Therapie von Paro-Endo-Läsionen - Teil 1

In drei aufeinander folgenden Fallberichten werden die engen Wechselwirkungen zwischen Parodont und Endodont ausführlich thematisiert. Im Vordergrund stehen dabei die oftmals schwierige Diagnostik bei vorliegenden Paro-Endo/Endo-Paro-Problemen und die daraus resultierenden Therapiemöglichkeiten in Richtung Zahnerhalt oder Implantat. Die Patienten wurden von Dr. Daniel Engler-Hamm aus München behandelt. Im Anschluss an das jeweilige Fallbeispiel beurteilen und diskutieren die erfahrenen Parodontologen Dr. Daniel Engler-Hamm und Dr. Bernd Heinz die einzelnen Situationen.
Im Behandlungsfall 1 weist der Patient bei der Erstuntersuchung auf Zahn 17 hin, welcher beim Aufbiss empfindlich reagiert. Bei der Vitalitätsprüfung mit Kältespray ist das Ergebnis zwar positiv, allerdings reagiert der Patient mit einem Nachziehen. Der röntgenologische Lokalbefund zeigt regio 16 mesial und distal 17 einen tiefen vertikalen Knochenabbau. Ähnliche Verhältnisse liegen auch bei 26, 27 vor. Die Zähne 36, 37 und 46, 47 zeigen ebenso erhöhte Sondierungstiefen bis 6 mm. In der Restbezahnung liegen die Sondierungstiefen zwischen 2 und 4 mm. Bei 16, 17 erkennt man okklusal kleine Amalgamfüllungen, die jedoch von ihrer Ausdehnung her keinerlei Irritation der Pulpen verursacht haben können. Somit besteht der Verdacht, dass die fortgeschrittene Parodontitis distal 17 zu einer Beeinträchtigung der Pulpa im Sinne einer Paro-Endo-Läsion geführt haben könnte. Bender und Seltzer beschrieben bereits 1972, dass ? histologisch gesichert ? bei 79 % parodontal schwer erkrankter, aber sonst gesunder Zähne (keine Füllung oder Karies), pathologische Veränderungen der Pulpa gefunden werden konnten. Sie empfahlen in solchen Fällen mit der endodontischen Behandlung zu beginnen, da Bakterien und Stoffwechselprodukte des infizierten Pulpengewebes die Wundheilung des Parodontiums nach der parodontalen Therapie beeinträchtigen können. Der Infektionsweg, über den diese Wechselwirkung erklärbar ist, sind akzessorische Kanäle, die im apikalen Drittel der Zähne bis 17 % und im mittleren Bereich bis nahezu 9 % nachweisbar sind. Im Umkehrschluss können auf diese Weise auch Endo-Paro-Probleme erklärt werden.
Wie im vorliegenden Fall dargestellt, sind unklare endodontische Probleme röntgenologisch oft nicht erfassbar. Hier müssen die klinische Inspektion, die Beobachtungen des Patienten sowie die Erfahrung des Behandlers dazu beitragen, den für den Patienten richtigen Behandlungsweg zu finden. Wenn das Ziel lautet, Zähne trotz ihres komplizierten Lokalbefundes zu erhalten, so muss der Endodontie künftig deutlich mehr Beachtung geschenkt werden als bisher.
Fallbeschreibung
Ein 49 Jahre alter, aus allgemeinmedizinischer Sicht gesunder Mann kam im Mai 2009 aus eigenem Antrieb in die Fachpraxis am Frauenplatz. Bei der Erstuntersuchung berichtete er über Aufbissbeschwerden regio 17, störendes Zahnfleischbluten beim Zähneputzen sowie Zahnfleischrezessionen an nahezu allen Zähnen (Abb. 1).
Die parodontologische Untersuchung ergab folgende Befunde: Im Front- und Prämolarenbereich des OK/UK wiesen die Sondierungstiefen Werte zwischen 2 und 4 mm auf. Zugleich lagen bei allen Zähnen generalisierte Rezessionen zwischen 1 und 4 mm vor.
Im Seitenzahnbereich betrugen die Sondierungstiefen im UK 4 und 6 mm, im OK hingegen 6 bis 10 mm. Alle Molaren zeigten eine Furkationserkrankung Grad I/II (Abb. 2). 17 erwies sich im Vitalitätstest als positiv mit einem unangenehmen Nachziehen und war zudem klopf- und aufbissempfindlich.
Im erhobenen Röntgenstatus erkannte man gesunde parodontale Strukturen im OK/UK-Front-Prämolaren- sowie UK-Seitenzahnbereich, wohingegen im OK-Molarenbereich massive Knochendefekte imponieren.
