Parodontologie

Infiltrationsanästhesie, intraligamentäre Anästhesie, Leitungsanästhesie, Lokalanästhesie, Nekrosen, Parodontalschäden

Lokalanästhesie bei Patienten mit parodontaler Vorschädigung – Die intraligamentäre Anästhesie im Methodenvergleich mit Leitungs- und Infiltrationsanästhesie –


Seit den 1970er Jahren wird die Injektion von Anästhetikum ins Desmodont (intraligamentäre Anästhesie) als eine Alternative zur Leitungs- oder Infiltrationsanästhesie in der Literatur dargestellt [3, 16, 20]. Sukzessive wurden die 1983 in diesem Zusammenhang von der American Dental Association postulierten Fragen [7] zur Aufklärung des Wirkmechanismus dieser Lokalanästhesiemethode und der Effekte auf Parodont und Pulpa in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts durch histologische Studien beantwortet; die Ergebnisse wurden international publiziert. Die klinische Relevanz dieser Lokalanästhesiemethode für die praktische Anwendung wurde erst in den letzten Jahren durch evidenzbasierte klinische Studien bewertet [4, 6, 12, 30, 31], noch immer sind aber Aspekte gegeben, die beweisgestützter Aussagen bedürfen.

 

Die gelehrten und weitgehend in der Praxis angewandten Lokalanästhesiemethoden Leitungs- und Infiltrationsanästhesie sind durchaus nicht problemfrei. Die Ursachen für inkomplette Blockaden, die beim Nervus alveolaris inferior mit 25 % und mehr angegeben werden, liegen ursächlich an anatomischen Besonderheiten und dem Gewebezustand, aber auch an der angewandten Technik beziehungsweise der Lokalisation [5]. Die Wahrscheinlichkeit, bei der Insertion ein Gefäß zu treffen, wird mit bis zu 20 % angegeben [19], was bei Hämophiliepatienten zum Ausschluss dieser Methode der Lokalanästhesie führt.

Bei Patienten mit hämorrhagischer Diathese dürfen Leitungsanästhesien auf keinen Fall vorgenommen werden, da diese infolge massiver Hämatombildung lebensbedrohliche Folgen haben können [26]. Eine unzureichende Anästhesie erfordert eine Komplettierung – häufig durch Wiederholen der Injektion. Dabei ist nicht auszuschließen, dass es zu einem Nervkontakt kommen kann, ohne eine Reaktionsmöglichkeit des Patienten, da ja bereits eine größere Menge Anästhetikum das Injektionsgebiet desensibilisiert hat. Eine Nervläsion – auch mit lang dauernden Folgen – ist nicht auszuschließen [12].

Vorbehalte gegenüber der intraligamentären Anästhesie

Auf die grundsätzliche Frage, ob die „intraligamentäre Anästhesie“ (im Folgenden abgekürzt: ILA) auch bei zahnerhaltenden Maßnahmen und nicht nur bei Zahnextraktionen angewandt werden kann, sollte in zwei Observationsstudien in einem direkten Methodenvergleich mit der Leitungs- und Infiltrationsanästhesie eine Antwort gefunden werden. Die Ergebnisse wurden publiziert [6, 9, 10, 30] und zeigen, dass bei einigen Indikationen, z. B. vor angezeigten endodontischen Behandlungen, die sensible Anwendung moderner Instrumentarien für intraligamentale Injektionen erfolgversprechend ist.

Die Vorbehalte gegen die Injektion von Anästhetikum unter Druck ins Desmodont zur Erreichung einer intraligamentären Anästhesie bei parodontal vorgeschädigten Patienten konnten durch diese beiden Studien und auch durch die Arbeit von Zugal et al. (2005) nicht relativiert werden [32].

Bei parodontal vorgeschädigten Patienten ist das Risiko, durch intraligamentale Injektionen mit den handelsüblichen Injektionssystemen (Abb. 1 und 2) das Parodontium nachhaltig zu schädigen, nicht als minimal einzustufen.

