Angst vor Schmerzen – Spritzenangst

Für den Patienten verbindet sich der Gang zum Zahnarzt häufig mit Angst: Angst vor Schmerzen durch Traumatisierungen während der Behandlung und möglichen Schmerzen und Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Schmerzausschaltung – Angst vor „der Spritze“. Diese Vorbehalte abzubauen ist eine sehr wichtige Aufgabe des Behandlers und seines Teams.
Die Patienten erwarten heute mit Recht eine möglichst schmerzfreie oder zumindest schmerzarme Behandlung. Schmerzfreiheit ist eine wichtige Voraussetzung für ihre uneingeschränkte „Compliance“ (Kooperationsbereitschaft).
Neben der Arbeitsweise der Zahnärzte und ihres Teams sowie einer eventuellen Prämedikation ist die psychologische Führung der Patienten – besonders ängstlicher Patienten – von grundsätzlicher Bedeutung für eine erfolgreiche Therapie, auch der medikamentösen Schmerzausschaltung durch Lokalanästhesie. Nach strengster Indikation kann eine zahnärztliche Behandlung auch in Allgemein-anästhesie (Intubationsnarkose) durchgeführt werden, beispielsweise für Patienten mit Angstneurosen und nicht kooperationsfähigen Patienten mit schweren Behinderungen [1]. Eine sinnvolle Ergänzung der unmittelbaren Anästhesie kann die Anxiolyse und Sedierung sein [4].
Daneben werden alternative Möglichkeiten der Schmerzreduktion, wie die Akupunktur, die Hypnose oder - mit großer Einschränkung - die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) praktiziert.
Die dominierende Methode der Schmerzausschaltung in der Zahnheilkunde ist die Lokalanästhesie. Mehr als 1000-mal im Jahr wird im Durchschnitt von den behandelnden Zahnärztinnen und Zahnärzten eine Lokalanästhesie zur Analgesierung appliziert, sowohl vor chirurgischen als auch vor zahnerhaltenden und prothetischen Behandlungsschritten (KZBV-Jahrbuch 2010).
Die Vermittlung der Grundlagen der Lokalanästhesie – primär der Infiltrations- und der Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior – sind Bestandteil der zahnärztlichen Ausbildung. Eine Frage, die sich in der Praxis aber immer wieder stellt, ist die Akzeptanz „der Spritze“ durch den Patienten und möglicherweise „patientenfreundliche“ Alternativen dieser „bewährten“ Lokalanästhesie-Methoden, z. B. der intradesmodontalen Injektion von Anästhetikum, der „intraligamentären“ Anästhesie – eine minimalinvasive Einzelzahnanästhesie.
Die Schmerzausschaltung in der Praxis
Die Prinzipien der angesprochenen minimalinvasiven Einzelzahnanästhesie sind seit mehr als 100 Jahren bekannt. Die im Zusammenhang mit der Applikation von Anästhetikum unter Druck ins Ligament des zu behandelnden Zahnes postulierten Fragen wurden in den letzten 25 Jahren systematisch beantwortet. Die vorliegenden und publizierten Ergebnisse der evidenzbasierten Studien zeigen, dass die intraligamentäre Anästhesie als eine primäre Methode der Lokalanästhesie nicht nur bei der Zahnextraktion, sondern auch bei zahnerhaltenden Therapiemaßnahmen zu betrachten ist [3]. Der behandelnde Zahnarzt sollte sich sehr individuell mit den – für ihn relevanten – Aspekten im Zusammenhang mit dieser Lokalanästhesie-Methode vertraut machen.
Die „Spritzenangst“
Nicht nur bei Kindern und geistig Behinderten ist die „Angst vor der Spritze“ ein vorkommendes Phänomen; sie ist durchaus auch bei Erwachsenen zu finden. Diese „Spritzenangst“ kann sich zu einer manifesten Spritzenphobie steigern.
