sind diese hohen Erfolgsraten fast ausschließlich für Zähne ohne schweren Furkationsbefall gezeigt. Die Regeneration von schwer furkationsbeteiligten Zähnen ist nach wie vor ein schwieriges klinisches Vorgehen. Jepsen und Mitarbeiter verdeutlichten in einer Metaanalyse, dass nur 4 von 58 behandelten Furkationen durch membrangestützte Techniken komplett geschlossen werden konnten [8]. Daher kann nach genauer Abwägung die Extraktion und Implantation bei schwer furkationsbefallenen Zähnen angezeigt sein. Anders sieht die Situation jedoch bei einwurzeligen Zähnen aus. Hier zeigen klinische Studien und Übersichtsarbeiten klar auf, dass sogar hoffnungslose Zähne durch eine umfangreiche parodontale Behandlung auch langfristig erhaltungswürdig sind [1, 5]. Dies ist insofern von Bedeutung, da sich gerade in letzter Zeit herauskristallisiert, dass Patienten mit einer Vorgeschichte einer parodontalen Erkrankung ein deutlich höheres Risiko für Periimplantitis haben. Ziel dieses Fallberichtes ist das Aufzeigen der Möglichkeiten der parodontalen Therapie um einwurzelige Zähne und die Darstellung der Erfahrung des Autors zur Verbesserung der Vorhersagbarkeit dieser häufig komplexen Eingriffe.

Grundsätzliche Überlegungen

Über die letzten Jahrzehnte haben sich einige kritische Aspekte bei der chirurgischen GTR-Therapie von parodontalen Läsionen gezeigt. Zusätzlich zu den schon sehr gut wissenschaftlich dokumentierten Erfolgsfaktoren, wie z. B. Entzündungsfreiheit, Defektkonfiguration, Wahl des geeigneten regenerativen Mediums [12] sind gerade für den Autor folgende Überlegungen Schlüsselfaktoren bei der Regeneration von ausgedehnten parodontalen Defekten:

Mikrochirurgische Arbeitsweise

Die Anwendung eines mikro-chirurgischen Konzeptes ist gerade bei parodontalchirurgischen Eingriffen von großer Bedeutung, da hier häufig Lappen mit geringer Blutversorgung in ästhetisch wichtigen Bereichen (z. B. Papillen) gehoben und wieder re-adaptiert werden müssen. Es konnte gezeigt werden, dass durch eine papillenerhaltende Schnittführung (modifizierter Papillenerhaltungslappen) vorhersagbar primäre Wundheilung erzielt werden konnte, ganz im Gegensatz zu traditionellen Techniken, wie z. B. einem modifizierten Widman Lappen [7, 10]. Primäre Wundheilung ist eine entscheidende Voraussetzung für eine komplikationslose Einheilung des regenerativen Materials mit geringer post-operativer Schrumpfung [6].

Verwendung von autologen Bindegewebstransplantaten

Trotz mikro-chirurgischer Vorgehensweise muss gerade bei umfangreichen und tiefen parodontalen Defekten mit einer massiven post-operativen Schrumpfung gerechnet werden. Dies sorgt in der Folge für eine geringe Patientenakzeptanz dieses Eingriffes, Wurzelhypersensitivitäten sowie Schwierigkeiten bei der suffizienten Mundhygiene in diesem Bereich. Durch die zusätzliche Anwendung von subepithelialen Bindegewebstransplantaten kann – nach Erfahrung des Autors – die postoperative Schrumpfung nahezu ausgeglichen werden.

Verbesserung der Wundheilung

Je ausgedehnter parodontale Defekte sind, desto schwieriger ist häufig die chirurgische Darstellung und desto weiter müssen die Lappen gehoben werden. Lange Zeit wurde gänzlich auf vertikale Entlastungsinzisionen verzichtet und horizontal über die Nachbarzähne entlastet. Dies führte häufig zu einer hohen Traumatisierung der Lappen während des Abhaltens insbesondere bei tiefen Defekten. Nach Erfahrung des Autors eignet sich in diesen Fällen eine singuläre vertikale Entlastungsinzision, die leicht konvergierend gestaltet ist, deutlich besser zur Darstellung des Operationsfeldes. Durch den Verzicht auf die normal übliche zweite Entlastungsinzision wird die Blutversorgungssituation des Lappens kaum eingeschränkt und die Wundheilung begünstigt.

Nichtsdestotrotz bleiben die Blutversorgungssituation und die Heilungstendenz dieser Lappen um ausgedehnte parodontale Defekte kritisch. Daher sollten zur weiteren Verbesserung der Wundheilung lokale Adjuvantien angewendet werden. Am besten wissenschaftlich dokumentiert sind Schmelz-Matrix-Proteine [11] oder ein autologes thrombozytenreiches Plasma [4]; beide können nachweislich die Heilung beschleunigen und verringern die Wundheilungsdauer. Ein ebenfalls interessanter Ansatz sind Hyaluronsäurepräparate [9]. Diese Materialien zeigen eine gute Verbesserung der Wundheilung, sind kostengünstig und besitzen keine Infektionsrisiken, da sie aus nicht-tierischer Herstellung sind.