  • Abb. 1: ILA-Pistolenspritzen – Standard-Instrumentarium in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts.
  • Abb. 2: Dosierhebelspritzen, eingeführt in den 1980er Jahren.
  • Abb. 1: ILA-Pistolenspritzen – Standard-Instrumentarium in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts.
  • Abb. 2: Dosierhebelspritzen, eingeführt in den 1980er Jahren.

Als Alternativen zur Leitungs- oder Infiltrationsanästhesie werden neben der Elektroanästhesie und der intraossären Injektion von Anästhetikum immer auch weiterführende Methoden der Anxiolyse und Sedierung benannt. Diese können eine sinnvolle Ergänzung der unmittelbaren Anästhesie sein. Wegen der Beeinträchtigung von Atmung, Bewusstsein und Herz-Kreislauf-Funktionen ist bei solchen weiterführenden Maßnahmen eine adäquate Überwachung des Patienten durch eine zweite Person erforderlich, die in dieser Technik erfahren ist [5, 17]. Zudem ist nach einer Sedierung die Dispositionsfähigkeit des Patienten über einen längeren Zeitraum eingeschränkt.

Medizintechnischer Fortschritt und zunehmende Erfahrung mit minimalinvasiver Desmodontalapplikation von Anästhetikum zur Schmerzausschaltung vor angezeigten Maßnahmen der Zahnerhaltung gaben Anlass zu der Frage, ob bei sensibler Anwendung der Anfang dieses Jahrhunderts eingeführten Injektionssysteme ohne mehrstufige, Kraft verstärkende Hebelsysteme (Abb. 3 und 4) die intraligamentale Injektion effektiv als parodontalschädigend einzustufen ist.

  • Abb. 3: Dosierradspritze SoftJect ohne mehrstufiges integriertes Hebelsystem.
  • Abb. 4: Bei der Dosierradspritze wird der vom Behandler aufgebaute Injektionsdruck über ein Dosierrad direkt auf die Zahnstange übertragen.
  • Abb. 3: Dosierradspritze SoftJect ohne mehrstufiges integriertes Hebelsystem.
  • Abb. 4: Bei der Dosierradspritze wird der vom Behandler aufgebaute Injektionsdruck über ein Dosierrad direkt auf die Zahnstange übertragen.

Im Rahmen einer klinischen Observationsstudie der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen wurde die Hypothese aufgestellt, dass durch die intraligamentäre Anästhesie – bei Anwendung der Methode lege artis – vor zahnerhaltenden (konservierende, restaurative und auch endodontische) Maßnahmen auch bei parodontal vorgeschädigten Patienten keine Gewebsschädigung eintritt und die unerwünschten Effekte der Leitungs- und Infiltrationsanästhesie, vor allem die Einschränkung der Sensibilität (Artikulation und Mastikation) über Stunden, bei einer Lokalanästhesie durch intraligamentale Injektionen signifikant reduziert werden können [23].

Material und Methoden

Unter den in der Praxis üblichen Bedingungen wurden in einem randomisierten Methodenvergleich

  • Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior (LA)
  • Infiltrationsanästhesie beziehungsweise Terminalanästhesie (IA)
  • intraligamentäre Anästhesie beziehungsweise intraligamentale Terminalanästhesie (ILA)

vor zahnerhaltenden Behandlungen bei parodontal vorgeschädigten Patienten miteinander verglichen. Maßnahmen der Schmerzausschaltung für andere Indikationen (z. B. Extraktionen) gingen nicht in die Vergleichsstudie ein.

Zum Vergleich kamen:

  • Handelsübliche Spritzen und Kanülen für die Leitungs- beziehungsweise Infiltrationsanästhesie
  • handelsübliche Dosierrad-Spritzen und systemadaptierte Kanülen für die intraligamentalen Injektionen (Abb. 3 und 4)
  • das seit mehr als 25 Jahren eingeführte und bewährte Anästhetikum Articain mit Adrenalin (z. B. Ultracain D-S oder Septanest mit Adrenalin 1/200.000).

