Zahnersatz auf parodontal kompromittierten Zähnen

Der vorliegende Beitrag beschreibt die Behandlung bei fortgeschrittener Parodontitis und prothetischer Rehabilitation. In den zwei beschriebenen Fallbeispielen wurde konservativ bzw. chirurgisch therapiert. Mit patientengerechten, festsitzenden provisorischen Versorgungen konnte die parodontale Behandlung mit geringer Belastung für die Patienten durchgeführt werden. Mit Freiend-Brückengliedern wurden in beiden Fällen zusätzliche Implantate vermieden.
Nach Initialtherapie und festsitzender provisorischer Versorgung konnte die Parodontalbehandlung mit angemessener Ausheilzeit, sowie die darauffolgende prothetische Rehabilitation des Patienten, ohne Zeitdruck durchgeführt werden. Neben den einzelnen Behandlungsschritten werden nachfolgend konkrete Überlegungen zur Therapieplanung dargestellt.
Mit Freiend-Brückengliedern konnten in beiden Fällen zusätzliche Implantate vermieden werden. Die Therapie mit einer Cross-Arch-Bridge auf parodontal geschädigten, aber entzündungsfreien Zähnen ist eine wissenschaftlich fundierte Behandlungsmethode.
Fallbeispiel 1 – konservative Therapie
Der 55-jährige Patient stellte sich zur Untersuchung in der Praxis vor. Die Allgemeinanamnese war unauffällig. Er war bis vor 5 Jahren Raucher (10 Zigaretten/Tag) und hatte keine konzeptgerechte Zahnbehandlung über 10 Jahre.
Mit Teilprothesen im Ober- und Unterkiefer waren die Frontzahnlücken geschlossen. Er klagte über Zahnlockerung, ungenügende Kauleistung und war mit seinem Erscheinungsbild unzufrieden (Abb. 1-3).
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Abb. 2: Leicht geöffnet.
© Dr. Derks -
Abb. 3: OPG vor der Behandlung.
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Die klinische Untersuchung zeigte generelle Entzündungszeichen (BoP), erhöhte Sondierungstiefen und Furkationsbeteiligungen (PA-Status nach Extraktionen Abb. 4). Radiologisch (Abb. 5) konnten ein genereller Attachmentverlust (bis zu über 50 %) und anguläre Knochendefekte festgestellt werden.
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Abb. 4: PA-Status, Ausgangssituation.
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Abb. 5: Rö-Status nach Extraktion.
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Diagnose
Folgende Diagnose wurde gestellt: Generelle schwere Parodontitis, Stadium IV Grad C. Das Studium der Planungsmodelle, im teiljustierbaren Artikulator mit vorläufig festgelegter zentrischer Kondylenposition montiert, zeigte eine Angle-Klasse I mit knapper inzisaler Stufe.
Prognose (Zahn für Zahn)
Extraktion: 17, 16, 12, 11, 22, 24, 26, 27 42, 41, 31, 32
Fragwürdig: 47, 46
Erhaltungswürdig: 15, 14, 13, 23, 25 45, 44, 43, 33, 35, 36, 37
Die Behandlungsziele wurden gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet, wobei der Wunsch nach einer festsitzenden prothetischen Lösung im Vordergrund stand.
- Parodontale Gesundheit
- Funktion OK 15-25, UK 37-47 mittels zahngetragenem, festsitzendem Zahnersatz
- Funktionelle und ästhetische Verbesserung.
Für die zu erhaltenden Zähne wurde ein Taschenverschluss angestrebt (kein BoP und Taschentiefen ? 4 mm). Für den Oberkiefer wurde eine Cross-Arch-Bridge geplant, da sich die zu erhaltenden Zähne in einer strategisch günstigen Position befanden – mit jeweils einem Freiend.
Im Unterkiefer wurden aufgrund der Anzahl von Pfeilerzähnen und der zahntechnischen Vorteile drei separate Brücken und Einzelkronen (35,36,37) geplant. Zahn 35 erhielt mesial ein gefrästes Geschiebe zur Vermeidung einer Brücke auf mehr als zwei Pfeilerzähnen (im Gegensatz zur Cross-Arch-Bridge zum Schutz vor Einzelbelastung von Zähnen mit erheblichem Attachmentverlust).
Ein Geschiebe an 37 mesial war vorgesehen, da kein Antagonist vorhanden ist (Abb. 16). Für die prothetische Versorgung wurde ein funktionelles okklusales Konzept mit Front-Eckzahn-Führung angestrebt. Das Vorgehen wurde detailliert geplant und mit dem Patienten besprochen.
