Möglichkeiten der Parodontalbehandlung Teil 5: Nachsorge und Erhaltungsbehandlungen

Parodontale Gewebe mit einer Vorschädigung haben eine höhere Inzidenz erneut zu erkranken bzw. erneut eine Exazerbation/Schub zu erleiden. Nur eine straffe Nachbehandlung (Recall) und gegebenenfalls Erhaltungsbehandlungen (Retreatment) sind in der Lage erreichte Behandlungszustände zu sichern. Klinische Indizes (Sondierungstiefe, Blutung etc.), biochemisch, genetische und mikrobiologische Tests erleichtern die Kontrolle und visualisieren dem Patienten den Stand der aktuellen Pflege und des parodontalen Gesundheitszustandes, die neben der konventionellen Reinigung mit diversen adjuvanten Methoden unterstützt werden können.
Die Nachsorge, oder auch als Recall bekannt, ist ein wichtiger Teil einer strukturierten Parodontalbehandlung zur Sicherung des Erfolges. Es trägt in seiner Ausführung den Anforderungen und Veränderungen parodontaler Gewebe, wie reduziertem Parodont und freiliegenden Zahnhälsen, wobei das Zement zum Deckgewebe wird, Rechnung. Die Aufgabe von Nachbehandlungen ist die Stabilisierung und Verbesserung des erreichten Zustandes. Bakteriostatisch wirkende Mundspüllösungen sind neben der mechanischen Reinigung mittels Bürsten, Zahnseide, Floss sowie der Anwendung von Mundduschen wichtiges Instrument zur Gesunderhaltung. Für den Patienten ist die Erfolgskontrolle der Reinigung wichtig. Arweiler & Sculean (2009) empfehlen die chemische Kontrolle des Biofilms. Die Entfernung manifester kristallisierter Auflagerungen und Biofilmentfernung und -management stehen im Vordergrund. Subgingivaler Zahnstein (Konkremente) sollte sich nach einer behandelten Parodontitis nicht finden lassen und gilt als Achtungszeichen.
Die Parodontologie gilt heute als wichtige Schnittstelle zwischen Zahnmedizin und Medizin durch ein sensibles Übergangsgewebe mit hoher Reaktivität, dem Parodont. Immer mehr Daten sichern den Zusammenhang zwischen parodontaler Entzündung und systemischen Gesundheitsproblemen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, der rheumatische Formenkreis, aber auch physiologische Veränderungen, wie sie bei einer Schwangerschaft gesehen werden. Die Beeinflussungen sind gegenseitig und werden durch Habits, wie dem Rauchen in ihrer pathologischen Wirkung unterstützt [15]. Es gibt einen Unterschied in Abhängigkeit vom Alter in Bezug auf parodontale Infektionen und koronarer Herzerkrankungen. Je jünger die Patienten mit einer Zahnbetterkrankung sind, desto höher ist das Risiko einer Herzerkrankung. Die Odds-Ratio in Bezug auf Alter, Geschlecht, Rauchen, der sozialen Klasse, Bluthochdruck, Zahl der Zähne und Serumfettspiegel beträgt bezogen auf klinische und röntgenologische Parameter etwa 1 [19].
Verschiedene Aufgaben der Prophylaxe und des Recalls
Aus Sicht des Patienten sind die Forderungen an die Prophylaxe klar gestellt (Abb. 1). Für sein Engagement erwartet er:
- die Reinigung und Pflege der Zähne und oraler Strukturen, besonders des Zahnhalteapparates,
- die Zähne sollen hell bleiben,
- den Erhalt eigener Zähne,
- langfristige Erhaltung vorhandener konservierender und prothetischer Restaurationen,
- bei ersten auftretenden Defekten minimal-invasive Behandlungsvarianten,
- eine möglichst schmerzfreie Behandlung und
- einen möglichst geringen Einsatz von Antibiotika und Medikamenten.
Die Erwartungen der Zahnmediziner erweitern die des Patienten in spezifischer Weise. Es geht um:
- Grobreinigung und Biofilmmanagement der Zähne, festsitzenden Zahnersatzes und Implantaten,
- die sulkuläre Reinigung, u. U. schon als Retreatment durch gründliches Scaling,
- parodontales und periimplantäres Monitoring von Erreichtem und Dokumentation des Fortgangs von Erkrankungen über die Erhebung von Indizes und klinischen/ paraklinischen Parametern,
- Remotivation und Reinstruktion,
- Erlernen hocheffizienter Pflegetechniken,
- Schaffung einer Kontinuität in Abhängigkeit vom klinischen Befund.