Die Messung der parodontalen Taschen erfolgte mit Parodontalsonden DB 767R der Firma Aesculap (Tuttlingen), deren Arbeitsspitze der Empfehlung der FDI/WHO entspricht. Die Sondierungstiefe des zu behandelnden Zahns war jeweils an zwei Stellen zu messen [23]. Da im Rahmen des Studiendesigns keine systematische Behandlung von Parodontopathien geplant war sondern die zahnerhaltende Therapie eines Einzelzahns bei parodontal vorgeschädigten Patienten, wurde nur die Sondierungstiefe des zu behandelnden Zahnes sondiert. Sowohl die Leitungs- und die Infiltrationsanästhesie als auch die intraligamentäre Anästhesie wurden gemäß der gelehrten und publizierten Erkenntnisse angewandt [8, 19, 25, 26].

Soweit dies vom zu behandelnden Zahn her möglich war, wurde die Lokalanästhesiemethode nach dem Rotationsprinzip immer im gleichen Rhythmus (LA – IA – ILA) durchgeführt. Wenn im Rahmen dieser Rotation z. B. eine Leitungsanästhesie nicht möglich war, weil sich der Zahn im Oberkiefer befand, wurde eine Infiltrationsanästhesie appliziert und dann die Leitungsanästhesie bei nächster Möglichkeit nachgeholt, beziehungsweise umgekehrt bei einer anstehenden Infiltrationsanästhesie im Unterkiefer. Bei der intraligamentären Anästhesie konnten die anstehenden Injektionen immer durchgeführt werden, da diese Methode bei allen Zähnen sowohl im Oberkiefer als auch im Unterkiefer ausnahmslos angewendet werden kann [31].

Pro Lokalanästhesie-Methode wurden jeweils 150 Fälle dokumentiert und ausgewertet. Spezielles Augenmerk wurde dem für zahnerhaltende Maßnahmen wichtigen Aspekt der notwendigen Anästhesietiefe und der problemlosen Möglichkeit einer eventuell erforderlichen Nachanästhesie bei Nachlassen der Analgesie gewidmet. Nach Abschluss der Behandlung wurde das Befinden des Patienten erfragt sowie der pathologische Zustand festgestellt und dokumentiert [23]. In die Vergleichsstudie wurden nur gesunde erwachsene Patienten aufgenommen, bei denen die zu behandelnden Zähne einen Parodontalstatus mit einer Sondiertiefe von 3 mm oder mehr hatten. Kinder und Risikopatienten gehörten nicht zur definierten Patientengruppe.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 450 zahnerhaltende Behandlungen bei Patienten mit vorgeschädigtem Parodontium, die unter Lokalanästhesie durchgeführt wurden, dokumentiert und ausgewertet. Pro Anästhesiemethode wurden jeweils 150 Zähne behandelt (Tab. 1). Die Ausgangssituation – der festgestellte Parodontalstatus – war in allen drei Vergleichsgruppen weitgehend identisch. Die jeweils an zwei Stellen gemessene Sondierungstiefe (ST) betrug im Durchschnitt 3,4 mm (Tab. 2). Die Wirksamkeit der Lokalanästhesie wurde durch Sondierung und Kälte-Wärme-Test überprüft. Die dokumentierten Daten der jeweils 150 unter Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior, Infiltrations- beziehungsweise Terminalanästhesie oder intraligamentärer Anästhesie behandelten Fälle sind in den Tabellen 3a, b und c (Ergebnisse des Methodenvergleichs) zusammengefasst.

