Therapie

Systematische Parodontaltherapie, antiinfektiöse Therapie, periimplantäre Komplikationen, Präventionsstrategie

Implantattherapie nach systematischer Parodontitistherapie - ein Fallbericht


In der vierten deutschen Mundgesundheitsstudie von 2006 [21] wurde eine deutlich erhöhte Prävalenz mittelschwerer und schwerer Parodontitis im Vergleich zum Jahre 1997 [4] beschrieben. Bei Erwachsenen und Senioren ist die Prävalenz parodontaler Erkrankungen seit 1997 um 26,9 % bzw. 23,7 % gestiegen. Zudem nimmt die Versorgung zahnloser Kieferabschnitte mit Implantat getragenen Restaurationen stetig zu. Während 1997 die Anzahl an Implantatversorgungen bei Erwachsenen nicht statistisch messbar war und nur 0,7 % der Senioren Implantatkonstruktionen trugen, waren es im Jahr 2005 bereits 1,4 % der Erwachsenen und 2,6 % der Senioren.

Zeitgleich steigt die Inzidenz periimplantärer Komplikationen. Die Prävalenz von Periimplantitis liegt in aktuellen Übersichtsarbeiten bei 6,3 - 56 % der Patienten [9, 12] und 12 - 42 % der Implantate [22], Mukositis wird sogar bei 80 % der Patienten und 10 - 50 % der Implantate beobachtet [22, 12, 9]. Nach heutigem Stand der Wissenschaft gibt es noch keine vorhersagbare evidenzbasierte Periimplantitistherapie; unterschiedliche Verfahren führen zu nicht prognostizierbaren Ergebnissen [5].

Anamnese

Der damals 68-jährige Patient wurde nach eigenen Angaben über mehrere Jahre regelmäßig bei seinem Hauszahnarzt zu Routinekontrollen vorstellig. Im Juli 2010 wurden zur diagnostischen Abklärung von Beschwerden im 1. Quadranten zwei Zahnfilme (Abb. 1) angefertigt. Diese zeigten an den Zähnen 14 und 15 periapikale Aufhellungen, aufgrund dessen diese vor Ort entfernt wurden. Zur weiteren Befunderhebung wurde am 13.07.2010 ein OPG angefertigt (Abb. 2).

  • Abb. 1: Einzelzahnfilm vom 02.07.2010 mit periapikalen Aufhellungen der Zähne 14 und 15.
  • Abb. 2: Orthopantomogramm vom 13.07.2010 mit eingezeichneter Einzelzahnprognose des behandelnden Hauszahnarztes.
  • Abb. 1: Einzelzahnfilm vom 02.07.2010 mit periapikalen Aufhellungen der Zähne 14 und 15.
  • Abb. 2: Orthopantomogramm vom 13.07.2010 mit eingezeichneter Einzelzahnprognose des behandelnden Hauszahnarztes.

Der alveoläre Knochenverlauf und die jeweilige Zahnprognose wurden durch den behandelnden Hauszahnarzt befundet und im Anschluss erfolgte eine Extraktion der markierten Zähne 26, 36, 35, 45 und 46 sowie eine prothetische Versorgung im OK und UK durch Modellguss-Prothesen. Ein Jahr nach Eingliederung des Zahnersatzes bemerkte der Patient eine Lockerung und Spontanblutung weiterer Zähne des Oberkiefers. Nach Anfertigung von Zahnfilmen durch den Hauszahnarzt (Abb. 3) wurden die Zähne 11 und 24 extrahiert. Einen Monat später wurden Röntgenbilder der Unterkieferrestbezahnung angefertigt (Abb. 4). Im Juni 2011 erfolgte schließlich die Überweisung des Patienten in die Zahnärztliche Praxis für Parodontologie (Dres. Bröseler und Tietmann, Spezialisten der DGP, Aachen) mit der Überweiserdiagnose „Parodontitis“.

  • Abb. 3 und 3a: Zahnfilme der Restbezahnung des OK vom 16.05.2011 mit vertikaler Osteolyse des Zahnes 11 und periapikaler Osteolyse des Zahnes 24.
  • Abb. 4: Zahnfilme der Restbezahnung des UK vom 16.06.2011 mit vertikaler Osteolyse an Zahn 33.
  • Abb. 3 und 3a: Zahnfilme der Restbezahnung des OK vom 16.05.2011 mit vertikaler Osteolyse des Zahnes 11 und periapikaler Osteolyse des Zahnes 24.
  • Abb. 4: Zahnfilme der Restbezahnung des UK vom 16.06.2011 mit vertikaler Osteolyse an Zahn 33.