Schienung der betroffenen Zähne

Eines der Grundprinzipien der Regeneration im Körper ist die Stabilisierung der Wunde. Wikesjö et al. konnten klar zeigen, wenn das sich nach Wundverschluss gebildete Fibrinnetzwerk künstlich gestört wird, kommt es immer zu einer Ausbildung eines langen Saumepithels. Das muss nicht der Fall sein, wenn das Blutkoagulum stabilisiert gehalten wird [14]. Gerade bei parodontaler Regeneration kommt es durch den betreffenden Zahn, der auf Grund der Vorschädigung häufig größere Mobilitätsgrade aufweist, zu ständiger Bewegung auf das gebildete Blutkoagulum. Es empfiehlt sich daher dringend, die zu behandelnden Zähne rigide mittels Säure-Ätz-Technik und wenn nötig weiteren stabilisierenden Maßnahmen (z. B. Polyethylenfasern) mit den Nachbarzähne für wenigstens 6 Wochen zu schienen.

Falldarstellung

Eine 65-jährige Patientin stellte sich im Rahmen der regulären unterstützenden Parodontaltherapie (UPT) zum jährlichen Parodontalbefund mit einer tiefen Sondierungstiefe zwischen den oberen beiden Inzisiven vor (Abb. 1 und 2). Die radiologische Situation zeigte einen tiefen vertikalen Knochendefekt bei einem vitalen Zahn (Abb. 3). Die Lockerung des Zahnes wurde mit Grad II aufgenommen. Nach eingehender Vorbehandlung und adhäsiver Schienung des Zahnes 21 an den Zahn 22 erfolgte die Aufklappung und Darstellung der knöchernen Defektsituation mittels eines modifizierten Papillenerhaltungslappens sowie einer vertikalen Entlastungsinzision im distalen Bereich (Abb. 4). Es zeigte sich eine Kombination aus einem zwei-dreiwandigen Defekt (Abb. 5). Die Regeneration wurde im vorliegenden Fall mit einem xenogenen Knochenersatzmaterial (Bio-Oss, Geistlich Biomaterials) und einer kreuzvernetzten Kollagenmembran (Ossix plus, Regedent) durchgeführt (Abb 6). Zur Vermeidung von postoperativen Rezessionen wurde zusätzlich ein subepitheliales Bindegewebstransplantat im bukkalen Bereich eingelegt, welches mit einem Hyaluronsäurepräparat (Hyadent, Regedent) konditioniert wurde (Abb. 7). Der Nahtverschluss erfolgte atraumatisch mit einer nicht-resorbierbaren, monofilen Naht (Abb. 8).

  • Abb. 1: Ausgangssituation nach parodontaler Vorbehandlung.
  • Abb. 2: Tiefe Sondierungstiefe an Zahn 21.
  • Abb. 1: Ausgangssituation nach parodontaler Vorbehandlung.
  • Abb. 2: Tiefe Sondierungstiefe an Zahn 21.

  • Abb. 3: Die radiologische Situation zeigt einen vertikalen Knochendefekt.
  • Abb. 4: Nach Aufklappung zeigt sich der vertikale Knochendefekt mit einer bukkalen Dehiszenzbildung.
  • Abb. 3: Die radiologische Situation zeigt einen vertikalen Knochendefekt.
  • Abb. 4: Nach Aufklappung zeigt sich der vertikale Knochendefekt mit einer bukkalen Dehiszenzbildung.

  • Abb. 5: Der vertikale Defekt ist größtenteils auf den bukkalen Bereich limitiert.
  • Abb. 6: Applikation einer kreuzvernetzten Kollagenmembran (Ossix plus).
  • Abb. 5: Der vertikale Defekt ist größtenteils auf den bukkalen Bereich limitiert.
  • Abb. 6: Applikation einer kreuzvernetzten Kollagenmembran (Ossix plus).

  • Abb. 7: Zusätzliche Verwendung eines autologen Bindegewebstransplantates. Die Flüssigkeit auf dem Transplantat ist ein Hyaluronsäuregel zur Verbesserung der Einheilung.
  • Abb. 8: Definitiver Nahtverschluss.
  • Abb. 7: Zusätzliche Verwendung eines autologen Bindegewebstransplantates. Die Flüssigkeit auf dem Transplantat ist ein Hyaluronsäuregel zur Verbesserung der Einheilung.
  • Abb. 8: Definitiver Nahtverschluss.