Der Einstichschmerz, die Erfahrungen – möglicherweise mit unvollständiger Anästhesie –, der Geruch des Anästhetikums und das Aussehen des Injektionssystems selbst verbinden sich zu einer Aversion gegen die „Spritze“ – als Synonym für die weitgehend praktizierte Infiltrations- und die Leitungsanästhesie. Ist das bei der „Alternative intraligamentäre Anästhesie“ anders?
Partiell ist es bei der intraligamentären Anästhesie möglich, die Spritzenangst des Patienten abzubauen, weil die heute verfügbaren – mechanische und auch elektronisch gesteuerte - Injektionssysteme ganz anders aussehen, viel untypischer, z. B. die Dosierradspritze SoftJect oder wie ein „Zauberstab“, die Injektionskanüle des STA-Systems (Abb. 2 und 3). Zudem wird zur Injektion nicht ins Gewebe eingestochen, sondern die Kanüle wird entlang des Zahnhalses nur 1 bis 2 maximal 3 mm in den Parodontalspalt eingeführt – bis ein fester Widerstand spürbar wird.
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Abb. 2: Dosierradspritze zur intraligamentalen Injektion (Bild: Taubenheim/Völker).
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Abb. 3: Injektionskanüle „Wand“ (Zauberstab) des STA-Systems (Single Tooth Anesthesia) (Bild: Milestone, Rödermark).
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Abb. 4: Zur Reduzierung des Empfindens des Einstiches empfiehlt es sich, unmittelbar vorher einen Tropfen Anästhetikum an der Injektionsstelle abzulegen (Bild: M. Csides).
Bei Verwendung dieser zierlichen Spritzensysteme und sehr feiner Kanülen (0,3 mm, früher: 30G), durch gute Kanülenführung (Abstützung des Applikationsapparates) und eventuell durch eine zusätzliche Oberflächenanästhesie am Einstichort (Abb. 4) kann der Injektionsschmerz weitgehend eliminiert werden.
Ein hohes Maß an Einflussmöglichkeit hat natürlich auch der Behandler selbst. Von seinem psychologischen Einfühlungsvermögen und manuellem Geschick hängt es ab, ob der Patient seine Angst als unbegründet abbaut oder seine Befürchtungen bestätigt findet.
Infolge der sehr feinen Kanülen und des Applikationsweges verursacht die intraligamentäre Anästhesie nur selten Einstichschmerzen. Das Phänomen der Spritzenangst des Patienten kann somit reduziert werden. Dabei spielt aber auch der Injektionsapparat selbst eine Rolle, wie M. Csides (2009) in ihrem Injektionssystem-Vergleich feststellte [2]. Applikationssysteme, die nicht aussehen wie Spritzen, sind zwar für die Vorstellung des Patienten vorteilhaft, aber sie bleiben bei überängstlichen Patienten dennoch Spritzen, geben Heizmann und Gabka (1994) zu bedenken [23].
Bei einer lege artis durchgeführten intraligamentären Anästhesie treten praktisch kaum Injektionsschmerzen auf. Der von Zugal (2001) bei 205 durchgeführten intraligamentären Anästhesien in 27 Fällen notierte Injektionsschmerz wurde überproportional von Kindern berichtet [46].
Einwag (1982) erklärte bisher unkooperativen Kindern, dass nicht „in das Zahnfleisch eingestochen“, sondern „die Nadel nur in den Spalt zwischen Zahn und Zahnfleisch eingeschoben“ würde [8]. Ein anschaulicher Vergleich: Ein Spalt wie zwischen Fingernagel und Fingerkuppe. Von 31 bisher nichtkooperativen Kindern ließen sich 28 mit der neuen Technik (der ILA) injizieren. Nach den erfolgreichen Injektionen (Gesamtzahl 53) wurden 19 Extraktionen, 30 Kavitätenpräparationen und 4 endodontische Behandlungen durchgeführt. Von den Kindern, die sich erstmalig mit dieser Methode behandeln ließen, wurden fast alle erneut einbestellt; in keinem der Fälle kam es zu einer Behandlungsverweigerung. Die Frage, die sich jedem Behandler in diesem Zusammenhang immer stellt, betrifft die Methoden-Beherrschung der ILA und die sichere Anwendung der zur Verfügung stehenden Instrumentarien sowie die in Betracht kommenden Anästhetika [47].
