Hyaluronsäure und Laser im biologischen Therapiekonzept der marginalen Parodontitis
Parodontitis ist eine der am weitesten verbreiteten Infektionskrankheiten. Allein in Deutschland sind etwa 42 Millionen Erwachsene davon betroffen. Wie die Vierte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS IV) aus dem Jahr 2006 eindrucksvoll und detailliert aufgezeigt hat, waren etwa 73 % der Erwachsenen zwischen 33 und 45 Jahren und sogar 88 % der Senioren von einer therapiebedürftigen Erkrankung des Zahnhalteapparates betroffen. Es ist zu befürchten, dass der Anteil an behandlungsbedürftigen Parodontalerkrankungen auch aktuell unverändert hoch ist. Es stellt sich einmal mehr die Frage, wie diese Herausforderung therapeutisch gemeistert werden kann. Vorgestellt wird ein klinisch erfolgversprechendes Therapiekonzept unter Einbeziehung von Hyaluronsäure.
Die Erkrankungen des parodontologischen Formenkreises stellen heute die größte Bedrohung der Zahngesundheit und Gründe für vorzeitigen, nicht altersentsprechenden Zahnverlust dar [Liebaug und Wu 2011]. Der parodontale Knochenabbau weist in der genannten Altersgruppe oft mehr als ein Drittel der gesamten Wurzellänge auf und verläuft meistens gleichmäßig horizontal. Für die Anfangsdiagnostik ist daher ein Orthopantomogramm (Abb. 1) oder ein Röntgenstatus unerlässlich. Angesichts der modernen Röntgengeräte mit Low Dose Modus ist die Problematik der Strahlenbelastung hier zweitrangig, aber zu bedenken [Liebaug und Wu 2015]. Eine ausführliche Anamnese des Patienten sowie darauf aufbauend patientenorientierende Initialbehandlung und Therapieplanung stellen die Eckpunkte vor einer notwendigen Parodontalbehandlung dar. [Liebaug 2015, Liebaug und Wu 2015].
Parodontitis ist eine multifaktorielle, biofilm-assoziierte Erkrankung [Ezzo und Cuttler 2003, Dombrowa 2012, Feng und Weinberg 2006]. Die Zusammensetzung und der Aufbau des subgingivalen Biofilms sind dabei patientenindividuell verschieden und variieren gemäß der Komplextheorie in den verschiedenen Phasen der Entwicklung von Parodontalerkrankungen. Im Zuge ihres Stoffwechsels scheiden die parodontalpathogenen Bakterien eine Reihe proteolytischer Enzyme und zytotoxischer Substanzen aus, welche das parodontale Weich- und Knochengewebe irreversibel und fortschreitend zerstören [Amano 2010, Dombrowa 2012, Steward und Costerton 2001,Thomas und Nakaishi 2006,Ting und Slots 1997, Van winkelhoff und Winkel 2005].
Die Einbettung der Bakterien in den Biofilm vermittelt dabei gleichzeitig einen besseren Schutz gegenüber den Immunzellen der Wirtsabwehr, äußeren Einflüssen (pH, UV-Licht, Austrocknung) sowie antimikrobiellen Substanzen [Brown und Gilbert 1993, Theilade 1986]. Durch Kommunikation von Zelle zu Zelle oder auch zwischen Mikrokolonien können Informationen bezüglich Nährstoffangebot oder Umweltfaktoren ebenso übermittelt werden wie der „Befehl“ zur Expression bestimmter Gene, z. B. zur Produktion von Matrix-Polysacchariden [Marsh et al. 2011]. Durch den Austausch von mobilen genetischen Elementen wie Plasmiden oder Transposons können auch Informationen zur Ausbildung von Resistenzen weitergegeben werden [Mahajan et al. 2013]. Diese erhöhte antibiotische Resistenz sowie die Widerstandsfähigkeit des Biofilms gegenüber der körpereigenen Immunabwehr machen die Therapie von Parodontalerkrankungen entsprechend schwierig [Brown und Gilbert 1993, Folwakzni und Hickel 2003, Sanderrink et al. 2008, Steward und Costerton 2001, Thomas und Nakaishi 2006, Thomasi und Wennström 2009].