Der Heilungsverlauf gestaltete sich unproblematisch mit primärer Wundheilung im für die Regeneration wichtigen interproximalen Bereich (Abb. 9 und 10). Nach 12 Monaten zeigte sich eine gut ausgeheilte Situation mit geringem Gewebsverlust im Vergleich zur Ausgangssituation und einer Reduktion der Sondierungstiefe (Abb. 11 und 12). Das radiologische Bild zeigt eine Auffüllung des ehemaligen parodontalen Defektes (Abb. 13).

  • Abb. 9 und 10: Komplikationslose Heilung nach 7 Tagen.
  • Abb. 11: Gesunde parodontale Verhältnisse mit geringer postoperativer Rezession nach 12 Monaten.
  • Abb. 9 und 10: Komplikationslose Heilung nach 7 Tagen.
  • Abb. 11: Gesunde parodontale Verhältnisse mit geringer postoperativer Rezession nach 12 Monaten.

  • Abb. 12: Reduktion der Sondierungstiefe.
  • Abb. 13: Auffüllung des parodontalen Defektes.
  • Abb. 12: Reduktion der Sondierungstiefe.
  • Abb. 13: Auffüllung des parodontalen Defektes.

Fazit

Trotz des vorhersagbaren Erfolges von Implantat getragenem Zahnersatz ist der Erhalt von fraglichen Zähnen nach wie vor eine wichtige Therapiemöglichkeit. Gerade bei einwurzeligen Zähnen haben sich die Techniken stark verbessert, so dass heute ähnliche Erfolgsraten wie mit Implantatfixturen erzielt werden können.

Es besteht kein Interessenskonflikt.


LITERATUR

DENT IMPLANTOL (19)6 2015, S. 424–428
Priv.-Doz. Dr. Stefan Fickl


Aktuelle Aspekte der GTR-Technik in der Parodontologie


[1]        Cortellini, P., Stalpers, G., Mollo, A. & Tonetti, M. S. (2011) Periodontal regeneration versus extraction and prosthetic replacement of teeth severely compromised by attachment loss to the apex: 5-year results of an ongoing randomized clinical trial. J Clin Periodontol 38, 915-924. doi:10.1111/j.1600-051X.2011.01768.x.
[2]        Cortellini, P. & Tonetti, M. (2001) Microsurgical approach to periodontal regeneration. Initial evaluation in a case cohort. J Periodontol 72, 559-569.
[3]        Cortellini, P. & Tonetti, M. (2005) Clinical performance of regenerative strategy for intrabony defects: scientific evidence and clinical experience. J Periodontol 76, 341-350.
[4]        Del Fabbro, M., Bortolin, M., Taschieri, S. & Weinstein, R. (2011) Is platelet concentrate advantageous for the surgical treatment of periodontal diseases? A systematic review and meta-analysis. J Periodontol 82, 1100-1111. doi:10.1902/jop.2010.100605.
[5]        Donos, N., Laurell, L. & Mardas, N. (2012) Hierarchical decisions on teeth vs. implants in the periodontitis-susceptible patient: the modern dilemma. Periodontol 2000 59, 89-110. doi:10.1111/j.1600-0757.2011.00433.x.
[6]        Fickl, S., Thalmair, T., Kebschull, M., Bohm, S. & Wachtel, H. (2009) Microsurgical access flap in conjunction with enamel matrix derivative for the treatment of intra-bony defects: a controlled clinical trial. J Clin Periodontol 36, 784-790. doi:10.1111/j.1600-051X.2009.01451.x.
[7]        Froum, S., Lemler, J., Horowitz, R. & Davidson, B. (2001) The use of enamel matrix derivative in the treatment of periodontal osseous defects: a clinical decision tree based on biologic principles of regeneration. Int J Periodontics Restorative Dent 21, 437-449.
[8]        Jepsen, S., Eberhard, J., Herrera, D. & Needleman, I. (2002) A systematic review of guided tissue regeneration for periodontal furcation defects. What is the effect of guided tissue regeneration compared with surgical debridement in the treatment of furcation defects? J Clin Periodontol 29 Suppl 3, 103-116; discussion 160-102.
[9]        Levine, R. A., Huynh-Ba, G. & Cochran, D. L. (2014) Soft tissue augmentation procedures for mucogingival defects in esthetic sites. Int J Oral Maxillofac Implants 29 Suppl, 155-185. doi:10.11607/jomi.2014suppl.g3.2.
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[13]    
Wachtel, H., Schenk, G., Böhm, S., Weng, D., Zuhr, O. & Hürzeler, M. (2003) Microsurgical access flap and enamel matrix derivate for the treatment of periodontal intrabony defects: a controlled clinical study. J Clin Periodontol 30, 496-504.
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Wikesjo, U. M., Claffey, N. & Egelberg, J. (1991) Periodontal repair in dogs. Effect of heparin treatment of the root surface. J Clin Periodontol 18, 60-64.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Prof. Dr. Stefan Fickl

Bilder soweit nicht anders deklariert: Prof. Dr. Stefan Fickl