Paradigmenwechsel bei der Lokalanästhesie
Die gelehrte Grundauffassung der Lokalanästhesie [35] ist in mehr als 100 Jahren gewachsen und fest in Lehre und Praxis verankert. Führen die in den letzten 25 Jahren seit Malamed (1982) [29], Kaufman (1983) [27], Walton (1981) [42] und Glockmann et al. (2002) [18] gewonnenen Erkenntnisse dazu, diese Grundauffassung „zuerst die Infiltrations- oder die Leitungsanästhesie anwenden“ und die ILA nur zur Komplettierung in Betracht zu ziehen, zu einem Wechsel hin zur „primären Methode ILA“? Die Effekte – auch die unerwünschten – der konventionellen Methoden der Lokalanästhesie sind bekannt. Sind diese bei der intraligamentären Anästhesie vergleichbar? Mit welchen Komplikationen ist bei dieser „minimalinvasiven Analgesiemöglichkeit“ zu rechnen und wo sind die Grenzen dieser Lokalanästhesiemethode?
Die Grenzen der ILA
Wegen der eng begrenzten Ausbreitung des injizierten Anästhetikums und der relativ kurzen Dauer der intraligamentären Anästhesie (ILA) kann diese die Anforderungen für extensive chirurgische Eingriffe nicht erfüllen. Obwohl es möglich ist, den Ausbreitungsraum der Analgesie durch zusätzliche Injektionspunkte und die Erhöhung der Anzahl der intraligamentalen Injektionen zu vergrößern, sollte die ILA nicht für länger dauernde und ausgedehnte dentoalveoläre chirurgische Eingriffe gewählt werden [3, 19, 20].
Komplikationen
Die in der Literatur im Zusammenhang mit intraligamentalen Injektionen von einzelnen Autoren beschriebenen Komplikationen wurden von Giovannitti und Nique (1983) zusammengefasst und die daraus resultierenden Fragen evidenzbasiert in den Jahren ab 1983 systematisch beantwortet [16].
Die Fragen zu den histologischen Effekten wurden durch Studien beantwortet [12, 13, 43]. Alle Autoren kommen zum gleichen Ergebnis: Nach intraligamentalen Injektionen war kein histologischer Befund von Gewebezerstörungen und kein Beweis von irgendwelchen Gewebeschäden gleich auf welcher Ebene festzustellen. Alle Autoren kommen zu dem Schluss, dass die intraligamentäre Zahnanästhesie sicher ist – mit minimalen, kurzzeitigen und reversiblen Entzündungen – und dass diese die Zahnheilkunde um eine zuverlässige Lokalanästhesie-Methode erweitert.
Die Auswirkungen der intraligamentalen Injektion auf das Pulpagewebe wurden von Lin et al. (1985) untersucht [28]. Es wurden keine pathologischen Veränderungen wie hydropische Degeneration, ischämische Nekrosen oder Entzündungen in den Pulpen der untersuchten Zähne beobachtet. Weder Tsirlis et al. (1992) noch Heizmann und Gabka (1994) konnten beim direkten Vergleich der ILA mit der Leitungs- und der Infiltrationsanästhesie mit Blick auf Wundheilungsstörungen (Dolor post extractionem bzw. trockene Alveole) signifikante Unterschiede feststellen [23, 41]. Wahrscheinlich werden die Infektionen nicht durch die Injektion ausgelöst sondern speziell durch die apikale Ostitis bei zerstörten Zähnen.