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Abb. 2: Parodontalstatus vor der Phase 1-Therapie.
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Abb. 3: Eingangsröntgenbild: Knocheneinbruch mesial 16 und distal 17 sichtbar.
Die aus den klinischen und röntgenologischen Befunden abzuleitende Diagnose lautet: Fortgeschrittene Parodontitis regio 17, 16, 26, 27, bei allen anderen Zähnen liegen moderate gingivo-parodontale Probleme vor (Abb. 3).
Behandlungsablauf
Zunächst wurde eine Wurzelkanalbehandlung an Zahn 17 durchgeführt (Abb. 4). Im Anschluss erfolgte eine umfangreiche Phase-I-Therapie mit Scaling und Wurzelglättung unter adjuvantem Einsatz des Winkelhoff-Cocktails (Amoxicillin 500 mg, 3 x täglich für sieben Tage und Metronidazol 400 mg, 3 x täglich ebenfalls für sieben Tage).
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Abb. 4: Röntgenkontrolle nach abgeschlossener Wurzelbehandlung 17.
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Abb. 5: Parodontalstatus nach Phase 1-Therapie.
Acht Wochen nach der Scaling-Therapie erfolgte die parodontale Reevaluation (Abb. 5). Hier zeigten sich eine deutliche Reduktion des Entzündungsgrades, eine Verbesserung der Mundhygienegewohnheiten des Patienten sowie eine deutliche Reduktion der Sondierungstiefen. Allerdings waren regio 16, 17 noch erhöhte Sondierungstiefen vorhanden. Mit dem Patienten wurde erneut die Notwendigkeit einer regenerativen PA-Therapie im ersten Quadranten besprochen.
Nach einer Simplified-Papilla-Preservation-Schnittführung sowie einem atraumatischen Aufklappen der regio 15 bis 17 erfolgte eine gründliche Degranulation und Ultraschallbehandlung der Knochendefekte 17 distal und 16 mesial. Danach wurden die Knochendefekte zunächst mit EDTA behandelt und im Anschluss mit Schmelzmatrixprotein (Emdogain, Straumann, Freiburg) sowie Puros Allograft Spongiosa Partikel (Zimmer Dental, Freiburg) gefüllt. Der Nahtverschluss erfolgte mit Gottlow-Nähten, und regio 13 wurde zusätzlich ein Bindegewebstransplantat zur Rezessionsdeckung und Gingivaverdickung eingebracht. Die Wundheilung war komplikationslos. Die Nachkontroll- Röntgenbilder zeigen einen hohen Mineralisationsgrad des Knochens und niedrige Sondierungstiefen (Abb. 6 bis 12).
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Abb. 6: Darstellung der Knochendefekte 16m und 17d während der Degranulation.
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Abb. 7: Regeneration mit Emdogain und allogenem Knochen, Rezessionsdeckung 13 mit Emdogain und Bindegewebstransplantat.
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Abb. 8: Nahtverschluss.
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Abb. 9: Situation nach Abheilung.
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Abb. 10: Röntgenkontrolle zwei Jahre post OP.
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Abb. 11: Röntgenkontrolle zwei Jahre post OP.
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Abb. 12: Parodontalstatus 4 Jahre post OP.
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Wie hätte dieser dramatische Ausgangsbefund vermieden werden können?
Bernd Heinz: Im Rö-Status vom 6.5.2009 erkennt man mesial bei 16 und distal 17 jeweils einen ausgeprägten vertikalen Knochenabbau. Parodontale Defekte dieser Art entstehen nicht „über Nacht“, d. h., es dauert oftmals Jahre, bis es zu einem so weit fortgeschrittenen lokalen Attachmentverlust kommt. Durch regelmäßige Parodontaldiagostik mit PA-Sonde und Röntgenkontrollen erkennt man frühzeitig das Problem und kann es durch präventive Maßnahmen verhindern oder durch parodontale Therapie verringern.
Daniel Engler-Hamm: Es ist schwer zu sagen, welcher Grund für die schwere Parodontitis hauptverantwortlich genannt werden könnte. Zumeist ist die Ursache vielschichtig. Auf der einen Seite findet man bei diesen Patienten häufig eine gewisse Veranlagung. Zum zweiten stellt sich im Gespräch zumeist eine lange Historie einer mangelnden Compliance (Nachsorge, Mundhygiene) dar. Drittens haben diese Patienten oftmals nie eine umfangreiche und adäquate parodontale Therapie erfahren. Sicherlich gibt es aber auch Fälle, wo nur ein oder auch zwei der oben genannten Gründe als Hauptverursacher genannt werden können.
