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Implantate

Keramik als Alternative zu Titan

Nach wie vor sind Titanimplantate der Goldstandard in der zahnärztlichen Implantologie. Mit Zirkondioxid steht jedoch seit einigen Jahren eine Alternative zur Verfügung, die mit verbesserter Ästhetik und Biokompatibilität punktet. In Bezug auf Erfolgsprognosen sind die ersten kurz- und mittelfristigen Ergebnisse vielversprechend. Die klinische Langzeitevidenz muss durch weitere Studien belegt werden.

© Dr. Tartsch Dr. Tartsch
© Dr. Tartsch
© Dr. Tartsch

Seit den ersten dentalen Implantaten aus Titan in 1965 [1] folgte eine konsequente Weiterentwicklung in Material und Oberflächengestaltung sowie eine Konsolidierung der Systeme hin zum zweiteilig verschraubten Implantat mit entsprechend hohen Erfolgsraten [2]. Die ersten Keramikimplantate wurden fast zur selben Zeit von Prof. Sami Sandhaus 1967 vorgestellt [3]. Bedingt durch den damaligen Werkstoff Aluminiumoxid und einer fehlenden Oberflächenstrukturierung hatten sie jedoch lange Zeit niedrige Erfolgsraten [4], wie sie heute nicht mehr vertretbar sind. Als Kompromiss für Metallfreiheit waren Keramikimplantate daher eher der ganzheitlichen Zahnmedizin vorbehalten. Mit der Einführung von Zirkondioxid als zuverlässiges Implantatmaterial begann sich dies zu ändern.

Heute verlieren Keramikimplantate zunehmend ihren Ruf als Nischenprodukt und finden vermehrt ihren Weg auch in die „konventionell“-implantologische Praxis. Nicht zuletzt ist dies bedingt durch ein in der Bevölkerung gestiegenes Gesundheitsbewusstsein und eine damit gestiegene Nachfrage nach metallfreien Restaurationen [5]. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung dürfte jedoch auch die vermehrte Akzeptanz seitens der implantologisch tätigen Zahnärzte sein. Denn die rasante technologische Weiterentwicklung in Material, Oberflächengestaltung und restaurativen Konzepten ermöglicht es heute, die klinischen Vorteile von Zirkondioxid in der täglichen Praxis umzusetzen. Unter Beachtung der mit Evidenz gesicherten Indikationen „Einzelzahnrestauration“ und „dreigliedrige Brücke“ [6] befinden sich für die meisten Keramiksysteme die Überlebensraten heute bereits auf Augenhöhe mit Titanimplantaten [7]. Langfristige Daten müssen jedoch die kurz- und mittelfristig guten Ergebnisse bestätigen.

Warum Keramikimplantate?

Einer der am häufigsten genannten Vorteile von Keramikimplantaten bezieht sich auf die Ästhetik, da ein mögliches gräuliches Durchschimmern wie bei Titanimplantaten vermieden werden kann. Selbstverständlich lässt sich auch mit Titanimplantaten eine hervorragende Ästhetik erzielen. Auch wenn weitere wissenschaftliche Evidenz hierfür erbracht werden muss, ist aufgrund klinischer Erfahrungen das wesentliche Argument für Keramikimplantate die hervorragende und nahezu durchgängig entzündungsfreie periimplantäre Weichgewebssituation. Gründe für diese zumindest subjektiv verbesserte periimplantäre Weichgewebssituation sind nach ersten Erkenntnissen die guten biologischen Eigenschaften der Keramik: Der Werkstoff Keramik zeigt gegenüber Titan eine geringere Plaqueanlagerung und geringere bakterielle Adhäsion [12,13] sowie eine geringere Dicke des aufgelagerten Biofilms [14]. Auch die zirkuläre Durchblutung der Weichgewebe entspricht bei Keramik eher dem natürlichen Zahn und ist bei Titan signifikant verringert [15].

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Das Material Zirkondioxid

Vor allem in den Bereichen Implantatmaterial [20], Design der Implantatoberflächen [21] und der restaurativen Konzepte hat eine rasante Weiterentwicklung stattgefunden, wodurch sich die Erfolgsraten je nach Implantatsystem und Studiendesign bei bis zu 98% im Bereich von Titanimplantaten befinden [22,23]. Auch die früher noch recht hohen Frakturraten konnten sowohl in statischen als auch in dynamischen Bruchfestigkeitstests nach ISO 14801 revidiert werden. Damit können solche modernen Systeme in Hinsicht auf die Bruchfestigkeit als für einen klinischen Einsatz geeignet eingestuft werden [24,25]. Wie auch aus der Zahntechnik bekannt, ist hierbei jedoch zu beachten: Zirkondioxid ist nicht gleich Zirkondioxid. Nach wie vor gibt es große Unterschiede in Herstellungsprozess, Materialauswahl, Oberflächengestaltung, restaurativen Konzepten und Handhabung, was entsprechende Hintergrundkenntnisse für den Umgang mit Keramikimplantaten unabdingbar macht.