Anamnestisch wurde bei dem Patienten bereits vor etwa 15 Jahre ein Knochenaufbau mit alloplastischem Knochenersatzmaterial im Rahmen eines parodontalchirurgischen Eingriffs im 4. Quadranten durchgeführt. Eine systematische Parodontitistherapie erfolgte bislang nicht.

Der Patient war allgemein gesund und gab an, lebenslang Nichtraucher zu sein. Er gab an seine Zähne zweimal täglich mit einer mittelharten Zahnbürste zu reinigen, Hilfsmittel zur Interdentalpflege verwendete er nicht. Sein Hauptanliegen war der bestmögliche Erhalt seiner Zähne und deren Festigung. Des Weiteren wünschte er sich funktionstüchtigen Zahnersatz und mehr Kaukomfort.

Befunderhebung - klinischer Befund

Der extraorale Befund stellte sich unauffällig dar. Intraoral zeigte sich die marginale Gingiva generalisiert gerötet und leicht geschwollen (Abb. 5).

  • Abb. 5: Fotostatus vom 28.06.2011 zu Beginn der antiinfektiösen Therapie in der Zahnärztlichen Praxis für Parodontologie, Aachen.
  • Abb. 6: Parodontalstatus vom 28.06.2011 zu Beginn der systematischen Therapie in der Zahnärztlichen Praxis für Parodontologie, Aachen.
  • Abb. 5: Fotostatus vom 28.06.2011 zu Beginn der antiinfektiösen Therapie in der Zahnärztlichen Praxis für Parodontologie, Aachen.
  • Abb. 6: Parodontalstatus vom 28.06.2011 zu Beginn der systematischen Therapie in der Zahnärztlichen Praxis für Parodontologie, Aachen.

Regio 33-34 und 43-44 zeigten Mc´Callsche Girlanden. Es fanden sich generalisiert weiche und harte supra- und subgingivale Beläge. Der Plaqueindex lag bei 64 %. Die erhobenen Sondierungstiefen lagen überwiegend zwischen 2 und 6 mm, lokalisiert an Zahn 33 zeigten sich Werte von 11 mm zirkulär und 10 mm distopalatinal an Zahn 23 (Abb. 6).

Auf Sondierung zeigte sich eine generalisierte Blutung mit einem Sulcus-Blutungs-Index (SBI) von 78 % und spontaner Pusentleerung an den Zähnen 21, 33 und 43. Die verblockten Zähne 33 und 34 wiesen pathologische Mobilitäten 3. Grades auf, die Zähne 42, 31 und 32 zeigten einen pathologischen Mobilitätsgrad 1. Zum Zeitpunkt des Erstbefundes (Abb. 7) waren die fehlenden Zähne 18-14, 11, 24, 26-28, 38-45 und 45-48 durch partielle Modellguss- Prothesen mit Ceka-Ankern ersetzt.

Durch die fehlende Seitenzahnbezahnung resultierte eine Bisssenkung mit Neutralverzahnung rechtsseitig und Mesialokklusion linksseitig. Alle Zähne reagierten auf den Sensibilitätstest mit Kälte positiv, Zahn 33 wies eine leichte Perkussionsempfindlichkeit auf.

  • Abb. 7: Zahnärztlicher Befund vom 17.06.2011 bei Erstvorstellung in der Zahnärztlichen Praxis für Parodontologie, Aachen.
  • Abb. 8: Röntgenbefund zu Beginn der parodontologischen Therapie in der Zahnärztlichen Praxis für Parodontologie, Aachen.
  • Abb. 7: Zahnärztlicher Befund vom 17.06.2011 bei Erstvorstellung in der Zahnärztlichen Praxis für Parodontologie, Aachen.
  • Abb. 8: Röntgenbefund zu Beginn der parodontologischen Therapie in der Zahnärztlichen Praxis für Parodontologie, Aachen.

Röntgenbefund

Im Röntgenbefund zum Zeitpunkt des Erstbefundes in der Zahnärztlichen Praxis für Parodontologie ist an allen Zähnen ein generalisierter Knochenabbau des Alveolarknochens von ca. 30 % der Wurzellänge erkennbar mit noch unvollständiger knöcherner Ausheilung der Extraktionsalveolen regio 11 und 24 und vertikalem knöchernen Defekt an Zahn 33 (Abb. 8).