Die Aufgaben der Prophylaxe definieren sich aus medizinischer Sicht mit dem Alter und Erkrankungsgrad der Patienten sowie ihren speziellen Anforderungen und sind Grundlage der therapeutischen Strategie. Eine klar strukturierte Vorgehensweise hilft dem Behandlungsteam Aufgaben und Ziele zu formulieren und dem Patienten die Vorgehensweisen transparent zu machen (Abb. 2).
1. Kinder und Jugendliche mit Individualprophylaxe
Obwohl dieser Punkt kein Bestandteil einer parodontalhygienischen Nachsorge, sondern eine reine Vorsorge ist, soll er der Vollständigkeit halber mit bearbeitet werden. Die Reinigung und Fluoridierung der Zähne und die Versieglung der Molaren und ggf. der Prämolaren stehen mit der Einübung von Putztechniken und der Kontrolle von Übungserfolgen im Mittelpunkt. Es geht um Kariesprävention und die Gesundheitserziehung bis zum Erwachsenenalter als Schwerpunkte. Das interaktive Arbeiten mit der Visualisierung über Erfolge und Schwächen der Pflege motiviert zu optimaleren Ergebnissen (Abb. 3).
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Abb. 3: Interaktives Arbeiten mit Erfolgskontrolle ist wichtig.
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Abb. 4: Deutliche Entzündungszeichen der Gingiva beim eingebänderten Patienten.
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Abb. 5: Übung macht den Meister.
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Abb. 6: Schwere kariöse Schäden durch Pflegedefizite während der KFO-Therapie.
Eines der wichtigsten Hilfsmittel ist die Plaqueanfärbung und deren Dokumentation über intra- oder extraorale Kamerasysteme. Ein besonderes Augenmerk gilt kleinen Patienten während der kieferorthopädischen Therapie und in der Retensionsphase (Abb. 4 und 5), um typische Schäden zu vermeiden (Abb. 6). Eine Auffälligkeit in Hinblick auf parodontale Erkrankungen, mit Ausnahme der Gingivitis, ist sehr selten und lediglich bei Allgemeinerkrankungen, angeborenen Defekten, Syndromen, Stoffwechsel- und Hormonentgleisungen auffällig [23]. In diesen Fällen ist eine spezialisierte Diagnostik und Therapie geboten. Hier leistet vornehmlich die fortgebildete ZMF/ZMP/DH wesentliche Arbeit. Herausforderung ist häufig das Verständnis der Eltern für diese Maßnahmen und die Unterstützung in der häuslichen Zahnpflege.
2. Jugendliche und Erwachsene mit keinen oder geringfügigen parodontalen Schäden
Dieses Klientel ist durch eine natürliche Zahngesundheit oder hochwertige Restaurationen kleinen Umfanges in Form von Füllungen, Inlays, Teil- und Vollkronen sowie einzelnen Implantaten und kleinen Brücken gekennzeichnet. Der Altersbereich liegt zwischen dem Jugendalter bis zu Mitte des Leistungsalters. Diese Patienten sind motiviert, bemüht und schätzen ihre Zahngesundheit. Die fortgebildete ZMF, besser eine ausgebildete ZMP oder DH bestreiten die wesentliche Arbeit, informieren und begleiten die Patienten in der Zahn- und Mundpflege. Sie stellen bei erkennbaren Problemen die Schnittstelle zum Zahnarzt dar und sorgen für die Einleitung einer Therapie. Herausforderungen sind anatomisch oder physiologisch bedingte Veränderungen am Parodont (Abb. 7). Zusätzliche Fluoridierungsmaßnahmen können eine sinnvolle Ergänzung des Behandlungsspektrums sein (Abb. 8).
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Abb. 7: Herausforderung bei Gummy smile und Mundatmern.
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Abb. 8: Fluor protector als effizienter Hartsubstanzschutz.