Die Frage der Auslösung von Bakteriämien durch intraligamentale Injektionen zieht sich wie ein roter Faden durch die Publikationen der 80er und 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. Zahlreiche zahnmedizinische Maßnahmen können eine Bakteriämie auslösen [25]. Von Interesse ist die Sepsis, die möglicherweise durch die Forcierung von Bakterien in das Gewebe und in die Blutbahn (Bakteriämie) durch die Injektionsnadel resultieren kann. Walton and Abbott (1981) präzisieren, dass dies bei intraligamentalen Injektionen vermutlich der Fall ist, aber wahrscheinlich in keinem größeren Umfang als bei anderen zahnmedizinischen Verfahren [42]. Die intraligamentale Injektion kann mit subgingivalem Scaling (Scaling und Root Planing) verglichen werden, was in einem kleinen Prozentsatz der Fälle zu Bakteriämien führt. Diese Bakteriämien waren transient [42]. Heizmann und Gabka (1994) haben während einer mehr als 10-jährigen breiten Anwendung in Klinik und Praxis keine Bakteriämie beobachtet, was auch von Zugal et al. (2005) und von Endo et al (2008) bestätigt wird [10, 23, 47].
Unerwünschte Effekte und Nebenwirkungen (Elongationsgefühl, Druckschmerz) – nach dem Abklingen der intraligamentären Anästhesie – werden in diversen Publikationen beschrieben [11, 17, 27, 29, 32]. Bei Vorkontakten, Diskomfort und Elongationsgefühl liegt die Ursache oft darin, dass die Injektion der Anästhesie-Lösung nicht unter ausreichender Berücksichtigung der individuellen anatomischen Verhältnisse des Patienten erfolgt, d. h. in der Regel zu schnell und damit mit zu hohem Injektionsdruck.
Huber und Wilhelm-Höft (1988) haben in einer Studie gezeigt, dass Zähne in ihrer Alveole bewegt werden können [24]: Während der intraligamentalen Injektion wird ein Flüssigkeitsvolumen in einen Raum gepumpt, der bereits vollständig ausgefüllt ist. Da Flüssigkeiten inkompressibel sind, kommen primär nur eine Dehnung des Alveolarfaches oder eine Verlagerung des parodontalen Flüssigkeitspolsters nach Art eines hydraulischen Druckausgleiches in Betracht (was von den Zahn umgebenden Nervenendigungen registriert wird).
Um unerwünschten Effekten nach Abklingen der Anästhesie – Druckschmerz, Elongationsgefühl und auch Drucknekrosen – vorzubeugen, ist das Anästhetikum sehr langsam zu injizieren, um dem Gewebe Gelegenheit zu geben, die applizierte Lösung zu resorbieren [3, 40, 47]. Mit zunehmender Injektionszeit nimmt der erforderliche Injektionsdruck zur Überwindung des Gewebswiderstands kontinuierlich ab. Die modernen Injektionssysteme, z. B. die SoftJect-Spritzen oder das elektronisch gesteuerte STA-System (Abb. 5), ermöglichen es dem Behandler, diesem Faktum bewusst gerecht zu werden.
Patienten
Grundsätzlich ist die intraligamentäre Anästhesie für alle Patientenkategorien anwendbar. Bei der Betrachtung des für die intraligamentäre Anästhesie in Betracht kommenden Patientenguts gibt es nur für endokarditisgefährdete Patienten eine Einschränkung (cave).
Hier gilt besondere Vorsicht, da die Absiedlung von Bakterien aus dem Blut (Bakteriämien) bei diesen Patienten zu ernsthaften Komplikationen führen kann. Bei diesen Patienten sind invasive Eingriffe unter Antibiotikaschutz vorzunehmen (Frenkel, 1989). Diese Vorsichtsmaßnahme ist nicht nur bei einer ILA sondern auch bei anderen Manipulationen am Zahnfleischsulkus, z. B. Zahnsteinentfernungen, einzuhalten. Glockmann et al. (2002, 2010) definieren, dass das Risiko einer Endokarditis eine absolute Kontraindikation für die ILA ist [18, 21]. Die intraligamentale Injektion bei jungen, gesunden Patienten (m/w) mit festem Desmodont [7, 30, 44, 46] wird mittels sensibler Instrumentarien erleichtert.