Diagnosen

  • Generalisierte chronische Parodontitis schwerer Form [1] mit Nachweis parodontal pathogener Mikroorganismen (A.a., P.i., T.f., T.d.).
  • Überbelastung der verblockten Pfeilerzähne 34-33 sowie 43-44 sowie okklusale Traumatisierung von Zahn 23.
  • Bisssenkung.

Vorläufige Prognosen

Zum Zeitpunkt der initialen Befunderhebung ist der langfristige Erhalt der Zähne 13, 12, 21, 22, 25 und 32-42 als sicher einzustufen.

Die Prognose der Zähne 23 und 43-44 ist vorerst als fraglich zu bewerten, die Prognose der Zähne 33-34 ungünstig.

Systematische Parodontaltherapie - antiinfektiöse Therapie

  • Abb. 9: Mikrobiologischer Befund (Micro-Ident) mit Nachweis parodontal pathogener Mikroorganismen zu Beginn der antiinfektiösen Therapie (22.06.2011) und 8 Wochen nach Re-entry (22.11.2011). Die subgingivalen Proben wurden an denselben Stellen entnommen (12, 22, 23, 33, 43) und gepoolt ausgewertet.

  • Abb. 9: Mikrobiologischer Befund (Micro-Ident) mit Nachweis parodontal pathogener Mikroorganismen zu Beginn der antiinfektiösen Therapie (22.06.2011) und 8 Wochen nach Re-entry (22.11.2011). Die subgingivalen Proben wurden an denselben Stellen entnommen (12, 22, 23, 33, 43) und gepoolt ausgewertet.
Die antiinfektiöse Therapie wurde in der Zeit von Juni bis August 2011 durchgeführt. Nach Aufklärung des Patienten über Ätiologie und Pathogenese von Parodontitiden wurden Hilfsmittel zur individuellen häuslichen Mundhygiene angepasst. Nach guter Mitarbeit des Patienten mit Reduktion des Plaque-Index im Rahmen der Initialtherapie erfolgte ein supra- und subgingivales Scaling unter Lokalanästhesie. Der Reevaluationsbefund wurde nach 8 Wochen erhoben. Im Rahmen der durchgeführten antiinfektiösen Therapie konnte der Plaqueindex von 64 % auf 25 % gesenkt werden, der Blutungsindex entwickelte sich von 78 % auf 35 %. Die Entnahme subgingivaler Proben ergab eine erhöhte Konzentration parodontal pathogener Mikroorganismen (Abb. 9). Zudem erfolgte im Rahmen der Antiinfektiösen Therapie eine Entfernung der verblockten und parodontalhygienisch insuffizienten Kronen an den Zähnen 34-33 und 43-44 sowie deren temporäre prothetische Versorgung durch Schalenprovisorien.

Reevaluation der Prognose nach antiinfektiöser Therapie

Da die Prognose eines Zahnes maßgeblich von einem individuell unterschiedlich ausgeprägten Ansprechverhalten der Strukturen des Parodontiums auf eingeleitete Therapiemaßnahmen beeinflusst wird, wurde die Prognoseeinteilung jedes Zahnes nach durchgeführter antiinfektiöser Therapie reevaluiert. Durch Reduktion der distopalatinalen Sondierungstiefe an Zahn 23 von 8 auf 5 mm in Folge der Ausheilung der Extraktionsalveole regio 24 und Aufhebung des okklusalen Traumas war die Prognose aller Zähne im OK als sicher einzustufen. Die als fraglich bewerteten Zähne 34 sowie 43-44 mussten weiterhin aufgrund des erhöhten Mobilitätsgrades und persistierenden Sondierungstiefen mit einem fraglichen Risiko bewertet werden. Zahn 33 wurde weiterhin als ungünstig eingestuft mit einer Mobilität 3. Grades, persistierenden Sondierungstiefen von 11 mm und Pusaustritt.