In welcher Reihenfolge muss dieser Fall therapiert werden, damit er schlussendlich erfolgreich ist?
Bernd Heinz: Die Aufbissempfindlichkeit 17 spricht für eine Paro-Endo-Läsion des Zahnes. Daher war es erforderlich, die endodontische Behandlung sofort – parallel zur korrektiven Parodontaltherapie – durchzuführen. Gerade bei mehrwurzeligen Zähnen mit fortgeschrittener Parodontitis ist eine positive Vitalitätsprüfung nicht unbedingt zu 100 % aussagekräftig, da es durchaus möglich ist, dass unterschiedliche Gewebssituationen in den einzelnen Wurzelkanälen vorliegen. Denkbar ist im vorliegenden Behandlungsfall, dass im distalen Wurzelkanal – bedingt durch die fortgeschrittene lokale Parodontitis – bereits entzündliche Prozesse eingesetzt haben, was als Aufbissbeschwerden erkannt wurde, wohingegen die mesialen Kanäle noch volle Vitalität aufweisen (siehe Bender & Seltzer). Die adjuvante antibiotische Co-Therapie zu diesem Zeitpunkt mag indessen unterschiedlich beurteilt werden, da Antibiotika keine ursächliche Therapie darstellen und ein Behandlungserfolg auch ohne diese begleitende Medikation denkbar wäre.
Daniel Engler-Hamm: Der Behandler sollte beim Vorliegen einer schweren chronischen oder auch aggressiven Parodontitis immer eine endodontische Beteiligung in Betracht ziehen. Durch die Vielzahl an akzessorischen Kanälen kommt es häufig zu endodontischen Schädigungen, die nicht so einfach festzustellen sind. In diesem Fall könnte beispielsweise die schwere Parodontitis zu einem Absterben der distalen Wurzel geführt haben, mit folgender klinischer Aufbissempfindlichkeit. In jedem Fall muss bei einer endodontischen Beteiligung immer die Wurzelbehandlung vor der parodontalen Therapie erfolgen. Sofern die Läsion endodontisch gut behandelt ist, besteht dann die Möglichkeit, durch eine parodontale Intervention die Prognose von Zähnen mit Paro-Endo-Läsionen zu verbessern.
Glauben Sie, die Therapie ist in diesem Fall vorhersehbar?
Bernd Heinz: Natürlich gibt es in diesem Fall verschiedene Konzepte für eine mögliche Therapie. Darauf werde ich später noch eingehen. Die hier dargestellte Lösung ist uneingeschränkt positiv zu bewerten ? unter kritischer Würdigung der antibiotischen adjuvanten Begleitmaßnahmen?, da sowohl die parodontale als auch die erforderliche endodontische Behandlung kompetent durchgeführt wurden.
Daniel Engler-Hamm: Die Therapie von Paro-Endo- Läsionen ist nie wirklich vorhersehbar. Es ist schwer, eine 100%ige Dekontamination aller akzessorischen Kanäle, die ursächlich zu dem Problem geführt haben können, zu gewährleisten. Entsprechend ist jede Folgetherapie auch nur dann erfolgreich, wenn dies gelingt. Wenn es eben nicht gelingt, kommt es höchstwahrscheinlich zu einem Misserfolg. Die Endodontologen unter Ihnen wissen an der Stelle besser, inwiefern man eine 100 %ige Dekontamination der akzessorischen Kanäle gewährleisten kann? Hier bin ich nicht der Fachmann auf diesem Gebiet, glaube aber, dass dies der Hauptgrund für die Unvorhersehbarkeit der Therapie bei Paro-Endo-Läsionen ist.
Wie schätzen Sie das Verhältnis von Kosten zu Nutzen bei diesem Fall ein?
Bernd Heinz: Wenn es dem Wunsch des Patienten entsprach, Zahnverluste zu vermeiden, dann war der eingeschlagene Weg auch aus einer Kosten-Nutzen-Betrachtung sinnvoll. Dies gilt allerdings nur so lange, wie sich der Patient als absolut compliant erweist und somit Langzeitstabilität erreicht werden kann.
Daniel Engler-Hamm: Die Frage Kosten-Nutzen ist nicht so einfach zu beantworten, da dies primär eine Frage nach dem finanziellen Background des Patienten, der Compliance und der Wertschätzung ist. Sofern es sich Patienten finanziell leisten können und sich darüber im Klaren sind, dass die Therapie schlussendlich auch zu einem Misserfolg führen könnte, ist das therapeutische Vorgehen sicherlich zu rechtfertigen. Sofern der Patient aber die Therapie nicht wertschätzt, die Compliance nicht zeigt, die notwendig ist, um einen solchen Fall zu Ende zu therapieren, oder sich gar die Behandlung „vom Mund absparen“ muss, sollte man eher auf eine vorhersehbare Therapie umschwenken.