3. Erwachsene Patienten mit Neigung zu parodontalen Erkrankungen und mit umfangreicherem Zahnersatz
Wesentliche Schwerpunkte sind die Reinigung, Vorbeugung und Kontrolle von Erkrankungen oder Exazerbationen/Schübe chronischer Erkrankungen, ggf. akuter Infektionen sowie der Erhalt erkrankter, aber austherapierter Zähne oder prothetischer Restaurationen. Die fortgebildete ZMF, besser eine ausgebildete ZMP oder DH bestreiten die hygieneorientierten Arbeiten, informieren und begleiten die Patienten in der Zahn- und Mundpflege. Zusätzlich sind eine genaueste Dokumentation und ein Monitoring vorgesehen.
Der Aufwand in der Diagnostik und Pflege steigt, wobei konventionelle Reinigungsmaßnahmen die Grundlage der Behandlung bilden (Abb. 9 und 10). Eine Politur und Fluoridierung schließen die Behandlung nach Instillation von CHX-Präparaten in den interdentalen Bereichen ab (Abb. 11). Durch die Retraktion der Gingiva steigt das Risiko der Wurzelkaries, was eine deutliche Herausforderung für die Zahnmedizin darstellt. Bei größeren prothetischen Arbeiten und parodontal bereits reduzierten Zähnen sind Funktionsfähigkeit und der aktuelle Status stets mit zu prüfen. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt und ein gemeinsames Interesse für den Erhalt der Zahngesundheit sind Voraussetzung für den Erfolg. Erfolg kann hier auch schon ein reduzierter, aber entzündungsfreier und funktionsstabiler Status bedeuten. Der jährliche Umfang kann bis auf 4 Behandlungen pro Jahr steigen. Weiterführende und ergänzende Behandlungen, wie die photodynamische Therapie (PDT), können geboten sein.
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Abb. 9: US-Werkzeuge sind das Rückgrad bei der Oberflächenreinigung.
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Abb. 10: Scaling optimiert das Ergebnis.
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Abb. 11: Die Feindepuration durch Polieren schließt die Reinigungab.
4. Patienten mit fortgeschrittenen parodontalen Erkrankungen
Das Klientel dieser Gruppe rekrutiert sich aus den therapierten parodontal behandelten Patienten. Schwerpunkte der Behandlung sind die Reinigung, das Monitoring der Erkrankung als chronischen Zustand und das sofortige Erkennen von akuten Schüben oder Veränderungen, die auch eine strikte Kontrolle auf beginnende Zahnhalskaries, Zahnlockerungen, Funktionsfähigkeit von Schienungen etc. beinhaltet. Die Behandlung gehört in die Hand speziell geschulter Kräfte und Praxen, die sich auch in der Behandlung parodontaler Schäden qualifiziert haben. Der jährliche Umfang kann bis auf 6 Behandlungen pro Jahr steigen. Durch das Spektrum auch sehr spezifischer Therapien ist der Spezialist mit seinem Team Ansprechpartner der Wahl.
5. Patienten mit besonderen Erkrankungen
Patienten mit chronischen oder schweren Allgemeinerkrankungen oder dem Einsatz von künstlichen Organen (Herzschrittmacher, Stents, Herzklappen) bzw. Transplantationspatienten (Leber, Herz, Niere, Lunge etc.) sollten der ganz besonderen Kontrolle auf dentale Gesundheit unterliegen, da bereits kleinste Entzündungen zu schweren Folgen durch die Keimbesiedlung oder Entstehung von Immunkomplexen führen können. Einige innere Erkrankungen, wie der M. Crohn können sich in der Mundhöhle präsentieren und die Gewebe vor Ort sensibler gegenüber Entzündungen werden lassen (Abb. 12). Reflux- und Bulimiepatienten sind zusätzlich zur parodontalen Gesundheit auf Hartsubstanzverlust zu prüfen (Abb. 13). Fluoridierungsschienen sind in diesen Fällen sinnvoll.
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Abb. 12: Gingivale Reaktionen an den Kronen bei Patientin mit M. Crohn.
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Abb. 13: Herausforderung Bulimiepatienten
Ebenfalls in diese Gruppe gehören die onkologisch behandelten Patienten, deren Zahngesundheitszustand teils dramatisch ist. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit ist es mittlerweile gelungen, für einige Zusammenhänge, wie Diabetes mellitus und Parodontalerkrankungen Konsensuspapiere zu erstellen [11]. Sie sind wichtige Meilensteine in der Argumentation und für evidenzbasierte Behandlungsansätze. Für das Monitoring über biochemische Marker, wie die Kollagenase2-Aktivität (Abb. 14), hat sich bei schweren Parodontitiden oder besonderen Verlaufsformen als hilfreich erwiesen. Akute Einbrüche und chronisch persistierende Taschen sind zeitnah zu diagnostizieren und einer Reinigung bzw. weiterführenden Therapie zuzuführen (Abb. 15 und 16).
