Die orale Implantologie hat sich zu einem wichtigen Baustein im Portfolio der zahnärztlichen Therapieangebote entwickelt. In den ersten 30 Jahren der implantologischen Basisarbeit wurden hauptsächlich klinische Konzepte entwickelt, die sich mit der Weiterentwicklung der Dentalimplantate verändert haben.
In den letzten zwei Dekaden wurden vornehmlich Konzepte vorgestellt, die dabei helfen, mehr Sicherheit bei der klinischen Vorhersagbarkeit zu gewinnen und den nachhaltigen ästhetischen und funktionellen Standard zu verbessern. Zentrale Aufmerksamkeit hat hierbei die Digitalisierung der Radiologie erfahren, mit deren Hilfe es zu moderneren Lösungswegen bezüglich einer dreidimensionalen Diagnostik und damit einhergehenden Planungen kommen kann.
Gerade für die sichere und präzise chirurgische Implantatsetzung brauchen wir zuverlässige implantologische Planungswege, mit deren Hilfe wir alle Problemstellungen 1:1 lösen und umsetzen können. Mit Hilfe von integrierten Hard- und Software-Tools vermag der Implantologe heutzutage ein hohes Maß an Präzision an den Tag zu legen (Abb. 1).
Safety First – Sicherheit wird großgeschrieben
Um den hohen Ansprüchen unserer Patienten gerecht zu werden, bedarf es neben den rechtlichen Voraussetzungen, wie ausführlicher präoperativer Anamnese und Befundaufnahme und Aufklärung auch und vor allem die individuelle Diagnostik und prospektive Planung auf Basis von digitalen radiologischen und klinisch-prothetischen Befunden. Abbildung 2a-c zeigt das Follow-up einer Implantatplanung. In sogenannten Planungs-Centern bekommt der Implantologe den notwendigen Support, den er benötigt, um auch komplexe chirurgische Herausforderungen mit Hilfe von 3D-Guide-Schablonen meistern zu können.
Mitunter können selbst implantologische Einsteiger hiermit sofort erfolgreich zu Werke gehen. Dem noch unerfahrenen Implantologen kommt die Erfahrung von Planungsspezialisten zugute, mit deren Hilfe er komplexe Situationen managen kann. Dies ist gerade dann unverzichtbar, wenn sich innerhalb einer digitalen Planungs-Session ein sogenannter einfacher Fall im Nachhinein als schwierig oder problematisch erweist.
Durch den Support von Spezialisten können schon im Vorfeld klinische Fehler oder Fehlbehandlungen nahezu ausgeschlossen werden. Gerade die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Zahntechniker in dieser Planungsphase schafft dann eine doppelte Absicherung bzgl. etwaiger Behandlungsmissverständnisse.
Nichtsdestotrotz gibt es weiterhin sehr anspruchsvolle klinische Fälle, deren Lösung unbedingt einem Spezialisten-Team vorbehalten bleiben sollte. Zu diesem Patienten-Klientel gehören i.d.R. Patientenfälle, die nur mittels der so genannten Sofortversorgungs-Methodik zu lösen sind.
Dies bedeutet, dass in diesen Fällen nicht nur die Planung der Implantatinsertion ansteht, sondern auch die direkte unmittelbare und intraoperative prothetische Sofortversorgung mit in den Lösungsprozess eingebaut werden muss. Dies erfordert vom gesamten Team aus Zahnarzt/Prothetiker, Implantologe und Zahntechniker den unbedingten Willen zum bestmöglichen Team-Approach.
Immediate Loading – alles fest: immer und sofort?
Die klassischen Versorgungswege in der Implantologie funktionieren zum Teil nur sehr langsam. Oft haben wir klinischen Abläufe wie Extraktion und Ausheilung, Augmentation und Implantation sowie anschließende Freilegung der eingeheilten Implantate und deren provisorische und abschließend definitive prothetische Versorgung. Addiert man die Phasen all dieser Behandlungsschritte, so kommen wir schnell auf eine Gesamt-Behandlungsdauer von 12 Monaten und mehr.
Diese Behandlungszeiträume gehen mehr oder weniger häufig mit zum Teil großen Beeinträchtigungen im Bereich der jeweiligen provisorisch-immediaten Versorgung einher. So etwas macht keinen Patienten glücklich und hat zum Umdenken der bestehenden Konzepte geführt und uns den Weg zur sofortigen Versorgung (sog. Immediate Loading oder Immediate Restauration) gezeigt (Abb. 3).