  • Tab. 1: Unter Leitungsanästhesie wurden bei zwei Patienten jeweils 2 Zähne in derselben Sitzung behandelt.
  • Tab. 2: Die durchschnittliche Sondierungstiefe (ST) war mit 3,4 mm bei allen drei Anästhesiemethoden weitgehend vergleichbar.
  • Tab. 1: Unter Leitungsanästhesie wurden bei zwei Patienten jeweils 2 Zähne in derselben Sitzung behandelt.
  • Tab. 2: Die durchschnittliche Sondierungstiefe (ST) war mit 3,4 mm bei allen drei Anästhesiemethoden weitgehend vergleichbar.

  • Tab. 3a: Die Patientengruppen der drei verglichenen Lokalanästhesie-Methoden waren hinsichtlich Alter und Geschlecht weitgehend vergleichbar.
  • Tab. 3b: Bei unzureichender Anästhesie erfolgte die Komplettierung durch intraligamentale Nachinjektionen.
  • Tab. 3a: Die Patientengruppen der drei verglichenen Lokalanästhesie-Methoden waren hinsichtlich Alter und Geschlecht weitgehend vergleichbar.
  • Tab. 3b: Bei unzureichender Anästhesie erfolgte die Komplettierung durch intraligamentale Nachinjektionen.

  • Tab. 3c: Die Belastung der Patienten war bei der ILA signifikant geringer als bei den verglichenen Lokalanästhesie-Methoden.
  • Tab. 3c: Die Belastung der Patienten war bei der ILA signifikant geringer als bei den verglichenen Lokalanästhesie-Methoden.

Anästhesieerfolg

Beim initialen Anästhesieerfolg der drei verglichenen Anästhesiemethoden ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied. Er war bei der

  • Leitungsanästhesie 90 % (135 von 150 Fällen)
  • Infiltrationsanästhesie 95,3 % (143 von 150 Fällen)
  • Intraligamentären Anästhesie 89,3 % (134 von 150 Fällen).

Die Komplettierung der Anästhesie zur Erreichung der erforderlichen Schmerzausschaltung erfolgte in allen Fällen durch intraligamentale Nachinjektionen, um das Risiko von Komplikationen zu minimieren und die notwendige Anästhetika-Menge so gering wie möglich zu halten. Sowohl bei der Leitungs- als auch bei der Infiltrationsanästhesie konnte durch intraligamentale Nachinjektionen eine vollständige Schmerzfreiheit erreicht werden. Bei der ILA musste in einem Falle zusätzlich zu den intraligamentalen Injektionen eine Leitungsanästhesie gesetzt werden, die dann die erforderliche Analgesie brachte.

Anästhetikumverbrauch

Die erforderliche Anästhetika-Menge, die für das Erreichen einer ausreichenden Schmerzausschaltung vor der indizierten Behandlung injiziert wurde, setzt sich aus den Mengen für die Primärinjektion und den gegebenenfalls zur Komplettierung erforderlichen Anästhetika-Mengen zusammen. Die insgesamt für die intraligamentäre Anästhesie erforderliche durchschnittliche Menge Anästhetikum war mit 0,36 ml signifikant geringer als die für die Leitungsanästhesie (1,24 ml) und die für die Infiltrationsanästhesie (1,02 ml) erforderliche.

Anästhesiedauer

Die durchschnittliche Dauer der Anästhesie betrug bei der

  • Leitungsanästhesie 2,9 Stunden
  • Infiltrationsanästhesie 2,3 Stunden
  • Intraligamentären Anästhesie 0,64 Stunden (= 38,4 Minuten).

Durch die Lokalanästhesie wird das Empfindungsvermögen im anästhesierten Bereich über einen längeren Zeitraum zum Teil erheblich eingeschränkt (Artikulation und Mastikation). Die Anästhesiedauer und damit die Einschränkung der Dispositionsfähigkeit des Patienten war bei der intraligamentären Anästhesie signifikant kürzer (p<0,001) als bei den beiden anderen verglichenen Methoden. Die durchgeführten, zahnerhaltenden Maßnahmen (Cp-Behandlungen im Front- und Seitenzahnbereich) konnten alle ohne Nachanästhesie durchgeführt werden. Bei den Behandlungen unter intraligamentärer Anästhesie zeigten die Patienten keine Reaktionen, die als Hinweise auf ein Nachlassen der Anästhesie hätten gedeutet werden können.