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Abb. 16: Zahntechnische Arbeit.
© Dr. Derks
Folgende Behandlungsschritte waren vorgesehen:
- Initiale Behandlung:
a. Extraktion
b. nicht-chirurgische Parodontalbehandlung, Kontrolle der Compliance
c. provisorische Brücken im Ober- und Unterkiefer. - Reevaluation nach 3 Monaten.
- Abdrucknahme zum Erzielen ungesägter Meistermodelle.
- Definitive Prothetik mit Remontage.
- Nachsorge (UPT).
Die initiale Parodontalbehandlung beinhaltete ausgiebige Mundhygieneinstruktionen und eine nicht-chirurgische Instrumentierung der erkrankten Taschen. Die Therapie erfolgte in mehreren Sitzungen, mit Schwerpunkt auf bestmöglicher Plaquekontrolle durch den Patienten.
Parallel zur Extraktion wurden die zu erhaltenden Pfeilerzähne provisorisch beschliffen. Die Provisorien wurden nach dem erstellten Waxup (Abb. 6) im Praxislabor in der gleichen Sitzung angefertigt und mit Carboxylatzement (Durelon) eingesetzt. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen wurden so zuerst der Ober- und dann der Unterkiefer behandelt.
Die UK-Provisorien wurden vor dem Zementieren mit einem neuen Registrat im Artikulator remontiert und eingeschliffen, um eine konzeptgerechte Okklusion sicherzustellen (Abb. 7). Die Auswertung der initialen Therapie erfolgte drei Monate später.
Der Patient war zufrieden mit der Funktion der provisorischen Versorgungen (Abb. 8) und seine Compliance war ausgezeichnet. Der erneute PA-Status (Abb. 9) zeigte eine deutliche Verbesserung der parodontalen Situation.
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Abb. 8: Provisorien nach dreimonatiger Tragezeit.
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Abb. 9: PA-Status nach 3 Monaten.
© Dr. Derks
Für die Zahnflächen mit verbleibender Pathologie wurde ein Re-Scaling durchgeführt. Der Zahn 46 wurde als nicht erhaltungswürdig eingestuft und nachträglich extrahiert. Eine erneute Auswertung 6 Monate später zeigte entzündungsfreie parodontale Verhältnisse (Abb. 10-12).
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Abb. 11: PA im Oberkiefer nach 6 Monaten.
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Abb. 12: PA im Unterkiefer nach 6 Monaten.
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Nach endgültiger Präparation und Abdrucknahme wurde die definitive restaurative Behandlung im Ober- und Unterkiefer nach Plan durchgeführt. Die Brücken und Kronen wurden aus Gold mit Keramikverblendungen gefertigt (Abb. 13-16).
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Abb. 13: Zahntechnische Arbeit.
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Abb. 14: Zahntechnische Arbeit.
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Abb. 15: Zahntechnische Arbeit.
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Abb. 16: Zahntechnische Arbeit.
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Die Präparation erfolgte bewusst supragingival und die Kronen wurden mit einem dünnen Metallrand gestaltet. Auch hier wurde vor der Eingliederung eine Remontage durchgeführt (Abb. 17).
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Abb. 17: Remontage der zahntechnischen Arbeit.
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Die aktive Behandlung dauerte insgesamt 10 Monate. Der Patient war mit dem Resultat zufrieden und befindet sich in einem individuell angepassten Recall-Programm. Die Dokumentation erstreckt sich über ein Jahr nach Abschluss der aktiven Behandlung (Abb. 18,19).
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Abb. 18: Klinische Situation im Oberkiefer.
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Abb. 19: Klinische Situation nach einem Jahr.
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Fallbeispiel 2 – chirurgische Therapie
Die 65-jährige Patientin stellte sich zur Untersuchung in der Praxis vor. Die Allgemeinanamnese war unauffällig. Sie hatte einen Restzahnbestand, der im Oberkiefer mit Kronen versehen war und im Unterkiefer mit Kronen, Geschiebe und Teilprothese (Abb. 20-22). Der letzte Zahnarztbesuch lag mehrere Jahre zurück.
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Abb. 21: Klinische Ausgangssituation.
© Dr. Derks -
Abb. 22: Klinische Ausgangssituation.
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Sie klagte über Zahnlockerung, ungenügende Kauleistung, entzündetes Zahnfleisch mit regelmäßigem Zahnfleischbluten. Die klinische Untersuchung zeigte generelle Entzündungszeichen (BoP), erhöhte Sondierungstiefen mit Furkationsbeteiligung (27). Radiologisch (Abb. 23a-i, Abb. 23h nach Endorevision) konnten ein genereller Attachmentverlust (bis zu über 50 %) und anguläre Knochendefekte festgestellt werden.