Nach wie vor gilt das mechanische Débridement durch Scaling und Rootplaning (SRP) als Goldstandard in der Parodontitistherapie. Dennoch können trotz eines gründlichen mechanischen Biofilmmanagements einzelne entzündete Taschen mit Taschentiefen über 4 mm persistieren oder rezidivieren. Zahlreiche Studien zeigen nur geringfügige Verbesserungen der Keimzahlen und fordern zur effektiveren Senkung der Zahl der parodontopathogenen Bakterien zusätzlich die Anwendung adjuvanter antimikrobiell wirksamer Substanzen [Haffajee et al. 1997, Cugini et al. 2000, Quirynen et al 2001]. Patienten und zahnärztliche Behandler sind dann oft unzufrieden mit dem real vorzufindenden klinischen Ergebnis der durchgeführten Therapie.
Um die Grenzen und Limitationen der rein mechanischen Therapie zu überwinden und den Therapieerfolg zu unterstützen, wird von vielen Kollegen zusätzlich eine systemische oder lokale Antibiose eingesetzt. Aufgrund möglicher, mit systemischen Antibiotika assoziierter, unerwünschter Nebeneffekte sollte ihre Gabe jedoch nur unter sehr strenger Indikationsstellung erfolgen [Liebaug 2015].
Eine langfristig effektive Parodontaltherapie sollte nach meiner klinischen Erfahrung nicht nur eine gezielte Reduktion der pathogenen Bakterien umfassen, sondern auch den besonderen Schwierigkeiten Rechnung tragen, die die Behandlung einer Biofilm-assoziierten Infektion insgesamt mit sich bringt. Aufgrund des multifaktoriellen Charakters der Parodontitis stellt außerdem die Berücksichtigung der individuellen Risikofaktoren des Patienten eine der tragenden Säulen eines erfolgreichen Behandlungskonzepts dar.
In der parodontologischen Therapie bewirkt der Laserlichteinsatz neben der Beseitigung des entzündeten Gewebes auch, dass die darin enthaltenen Bakterien sofort hoch effizient bekämpft werden, was zudem das Risiko einer Bakteriämie nahezu ausschließt [Liebaug und Wu 2011].
Aber das optimale Ergebnis einer systematischen Parodontaltherapie besteht nicht nur in der Beseitigung des inflammatorischen Prozesses, sondern auch in der Regeneration der parodontalen Strukturen.
Aus diesen Überlegungen und der geschilderten Problemstellung wurde in unserer Praxis ein klinisch erfolgversprechendes Therapiekonzept unter Einbeziehung von Hyaluronsäure erprobt und entwickelt.
Aufbau, Wirkungsprinzip und Eigenschaften von Hyaluronsäure
Hyaluronsäure (Synonym Hyaluronan) ist ein physiologischer, extrazellulärer, ubiquitärer Bestandteil des Bindegewebes in der Mundschleimhaut und vor allem der Gingiva [Cortivo et al. 1986,Tammi et al. 1990]. Der Nachweis von Hyaluronsäure im Ligamentum parodontale und umgebendem Gewebe des Parodontium zeigt deren strukturelle Bedeutsamkeit [Schultz-Haudt et al. 1964, Bartold et al. 1981 und Bartold et al. 1984]. Hyaluronsäure gehört zu den Mukopolysacchariden und befindet sich im Extrazellularraum als interstitielle Grundsubstanz. Hyaluronan ist ein simples Biopolymer, bestehend aus D-Glukuronsäure (Uronsäure) und dem Aminozucker N-Acetyl-D-glukosamin. Über die Verknüpfung der Zuckerringe durch ß-(1–3)- und ß-(1–4)-glykosidische Bindungen an den oxygenierten Atomen entstehen unverzweigte Disaccharideinheiten, welche zueinander um 180° rotiert angeordnet sind [Scott et al 1984, Scott et al. 1996]. Das Gerüst der Hyaluronsäure wird dabei durch interne Wasserstoffbrückenbindungen stabilisiert.
Das Wirkungsprinzip der Hyaluronsäure liegt unter anderem in den unterschiedlichen Formen begründet, die diese annehmen kann. In wässriger Umgebung kommt es infolge einer spontanen Aggregation der Hyaluronsäureketten (Sekundärstruktur) zur Entstehung dreidimensionaler Maschennetzwerke (Tertiärstruktur) mit entsprechender Volumenzunahme. Zusammen mit anderen Glykosaminoglykanen bildet die Hyaluronsäure ein Proteoglycangel, in das zelluläre und fibröse Komponenten eingebettet sind [Bartold 1982]. Zellen mit spezifischen Bindungsstellen (CD44-Rezeptoren) sind in der Lage, große Hyaluronsäurenetzwerke um sich zu verankern, wodurch eine Hülle aus Hyaluronsäure entstehen kann, die sogenannte Halo [Scott 1992].