Bei Patienten mit parodontaler Vorschädigung muss der aufzubauende Injektionsdruck vom Behandler auf die anatomischen Verhältnisse des Patienten gut abgestimmt werden [30, 33, 34].
Bei Hochrisikopatienten nach Herzinfarkten, mit kardialen Bypässen und anderen koronaren Erkrankungen [15, 23] wird die ILA empfohlen, da sie zuverlässig, einfach und ohne Nebenwirkungen ist. Wegen der nur geringen erforderlichen Anästhetikamengen [15] ist sie für Risikopatienten mit kardio-vaskulären Erkrankungen die Anästhesiemethode der Wahl. Dies gilt auch für Patienten mit hämorrhagischer Diathese und unter Antikoagulanzien-Behandlung. Andere Lokalanästhesie-Methoden sind bei dieser Patientengruppe kontraindiziert [35, 37, 38].
Kinder und Behinderte sind eine Patientengruppe, der in der zahnärztlichen Praxis eine besondere Bedeutung zukommt. Die vertrauensvolle Betreuung erfordert eine starke Bindung dieser Patienten an den Behandler [5, 8, 18, 46]. Bei der ILA treten infolge der feinen Kanülenstiche praktisch keine Schmerzsensationen auf, speziell wenn vor der Insertion der Kanüle ein Tropfen Anästhetikum an der Injektionsstelle [18, 21] abgelegt wird (Oberflächenanästhesie – Abb. 4). Die ILA-Injektionssysteme werden praktisch nicht als „Spritzen“ wahrgenommen, was besonders auf den „Zauberstab“ des STA-Systems zutrifft (Abb. 1). Die Gefahr postoperativer Bissverletzungen ist deutlich reduziert, da keine Taubheit in Wangen, Zungen- und Lippenbereich nachzuweisen ist [5, 46].
Material und Durchführung der intraligamentalen Injektion
Der medizintechnische Fortschritt der letzten 30 Jahre hat dazu geführt, dass heute Injektionssysteme zur Verfügung stehen, mit denen der erforderliche Injektionsdruck leicht durch den Behandler aufgebaut werden kann. Allerdings bewertete die ADA (American Dental Association) bereits 1983 Spritzen mit integrierten mehrstufigen Hebelsystemen zur Kraftverstärkung als nur bedingt geeignet für periodontale Ligament-Injektionen [16], da der Behandler dabei nur sehr begrenzt die Möglichkeit hat, die individuellen anatomischen Gegebenheiten des Patienten zu spüren und seinen Injektionsdruck entsprechend anzupassen.
Zur Vermeidung von unerwünschten Effekten sollten für intraligamentale Injektionen von Anästhetikum nur elektronisch gesteuerte Spritzensysteme verwendet werden oder mechanische, bei denen Druckaufbau und -übertragung ohne integrierte mehrstufige Hebelsysteme erfolgen (Abb. 2 und 5). Appliziert werden sollte wegen des engen Desmodontalspalts, in den intraligamental injiziert wird, mit systemadaptierten Kanülen mit einem Durchmesser von 0,3 mm (30 G) mit extrakurzem Anschliff.
Als Anästhetikum wird Articainhydrochlorid 4 % mit Adrenalin 1:200.000 empfohlen, z. B. Artinestol 1:200.000, Septanest 1/200 000, Sopira Citocartin 1:200.000, Ubistesin 1:200.000 oder Ultracain DS. Da die Galenik dieser Anästhetika differiert, sind indikations- und patientenspezifische Reaktionen nicht auszuschließen.