Beeinträchtigungen durch die Lokalanästhesie

Nach Abschluss der durchgeführten zahnerhaltenden Maßnahmen berichteten die Patienten über sehr unterschiedliche Beeinträchtigungen, die durch die angewandte Methode bedingt waren (Tab. 3c). Bei den unter intraligamentärer Anästhesie behandelten Patienten wurde in 15 Fällen von Druckschmerz beziehungsweise von einem Elongationsgefühl des anästhesierten Zahnes nach Ende der Anästhesie berichtet. Diese Empfindungen klangen innerhalb von 24 Stunden ab und wurden wahrscheinlich durch zu schnelle Injektion des Anästhetikums ins Ligament des zu behandelnden Zahnes generiert.

Alle Patienten, die unter Leitungs- und Infiltrationsanästhesie behandelt worden waren, berichteten über ein Taubheitsgefühl, das bei der

  • Leitungsanästhesie in 131 Fällen (87,3 %) länger als 3 Stunden
  • Infiltrationsanästhesie in 124 Fällen (82,7 %) zwischen 2 und 3 Stunden

anhielt. Durch das über Stunden eingeschränkte Empfindungsvermögen der Patienten ist die Nahrungsaufnahme gestört. Ebenso ist die Sprachfunktion beeinträchtigt und es besteht die Gefahr von thermischen und/oder Bissverletzungen. Bei der intraligamentären Anästhesie (ILA) wurde nur von einem Patienten über eine solche Beeinträchtigung berichtet, bei dem die ILA mit einer Leitungsanästhesie komplettiert werden musste.

Beeinträchtigungen und Nebeneffekte

Die Fälle von leichter Herz-Kreislauf-Belastung und von allgemeiner Beeinträchtigung (7 Fälle) wurden nur bei der Leitungs- und der Infiltrationsanästhesie festgestellt. Als weiterer Nebeneffekt wurde die Schmerzsensation bei der Primärinjektion untersucht (Injektionsschmerz). Durch die Befragung der Patienten ergab sich, dass sowohl bei der Leitungsals auch bei der Infiltrationsanästhesie fast alle Patienten einen unangenehmen Schmerz verspürten (Tab. 3b). Bei der intraligamentären Anästhesie hingegen gaben mehr als 60 % der Patienten an, keine Schmerzsensation gefühlt zu haben.

Parodontalzustand nach Abschluss der Behandlung und Überprüfung anlässlich eines Recalls

Alle Patienten wurden nach Abschluss der Behandlung instruiert, bei jeglichem Anzeichen von Veränderungen oder Beeinträchtigungen ihres Zustands/ Befindens das Behandlungsteam sofort zu informieren. Es wurden keine Auffälligkeiten mitgeteilt. Anlässlich eines Recalls innerhalb von zwei Wochen wurde bei allen dokumentierten Patienten der Parodontalzustand überprüft. In keinem Fall, weder bei den unter Leitungs- oder Infiltrationsanästhesie noch bei den unter intraligamentärer Anästhesie behandelten Patienten, wurden irreversible Gewebsveränderungen (Nekrosen) festgestellt.

Diskussion

Die Ergebnisse dieses prospektiven Vergleichs der Lokalanästhesie-Methoden zeigen, dass auch bei parodontal vorgeschädigten Patienten mit Sondierungstiefen bis 5 mm die Möglichkeit der Schmerzausschaltung durch intraligamentale Injektionen ins Desmodont vor angezeigten zahnerhaltenden Maßnahmen ohne eine weitere Schädigung des Parodontiums gegeben ist und dass die intraligamentäre Anästhesie wesentliche Vorteile für den Behandler und vor allem für den Patienten bietet.