Hyaluronsäure besitzt eine regulierende Funktion bei der Organisation der extrazellulären Matrix und ihrer Bestandteile [Stamenkovic und Aruffo 1994]. Dabei bildet das Hyaluronsäurenetzwerk eine der Voraussetzungen für den Stoffaustausch und dient als Barriere gegen das Eindringen fremder Substanzen. Aufgrund des komprimierten Maschennetzwerkes fungiert Hyaluronan als eine Art Filter („Siebeffekt“) und immobilisiert dadurch größere Partikel [Comper und Laurent 1978]. Durch die Bildung sogenannter protektiver Halos können Zellen vor lysosomalen Abbauprozessen und Hydroxylradikalen geschützt werden [Presti und Scott 1994]. Diese perizellulären Hüllen aus Hyaluronsäure dienen verschiedenen Zelltypen als Schutz vor äußeren viralen und bakteriellen Einflüssen [Patterson et al. 1975, Laurent et al 1992].
Was lässt die Hyaluronsäure im Rahmen der biologisch orientierten Parodontitis-Therapie so erfolgversprechend erscheinen?
Hyaluronsäure besitzt antiinflammatorische, antiödematöse und zusätzlich als Radikalfänger protektive Effekte sowie eine antibakterielle Wirkung, was sich klinisch als bakteriostatischer Effekt bemerken lässt. Außerdem trägt sie entscheidend zu Prozessen der Wundheilung bei. Dabei interagiert das Glykosaminoglykan mit der extrazellulären Matrix bei der Regeneration parodontaler Strukturschädigungen [Moseley et al. 2002; Sukumar und Drizhal 2007]. Eine aus den positiven Effekten der Wundheilung beschleunigte Abnahme der subjektiven Beschwerden nach exogener Hyaluronsäureapplikation im Rahmen der Gingivitis- und Parodontitistherapie könnte darüber hinaus eine Verbesserung der vorher gegebenenfalls schmerzhaften Mundhygiene ermöglichen und bessere Plaquewerte bei den so behandelten Patienten zur Folge haben.
Hyaluronsäure im biologischen Therapiekonzept der chronischen marginalen Parodontitis
Bei chronischen Entzündungsprozessen kommt es zur Zerstörung von Proteoglykanen und der Veränderung der Hyaluronsäurestruktur in Bindegewebsfibroblasten. Hierbei konnten steigende Konzentrationen von Glykosaminoglykanen in der Sulkusflüssigkeit als ein Zeichen für parodontale Erkrankungen detektiert werden. Bei Parodontitispatienten wurden vermehrt Interleukin-1ß (IL-1ß), Interleukin-2 (IL-2) und Prostaglandin E2 (PGE2) im Zusammenhang mit parodontaler Destruktion nachgewiesen [Salvi et al. 1998]. In-vitro-Untersuchungen zeigten bei der Aktivierung von Fibroblasten durch die Zytokine IL-1ß und TNF-alpha einen Anstieg der Hyaluronidasen, also spezifischer Enzyme, die für den Abbau von Hyaluronsäure zuständig sind. Diese Hyaluronidasen wirken dabei anscheinend synergistisch mit degradierter Hyaluronsäure bei der Zerstörung des Desmodonts während eines entzündlichen Prozesses [Ohno et al. 2002]. Fragmente niedrigmolekularer Hyaluronsäure induzieren darüber hinaus über den nukleären Transkriptionsfaktor-KB (NF-KB) die Aktivierung alveolärer Makrophagen während chronischer Entzündungsreaktionen. Hochmolekulare Hyaluronsäuren zeigten hingegen keinerlei Auswirkungen auf die Bioaktivität von Makrophagen [McKee et al 1996, Hodge-Dufour 1997]. Folglich entscheidet die molekulare Größe der Hyaluronsäure über den Einfl uss auf die Makrophagen. Dies verdeutlicht die zellvermittelten Auswirkungen chronischer Entzündungen auf die Hyaluronsäurestruktur. Erste direkte Interaktionen von Hyaluronsäure mit einem parodontopathogenen Bakterium wurden mithilfe eines Enzyme-Linked Immuno Assays bei Treponema denticola nachgewiesen. Weitere Untersuchungen konnten im Rahmen einer Vorbehandlung von