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Abb. 23b: Rö-Status (23h Endorevision)
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Abb. 23c: Rö-Status (23h Endorevision)
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Abb. 23d: Rö-Status (23h Endorevision)
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Abb. 23e: Rö-Status (23h Endorevision)
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Abb. 23f: Rö-Status (23h Endorevision)
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Abb. 23g: Rö-Status (23h Endorevision)
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Abb. 23h: Rö-Status (23h Endorevision)
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Abb. 23i: Rö-Status (23h Endorevision)
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Diagnose
Folgende Diagnose wurde gestellt: Multiple Karies, unvollständige Wurzelfüllung (43), generelle schwere Parodontitis, Stadium IV Grad C. Das Studium der Planungsmodelle, im teiljustierbaren Artikulator mit vorläufig festgelegter zentrischer Kondylenposition montiert, zeigte eine Angle-Klasse II/2 und teilweise fehlende antagonistische Abstützung sowie starke okklusale Belastung der Front.
Prognose (Zahn für Zahn)
Extraktion: 27
Fragwürdig: 14, 23, 25, 44
Erhalten: 11, 13, 21, 22, 24 33, 43
Im Oberkiefer wurde eine festsitzende Lösung geplant und im Unterkiefer aufgrund der begrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten eine Teilprothese mit Teleskopen.
- Parodontale Gesundheit.
- Versorgung 14-25 mittels festsitzendem Zahnersatz und im Unterkiefer eine abnehmbare Teilprothese mit Teleskopen auf 33, 43, 44.
- Funktionelle und ästhetische Verbesserung.
Für die zu erhaltenden Zähne wurde ein Taschenverschluss angestrebt (kein BoP und Taschentiefen ? 4 mm). Für den Oberkiefer wurde eine Cross-Arch-Bridge geplant mit jeweils einem Freiend, da sich die zu erhaltenden Zähne in einer strategisch günstigen Position befanden. Für die prothetische Versorgung war eine konzeptgerechte Okklusion mit Front-Eckzahn-Führung vorgesehen.
Folgende Behandlungsschritte wurden durchgeführt:
- Initiale Behandlung:
a. Extraktion
b. nicht-chirurgische Parodontalbehandlung, Kontrolle der Compliance
c. provisorische Brücke im Oberkiefer. - Reevaluation nach 3 Monaten.
- Resektive Parodontalchirurgie.
Abdrucknahme zum Erzielen ungesägter Meistermodelle.
Definitive Prothetik mit Remontage.
Nachsorge (UPT).
Die Behandlung wurde ähnlich wie in Fall 1 beschrieben durchgeführt. Abbildung 24 zeigt den initialen PA-Status und Abbildung 25 die multiple Karies nach Entfernung der alten Kronen. Die Provisorien wurden nach dem erstellten Wax-up (Abb. 26) im Praxislabor in gleicher Sitzung angefertigt und mit Carboxylatzement (Durelon) eingesetzt (Abb. 27 nach dreimonatiger Tragezeit).
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Abb. 24: PA-Status, Ausgangssituation.
© Dr. Derks -
Abb. 25: Klinische Situation nach Kronenentfernung.
© Dr. Derks
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Abb. 26: Wax-up.
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Abb. 27: Langzeitprovisorien anch dreimonatiger Tragezeit.
© Dr. Derks
Die erneute parodontale Untersuchung drei Monate später zeigte tiefe Taschen bei den Zähnen 14 und 23 aber eine deutliche Verbesserung der parodontalen Situation der übrigen Zähne. Für die verbleibende Pathologie wurde eine Parodontalchirurgie mit dem Ziel der Taschenelimination durchgeführt. Drei Monate später zeigten sich im Oberkiefer entzündungsfreie parodontale Verhältnisse, die im Unterkiefer schon nach der nichtchirurgischen Behandlung erzielt wurden (Abb. 28 und 29).
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Abb. 28: PA im Unterkiefer vor und nach nicht-chirurgischer Therapie.
© Dr. Derks -
Abb. 29: PA im Unterkiefer vor und nach nicht-chirurgischer Therapie.
© Dr. Derks
Nach endgültiger Präparation (Abb. 30-32) und Abdrucknahme wurde die definitive restaurative Behandlung im Ober- und Unterkiefer nach Plan durchgeführt. Im Oberkiefer wurde die Brücke aus Gold mit Keramikverblendungen gefertigt (Abb. 33 und 34) mit besonderem Augenmerk auf die Hygienefähigkeit. Im Unterkiefer wurden Teleskopkronen mit Teilprothese erstellt (Abb. 35 und 36).