Mit Blick auf Risikopatienten sind die unterschiedlichen erforderlichen Anästhetika-Mengen zu betrachten: Für die Leitungsanästhesie und auch für die Infiltrationsanästhesie wurde durchschnittlich etwa das Dreifache an Anästhetikum benötigt, um eine Schmerzausschaltung zu erreichen. Bei der ILA ist aufgrund der geringeren Menge des Wirkstoffes die Gefahr einer systemischen Reaktion reduziert; die Belastung des Körpers durch das Angens sinkt. Die dokumentierten Ergebnisse der intraligamentären Anästhesie stehen wahrscheinlich im direkten Zusammenhang mit der sensiblen Anwendung der verwendeten Injektionssysteme. Im vergangenen Jahrhundert standen für intraligamentäre Injektionen nur Instrumentarien zur Verfügung, bei denen die vom Behandler aufzubauende Injektionskraft über ein integriertes mehrstufiges Hebelsystem verstärkt wurde (Abb. 1 und 2). Bei den im Rahmen der durchgeführten Studie angewandten Dosierrad-Spritzen vom Typ SoftJect wird der erforderliche Injektionsdruck direkt über ein Dosierrad auf die Zahnstange übertragen; der Behandler ist in der Lage, die anatomischen Gegebenheiten des Patienten bei der Injektion genau zu spüren und seinen Injektionsdruck gut anzupassen (Abb. 3 und 4).

Bei Überprüfung des Parodontalzustands nach Abschluss der Behandlung und anlässlich eines Recalls innerhalb von zwei Wochen wurde bei keinem Patienten ein pathologischer Befund festgestellt. In keinem Fall, weder bei den konventionellen Methoden noch bei der intraligamentären Anästhesie, wurden reversible Gewebsveränderungen (Nekrosen) diagnostiziert. Die in der Literatur beschriebenen Gewebsveränderungen (tissue changes) nach intraligamentalen Injektionen stehen wahrscheinlich im direkten Zusammenhang mit dem applizierten Injektionsdruck, generiert durch sogenannte Druckspritzen, die heute als obsolet zu betrachten sind (Abb. 1).

Im Gegensatz zu der bisher verbreiteten Lehrmeinung, dass bei parodontal geschädigten Patienten intraligamentale Injektionen zu einer weiteren Gewebsschädigung führen, konnte festgestellt werden, dass sich diese Annahme wahrscheinlich auf Erfahrungen mit den in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts für intraligamentale Injektionen ausschließlich zur Verfügung stehenden Spritzensystemen (z. B. den Pistolenspritzen vom Typ PeriPress etc. und den Dosierhebelspritzen vom Typ Citoject etc.) stützt. Die modernen Dosierradspritzen ohne zwischengelagerte Hebelsysteme zur Verstärkung des Injektionsdrucks gestatten es dem Behandler, den zu überwindenden Gewebswiderstand (back pressure) direkt in seinem Daumen (oder Zeigefinger) zu spüren und den von ihm aufzubauenden Injektionsdruck den individuellen anatomischen Verhältnissen des Patienten gut anzupassen. Die in der Literatur beschriebenen „unwanted effects“ sind wahrscheinlich auf heute als obsolet zu betrachtende Injektionssysteme zurückzuführen und damit iatrogen und nicht methodenimmanent. Die relativ hohe Zahl von 15 Patienten (10 % der Fälle), die nach Abklingen der ILA einen reversiblen Druckschmerz des anästhesierten Zahnes feststellten, ist im Zusammenhang mit dem Zustand des Gewebes zu sehen, in das das Anästhetikum intraligamental injiziert wurde. Bei gesundem Gewebe ist der Gewebswiderstand, gegen den das Anästhetikum injiziert werden muss, relativ hoch, bei parodontal vorgeschädigtem Gewebe nimmt der interstitielle Gegendruck ab, sodass es leichter möglich ist, schneller – und damit mit höherem Druck – zu injizieren.