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Abb. 14: Kollagenase 2-Analyse (aMMP-8) als diagnostische Hilfe bei refraktären Parodontitiden und zum Monitoring.
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Abb. 15: Blutung und Sondierungstiefe sind wichtiges Kriterium für die Therapie.
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Abb. 16: Bei vorhandenen Taschen ist das Scaling Voraussetzung für die parodontale Gesundheit.
6. Patienten mit dentalen Implantaten
Die Implantatpatienten werden bereits vor der Implantation auf ein lückenloses Recall hingewiesen und leisten dazu eine Unterschrift der Kenntnisnahme. Sofern sie nicht bereits in das System der Prophylaxe eingebunden sind, greift das spezielle Implantatrecall, welches parallel und unabhängig geführt wird.
Eine zweimalige jährliche Kontrolle ist anzustreben, Reinigungen und Prophylaxemaßnahmen werden jedoch nach dem spezifischen Gesundheits- und dentalen Zustand eingeteilt. Hart- und Weichauflagerungen führen zu periimplantärer Mukositis und zur Periimplantitis (Abb. 17 bis 19). Ein erweitertes Wissen über die Anatomie und Physiologie der periimplantären Übergangsgewebe und eine spezielle instrumentelle Ausstattung sind für ein erfolgreiches Recall erforderlich.
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Abb. 17: Belagsbildungen an Implantatersatz führen zur Entzündung (Periimplantitis).
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Abb. 18: Manifester Zahnstein auf der Implantatoberfläche (REM-Darstellung).
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Abb. 19: Reichhaltiger Biofilm auf den Oberflächen (REMDarstellung).
Spezielle Kunststoff- und Titanküretten sind Voraussetzung für ein schonendes und zerstörungsfreies Arbeiten an Implantaten und Abutments. Spezielles Floss erleichtert das Reinigen der transgingivalen Abutmentbereiche (Abb. 20). Die Verwendung fluoridfreier Polierpasten für Titankonstruktionen und Implantate wird diskutiert (Abb. 21), wobei eine Fluoridschädigung der Oberflächen hauptsächlich bei Produkten mit niedrigem pHWert auftritt. Spezialisiertes Personal ist zwingend gefordert. In Fällen klinischer Auffälligkeit kann auch eine jährliche Röntgenaufnahme (OPG) zur Standarddiagnostik gehören.
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Abb. 20: Reinigung der Implantatkonstruktionen mit Spezialfloss (Mirafloss-Implant, Hager&Werken).
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Abb. 21: Feinreinigung und Politur der Mesiokonstruktion.
7. Gehandicapte Patienten
Unabhängig vom Alter bei Patienten mit Handicap ist eine besondere Zuwendung in Bezug auf die Zahngesundheit erforderlich. Eine wesentliche Rolle spielen die häusliche Pflege und Unterstützung, sowie die Unterweisung des Pflegepersonals hospitalisierter Patienten. In diesem Punkt stellt sich Deutschland eher als Entwicklungsland dar.
8. Generation 50+, 60+, 70+, 80+, 90+
Für die reifen und älteren Jahrzehnte sind adäquate Nachsorgebehandlungen zu kreieren, die den Richtlinien entsprechen, aber auch das biologische Alter der Patienten berücksichtigen. Die Gruppe ist extrem inhomogen. Während am Ende des Leistungsalters mit Eintritt ins Rentenalter ein Schub zu verbesserten Leistungen und hochwertiger Behandlung mit Ziel des Erhalts und dem qualifizierten Ersatz eine Rolle spielen, sind es in den höheren Jahrzehnten Erhalt der Kaufähigkeit, einfache Hygiene- und Versorgungskonzepte. Sehr wichtiger Aspekt ist die familiäre oder pflegerische Betreuung und Unterstützung.
