Therapie

Rezessionsdeckung, Rot-Weiß-Ästhetik, Zahnfleisch

Rezessionsdeckung heute


Ein schönes Lächeln wird nicht nur durch schöne Zähne getragen (weiße Ästhetik), sondern auch maßgeblich durch einen harmonischen Zahnfleischverlauf (rote Ästhetik). Disharmonien entstehen hingegen vor allem bei Asymmetrien, zu viel Zahnfleisch („Gummy Smile“) oder zu wenig Zahnfleisch (Rezession). Moderne mikrochirurgische Verfahren bieten die Möglichkeit, ein harmonisches Bild wieder herzustellen. Die Ergebnisse werden schonender und vorhersagbarer.

Eine Zahnfleischkorrektur ist für Patienten interessant, die aufgrund von zuviel oder zu wenig Zahnfleisch Beschwerden haben oder sich am ästhetischen Bild stören. Das Ziel eines parodontal-chirurgischen Eingriffs ist eine physiologische Abdeckung der Wurzeloberfläche. Es gibt zahlreiche minimalinvasive Verfahren, mit denen das Zahnfleisch korrigiert werden kann. Zu den populärsten Techniken gehören die Bildung von koronalen Verschiebelappen nach Bernimoullin [1] und der laterale Verschiebelappen.

Bei diesen Operationstechiken muss darauf geachtet werden, dass genügend befestigte Gingiva von mindestens 3 mm im Bereich der Rezession vorhanden ist. Eine andere Möglichkeit ist die Bildung eines freien Transplantats. Hier kann entweder ein Bindegewebstransplantat oder ein Gingivatransplantat aus dem Bereich des Gaumens hergestellt werden.

Ein weiteres Verfahren ist die modifizierte Envelope-Technik [2,3] mittels freiem Bindegewebstransplantat (ebenfalls aus dem Bereich des Gaumens), welches durch vorherige Tunnelierung der Gingiva an die betroffenen Defekte transplantiert wird. Durch die auf die feste Gingiva wirkenden Zugkräfte der Bänder kann es ebenfalls zu Rezessionen kommen. Häufig reicht schon allein die Durchtrennung oder Verlagerung hochansetzender Bänder, um den Fortlauf der Rezession zu stoppen. Mit der Operationstechnik GTR (Guided Tissue Regeneration) wird eine Membran intraoperativ in den betroffenen Defekt eingelegt. Sie verhindert eine Adaptation der Epithelzellen des Sulkuses und des Sharpey‘schen Faserapparats, bildet also eine künstliche Barriere. Da sich die einzelnen Strukturen des Parodontiums mit einer unterschiedlichen Geschwindigkeit regenerieren, ist eine Trennung durch die resorbierbare Membran erforderlich. Auf diese Weise kann ein physiologisches Wachstum erfolgen, mit dem Ergebnis, dass sich das Gewebe deutlich besser regeneriert [4]. Durch eine lange Berufserfahrung und die daraus gewonnene Expertise sollte der Operateur je nach Ausgangslage und Befund die Technik wählen, welche sich für den Patienten als die erfolgsversprechendste darstellt.

Gummy Smile

Bei einem Gummy Smile ist scheinbar zu viel Zahnfleisch vorhanden, es rückt beim Lächeln in den Vordergrund und wird häufig als störend empfunden. Zu kleine Zähne oder ein Überschuss an Zahnfleisch können Ursachen sein, die zu einem Gummy Smile führen. Des Weiteren kann eine Hyperaktivität der Oberlippe beim Lächeln oder auch eine zu straffe Verbindung zwischen Zahnfleisch und Oberlippe das Bild von zu viel Zahnfleisch verstärken [5].

Wenn zuviel Zahnfleisch vorhanden ist, wird das überschüssige Gewebe sehr schonend mit dem Laser bzw. Elektrotom entfernt. Die Gingivektomie wird vor allem bei Pseudotaschen oder Hyperplasien verwendet. Ziel der Behandlung ist die Wiederherstellung des physiologischen Überganges zwischen Zahn und Gingiva. Bei zu kleinen Zähnen lässt sich das Missverhältnis durch Kronen oder Veneers und einer damit verbundenen Vergrößerung der Zähne aufheben.