Parodontalchirurgischer Reentry

Basierend auf der Prognoseeinteilung nach Antiinfektiöser Therapie erfolgte im September 2011 ein supra- und subgingivales Scaling aller Zähne im Oberkiefer sowie im Unterkiefer von 32-42 in Kombination mit einem Open-Flap-Debridement der Zähne 34-44 und 43-44. Die Schnittführung erfolgte durch einen modifizierten Papilla-Preservation-Flap nach Cortellini mit bilateraler intrasulculärer Entlastungsinzision. Nach Degranulation stellte sich klinisch an Zahn 33 ein einwandiger ossärer Defekt mit Verlust des approximalen und vestibulären Alveolarknochens bis zum Apex und periapikaler Osteolyse dar, aufgrund dessen der Zahn als nicht erhaltungswürdig eingestuft und entfernt wurde. Der Eingriff erfolgte mit begleitender systemischer Antibiose von 3 x 375 mg Amoxicillin und 3 x 250 mg Metronidazol [2]. Im Rahmen der Wundheilungsphase erfolgte bis zur Nahtentfernung 10 Tage postoperativ eine chemische Plaquekontrolle 3 bis 4 Mal täglich mit Chlorhexidin-Mundspüllösung (0,12 %). Anschließend wurde erneut individuell angepasste Mundhygienetechnik instruiert.

Unterstützende Parodontaltherapie (UPT)

Nach Abschluss der aktiven Parodontaltherapie wurde der Patient in ein parodontologisches Recallprogramm eingegliedert. Die Abschätzung des Recallintervalls erfolgte in Anlehnung an das von Lang und Tonetti vorgeschlagene Schema und wurde auf 3 Monate festgelegt [11]. In der Erhaltungsphase wurden im Rahmen der Kontrolltermine regelmäßig Mundhygieneindizes erhoben sowie Motivation und Instruktion zur Aufrechterhaltung einer effektiven individuellen Mundhygiene mit einer professionellen Reinigung der erreichbaren Zahnoberflächen. Zur Stabilisierung der Unterkieferzähne wurde dem Patienten eine herausnehmbare Kunststoffschiene mit integriertem Lückenhalter regio 33 eingegliedert (Abb. 10).

  • Abb. 10: Frontalansicht mit eingegliederter Stabilisierungsschiene und integriertem Lückenhalter regio 33.
  • Abb. 11: Die marginale Gingiva ist klinisch entzündungsfrei. Ansicht von vorne, links lateral, rechts lateral.
  • Abb. 10: Frontalansicht mit eingegliederter Stabilisierungsschiene und integriertem Lückenhalter regio 33.
  • Abb. 11: Die marginale Gingiva ist klinisch entzündungsfrei. Ansicht von vorne, links lateral, rechts lateral.

Der Patient zeigte im Rahmen der UPT eine gute Compliance. Die marginale Gingiva ist klinisch entzündungsfrei (Abb. 11). Bei der Reevaluation der klinischen Situation nach parodontalchirurgischem Reentry wurde erneut eine mikrobiologische Untersuchung durchgeführt. Die getesteten parodontalpathogenen Keime lagen unterhalb der detektierbaren Grenze (Abb. 9).

Implantologische Therapie:

Im Januar 2012 wurde im Unterkiefer ein festsitzender implantatgetragener Zahnersatz geplant. Hierfür wurde ein Orthopantomogramm (Abb. 12) mit integrierten Messkugeln zur Bestimmung der Alveolarknochenhöhe angefertigt. Nach Ausmessung des ortständigen Knochenangebotes wurden Implantate regio 037, 035, 033, 045 und 047 für implantatgetragene Brückenkonstruktionen von 035 auf 037 und 045 auf 047 und eine implantatgetragene Einzelzahnkrone regio 033 geplant.

  • Abb. 12: OPG zur prä-implantologischen Diagnostik vom 27.01.2012 mit kalibrierten Messkörpern zur Bestimmung der Höhe des Limbus alveolaris.
  • Abb. 13: Markierung der Implantatposition regio 045 mit eingesetzter Bohrschablone (a), Eröffnung der OP-Region durch mesiale vertikale Entlastungsinzision und crestale Schnittführung (b-c), Darstellung des Alveolarknochens (d-e), Vorbohrung auf 7 mm mit eingesetzter Bohrschablone (f), Überprüfung der Vorbohrung mit Richtungsindikator (g) und Nahtverschluss 3 Tage post-OP (h).
  • Abb. 12: OPG zur prä-implantologischen Diagnostik vom 27.01.2012 mit kalibrierten Messkörpern zur Bestimmung der Höhe des Limbus alveolaris.
  • Abb. 13: Markierung der Implantatposition regio 045 mit eingesetzter Bohrschablone (a), Eröffnung der OP-Region durch mesiale vertikale Entlastungsinzision und crestale Schnittführung (b-c), Darstellung des Alveolarknochens (d-e), Vorbohrung auf 7 mm mit eingesetzter Bohrschablone (f), Überprüfung der Vorbohrung mit Richtungsindikator (g) und Nahtverschluss 3 Tage post-OP (h).