Treponema denticola mit Hyaluronsäure eine Reduzierung der Bindungsaffi nität des Keimes gegenüber parodontalen Zellen um bis zu 70 % zeigen [Haapasalo et al. 1996, Jentsch 2003]. Das Vorkommen von Hyaluronsäure abbauenden Enzymen (Hyaluronidasen) im menschlichen Speichel ist oftmals bakteriellen Ursprungs und abhängig von der Bakteriengesamtzahl. Eine erhöhte Bakterienanzahl senkt also die Konzentration der Hyaluronsäure. Das verminderte Vorkommen von Hyaluronsäure bei Patienten mit akut nekrotisierender ulzerierender Gingivitis kann dadurch auf eine hohe Aktivität bakterieller Hyaluronidasen zurückgeführt werden [Last und Embery 1987]. Weitere Untersuchungen oraler Bakterien ergaben eindeutige Hyaluronidaseaktivitäten bei Treponema denticola, Prevotella oris und Propionibacterium acnes, welche im Zusammenhang mit aktiven parodontalen Läsionen und der Zerstörung der Bindegewebsstruktur stehen [Fitzgerald et al. 1985, Scott et al. 1996, Grenier und Michaud 1993].
Ein Abbau von Hyaluronsäure durch bakterielle Hyaluronidasen wirkt sich unvermittelt negativ auf die Integrität des Gingivaepithels aus [Scott et al 1996].
Weiterhin besteht ein Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Hyaluronsäure und der Wundheilung in Geweben. Bei der Neustrukturierung der Zellen nach Gewebedefekten dient Hyaluronsäure als ein Regulator der Migration und der Zellteilungsmechanismen. Darüber hinaus beeinflusst sie die Zellmotilität nachweislich positiv [Toole 1990, Thomas et al. 1992, Stamencovic und Aruffo 1994]. Der Blutplättchen-Wachstumsfaktor PDGF (plateletderived growth factor) stimuliert Gingivafibroblasten des Menschen zur Proliferation und vermehrten Hyaluronsäuresynthese. Dieser Wachstumsfaktor steht im Zusammenhang mit Reparatur- und Regenerationsvorgängen parodontaler Gewebe nach entzündlicher Gewebsschädigung [Bartold 1993]. Die Fähigkeit der Hyaluronsäure zur Beschleunigung der Osteogenese wurde mehrfach diskutiert. Sie reicht von der Hemmung der Zellaggregation bis hin zu osteoinduktiven Effekten hochmolekularer Hyaluronsäure in Röhrenknochen von Ratten [Pilloni und Bernard 1998, Sasaki und Watanabe 1995]. Die Stimulation durch Wachstumsfaktoren (basic fibroblast growth factor, FGF- 2) führte in Zellen des Parodonts von Menschen zur vermehrten Expression von Hyaluronsäuresynthetasen (HAS1- und HAS2-mRNA) und damit zur verstärkten Synthese hochmolekularer Hyaluronsäure. Die Ursache dafür könnte in der vermehrten Zellteilungsrate von mesenchymalen Stammzellen des Parodonts liegen [Shimabukuro et al Schema 1: Behandlungsablauf nach dem LHA-Concept in Periodontitis. 2005]. Die natürliche Steigerung der Hyaluronsäuresynthese durch den basic fibroblast growth factor (FGF-2), einem wichtigen Bestandteil der extrazellulären Matrix innerhalb der Wundheilung von parodontalen Gewebe, führte zum Versuch der Applikation von Hyaluronsäure in künstlich geschaffene, vertikale Alveolarknochendefekte von Ratten. Die teilweise Regeneration der Knochendefekte war durch eine starke Anreicherung von Osteoblasten gekennzeichnet [Ichikawa et al 2002]. Die Aktivierung von CD19, einem B-lymphozytären Oberflächenrezeptor, durch Hyaluronsäure könnte einen weiteren Regulationsmechanismus zur Verbesserung der Wundheilung beschädigter Gewebestrukturen liefern [Iwata et al. 2009]. Eine Nachahmung von Effekten der fetalen Wundheilung ohne Narbenbildung und Fibrosierung durch hohe Konzentrationen von Hyaluronsäure könnte zur Verbesserung der Geweberegeneration in der Mundhöhle führen [Longaker et al 1991].