Zusammensetzung und Eigenschaften

Moderne Keramikimplantate bestehen aus TZP-Keramik (tetragonale Zirkondioxid-Polykristalle) mit einer mittleren Biegefestigkeit von 1.100 MPa. Um die Biegefestigkeit auf 1.200 MPa zu erhöhen und um den Alterungsprozess (hydrothermale Degradation) positiv zu beeinflussen, wurde bis zu 0,5 Vol.-% Aluminiumoxid hinzugegeben (TZP-A). Erhöht man den Volumenanteil von Aluminiumoxid auf 20%, entstehen neue Hybridkeramiken, welche eine Biegefestigkeit von bis zu 2.000 MPa erreichen [26]. Diese ATZ-Keramik („alumina toughened zirconia“: Aluminiumoxidverstärktes Zirkondioxid) lässt das Frakturrisiko neben dem bereits hochbeständigen TZP-A nochmals deutlich schrumpfen. Der Alterungsprozess durch hydrothermale Degradation besitzt durch diese Verfahren kaum mehr klinische Relevanz [27,28].

Ob TZP, TZP-A oder ATZ – von Bedeutung ist die Weiterverarbeitung des Ausgangsmaterials. Korngröße, Reinheit und Dichte beeinflussen maßgeblich die Härte und Qualität. Zwei grundlegende Verfahren sind beim Herstellungsprozess zu unterscheiden: Im 1. Verfahren (CIM – Ceramic Injektion Mold, CIP – Cold Isostatic Pressing) erfolgt zunächst die Formgebung durch Spritzgussverfahren oder Grünlingsbearbeitung und im 2. Schritt die Veredelung durch den Sinterprozess. Im anderen Verfahren (hard machining) ist der Ablauf umgekehrt: Zunächst wird ein Block im HIP-Verfahren (Hot Isostatic Post Compaction) unter hohem Druck von bis zu 2.000 bar und Temperaturen von bis zu 2.000 °C verdichtet und damit veredelt. Erst dann wird unter hohem industriellem Aufwand die Form aus dem fertigen Blank geschliffen. In beiden Verfahren können sehr hochwertige und präzise Ergebnisse erzielt werden.

Oberflächen

Kamen in der Anfangsphase der Keramikimplantate lediglich glatte, maschinierte Oberflächen zum Einsatz, sorgen heute unterschiedlich modifizierte, moderne Bearbeitungsmethoden für rauere Implantatoberflächen. Edelkorundstrahlung, thermische Säureätzung, Lasermodulation oder Vorab-Strukturierung der Pressform stehen für einen den Titanimplantaten nahezu gleichwertigen Bone-Implant-Contact (BIC) und zeigen gleichwertige Osseointegration [29,30].

Einteilige Keramikimplantate

Derzeit verfügen einteilige Keramikimplantate noch über eine höhere Evidenz als zweiteilige Systeme, da sich aufgrund der längeren Verfügbarkeit die meisten Studien auf einteilige Systeme beziehen. Abutment und Implantat bestehen bei einteiligen Systemen aus „einem Stück“ (Monoblock), womit sie als hermetisch dicht gelten (kein Abutment notwendig, keine separate Abutmentverbindung, kein Implantat-Interface). Sie haben den Vorteil, dass sie in der Versorgung der gewohnten Tätigkeit des Zahnarztes mit Abformung und Zementierung der Kronenrestauration eines natürlichen Zahnes sehr nahekommen. Es handelt sich jedoch nicht um einen natürlichen Zahn, sondern um ein Implantat mit seinen im Vergleich zum natürlichen Zahn doch unterschiedlichen Aspekten wie Flexibilität, Emergenzprofil, Durchmesserrelation Krone-Wurzel/ Implantat oder der Anatomie im gingivalen/mukosalen Sulkus. Die restaurative Versorgung auf einteiligen Implantaten erfolgt ausschließlich durch Zementieren der Restauration. Die Lage der Implantatschulter definiert hierbei die Lage des Kronenrandes und entspricht der Zementfuge. Nachdem die Zemententfernung 1,0 bis 1,5 mm subgingival nicht mehr zuverlässig gewährleistet werden kann [31], sollte die Implantatschulter und damit der Kronenrand möglichst epigingival (tissue level) platziert werden. Im Frontzahnbereich ist eine epigingivale Platzierung der Implantatschulter jedoch aus ästhetischen Gründen nur in seltenen Fällen vorhersehbar möglich. Kommt es zu supragingival liegender Implantatschulter oder ist die Implantatachse für die prothetische Restauration falsch ausgerichtet, kann dies im geringen Umfang durch das Beschleifen des Implantats korrigiert werden. Das birgt jedoch das Risiko einer möglichen Verletzung der Materialstruktur (Phasentransformation durch Microcracks) und damit folglich des gesamten Implantatkörpers.