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Abb. 31: Entzündungsfreie Parodontien vor der Abdrucknahme.
© Dr. Derks -
Abb. 32: Entzündungsfreie Parodontien vor der Abdrucknahme.
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Abb. 33: Hygienefähige Zahntechnik.
© Dr. Derks -
Abb. 34: Hygienefähige Zahntechnik.
© Dr. Derks
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Abb. 35: Hygienefähige Zahntechnik.
© Dr. Derks -
Abb. 36: Hygienefähige Zahntechnik.
© Dr. Derks
Die Behandlung dauerte insgesamt 10 Monate. Die Patientin war mit dem Resultat zufrieden. Abbildung 37 zeigt den Zustand 1 Jahr nach Fertigstellung.
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Abb. 37: Klinische Situation nach einem Jahr.
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Die Patientin befindet sich in einem individuell angepassten Recall-Programm. Ein Rö- und PA-Status nach 11 Jahren (Abb. 38 und 39) zeigt Behandlungsbedarf an 14 (Sekundärkaries).
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Abb. 38: PA-Status nach 11 Jahren.
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Abb. 39: Rö-Status nach 11 Jahren.
© Dr. Derks
Die Wurzel des Zahnes 14 wurde entfernt, ohne die Funktion der Cross-Arch-Bridge zu beeinträchtigen. Die Dokumentation erstreckt sich über 12 Jahre nach Abschluss der aktiven Behandlung (Abb. 40 und 41).
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Abb. 40: Klinische Situation nach 12 Jahren, Wurzel 14 ist extrahiert.
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Abb. 41: Klinische Situation nach 12 Jahren, Wurzel 14 ist extrahiert.
© Dr. Derks
Diskussion
Im ersten Fall konnte die fortgeschrittene Parodontitis konservativ behandelt werden. Das Ergebnis der Parodontal behandlung war gut, begünstigt durch die hervorragende Compliance des Patienten.
Der Behandlungserfolg der „einfachen“, nicht-chirurgischen Maßnahmen entspricht den in der Literatur beschriebenen Ergebnissen (Wennström et al. 2005; Cionca et al. 2009). Im zweiten Fall zeigten sich nach der nicht-chirurgischen Therapie bei den Zähnen 14 und 23 noch tiefe Taschen, die einer chirurgischen Behandlung bedurften. Es ist anzunehmen, dass die knöcherne Anatomie mit Knochentaschen der Heilung im Wege standen und eine chirurgische PA-Behandlung indizierte.
Insgesamt konnten die Weichgewebe über mehrere Monate heilen. Dieser verzögerte Ansatz erlaubte eine neue Begutachtung der vorgesehenen Pfeilerzähne.
Die Abwesenheit von Bluten auf Sondieren ist ein starker prognostischer Faktor auf Stabilität (Lang et al. 1990; Matuliene et al. 2008). Durch die komfortable und ästhetisch ansprechende provisorische Versorgung empfanden die Patienten diese „Wartezeit“ nicht als störend.
Die Therapiewahl einer Cross-Arch-Bridge auf parodontal geschädigten (aber entzündungsfreien) Zähnen ist eine wissenschaftlich erprobte Behandlungsmethode (zur Übersicht: Lulic et al. 2007). Zu dem bereits erwähnten Vorteil der provisorischen Versorgung muss auch die Möglichkeit der Freiend-Brückenglieder genannt werden. So konnten in den vorliegenden Fällen Implantate vermieden werden.
Die durchgeführte Therapie hat der Literatur nach eine gute Prognose. Die potentiellen Risiken beinhalten endodontische (Bergenholtz & Nyman 1984) und technische Komplikationen (Nyman & Lindhe 1979). Das parodontale Risiko wurde aufgrund der guten Behandlungsresultate und der stabilen Compliance als gering eingeschätzt.
Die erwähnten Risiken müssen mit denen von alternativen Therapieansätzen verglichen werden. Für den vorliegenden Fall wären dies eine Overdenture-Lösung oder eine Implantatlösung (Totalextraktion). Alternative 1 wurde von den Patienten abgelehnt, mit Hinsicht auf den Wunsch nach einer festsitzenden Lösung.
Aufgrund der Menge des verbleibenden Parodontiums und dem Risiko für Periimplantitis (Derks & Tomasi 2015) wurde Alternative 2 nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Im Fall 2 sprachen wirtschaftliche Gründe für die Teilprothese im Unterkiefer.