Welche alternative Therapie könnten Sie sich für diesen Fall vorstellen?
Bernd Heinz: Für mich stellt der eingeschlagene Weg die perfekte Lösung dar. Natürlich ist nicht jeder Patient in der Lage, eine so aufwendige Therapie zu finanzieren, oder auch nicht bereit, eine derartige Behandlung zu ertragen. Den gemeinsamen Weg zu erarbeiten, ist Teil der ersten Behandlungssitzungen, in denen der Patient über alternative Lösungen, Bedeutung der Compliance, Risiken, Kosten etc. informiert werden muss. Ist Zahnerhalt das angestrebte Ziel, dann gibt es keine Alternative zu der dargestellten Behandlung. Bei einem Verzicht auf Zahnerhalt kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht:
- Freiendsituation/Prämolarenokklusion – verbunden mit der Gefahr, dass die Molaren im Gegenkiefer extrudieren, was wiederum nur durch aufwändige Verblockung zu verhindern wäre.
- Herausnehmbarer Zahnersatz zur Kompensation der Zähne 16, 17 und Vermeidung der Extrusion (auch diese Behandlung muss dem Patienten zumindest angeboten werden, selbst wenn sie nicht den eigenen Vorstellungen entspricht).
- Endodontie 16, 17, Amputation der mesial-bukkalen Wurzel 16 sowie der distal-bukkalen Wurzel 17 ggf. mit Schienung der Zähne (Ribbond/Komposit). Es besteht damit durchaus die Möglichkeit, dass die knöchernen Defekte weitgehend ausheilen.
- Wie zuvor, jedoch statt der oben angesprochenen Schienung eine Versorgung mit verblockten Keramikkronen.
- Verzicht auf Zahnerhalt und nach Extraktion der Zähne eine höchst aufwendige (vermutlich mit zusätzlicher Knochenaugmentation) Implantatversorgung. Auch das soll es geben!
Daniel Engler-Hamm: Ich versuche bei der Therapieentscheidung immer die aktuelle Prognose und die Prognose nach der Therapie in Betracht zu ziehen. Schaut man sich die aktuelle Prognose an, sind die Zähne sicherlich fragwürdig bis hoffnungslos. Insofern würde ich, sofern der Patient sich gegen eine Therapie der Paro-Endo-Läsionen aus Gründen der Unvorhersehbarkeit entscheidet, eine Extraktion der Zähne 16 und 17 empfehlen. In dem Fall könnte der Patient vorhersehbar, und zumeist relativ einfach, mit zwei Implantaten eventuell mit lateralem Sinuslift gut versorgt werden. Wäre dies therapeutisch keine Option für ihn, blieb noch der herausnehmbare Zahnersatz, wobei ich persönlich eine derartige Therapie nicht durchführe und dafür überweisen müsste.
Welche Voraussetzungen sind notwendig, damit der Fall langfristig stabil bleibt?
Bernd Heinz: Wie schon angedeutet kann nur durch konsequente Compliance sichergestellt werden, dass erneut auftretende parodontale Probleme rechtzeitig erkannt und therapiert werden können. Zudem ist es nur durch regelmäßige Röntgenkontrollen möglich, die Stabilität der endodontischen Behandlung sicher zu beurteilen.
Daniel Engler-Hamm: Nachdem bekannt ist, dass nach Abheilung endodontischer oder auch parodontaler Läsionen durch Wurzelkanal- oder auch GTR-Therapie die Behandlungsergebnisse langfristig weitestgehend stabil sein können, ist auch im Fall von Paro-Endo-Läsionen davon auszugehen, dass die Behandlungsergebnisse sich langfristig stabilisieren. Entsprechend ist ein normales SPT (supported periodontal treatment) mit allen dazugehörigen Maßnahmen (Compliance-Therapie, regelmäßige Dentalhygiene, Recall-Scaling unter Zuhilfenahme von adjuvanter Therapie nach Bedarf) notwendig, um ein langfristig zufriedenstellendes Ergebnis zu gewährleisten. Ich glaube, das größte Problem beim Vorhandensein von Paro-Endo-Läsionen ist, dass die Diagnose zumeist falsch gestellt wird. Ich habe solche Fälle regelmäßig in der Praxis und sie werden entweder als rein endodontische oder rein parodontale Probleme von dem Vorbehandler bzw. dem Patienten beschrieben. Fehlt die zweite Diagnose, ist es dem jeweiligen Behandler nicht möglich, eine erfolgreiche Therapie durchzuführen, und die Situation verschlechtert sich zunehmend. Entsprechend glaube ich, wäre es das Beste, wenn man primär alle Kollegen schult, welche Befunde bei Paro-Endo-Läsionen vorzufinden sind, damit diese dann die Entscheidung treffen können, wie sie ihre Patienten weiter beraten oder auch behandeln wollen.