Da parodontal vorgeschädigtes Gewebe weniger dicht als gesundes Parodontalgewebe ist, wird das intraligamental injizierte Anästhetikum bei vorgeschädigtem Parodontium gegen geringeren Widerstand in das Gewebe gedrückt. Die empfohlene Injektionszeit von 20 Sekunden für die pro Wurzel zu injizierenden 0,2 ml Anästhetikum ist unbedingt einzuhalten. Bei mehrwurzeligen Zähnen ist die Injektionszeit tatsächlich [30, 32] auf > 20 Sekunden bei der 2. Wurzel und ggf. bei einer 3. Wurzel auf ? 25 Sekunden zu verlängern.

  • Abb. 5: Das ins Desmodont applizierte Anästhetikum wird sukzessive vom zahnumgebenden Gewebe resorbiert.

  • Abb. 5: Das ins Desmodont applizierte Anästhetikum wird sukzessive vom zahnumgebenden Gewebe resorbiert.
Bei einer kürzeren Injektionszeit ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer – wenn auch minimalen – Bewegung des Zahnes in der Alveole kommt, gegeben. Während der intraligamentalen Injektion wird ein Flüssigkeitsvolumen (~0,2 ml pro Wurzel) in einen Raum gepresst, der bereits vollständig ausgefüllt ist. Da Flüssigkeiten inkompressibel sind, kommen als Rückwirkung primär nur eine Dehnung des Alveolarfaches oder eine Verlagerung des periodontalen Flüssigkeitspolsters nach Art eines hydraulischen Druckausgleichs in Betracht. Andererseits ist es möglich, dass der Zahn durch das injizierte Volumen, wie bei einem periodontalen Ödem, aus der Alveole herausgehoben wird. Es kann davon ausgegangen werden, dass es dadurch zu einer Beeinträchtigung der den Zahn umgebenden Nervenendigungen kommt [13]. Diese Vorgänge werden allerdings von der schnell einsetzenden Lokalanästhesie durch Ausbreitung der Anästhetikalösung in den benachbarten Knochen überlagert (Abb. 5).

Zusammenfassung

Durch intraligamentale Injektionen ist eine sichere Schmerzausschaltung für zahnerhaltende Maßnahmen auch bei Patienten möglich, deren Zahnhalteapparat durch eine parodontale Erkrankung (chronische Parodontitis) vorgeschädigt ist. Die klinische Untersuchung 14 Tage nach der Behandlung zeigte, dass weder durch die Leitungs- noch durch die Infiltrationsanästhesie oder die intraligamentäre Anästhesie klinische Veränderungen des parodontalen Zustands der Patienten beobachtet wurden. Die intraligamentäre Anästhesie ist eine sichere und zuverlässige Methode der Lokalanästhesie, wenn adäquate Instrumentarien angewandt und bewährte Anästhetika appliziert werden und die Methode vom Behandler sicher beherrscht wird. Sie kann, eine ausreichende Zeit der Einübung und Gewöhnung an das Dosierrad-Instrumentarium vorausgesetzt, auch für Patienten mit parodontal vorgeschädigtem Gewebe als primäre Methode der Lokalanästhesie empfohlen werden.

Vor langdauernden und ausgedehnten dento-alveolären chirurgischen Eingriffen sind die Infiltrationsund die Leitungsanästhesie sicher die angezeigten Methoden der Lokalanästhesie, bei den meisten zahnärztlichen Behandlungen allerdings sollten die in Betracht kommenden Alternativen – mit Blick auf die Risiken und ungewünschten Effekte – gegebenenfalls mit dem Patienten thematisiert werden [15, 27, 28]. Von praktischer Bedeutung ist sicher der Umstand, dass bei der ILA eine Aufklärung über Risiken eines Nerv- oder Gefäßkontakts nicht erforderlich ist, da diese Risiken bei dieser Lokalanästhesie-Methode nicht gegeben sind.

Bilder soweit nicht anders deklariert: Lothar Taubenheim , Prof. Dr. Rolf Rossaint , Dr. Marc Prothmann


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