Die Geburtsstunde der Guided Implantoloy
Zahlreiche Fragen mussten zunächst beantwortet werden: Immediate Loading – was bedeutet das? Wann ist eine sofortige Versorgung notwendig? Was benötigen wir für dieses klinisch anspruchsvolle Prozedere?
Die Konzepte zur Sofortversorgung von Implantaten gibt es schon länger. Jedoch war es in der Vergangenheit kein Ergebnis anspruchsvoller, digitaler 3D-Diagnostik und -Planung, sondern vielmehr ein Marketing-Instrument, um den Patienten eine möglichst schnelle und preiswerte Versorgungsart anzubieten. So landeten diese Konzepte schnell in der ‚Schublade‘, unwissenschaftlich und unseriös zu sein. Dagegen mussten vielfach Widerstände überwunden und Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Nüchtern betrachtet musste man sich mit einigen klinischen Umständen auseinandersetzen, um die Konzeption klinischer Sofortversorgungen in die prothetische Regelversorgung aufzunehmen. Die digitalen radiologischen Befunde mussten mit den prothetischen Planungen in Einklang gebracht werden. Dafür benötigen wir aufwändige 3D-Planungs- Programme, mit deren Hilfe wir nun in der Lage sind, sämtliche Schritte für einen operativen Eingriff vorauszusagen und die Lösungswege eindeutig vorhersagbar zu gestalten.
Die „Guided Implantology“ war geboren! Mithilfe von geeigneten Planungsprogrammen und neuen 3D-Scan und -Fräsverfahren waren wir nun in der Lage, präzise Bohrschablonen mit Führungsfunktion für die speziellen Guide-Bohrer herzustellen. Unsere Chirurgie-Schablonen sind nun dreidimensional anwendbar: Sie führen unsere Bohrer präzise in axialer Richtung und ermöglichen in der vertikalen Dimension einen Anschlag/Stopp, der unsere Implantate genau positioniert (Abb. 4a-c).
Zuverlässige Implantat-Planungssoftware
Mit diesen digitalen Hilfsmitteln sind wir Implantologen in der Lage beinahe fast jeden Fall präzise und sicher zu lösen. Mittlerweile hat beinahe jeder Implantathersteller sein eigenes Implantat-Planungs-Modul. Jedoch gibt es dabei deutliche Unterschiede, die sich in der Planungsphase und auch in der chirurgischen Umsetzung bemerkbar machen.
Die deutlichsten Unterschiede erfährt man im Umgang mit der Planungs-Software und in der Anwendung der Guide-Schablone. Hier sollte man unbedingten Wert auf ein hohes Maß an Anwenderfreundlichkeit, Einfachheit und Präzision legen. Dafür ist es unbedingt erforderlich, dass die chirurgische Guide-Schablone nicht nur dental abgestützt werden kann, sondern eine knöcherne Stabilisierung mittels so genannten Anchor-Pins gewährleistet werden kann.
Dies ist gerade bei der präzisen Umsetzung in eine sofortige prothetische Versorgung unabdingbar! Wir haben im Umgang mit der R2Gate-Planungssoftware und den daraus produzierten Schablonen sehr gute klinische Ergebnisse erfahren.
Diese von uns sterilisierbaren Schablonen haben sich klinisch als äußerst zuverlässig bewährt. Die Umsetzbarkeit unserer digitalen Planungen in die präzise Platzierung der Implantate ist für die Sofortversorgungskonzepte unabdingbare Voraussetzung und der Schlüssel zum klinischen Erfolg!
Implantate – wie entscheidet man sich für das Richtige?
Nicht nur die digitalen Planungssysteme und die Schablonenpräzision entscheiden über den Erfolg einer Implantat-Sofortversorgung, sondern auch das Implantat an sich, also: der Implantat-Typus ist eminent wichtig. Hier hat sich in den letzten Jahren nicht allzu viel getan. Unsere Implantate waren alle handelsübliche Titan-Implantate mit mehr oder weniger rauer Oberfläche.