Nicht nur die sinkende Zahnzahl und die zunehmenden Zahnbetterkrankungen spielen eine Rolle, sondern auch die physiologischen bzw. pathologischen Alterserscheinungen des orofazialen Systems und des Gesamtorganismus. Bewegungsund Seh-, teils geistige Fähigkeiten der Patienten gehen zurück, die Feinmotorik versagt teilweise. Die Zahnhälse liegen immer weiter frei, es entsteht zunehmend Wurzelkaries (Abb. 22), die Speicheldrüsen verfetten, im Zusammenhang mit der Multimorbidität entsteht unter Medikamenteneinfluss ein trockner Mund mit all seinen Folgen, das Parodont altert, fibrosiert und verknöchert teils. Die Regenerabilität der Schleimhäute und das Geschmacksempfinden sinken [13].
Die zahnärztliche Betreuung ist individuell, teils in Absprache mit Pflegekräften oder Angehörigen anzupassen und zu optimieren. Alterskorrelierte Lebensprozesse müssen beachtet werden und bilden die Grundlage für das zahnmedizinische Vorgehen [8]. Auch die Belastungsfähigkeit für die Dauer zahnärztlicher Behandlungsmaßnahmen sinkt, es werden zusätzliche Hilfsmittel bei der Lagerung der Patienten notwendig. Bei der prothetischen Versorgung und dessen Planung ersetzt in den letzten Lebensjahren der gesunde Menschenverstand stringente Richtlinien. Nicht jede Vollversorgung ist das non-plus-ultra. Auch eine Extraktion und ein reduziertes Gebiss kann eine praktikable Therapie sein. Funktionierende Restversorgungen sollten dem alten oder ältesten Patienten erhalten bleiben bzw. mit einfachen Mitteln wieder hergestellt werden, auch wenn sie nicht zwingend prothetischen Versorgungsrichtlinien entsprechen (Abb. 23).
Bei der Gesprächsführung ist es wichtig den emotionalen Kontakt herzustellen, zu informieren und Einverständnis erlangen. Grundlage für das Gespräch sind neben den medizinischen Befunden eine angemessene Lautstärke, eine ruhige Stimme ohne Nebengeräusche und die Demonstration des Gesagten mit Modellen etc. in kurzen verständlichen Sätzen. Die Resonanz durch Körpersprache und Reaktionen signalisieren, ob das Gesagte erfolgreich aufgenommen wurde [16].
Methoden zur erweiterten Reinigung und Bakterienreduktion
Neben vielen mechanischen und ultraschallgestützten Instrumenten sind Pulverstrahlverfahren in der Zahnreinigung effektiv und sinnvoll. Konventionelles Strahlmaterial besteht aus Natriumhydrogenkarbonat, die schonenden Perio- oder Implantatreinigungspulver aus Glycinpartikeln, also einer physiologisch vorkommenden Aminosäure in granulärer Form, die schonender zu Oberflächen ist. Zu einem neuen Produkt, dem HybenX (Horadent, Aidenbach), das die Hartbeläge und den Biofilm lösen soll sind bis jetzt nur wenige Erfahrungen vorhanden, könnte aber hilfreich sein, Auflagerungen chemisch anzulösen und schonender zu entfernen. Solakoglu (2011) beschreibt den Einsatz für die Oberflächenreinigung von Implantaten im Zuge der Periimplantitisbehandlung [25].
Ozon als bakterizides Gas ist gegenüber einigen parodontalpathogenen Keimen effektiv, jedoch nicht gegen A. actinomycetemcomitans. P. gingivalis, T. forsythia und P. micra konnten durch 2%-iges CHX oder durch Ozongas in einer Konzentration von 53 gm-3 beeinflusst werden, was jedoch in Biofilmen eingeschränkt wirkt [14]. Eine entzündungsreduzierende Wirkung ist in jedem Fall gegeben. Appliziert wird das Gas als direkter Gasstrom mittels separater Siemens-Röhren (HealOzone, KaVo) oder Glasapplikatoren, die Bestandteil einer solchen Röhre sind, wobei der Patient die Gegenelektrode darstellt. Bei diesen Kleingeräten erfolgt die Ozonentstehung erst in der Tasche und als Zusatzeffekt tritt ein Reizstrom auf. Ein Beispiel ist das Ozonitron. Die Abbildungen 24 und 25 zeigen die Anwendung am Patienten.
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Abb. 24: Adjuvante Ozonbehandlung bei bestehender Parodontitis.
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Abb. 25: Applikator in der Tasche.