Liebaugs Hyaluronic Acid Concept in Periodontitis (LHA Concept in Periodontitis)
Für eine erfolgreiche Parodontitistherapie ist ein systematischer Behandlungsablauf unerlässlich. Der vorgestellte Stufenplan innerhalb der systematischen Parodontosetherapie sollte als Konzept und Leitfaden im Sinne eines medizinischen Qualitätsmanagements angesehen werden, wobei sich Therapie- und Regenerations- bzw. Heilungsphasen abwechseln. So gestaltet sich der Therapieablauf grundsätzlich patientenindividuell. Nach jeder Behandlungsphase sollte daher auch eine Reevalution des individuellen Falles erfolgen.
In unserer Praxis hat sich seit über 20 Jahren die Anwendung verschiedener Lasergeräte zur Unterstützung oder Durchführung von einzelnen Therapieschritten bewährt. Dass es nicht die eine universell einsetzbare Wellenlänge gibt, versteht sich bei erfahrenen Anwendern von selbst. Die sofortige bakterizide Wirkung von Laserlicht geeigneter Wellenlängen bei der Behandlung entzündeter Zahnfleischtaschen einerseits, aber auch die immer mehr beachtete Biostimulation der Streustrahlung andererseits, führen zu klinisch besseren Heilungsergebnissen. Dies bemerken und danken uns die aufgeschlossenen Patienten.
Da ich immer auf der Suche nach schonenden und sinnvollen bzw. effektiven Therapieergänzungen für meine Patienten bin, habe ich die für dentale Applikation zugelassene Hyaluronsäure in unser Therapiekonzept integriert. Im Schema 1 ist der prinzipielle Ablauf dargestellt.
Hierzulande kennen wir – der kassenzahnärztlichen Versorgung sei Dank – die systematische Behandlung von Parodontopathien als die Therapie der Wahl. In mehreren Sitzungen entspricht dies vertragsgemäß einer antiinfektiösen Therapie zur Entfernung der supra- und subgingivalen bakteriellen Beläge, welche die chronische Entzündung und in ihrer Folge die Gewebezerstörung auslösen. Nach der Reevaluation des Behandlungsergebnisses können weitere chirurgische resektive oder regenerative Maßnahmen angezeigt sein. Interessanter- und bezeichnenderweise sind die Erhebung der parodontologischen Befunde und der Abgleich mit dem Status zum Behandlungsbeginn nicht Gegenstand der „systematischen PAR-Therapie“ bei den gesetzlich versicherten Erkrankten. Die in unserer Praxis durchgeführte klinische Beobachtungstudie erfolgte im Zeitraum 01.09.2014 bis 31.10.2015. So konnte gewährleistet werden, dass alle Studienteilnehmer, unabhängig vom genauen Therapiebeginn, jeweils mindestens für 12 Monate nachkontrolliert werden konnten.
An der Studie nahmen insgesamt 52 Patienten teil, wobei 7 Patienten aufgrund der dramatisch erhöhten Taschentiefen einer chirurgischen Lappen-OP zugeführt werden mussten und in der hier vorgestellten nicht-chirurgischen Therapievariante nicht in die Auswertung einbezogen wurden. So verblieben 45 Patienten für das nicht-chirurgische Therapiekonzept, wobei folgende Gruppeneinteilung vorgenommen wurde:
Aufgrund des großen Datenvolumens wird die Auswertung und der Vergleich von Laseranwendung ohne Farbstoffinstillation in die Taschen (Gruppe 2) und Photodynamische Therapie (Gruppe 4) zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen und publiziert werden. Deshalb werden in dieser Publikation die Daten aus Gruppe 4 nicht einbezogen. In den Gruppen 1 bis 3 wurde eine Gesamtanzahl von 755 Zähnen, davon 491 einwurzelige und 264 mehrwurzelige Zähne, behandelt. Es handelte sich um männliche und weibliche Patienten in der Altersgruppe von 27 bis 82 Jahren.
In allen Gruppen (1-4) dieser Studie wurde auf die lokale Applikation bzw. Tascheninstillation von CHX-Präparaten in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit SRP bzw. in dem beschriebenen Studienzeitraum verzichtet. Es wurde ebenfalls darauf geachtet, dass 4 Wochen vor Therapiebeginn keine Antibiotikaeinnahme – auch nicht wegen anderen Erkrankungen – erfolgt war und es wurde trotz Erregernachweis keine adjuvante Antibiose im Beobachtungszeitraum durchgeführt.