  • Abb. 14: Röntgenkontrolle der Richtungsindikatoren und Implantate regio 037, 035, 033, 045 und 047 vom 02.03.2012.
  • Abb. 14: Röntgenkontrolle der Richtungsindikatoren und Implantate regio 037, 035, 033, 045 und 047 vom 02.03.2012.

Sechs Monate nach aktiver Parodontaltherapie fand die Implantation statt (Abb. 13 und 14). Nach Eröffnung der OP-Region im Seitenzahnbereich durch crestale Schnittführung mit singulärer mesialer Entlastung sowie beidseitiger vertikaler Entlastungsinzision regio 033 wurde mittels laborgefertigter Bohrschablone die Vorbohrung auf 7 mm Länge mit einem Durchmesser von 2 mm zur röntgenologischen Kontrolle durchgeführt. Ausreichendes ortständiges Knochenangebot ermöglichte eine Implantation regio 037 und 047 (Osseo Speed 4.0S x 11 mm, Astra), regio 035 und 045 (Osseo Speed 4.5 x 9 mm, Astra) und regio 033 (Osseo Speed 3.5S x 11 mm, Astra).

Das OP-Gebiet wurde nach Mobilisierung mit monofilem Nahtmaterial (Seralene 6.0) durch modifi zierte horizontale Matratzennähte und Einzelknopfnähte spannungsfrei vernäht. Die Wundheilungsphase verlief ohne Komplikationen und die Nähte wurden 7 Tage postoperativ entfernt. In dieser Zeit erfolgte ebenfalls eine chemische Plaquekontrolle mit Chlorhexidin-Mundspüllösung 0,12 %.

Drei Monate postoperativ wurde nach röntgenologischer Kontrolle die Freilegung der Implantate durch kreuzförmige Inzisionen in der befestigten Gingiva unter Lokalanästhesie durchgeführt und Healing-Abutments eingegliedert (Abb. 15). Acht Wochen nach Freilegung und Ausheilung der marginalen Gingiva um die Healing-Abutments wurde eine offene Abformung mit individuellem Abformlöffel durchgeführt. Im Juni 2012 wurde der definitive Zahnersatz eingegliedert (Abb. 16).

  • Abb. 15: Schnittführung bei Freilegung (a), mit eingeschraubten Healing-Abutments (37, 47: 4.5/5.0 2 mm, 35/33/45: 3.5/4.0 4mm (b) und Zustand 1 Monat nach Freilegung (c)
  • Abb. 16: Fotostatus nach Eingliederung des defi nitiven Zahnersatzes vom 02.07.2012.
  • Abb. 15: Schnittführung bei Freilegung (a), mit eingeschraubten Healing-Abutments (37, 47: 4.5/5.0 2 mm, 35/33/45: 3.5/4.0 4mm (b) und Zustand 1 Monat nach Freilegung (c)
  • Abb. 16: Fotostatus nach Eingliederung des defi nitiven Zahnersatzes vom 02.07.2012.

Epikrise und Prognose

Gegenüber dem Ausgangsbefund konnte die parodontale Situation objektiv verbessert werden: Die marginale Gingiva ist blassrosa und weist eine natürliche Stippelung auf (Abb. 16). Der erhobene Plaqueindex im Rahmen der regelmäßigen parodontalen Nachsorge liegt stabil < 25 % ohne Blutung auf Sondierung.

Die erhobenen Sondierungswerte befinden sich generalisiert im physiologischen Bereich (Abb. 17). Zahn 34 mit einem initialen pathologischen Mobilitätsgrad 3 hat sich ein Jahr postoperativ stabilisiert mit einer verbleibende Mobilität 1. Grades. Der aktuelle Röntgenstatus zeigt eine Ausheilung der knöchernen Defekte mit Bildung einer Lamina dura (Abb. 18). Nach Eingliederung des definitiven Zahnersatzes sind die okklusalen Verhältnisse stabil und der Patient weist beidseitig eine Neutralverzahnung auf. Die Prognose aller Zähne kann aktuell als günstig bewertet werden. Der Patient ist sehr motiviert und nimmt zuverlässig seine Termine zur unterstützenden Parodontal- und Implantatnachsorge wahr. Um eine okklusale Überbelastung der Zähne im Oberkiefer zu vermeiden wurde dem Patienten angeraten dort langfristig ebenfalls eine Pfeilervermehrung über Implantate herbeizuführen.

