Die Socket Shield Technik

Die Socket Shield Technik beschreibt ein chirurgisches Verfahren, bei dem bei einem zu extrahierenden Zahn die Wurzel nicht komplett entfernt wird, sondern ein Teil des labialen Wurzelanteils bewusst im Kieferknochen verbleibt und ein enossales Implantat oral davon sofort inseriert wird.
Auch wenn die Sofortimplantation ein beliebtes implantologisches Verfahren darstellt, so ist ihr Erfolg von der Gewebequantität der Umgebung abhängig. Der Bündelknochen, der für die Verbindung zum Wurzelzement steht, wird nach einer Extraktion immer resorbiert, da sein Vorhandensein von der im Parodontalspalt befindlichen Durchblutung abhängt. Das bedeutet: Kein Parodont – kein Bündelknochen.
Bei dicken Gewebeschichten verfügt das Implantat über ausreichend überlebenden labialen Knochen nach Extraktion. Trotzdem ist nach Einheilung des Implantates eine Abflachung oder gar Einsenkung des labialen Gewebes vergesellschaftet mit einem vertikalen Verlust sichtbar. Die vertikale Komponente ist dem Vorhandensein des Bündelknochens bis über die krestale Kante des Alveolarknochens geschuldet.
Die der Socket Shield Technik zugrunde liegende Idee besteht darin, den labialen Knochen im oberen Drittel der Alveole intraoperativ nicht anzutasten und den Bündelknochen zu erhalten, da in diesem Bereich das Parodontium erhalten bleibt. Erste Veröffentlichungen gibt es schon seit 2010; allerdings fand die Methode keine größere Verbreitung.
Das Verständnis, dass Rekonstruktion verloren gegangener Strukturen weiterhin schwieriger ist als der Erhalt derselben, hat dazu geführt, sich erneut mit dieser Methodik zu beschäftigen.
Neben der röntgenologischen Kontrolle benutzen wir in unserer Praxis das Periotestverfahren zur Qualitätskontrolle.
Fallbeispiel
Zahn 12 weist eine interne Resorption nach langjährig zurückliegendem Unfallgeschehen auf. Der Zahn wird auf Gingivahöhe gekappt (Abb. 1-3).
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Abb. 1: Ausgangssituation mit interner Resorption an Zahn 12.
© Dr. Drescher -
Abb. 2: Röntgenologische Ausgangssituation.
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Abb. 3: Zahn 12 wird auf Gingivahöhe gekürzt.
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Mittels feiner Lindemannfräse wird die Wurzel in einen bukkalen und einen oralen Anteil geteilt und die anschließende Implantatbohrung leicht palatinal geneigt, so dass der gesamte palatinale Zahnanteil inklusive des kompletten Apex entfernt wird. Im Anschluss erfolgt die Aufbereitung für ein Camlog Screwline Implantat 5,0/16mm (Abb. 4 und 5).
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Abb. 4: Leicht palatinale Implantatbohrung nach Trennung der Wurzel in bukkalen und oralen Anteil.
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Abb. 5: Aufbereitung für das Camlog Screwline Implantat.
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Die offene Einheilung erfolgt mittels Bottleneck Gingivaformer. Wir verwenden kein Material zur Auffüllung von Spalten, wenn wie hier ein guter Weichteilverschluss zur Mundhöhle gegeben ist. Nach drei Monaten Austausch gegen Widebody Gingivaformer. Das Ergebnis ist eine perfekte Gewebestruktur (Abb. 6-8).
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Abb. 6: Offene Einheilung mittels Bottleneck Gingivaformer.
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Abb. 8: Perfekte Gewebestruktur.
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Abb. 7: Nach drei Monaten Austausch gegen Widebody Gingivaformer.
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Abbildung 9 und 10 zeigen die Röntgenkontrolle und einen guten Periotestwert. Abschließend werden ein individuelles Zirkonabutment auf Titanklebebasis und die e.max Krone zementiert (Abb. 11-13).
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Abb. 9: Röntgenkontrolle.
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Abb. 10: Periotestwert von -7.
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Abb. 11: Ein individuelles Zirkonabutment auf Titanklebebasis wird verwendet.
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Abb. 12: Zustand vor Einsatz der Krone.
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Abb. 13: Abschlussbild mit zementierter e.max Krone.
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Fazit
Die beschriebene Operationstechnik erfordert ein ausgeprägtes chirurgisches Feingefühl. Der Autor wendet sie ausschließlich bei zuvor nicht endodontisch behandelten Zähnen an, was aber von anderen Operateuren anders gehandhabt wird. Da unbekannt bleibt, ob und welche postendodontischen toxischen Substanzen in einer residualen Wurzelscheibe eventuell verbleiben, empfehlen wir dieses risikoärmere Vorgehen. Der vollständige Erhalt der periimplantären Strukturen und der gleichzeitige Verzicht auf jegliche Art von Augmentation ist überzeugend und beeindruckend.