Sehr bewährt hat sich die Integration der PDT in die Nachbehandlung. Die Wirkung geringer Laserleistung zeigen im Zusammenspiel mit Photosensitizern auf verschiedene Bakterien des Biofilms und in der parodontalen Tasche eine gute Wirkung und kann somit als Unterstützung zu konventionellen mechanischen Methoden eingesetzt werden. Verwendet werden diverse Laser, auch Pocket-Laser, mit bis zu 300 mW Leistung in den Wellenlängenbereichen um 660 nm für die Aktivierung blauer Farbstoffe (Methylenblau, Toluidinblau) oder bei 810 nm für die Aktivierung des Indocyaningrüns (ICG) (Landsmann et al. 1976, Abels et al. 2000). Anders als bei der PDT mit den blauen Farbstoffen, die für den Patienten immer ohne Gewebeschädigung angewendet werden können, ist bei der ICGgestützten Methode eine selektive Taschenepithelentfernung aus dem Sulkus bei 300 mW und einer Bulb-Faser möglich (Abb. 26 und 27). Das aus der Leberfunktionstestung [20], der Augenkeilkunde und Onkologie [3] gut bekannte ICG ist in seinem Einsatz in der Zahnheilkunde neu und verspricht viel Potential für die Parodontologie.
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Abb. 26: Einbringen von EmunDo® (A.R.C., Nürnberg) in die Taschen.
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Abb. 27: PDT mit extremer Wirkverstärkung bei nur 0,3 Watt Laserleistung.
Die schnelle Rekolonialisierung der parodontalen Gewebe ist durch PDT-Einsatz nach 2 Tagen wesentlich minimiert werden [7]. In ihrer Studie zeigten Chan und Lai 2003, dass ca. 95 % von A. actinomycetemcomitans und F. nucleatum und 99 – 100 % der schwarzpigmentierten Bakterien, wie P. gingivalis und P. intermedius sowie S. sanguis, eliminiert wurden.
Antiseptische und antibiotische Behandlung
Lokalisierte Taschenbehandlungen können mit antiseptischen Gelen, Chips etc. oder lokalen Antibiotikatherapien vorgenommen werden. Chlorhexidin- Präparate mit einer Konzentration von 0,2 % gelten heute als der „Golden Standard“ für Spülungen und bei Gelen mit einer Konzentration bis 2 Prozent. Derartige Produkte werden heute auf breiter Basis mit sehr gutem Erfolg in der Zahnheilkunde angewendet. Gleiches gilt für Kombipräparate mit Fluoridzusatz.
Antibakterielle Wirkstoffe unterstützen die Reinhaltung der Zähne des Patienten und zeichnen sich durch Plaquehemmung und Bakteriostase aus [2, 26]. Spülungen mit Kombinationspräparaten, die CHX (1 %-ig), Fluorid etc. enthalten, werden für die häusliche Pflege favorisiert, besonders wenn die Patienten gehandicapt sind. Sie sind aber nicht in der Lage die mechanische Reinigung mittels (elektrischer) Zahnbürsten, Zahnseiden usw.
zu ersetzen und so können die Lösungen nur bedingt bei der Reinhaltung helfen [4]. Antiseptische Gele haben in Abhängigkeit ihrer Zusammensetzung eine längere Liege- und Wirkzeit, wie das Chlosite (Zantomed, Duisburg), ein Xanthangel mit 1,5 %-igem Chlorhexidin als Diglukonat und langsam freiwerdendes Dihydrochlorid. Eine gute und lange Wirksamkeit weisen auch PerioChips (Abb. 28) auf. Lokale Antibiotikabehandlungen können in der akuten Phase einer Parodontalerkrankung hilfreich sein, weisen aber alle bekannten Nachteile auf. Diverse Pasten oder Gele (Metronidazol 250), Tetrazyklinfäden, Pulver etc. sind im Markt verfügbar. Von Vorteil sind Darreichungsformen, die längerfristig durch Träger (Fäden) oder Polymergel (Doxyzyklin), z. B. Ligosan (Heraeus) in der Tasche verweilen. Eine Übersicht über lokale Antibiotika-Anwendungen in der Parodontologie geben Bürklin et al. (2011).Zahnbürsten
Bei den Zahnbürsten geht der Trend immer mehr zu elektrischen Produkten mit kleinen runden oder ovalen oszillierenden Köpfen, die neben der Reinigung auch eine Stimulation des Zahnfleisches ausführen. Die Erweiterung zur Schallzahnbürste hat aus eigener Erfahrung wenig Vorteile gebracht. Zwingend notwendig ist die disziplinierte Anwendung und Einhaltung der Zeit je Zahnfläche für ein gutes Ergebnis. Auch die Handzahnbürste entspricht den aktuellen Anforderungen, sollte in der Borstenstellung aber eine gute approximale Reinigung zulassen. Zusätzliche Stimulatoren für das Zahnfleisch sind wünschenswert. Bevorzugt werden mittelharte Borsten, wobei direkt nach parodontalchirurgischen Eingriffen weiche Borsten zu empfehlen sind.