Rezessionen

Unter einer Rezession versteht man den Rückgang der Gingiva des darunter liegenden Alveolarknochens durch endogene und/oder exogene Faktoren. Ursache für eine Zahnfleischrezession können chronische Zahnfleischentzündungen, Verletzungen, Zahnfehlstellungen oder die falsche Zahnputztechnik sein.

Ein freiliegender Zahnhals führt zu Überempfindlichkeiten, es kommt zu einer funktionellen und ästhetischen Beeinträchtigung und das Kariesrisiko ist deutlich erhöht, da das im Wurzelbereich freiliegende Dentin wesentlich kariesanfälliger ist als Zahnschmelz.

Nach Miller 1985 [6] werden Gingivarezessionen in vier Klassen differenziert. Diese Klassen zeigen die verschiedenen Grade der Rezessionen, erleichtern die Behandlungsplanung und zeigen auf, wie gut die jeweilige Prognose für eine Rezessionsdeckung ist.

Miller Klasse I

Die Rezession reicht nicht bis zur mukogingivalen Grenze. Interdentales Gewebe ist nicht verloren gegangen. Eine vollständige Deckung ist zu erwarten. Die Prognose ist sehr gut (Abb. 1).

Miller Klasse II

Die Rezession überschreitet die mukogingivale Grenze. Interdentales Gewebe ist nicht betroffen. Eine weitgehende Deckung kann erreicht werden (Abb. 2).

Miller Klasse III

Die Rezession reicht bis in die Mukosa. Ein interdentaler Gewebeverlust schließt die vollständige Abdeckung der Wurzeloberfläche aus. Eine partielle Deckung ist möglich (Abb. 3).

Miller Klasse IV

Die Rezession reicht über die mukogingivale Grenze, gleichzeitig ist es zu einem Weich- und Hartgewebeverlust gekommen. Eine Bedeckung der Wurzeloberfläche ist nicht zu erwarten (Abb. 4).

  • Abb. 1: Miller Klasse 1.
  • Abb. 2: Miller Klasse 2.
  • Abb. 1: Miller Klasse 1.
  • Abb. 2: Miller Klasse 2.

  • Abb. 3: Miller Klasse 3.
  • Abb. 4: Miller Klasse 4.
  • Abb. 3: Miller Klasse 3.
  • Abb. 4: Miller Klasse 4.

 

Technik zur Rezessionsdeckung

Unterschiedliche Techniken wurden vorgestellt und angewendet. Hiervon hat sich eine sehr minimalinvasive und sehr sichere Technik durchgesetzt, mit der auch wir die besten Erfahrungen gemacht haben. Dies ist die sogenannte Tunneltechnik nach Allen et al. 1994 [3], welche eine modifizierte Form der Envelope Technik nach Raetzke et al. 1985 [2] ist. Diese Technik soll im Folgenden anhand eines Fallbeispiels vorgestellt werden. Unabhängig vom Operationsverfahren müssen im Vorfeld bestehende Entzündungen beseitigt und der Patient zur richtigen Putztechnik und zum regelmäßigen Recall (Kontrolltermine) motiviert werden. Außerdem sollten Fehlbelastungen der betroffenen Zähne ausgeschlossen bzw. korrigiert werden. Eine große Rolle spielt auch, ob der Patient Raucher oder Nichtraucher ist. Es handelt sich um ein mikrochirurgisches Verfahren, bei dem eine ausreichende Durchblutung von großer Bedeutung ist. Dies ist bei einem Raucher nicht gegeben und die Prognose somit deutlich schlechter [8].

Envelope Technik

Bei der Envelope-Technik nach Raetzke et al. 1985 [2] präpariert der Operateur eine Mukosatasche, die von der Inzision am Sulkus des betroffenen Zahnes ausgeht. Zusätzlich wird ein freies subgingivales Bindegewebstransplantat 3 mm apikal der marginalen Gingiva des Gaumens entnommen entsprechend der Beschreibung nach Hürzeler et al. 1999 [7]. Zu beachten ist, dass die Mindeststärke des Transplantats von 2 mm eingehalten werden muss. Transplantate mit einem geringeren Durchmesser neigen dazu zu nekrotisieren. Wichtig ist im Bereich des Gaumens genaue Kenntnisse über den Verlauf der A. palatina zu haben, da es sonst durch unkontrollierte Blutungen zu lebensgefährlichen Situationen kommen kann.