Eine Frage aus dem Blickwinkel eines Allgemeinzahnarztes. Wenn Sie kein Spezialist wären, zu wem hätten Sie den Fall überwiesen?
Bernd Heinz: Die Entscheidung, einen Spezialisten einzubeziehen, hängt nicht nur von der eigenen Qualifikation, sondern auch von der mit dem Patienten vereinbarten Behandlungsplanung ab. Dem Generalisten wäre ggf. zu empfehlen, solche Patienten an einen Parodontologen sowie einen Endodontologen zu überweisen.
Daniel Engler-Hamm: Zuerst zu einem Endodontologen.
War ein Okklusionstrauma vorhanden, und wenn ja, wie wurde es festgestellt und therapiert?
Bernd Heinz: Weder in den Röntgen- noch in den Parodontalbefunden lässt sich ein okklusales Trauma belegen. Dieses kann nur durch entsprechende myofunktionelle Untersuchungen sowie Patientenbefragung herausgefunden werden. Bei Vorliegen von CMD-Problemen ist die Einbeziehung eines Spezialisten für alle Beteiligten mehr als hilfreich.
Daniel Engler-Hamm: Die Aufbissempfindlichkeit ist ein klassischer unspezifischer Befund, welcher mit verschiedenen ursächlichen Problemen assoziiert sein kann. Aufbissempfindlichkeit tritt bei schweren parodontalen Problemen, endodontischen Komplikationen oder auch bei Okklusionstraumata auf. Da in diesem Fall eine Aufbissempfindlichkeit festgestellt wurde, sollte auch eine klassische okklusale Diagnostik erfolgen. Diese wird durchgeführt wie folgt:
- Zeigefinger auf den Zahn halten und den Patienten zusammenbeißen lassen, um festzustellen, ob der Zahn ausschert. Wenn ja, hat er einen Frühkontakt und sollte eingeschliffen werden.
- Bei der dynamischen Okklusion sollte eine Front-Eckzahn-Führung vorhanden sein und die posterioren Zähne sollten bei der Vorschub-Führungsbewegung nicht beteiligt sein.
- Es sollten vor allem keine Balance-Kontakte bei dynamischer Okklusion festgestellt werden.
Diese einfache okklusale Diagnostik gehört zur parodontalen Diagnostik und dient dem Zweck einer okklusalen Überbelastung vorzubeugen, welche ein Co-Faktor für eine Verschlechterung einer vorhandenen Parodontitis sein kann.
Welche zusätzlichen klinischen Befunde oder Komplikationen könnten bei der Eingangsdiagnostik von einem solchen Fall zusätzlich festgestellt werden?
Bernd Heinz: Anhand der Rö- und PA-Befunde kann das Vorliegen einer Wurzellängsfraktur mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden. Wiederum kann – trotz der festgestellten Berührungsempfindlichkeit – nicht explizit von einer Paro-Endo-Läsion des Zahnes 17 gesprochen werden – vielleicht liegt doch ein okklusales Trauma vor? Hier hilft dann nur die CMD-Diagnostik weiter.
Daniel Engler-Hamm: Die Anzahl der Probleme, die bei einem solchen Fall festgestellt werden können, sind sehr zahlreich. Es könnte ein akuter Abszess vorliegen, mit einer dicken Backe und der Notwendigkeit einer Inzision und Drainage. Es könnte eine chronische Fistel vorhanden sein oder aber eine verdickte Schleimhaut in der Kieferhöhle aufgrund der Nähe der apikalen Infektion zum Sinus maxillaris. Patienten erleben in letzteren Fällen wiederkehrende Sinusinfektionen und finden zumeist mit ihrem Hals-Nasen- Ohren-Arzt nicht die Ursache. Auch haben solche Patienten häufig pulpitische Beschwerden mit allen damit assoziierten Befunden.
Weiterführende Links
> Therapie von Paro-Endo-Läsionen - Teil 2> Therapie von Paro-Endo-Läsionen – Teil 3