Zahnpasten und Mundpflegeprodukte
Die Anzahl von Produkten ist fast unüberschaubar. Bei den Zahnpasten sind der Gehalt an Fluorid und bakteriostatisch wirkenden Stoffen bei kleinen Abriebwerten (Putzkörper) wichtig. Inwieweit spezielle Zahnpasten mit Silberzusätzen (PeriCare, Merz Dental, Lütjenburg) zusätzliche (Langzeit-) Vorteile bringen ist zu prüfen.
Pfefferminzöl und 15 seiner 53 Bestandteile haben eine bakterizide Wirkung gegen nicht pathogene und enterohaemorrhagische E. coli-Linien. Polyphenole aus grünem Tee haben ebenfalls antibakterizide Wirkung. Ein synergistischer Effekt auf Bakterien ist erkennbar, wenn die Inhaltsstoffe von Pfefferminzöl und Polyphenole aus grünem Tee kombiniert werden [22]. Auch die Anwendung von Olivenölspülungen wird empfohlen, ihr Wert aber häufig durch die Patienten überschätzt bzw. die mechanische Grundreinigung vergessen. Obwohl Candida-Spezies aktiv an Parodontalerkrankungen und Karies beteiligt sind ist eine prophylaktische Therapie dieser Keime der Standortflora nicht notwendig. Von den pflanzlichen Wirkstoffen, wie sie aus der traditionellen chinesischen Medizin bekannt sind, sind gegen Candida- Spezies nur wenige wirksam, müssen dann aber ggf. in einer höheren Konzentration angewandt werden als das bei z. B. Amphotericin B notwendig ist. Cortex phellodendri und Rhizoma coptidis zeigten gegen drei bzw. zwei Candida- Spezies Wirkung [24]. Die Sinnhaftigkeit derartiger Stoffe zur Vermeidung einer Parodontitis oder deren Wiederaufflammen bleibt fraglich.
Ernährung
Probiotika können die parodontale Gesundheit unterstützen. Diverse konventionelle Lebensmittel und nicht oder fermentierte Milch- und Sojaprodukte, wie Joghurt, fermentierte Milch etc. enthalten Lacto- und Bifidobakterien, die als positiv eingeschätzt werden [10].
Mailänder-Sanchez et al. (2011) sehen in den in den letzten 2 Jahrzehnten in Mode gekommenen probiotischen Bakterien eine Möglichkeit der Einschränkung des Wachstums pathogener Bakterien und die Verbesserung der Immunabwehr bei lokalisierten Candidosen.
Olbertz et al. (2011) empfehlen komplexe Orthomolaria, was auch immer dieser Begriff suggerieren soll, zur Therapiebegleitung von refraktären oder therapieresistenten Parodontopathien. Die vier Präparateschienen bestehen aus einem Mischung von Vitaminen, pflanzlichen- und tierischen Ölen und Stoffen, Mineralstoffen, Co-Faktoren, Probiotika sowie dem Ubichinon 10 (Q10) in verschiedenen Zusammenstellungen. Über die Wirkungen von Q10 ist im Zusammenhang mit der Parodontitis relativ wenig bekannt, weshalb es als offizielles Pharmakon bisher sehr umstritten ist. Crane (2001) beschreibt es in einer Übersichtsarbeit als wichtigen Stoff für die Antioxidation, die Regeneration von Antioxidantien, Energieumwandlung, als Stimulanz des Zellwachstums und zum Verhindern des Zelltods. Eine unzureichende Biosynthese führt zu Mangelerscheinungen. Weiterreichende Studien zum klinischen Einsatz fehlen hier ebenfalls. Studien über enthaltene Einzelsubstanzen in den Nahrungsergänzungsmitteln sind verfügbar, bei einigen Substanzen kann auch ein gesicherter Zusammenhang zur Entstehung der Parodontitis hergestellt werden.