Gemessen vom Zeitpunkt der geschlossenen Taschentherapie wurden 3, 6, 9 und 12 Monate danach die Taschentiefen und der Blutungsindex (Bleeding on Probing) ermittelt.
In Abbildung 7 ist die durchschnittliche Reduzierung der Taschentiefen im direkten Vergleich zwischen den drei Gruppen graphisch dargestellt.
Schaut man sich in Abbildung 8 den zeitlichen Verlauf der Taschenreduktion der einzelnen Gruppen etwas genauer an, so fällt auf, dass der initiale Heilungsprozess mit deutlich höheren Reduktionswerten der gemessenen Taschentiefe bei der Gruppe mit zusätzlicher Laserlichtanwendung und insbesondere mit der Kombination von Hyaluronsäure und Laser progressiver verläuft. Diese Tendenz schwächt sich im Zeitraum nach 3 Monaten bis zum vorläufigen Untersuchungsende 12 Monate postoperativ zwar ab, zeigt aber insbesondere zwischen der Kontrollgruppe (nur SRP) und der Gruppe 3 (Hyaluronsäure, Laser, SRP) einen signifikanten Unterschied von ca. 1 mm mehr an klinisch messbarer Taschenreduktion. Der unmittelbar nach der Behandlung aufgefallene Vorsprung hat sich demnach über den relativ langen Beobachtungszeitraum nicht verschlechtert, sondern leicht ausgebaut und stabilisiert. Ursprüngliches Ziel dieser Beobachtungsstudie war es, zu ermitteln, ob überhaupt ein Effekt oder Unterschied der klinischen Parameter im Zusammenhang mit dem Einsatz von Hyaluronsäure verifizierbar ist. Nun können weitere, möglicherweise sensitivere Studien mit größeren Populationen folgen.
LHA-Concept in Periodontitis implementiert biologisches Therapiekonzept und baut auf biologische Regeneration
Anhand des nachfolgenden Patientenfalles soll der prinzipielle und immer ähnliche Behandlungsablauf des LHAConcept in Periodontitis, der sich in verschiedene Phasen und Stufen entsprechend der patientenindividuellen Schwere der Erkrankung differenziert, erläutert werden (Schema 1).
Der Patient unseres Fallbeispiels (männlich, 65 Jahre) bemerkt seit etwa 15 Jahren einen zunehmenden Zahnfleischrückgang, erhöhte Blutungsneigung am Morgen beim Zähneputzen und nun auch für ihn subjektiv alarmierend die Lockerung einzelner Zähne. Klinisch imponieren Foetor ex ore und eine generalisierte Blutungsneigung auf Sondierung. Im Rahmen von Anamnese und Anfangsbefund führen wir standardisiert ein aMMP8-Screening durch. Dies gibt uns als Behandlerteam – aber auch dem Patienten – in Kürze chairside noch während der weiteren Befundung und Taschentiefenmessung (Abb. 2 und 4) einen Anhalt, ob kollagenabbauende Matrixmetalloproteinasen in pathologisch bedenklichen Werten vorliegen. Auch eine Röntgenübersichtsaufnahme (Abb. 1) dient zur Darstellung der knöchernen Verhältnisse sowie der Abklärung weiterer im Röntgenbild feststellbarer pathologischer Veränderungen. Die Patienten werden so von Beginn an umfassend informiert und über ihren jeweiligen Anfangsbefund aufgeklärt. Bei der Beratung der Patienten hilft auch die bildliche Darstellung, der aus der 6-Punkttaschenmessung zu errechnenden Entzündungsfläche, was im Softwarepaket von Parostatus.de enthalten ist (Abb. 3). In dieser Befundungsphase wird auch mit den Hausärzten oder Internisten der Betroffenen, je nach klinischer Notwendigkeit und Vorliegen von systemischen Erkrankungen, von uns Kontakt aufgenommen. Der interdisziplinäre Aspekt der benötigten Therapie ist oft ausschlaggebend für den langfristigen Erfolg.
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Schema 1: Behandlungsablauf nach dem LHA-Concept in Periodontitis.