Die so genannte Osseointegration erfolgte durch eine Art primären Anpressdruck innerhalb der aufbereiteten Implantatlokalisation. Der wichtigste Parameter für eine geeignete Primärstabilität war der Eindrehwiderstand des jeweiligen Implantats. Diese rotative Kraftgröße wurde lange Zeit als einziger Erfolgsparameter zur Indikation für eine mögliche Implantat-Sofortversorgung herangezogen.
Heute wissen wir, dass es neben dieser Kraftgröße eine deutlich bessere, weil verifizierbare Kenngröße für die so genannte Implantat-Stabilität im Knochen gibt: den ISQ-[ImImplant-Stability-Quotient]-Wert. Dieser kann direkt nach der Implantatinsertion gemessen werden.
Natürlich kann/soll man mit Hilfe des jeweiligen ISQ-Mess-Pfostens auch die Implantatstabilität nach Einheilung bzw. nach initialer Belastung messen. Diese Messdaten sind verifizierbar und reproduzierbar, was wissenschaftliche Studien hinlänglich bewiesen haben (Abb. 5a-c).
Somit sind wir nun klinisch in der Lage, die Qualität bzgl. des Grades der Osseointegration zu dokumentieren. Moderne Chirurgie-Maschinen zeichnen diesen ISQ-Messwert mit auf und integrieren diesen in ihr hauseigenes Dokumentationsprogramm.
Das ist gelebtes chirurgisches QM-Management: Qualifizierbare Messung von rekapitulierbaren Größen. Ein sehr wichtiger Aspekt in der modernen digitalen Implantologie (Abb. 6).
Implantation: steril, präzise und sofort nach Extraktion
Um den klinischen Ansprüchen gerecht werden zu können, müssen wir präoperativ alles berücksichtigen, was wir vorab einschätzen können:
- Wie viele Zähne (ggf. alle) müssen extrahiert werden?
- Wie ist das zu erwartende quantitative Knochenlager (nach Extraktion)?
- Muss der Knochen/Kieferkamm auf ein Niveau eingeebnet werden?
- Kann eine Bohr-/Guide-Schablone diese Situation präzise übertragen?
- Wie ist meine zu erwartende Knochen-Qualität?
- Muss ich u. U. knochenverdichtende Maßnahmen ergreifen?
- Ist es aufgrund des Knochenlagers möglich, die Implantate sofort zu versorgen? Wenn nein, welche alternativen Versorgungsformen gibt es?
- Müssen nach der Insertion augmentative Maßnahmen ergriffen werden? – Das ist eigentlich bei jeder Implantation notwendig, vor allem bei Sofortimplantaten.
- Welches intraoperative Ablaufprotokoll soll umgesetzt werden?
- Was passiert, wenn meine ISQ-Werte nicht die notwendige Höhe haben?
- Kann ich intraoperativ u. U. auf andere Implantatdurchmesser zurückgreifen, um die Primärstabilität zu verbessern?
Fallpräsentation
Dieser extrem schwierige klinische Fall eines 53-jährigen Patienten dokumentiert, dass in diesem Fall – trotz geringem Restknochenangebot – eine sofortige festsitzende Versorgung die wohl einzige Art der Behandlung war. Eine Extraktion aller Zähne und eine immediate Versorgung mit einer Vollprothese hätte in kürzester Zeit zum Abbau des (extrem reduzierten) Restknochens und zur Verschlimmerung der funktionellen und ästhetischen sowie phonetischen Situation geführt. Auch die komplette Ausheilung der parodontal geschädigten Hart- und Weichgewebe kann unter Funktion durch ein ‚Immediate-Loading-Prozedere‘ idealerweise viel besser erfolgen (Abb. 10a-d).
Zusammenfassung
Mit Hilfe der digitalen Implantologie sind wir heute vorhersagbar in der Lage, auch komplexe Ausgangsprobleme zu planen und klinisch zu lösen. Dabei spielt die aktive Interaktion zwischen Zahnarzt/Prothetiker und Implantologe/Planungs-Center und Zahnlabor/Zahntechniker eine zentrale Rolle.
Nur wenn alle Faktoren bekannt sind und beherrscht werden können, gepaart mit klinischer Erfahrung und umfangreichem Knowhow im digitalen Planungs-Center, wird eine digitale Behandlung mit dem Ziel einer sofortigen Versorgung der inserierten Implantate von nachhaltigem Erfolg gezeichnet sein.
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