  • Abb. 17: Parodontalstatus 1 Jahr nach systematischer Parodontaltherapie vom 04.10.2012.
  • Abb. 18: Röntgenstatus 1 Jahr nach aktiver Parodontaltherapie vom 04.10.2012.
  • Abb. 17: Parodontalstatus 1 Jahr nach systematischer Parodontaltherapie vom 04.10.2012.
  • Abb. 18: Röntgenstatus 1 Jahr nach aktiver Parodontaltherapie vom 04.10.2012.

Die hier durchgeführte Implantattherapie resultierte aus der Extraktionstherapie durch den Hauszahnarzt. Die getroffenen Extraktionsentscheidungen der Zähne 15, 14, 11, 26, 36, 35, 45 und 46 in den Jahren 2010-2011 basierten auf der röntgenologischen Befundung und einer daraus resultierenden Einzelzahnprognose (Abb. 2). Die Komplexität dieses Behandlungsfalles besteht in der unzureichenden Befunderhebung, welcher eine sukzessive Extraktion der genannten Zähne folgte. Die Diagnose „generalisierte chronische Parodontitis“ wurde in die Therapieentscheidung nicht einbezogen. Für diese Diagnosestellung ist eine umfangreiche Befunderhebung, basierend auf Zahnstatus, Röntgenbefund und Parodontalstatus, obligat und Basis evidenzbasierter systematischer Parodontaltherapie. Im Rahmen der Durchführung einer systematischen Parodontaltherapie sei anzuraten, die initial gestellte Zahnprognose regelmäßig zu reevaluieren. Diese kann im Verlauf der Therapie nachweislich verbessert werden [13].

Präventionsstrategien periimplantärer Komplikationen

  • Abb. 19: Klinische Befunderhebung der Implantate nach prothetischer Belastung.

  • Abb. 19: Klinische Befunderhebung der Implantate nach prothetischer Belastung.
Durch die mangelnde Evidenz unterschiedlicher Therapieverfahren von Periimplantitis sollte die Prävention periimplantärer Entzündung im Fokus stehen. In zahlreichen Übersichtsstudien diagnostizierte Risikofaktoren für Implantaterfolg müssen bei der Entscheidung für eine Implantation berücksichtigt werden. Eingeschränkter Implantaterfolg wird vor allem bei Patienten mit chronischer parodontaler Vorerkrankung [20, 18, 16, 10, 7], aggressiver Parodontitis [14], Rauchern [17] und Patienten ohne Compliance [19, 8] beschrieben. Voraussetzung für Langzeiterfolg von Implantaten ist eine parodontal stabile Situation nach abgeschlossener systematischer Parodontaltherapie sowie eine suffiziente Mundhygiene unter kontinuierlicher Implantatnachsorge und parodontaler Erhaltungstherapie; trotz erhöhter Misserfolgsrate von Implantattherapie im parodontal kompromittierten Gebiss sind diese bei stabilen parodontalen Verhältnissen nach systematischer Therapie nicht kontraindiziert [6]. Die Implantation unter restaurativen Kriterien (sog. backward planning) garantiert eine optimale Hygienemöglichkeit der Suprakonstruktionen und sollte vorab mit dem Zahntechniker geplant werden. Die periimplantäre Nachsorge erfordert ein spezifisches, engmaschiges Recallsystem. Im Rahmen dieser systematischen Implantatnachsorge sollte eine exakte Befundung der Implantate erfolgen. Klinische Parameter (Sondierungstiefe, Gingiva-Index, Plaque-Index, Breite der keratinisierten Gingiva) und Röntgenkontrollen sind dabei unverzichtbar zur Diagnose früher periimplantärer Entzündungsstadien und sollten regelmäßig erhoben werden (Abb. 19). Dabei ist die Compliance des Patienten essentiell [15, 3].  

Den Fragebogen zur interaktiven Fortbildung finden Sie hier!

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Melanie Franke

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Melanie Franke