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Abb. 3: Die bildliche Darstellung der Entzündungsfläche unterstützt bei der Patientenberatung.
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Abb. 4: Sondierung nach Vorbehandlung entsprechend LHA Concept zeigt dezente Blutungsneigung und persistierende Taschentiefen von 5 mm und mehr.
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Abb. 5: Mit einer stumpfen Kanüle wird das zähfließende Präparat bis zum Überquellen in die parodontale Tasche appliziert.
Je nach Zeitplan erfolgt zunächst eine Hygienisierungsphase, in der nach einer Plaquefärbung zunächst die ultraschallgestützte supragingivale Zahnsteinentfernung, sowie später eine erste professionelle Zahnreinigung (PZR) mit zusätzlicher Beseitigung iatrogener Reize und Schlupfwinkel für Plaqueretentionen durchgeführt werden. Das Training und die Etablierung einer optimalen Mundhygiene sind ebenso von größter Wichtigkeit für den Langzeiterfolg. Am Ende der Hygienisierungsphase erfolgen die erneute und nun definitive Befundung sowie die Erstellung des allgemein bekannten Parostatus (Abb. 2).
Ab diesem Zeitpunkt kommt das LHA-Konzept zum Tragen. Im Rahmen der subgingivalen geschlossenen nichtchirurgischen Taschentherapie wird fakultativ der Laser eingesetzt. Je nach Patientenfall wählen wir zwischen Nd:YAG-, Dioden- oder LowLevel-Laser bzw. Photodynamischer Therapie (PDT) aus.
Unbedingt ist aber nur eine Instillation von kreuzvernetzter Hyaluronsäure, welche explizit für den dentalen Anwendungsbereich zugelassen ist, in die vorbehandelten parodontalen Taschen vorzunehmen! Dabei wird mit einer in der Regel stumpfen Kanüle, wahlweise mit seitlicher Öffnung, der Taschenfundus aufgesucht und unter gelindem Druck das zähfließende Präparat bis zum Überquellen in die parodontale Tasche appliziert (Abb. 5). Bei größeren Taschen wird die Kanüle mäanderförmig vom Fundus zum zervikalen Rand bewegt und dabei ständig Gel abgegeben. Auch die linguale Region darf nicht vergessen werden (Abb. 6). Neben einer manuellen Injektion in Form einer vorbereiteten Applikationsspritze steht heute auch eine maschinelle Injektionseinheit in Form des Teosyal Pen zur Verfügung (Abb. 9). Die Nutzung dieser technischen Hilfe hat den Vorteil, dass immer ein gleichmäßiger Fließdruck des Gels in die parodontale Tasche gegeben ist und sich der Behandler voll auf die topographische Anatomie mit ihren Erfordernissen konzentrieren kann.
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Abb. 6: Applikation in die linguale Region.
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Abb. 7: Zeitlicher Verlauf der Taschenreduktion der einzelnen Gruppen.
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Abb. 8: Durchschnittliche Reduzierung der Taschentiefen im direkten Vergleich zwischen den drei Gruppen.
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Abb. 9: Der Teosyal Pen ist eine maschinelle Injektionshilfe, die durch Auswahl verschiedener Modi, die Applikation des zähfließenden Hyaluronsäure-Gels erleichtert..
Gerade die lingualen und palatinalen Areale werden nach Abbiegen der Spezialkanüle gut erreicht. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase lässt es sich damit deutlich entspannter arbeiten.
Je nach Schwere der Parodontitis sollte die Hyaluronsäureinstillation nach unserer Erfahrung in Ausnahmefällen nach 1 Woche oder nach 4 Wochen nochmals wiederholt werden.
Sollte die geschlossene Taschenbehandlung immer noch nicht ausreichen oder von Anbeginn eine chirurgische Intervention angezeigt sein, so wird auch im Rahmen einer offenen Lappenchirurgie die Hyaluronsäure auf die Knochen- und gereinigte Wurzeloberfläche aufgetragen und mit dem Mucosalappen abgedeckt. Die Daten aus diesem Patientengut werden später ausgewertet und publiziert. Bei allen zusätzlich mit Hyaluronsäure, in unseren Fällen Periosyal Fill (Fa. Teoxane), behandelten Patienten, konnte klinisch ein reizloser und im Gegensatz zur Kontrollgruppe auch beschleunigter Heilungsablauf vermerkt werden. Gerade im postoperativen Zeitraum Tag 2 bis 8 war dies sehr auffällig. Die geschlossenen Behandlungsfälle zeigten fast nie und die offenen Lappenoperationen eine verminderte Ödembildung im Vergleich mit den Kontrollgruppenpatienten. Nach 3 und 6 Monaten war die Taschenreduktion bei den Patienten der Hyaluronsäuregruppe stärker als bei der Kontrollgruppe ausgebildet, was neben der bakteriziden Wirkung des Hyaluronan auch mit der im theoretischen Abschnitt beschriebenen Stimulation der Fibroblasten und Förderung der Regeneration zu erklären ist.