Beim Vergleich der Anästhetika für die intraligamentäre Anästhesie führte die Applikation von Anästhetika-Lösung mit Adrenalin [22] zu einer signifikant höheren Erfolgsrate (91,6 % bei Lignocainie 2 % mit Adrenalin 1:80.000 gegenüber 42,0 % bei Lignocaine 2 % ohne Adrenalin). Bei den Anästhetika gibt es keine Einschränkungen, schreiben Heizmann und Gabka (1994); alle üblicherweise verwendeten Substanzen können uneingeschränkt eingesetzt werden. Infolge der geringen Dosierung können auch Lösungen verwendet werden, die einen relativ hohen Adrenalinzusatz haben [23].
Das Anästhetikum ist unter Druck in den Desmodontalspalt zu injizieren. Es breitet sich entlang der Zahnwurzel und intraossär aus und erreicht in etwa 30 Sekunden das Foramen apikale. Auf diese Weise werden sowohl die Pulpa als auch die zahn-umgebenden Nervenendigungen desensibilisiert (Abb. 6) [14, 32, 39]. Pro Zahnwurzel müssen etwa 0,2 ml Anästhetikum appliziert werden. Anästhesieversager sind häufig auf Unterdosierung zurückzuführen [9].
Damit das Anästhetikum problemlos ins Desmodont diffundieren kann, muss es sehr langsam – den anatomischen Verhältnissen des Patienten angepasst – injiziert werden [3, 18, 21, 45, 47]. Die Injektionszeit beträgt bei der ersten Wurzel etwa 20 Sekunden, bei der zweiten Wurzel desselben Zahns > 20 Sekunden und bei einer dritten Wurzel desselben Zahns ? 25 Sekunden.
Dadurch wird vermieden, dass es zu einer Depotbildung kommt, sich der Zahn minimal in der Alveole bewegt [24] und unerwünschte Effekte nach Ende der Anästhesie generiert werden (Druckschmerz, Elongationsgefühl). Diese angepasst langsame Injektion ins Ligament beugt gleichfalls druckbedingten Gewebsveränderungen (Nekrosen) vor, die ggf. iatrogen sind [47]. Damit bei der Umplatzierung der Kanüle kein Anästhetikum – unnötigerweise – in den Mund des Patienten läuft, sollte der Injektionsdruck am Ende der Injektion durch den Behandler abgebaut werden können [46].
Die Anästhesie tritt unverzüglich ein und ist nach etwa 30 Sekunden in voller Tiefe ausgeprägt; bei entzündetem Gewebe kann sich der Anästhesieeintritt leicht (60 - 90 Sek.) verzögern, da das Anästhetikum durch den veränderten pH-Wert des Gewebes langsamer anflutet [44, 45].
Nach etwa 30 Minuten ist das Empfindungsvermögen wieder zurückgekehrt. Bei länger dauernden Behandlungen kann problemlos intraligamental nachinjiziert werden, ggf. in die Furkation. Durch die kurze Anästhesiedauer ist die Dispositionsfähigkeit des Patienten nach Abschluss der Behandlung – gleich welcher Art – nicht eingeschränkt, im Gegensatz zu den konventionellen Methoden der Lokalanästhesie [7].
Fazit
Die intraligamentäre Anästhesie – lege artis angewandt – ist eine gute Möglichkeit, bei Patienten mit Vorbehalten gegenüber einer Spritze dieselben abzubauen. Da der Bereich der Anästhesie sehr eng begrenzt ist, empfindet der Patient diese Schmerz-ausschaltung nicht im angrenzenden Bereich und fühlt sich nicht beeinträchtigt – weder während noch nach Abschluss der Behandlung. Den konventionellen Methoden der Lokalanästhesie ist die ILA bei fast allen zahnmedizinischen Indikationen und Patientengruppen signifikant überlegen. Die Grenzen dieser anwenderfreundlichen und patientenschonenden Methode der Schmerzausschaltung liegen im chirurgischen Bereich, wo die ILA für länger dauernde und ausgedehnte dentoalveoläre chirurgische Eingriffe die Anforderungen nicht erfüllen kann. Bei ängstlichen und gegen Spritzen voreingenommenen Patienten ist sie als primäre Methode der Lokalanästhesie einzustufen.