In anderen Studien [28] werden die Nahrungsergänzungsmittel unter dem Begriff „Mikronährstoffe“ getestet. Bestimmte positive Effekte stehen dem geringen Wissenstand bei spezifischen Produkten gegenüber. Der Feststellung, dass die Nahrungsergänzungsmittel „in der Regel keine Nebenwirkungen zeigen“ steht die Forderung nach weiteren klärenden Untersuchungen gegenüber. Obwohl Probiotika heute als sicher gelten, müssen auch die Risiken gesehen werden. Die Gefahr bei der Anwendung von Probiotika besteht in der Transmigration von Keimen, Bakteriämie und Endokarditis sowie im negativen Einfluss auf die gastrointestinale Physiologie.
Schlussfolgerungen
Die Prophylaxe parodontaler Schäden oder die Nachbehandlung „austherapierter“ Parodontalerkrankungen ist eine Teamleistung, in der der Patient immer die Vorleistung zu erbringen hat. Ein strukturiertes Vorgehen, materiellmaschinelle Voraussetzungen und ein moderner Wissensstand der Behandler sind Grundlage eines Erfolges. Der Patient als Mittelpunkt des Geschehens ist durch seine Eigenleistung in der Pflege und dem Interesse an einer spezialisierten Behandlung oft auch limitierender Faktor für den Umfang eines Erfolges. Ohne Mitwirkung des Patienten laufen alle Bemühungen des zahnärztlichen Teams ins Leere. Hier kann ein Abbruch der Behandlung und die Neudefinition eines geänderten Therapiezieles sinnvoll sein. Dies deckt sich auch mit den Vorgaben des SGB V.
Interdisziplinäre Zusammenarbeiten zwischen Medizinern und Zahnmedizinern sind in ihrer Wichtigkeit erkannt und entwickeln sich. Klare Vorgaben vor Implantation von künstlichen Organen, herzchirurgischen Eingriffen etc. und deren konsequente Kontrolle sind wünschenswert. Die Aufklärungspflicht und Orientierung der Patienten zu eigenverantwortlichem Handeln bei parodontalen Erkrankungen wird von Seiten der Versicherer überhaupt nicht oder nur als Zufallsbefund durch Begutachtung wahrgenommen.
Praktikable und alltagstaugliche Präventionskonzepte sind für das tägliche Arbeiten am Patienten gefragt, so wie es Thomsen (2011) beschreibt. Ebenso ist die Auswahl und Verwendung von Werkzeugen eine wichtige Frage. Vor- und Nachteile manueller und maschineller Ultraschallwerkzeuge, maschinengetriebene Polierer und Partikelstrahlgeräte müssen auch unter dem Aspekt der Effizienz und Ergonomie ausgewählt werden [12]. Die personellen Voraussetzungen für eine gute Parodontalbehandlung und deren Nachbehandlung setzt das Vorhandensein ausgebildeter ZMPKräfte oder DHs voraus. Gleiches gilt für implantologische Schwerpunktpraxen.
Umstritten oder in ihrer Wirkung wenig getestet sind nach wie vor viele adjuvante Verfahren bei Entzündungen des Parodonts. Bollen & Quirynen (1996) konnten zeigen, dass Spülungen mit 2 %-igem CHX und das Einlegen topischer Antibiotikadepots (Minocyclin, Doxycyclin) oder systemische Anwendung von Metronidazol bei Spirochäten effektiv gegen parodontalpathogene Keime sind. PDT-Verfahren sind auf dem Vormarsch.
Nach wie vor steht die mechanische Reinigung der oralen Strukturen (Zähne putzen), inklusive der Zunge im Mittelpunkt des Geschehens, welches durch Spülungen (CHX-Lösungen, Listerine®) nachhaltig unterstützt werden kann. Prophylaxe und Nachsorge ist mehr als Zahn-Wellness; es ist eine medizinisch notwendige und wichtige Behandlung zum Erhalt oder der Wiedererlangung parodontaler Gesundheit.
Weiterführende Links
> Möglichkeiten der Parodontalbehandlung Teil 1: Grundlagen und Vorbehandlung> Möglichkeiten der Parodontalbehandlung Teil 2: Umsetzung der Parodontalbehandlung
> Möglichkeiten der Parodontalbehandlung Teil 3: Lasereinsatz in der chirurgischen Parodontalbehandlung
> Möglichkeiten der Parodontalbehandlung Teil 4: Ästhetisch korrigierende und augmentative Verfahren in der Parodontalbehandlung