Die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) muss sich gezielt an die aktive Behandlungsphase anschließen: Die Patienten werden in zeitlichen Intervallen von 3 bis 6 Monaten zur Reevaluation und Nachsorge eingeladen, um den erzielten Behandlungserfolg zu sichern. Lang und Tonetti haben 2002 zur Bestimmung des individuellen Parodontitisrisikos ein Profil vorgestellt, nach dem ein Betreuungsintervall von drei, sechs oder zwölf Monaten empfohlen werden kann, in dem sich der Patient zur Nachbehandlung vorstellen soll. Der parodontologische Betreuungsplan umfasst die regelmäßige und wiederholte Aufnahme spezifischer klinischer Kontrollbefunde, die Reevaluation des Krankheitsbildes durch Vergleich dieser Werte mit dem Anfangs- oder vorherigen Befund, die professionelle Zahnreinigung und die gezielte, befundbasierte Re-Instrumentierung „aktiver“ Parodontien. Auch eine erneute, simultane Instillation von Hyaluronsäure ist hier klinisch erfolgsfördernd.
Regelmäßige Verlaufskontrollen zur Überprüfung des Behandlungsergebnisses
Die Erhebung von Kontrollbefunden, wie dem Blutungauf- Sondierung-Index (BOP), die Taschentiefenmessung, sowie einem Hygiene-Index und der spezifischen Parodontalbefunde liefert die entscheidenden Parameter, um den Verlauf der chronischen Zahnbettentzündung beurteilen zu können. Sie stellen die Kriterien dar, welche die Notwendigkeit von ergänzenden therapeutischen Maßnahmen oder sogar einer Rezidivbehandlung anzeigen. Wir nutzen hier das Programm Parostatus.de.
Um das erreichte Behandlungsergebnis langfristig aufrechtzuerhalten und Neuerkrankungen vorzubeugen, muss sich an die aktive Therapiephase eine lebenslange bedarfsorientierte Betreuung der Patienten im Rahmen der „unterstützenden Parodontitistherapie (UPT)“ anschließen. In dieser Phase kann auch nur lokal begrenzt beim Auftreten von Entzündungszeichen Laserlicht und Hyaluronsäure den Behandlungserfolg sichern und Rezidive vermeiden. Auch sei hier nochmals die Bedeutung der langfristig notwendigen interdisziplinären Therapie erwähnt. Bei konsequent durchgeführter Erhaltungstherapie und guter Patienten-Compliance können stabile parodontale Verhältnisse aufrechterhalten und die Zahnverlustrate deutlich reduziert werden.
Fazit
In dem mittlerweile 14 Monate dauernden Beobachtungszeitraum unter Einbeziehung von 45 Patienten, welche sich einer nicht-chirurgischen Parodontaltherapie unterzogen hatten, konnten wir die Kombination von Hyaluronsäure und Laserlicht im Therapiekonzept der marginalen Parodontitis klinisch erfolgreich anwenden. Überzeugend war neben der im Vergleich zur Kontrollgruppe oder allein laserunterstützten SRP-Therapiegruppe die zu messende gesteigerte Taschenreduktion vor allem aber auch der klinisch imponierende, reizlose und beschleunigte Heilungsverlauf, der so nur in der Hyaluronsäure-Gruppe mit Laserunterstützung aufgefallen ist. Die Hyaluronsäure-Gruppe wies eine fast doppelt so hohe Taschenreduktion im Vergleich zur Kontrollgruppe auf. Die konsequente Umsetzung des vorgestellten LHA-Concept in Periodontitis ist nun fortan in unserer Praxis ein erfolgversprechender Therapieansatz zur Begünstigung der biologischen Regeneration bei parodontalen Erkrankungen.
Literaturliste unter www.dimagazin-aktuell.de/liebaug