Vorteil der Envelope-Technik ist, dass diese Methode ohne weitere Inzisionen und damit kaum sichtbaren Narben auskommt. Das freie subgingivale Schleimhauttransplantat wird in die präparierte Tasche eingebracht und kann dann entweder mit Nähten oder einem Verband adaptiert werden. Allen et al. [3] modifizierten 1994 die Envelope-Technik, sie verbanden mehrere nebeneinander liegenden Rezessionen durch eine Tunnelierung der Interdentalsepten und führten dann das Bindegewebstransplantat hindurch. Vorteil dieser Modifi zierung ist eine minimalinvasive Durchführbarkeit mit gleichzeitigen multiplen Deckungen nebeneinander stehender Zahnwurzeln.

Fallbeispiel

Der in Abbildung 5 bis 10 vorgestellte Fall zeigt multiple Rezessionen an den Frontzähnen im Unterkiefer (Zahn 32-43). Das Zahnfleisch wurde mit mirochirurgischen Instrumenten tunneliert. Über einen mikrochirurgischen Schnitt wurde ein Bindegewebstransplantat aus dem Gaumen entnommen. Das Transplantat wurde in regio 32-43 positioniert und fixiert. Das Ergebnis nach 5 Monaten zeigt eine vollständige Beseitigung der Rezessionen regio 32-43.

  • Abb. 5: Ausgangssituation: multiple Rezessionen.
  • Abb. 6: Tunnelierung des Zahnfl eisches.
  • Abb. 5: Ausgangssituation: multiple Rezessionen.
  • Abb. 6: Tunnelierung des Zahnfl eisches.

  • Abb. 7: Das Bindegewebstransplantat wurde aus dem Gaumen entnommen.
  • Abb. 8: Das Bindegewebstransplantat wurde aus dem Gaumen entnommen.
  • Abb. 7: Das Bindegewebstransplantat wurde aus dem Gaumen entnommen.
  • Abb. 8: Das Bindegewebstransplantat wurde aus dem Gaumen entnommen.

  • Abb. 9: Positionierung des Transplantats und Fixierung.
  • Abb. 10: Ergebnis nach 5 Monaten.
  • Abb. 9: Positionierung des Transplantats und Fixierung.
  • Abb. 10: Ergebnis nach 5 Monaten.

Nachsorge

Das Gewebetransplantat darf während der Einheilphase (minimum 6 Wochen) nicht mechanisch belastet werden. In der Einheilphase wachsen langsam kleine Blutgefäße von der Umgebung in das Bindegewebstransplantat, damit diese nicht reißen, darf im OP-Gebiet für mindestens sechs Wochen nicht mit der Zahnbürste geputzt werden. Zur Reinigung kann mit einer Chlorhexamed Spülung 1-2 mal täglich gespült werden. Die Nahtentfernung erfolgt 3 Wochen nach dem Eingriff.

Prognose

Die von uns hier beschriebene angewendete Tunneltechnik ist ein wissenschaftlich basiertes, sicheres und bewährtes, minimalinvasives Operationsverfahren. Grundsätzlich kann durch so einen Eingriff die Situation nur verbessert werden. Eine Verschlimmerung der Rezession durch eine Deckung mit einem Bindegewebstransplantat ist fast nicht möglich. Es bleibt abzuwarten, inwieweit in jüngster Zeit vorgestellte Operationsverfahren mit diversen Kollagenmaterialien die autologe Bindegewebsentnahme vom Gaumen wirklich gleichwertig ersetzen können [9]. Zusätzliche Kosten und in Einzelfällen die mögliche Gefahr durch eventuelle biologische Inkompatibilitäten sind ungünstige Faktoren. Zudem fehlen noch klinisch relevante Langzeitstudien. 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Friederike Ratschow - Dr. Achim Sieper

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Friederike Ratschow , Dr. Achim Sieper