Zweiteilig verklebte Keramikimplantate

In der allgemeinen „Titan“-Implantologie sind zweiteilige Systeme „State of the Art“. Sie decken fast alle Indikationen ab, ermöglichen unbelastete Einheilphasen, primären Wundverschluss, einzeitige, augmentative Verfahren und sind reversibel und flexibel. Nach wie vor stellt jedoch bei Keramikimplantaten die Verbindung von hartem, nicht elastischem Zirkonabutment mit einem harten, nicht elastischen Zirkonimplantat eine der größten Herausforderungen für die „Zweiteiligkeit“ der Systeme dar. Wie bei den ersten zweiteiligen Systemen ist auch heute noch das Verkleben des Abutments mit dem Implantat weit verbreitet. Das Zementieren mit Glasionomer- oder Phosphatzementen ist wegen der Gefahr einer möglichen Lockerung des Abutments abzulehnen. Die Abformung kann nach dem Verkleben des Abutments oder bereits vorher erfolgen, was eine extraorale Anpassung des Abutments durch Beschleifen ermöglicht. In beiden Fällen wird das zweiteilige Implantat nach dem Verkleben des Abutments zum einteiligen Implantat. Folglich kann die Restauration ebenfalls nur zementiert werden und ist im Falle einer eventuell notwendigen Anpassung nicht mehr reversibel oder flexibel. Flexibel und reversibel ist einzig die Verschraubung von Abutment und Implantat wie bei Titanimplantaten. Die Vorteile liegen auf der Hand: kein Risiko für Zementüberschüsse, einfaches Weichgewebsmanagement, Ausformung des Emergenzprofils sowie einfache Reparaturund Reentry-Optionen.

Zweiteilig verschraubte Keramikimplantate

Die Verschraubung zweiteiliger Keramikimplantate mittels der auch bei Titanimplantaten bisher üblichen Metallschrauben aus Gold oder Titan bringt wiederum neue Herausforderungen mit sich. Keramik ist auf Druck bekanntermaßen stärker belastbar als auf Zug. Eine Verschraubung kann jedoch solche für den Werkstoff Keramik ungünstigen Zugkräfte in das Implantat einbringen und folglich zu internen Spannungsspitzen führen. Durch Mikrobewegung der im Vergleich zur Keramik weicheren Schraube im harten Implantat-Innengewinde kann es zum zusätzlichen Verschleiß und Abrieb an der Schraube kommen. Entscheidend dürften die Präzision der Herstellung des Implantat-Abutment-Interfaces und die Schraubenpassung sein; weitere Untersuchungen müssen folgen. Ein vom Hersteller vorgesehener Anzugstorque sollte in jedem Fall beachtet werden.

Zweiteilig metallfrei verschraubte Keramikimplantate

Ein neuer Ansatz wird unter anderem von den Firmen Zeramex und Nobel Biocare mit der Verschraubung durch karbonfaserverstärkte Abutmentschrauben (Vicarbo) verfolgt. Bei der Vicarbo-Schraube sind in einer PEEK-Matrix mit einem Volumenanteil von über 60% Karbonfasern eingebettet, wodurch ein besonders hoher Anzugstorque von bis zu 85 Ncm ermöglicht wird. De facto wird für eine dauerhafte Verbindung lediglich ein Anzugstorque von 25 Ncm benötigt. Über dieses zweiteilige Konzept können sowohl in der Zahnarztpraxis als auch im Dentallabor die von Titanimplantaten gewohnten Arbeitsabläufe nun auch für den Umgang mit Keramikimplantaten beibehalten werden: unbelastete und gedeckte Einheilung, offene oder geschlossene Abformung, präzise Modellherstellung, Individualisierung der Abutments sowie metallfreie und reversible Verschraubung für ein breites Indikationsspektrum. Hierzu gehört auch eine der heute am meisten verbreiteten Restaurationsvarianten in der Implantologie, nämlich die Versorgung mit einer zementfreien, verschraubten Klebebasis. Mit dem Konzept der Vicarbo-Schraube ist dies nun auch mit Keramikimplantaten metallfrei möglich.

Implantatinsertion mit formschlüssigem Eindrehinstrument. Dr. Tartsch
Implantatinsertion mit formschlüssigem Eindrehinstrument.
Entzündungsfreies Weichgewebe um Keramikimplantat. Dr. Tartsch
Entzündungsfreies Weichgewebe um Keramikimplantat.

Fazit

Im Vergleich zu Titanimplantaten besitzen Keramikimplantate eine geringere Evidenz. Weitere Studien müssen folgen, um die vielversprechenden kurz- und mittelfristigen Ergebnisse zu bestätigen. Dennoch lässt sich im Rahmen der heute bereits verfügbaren Daten feststellen, dass Keramikimplantate sich neben den Erfolgsprognosen auch in der Handhabung den Titanimplantaten angenähert haben. Gewohnte chirurgische und prothetische Protokolle können weitestgehend übernommen werden – neben Evidenz und Zuverlässigkeit sicherlich ein wichtiges Argument für die zukünftige Akzeptanz von Keramikimplantaten in der zahnärztlichen Implantologie.

Somit kann heute bereits festgehalten werden: Moderne Keramikimplantate stellen in der richtigen Indikationsstellung und im richtigen Umgang eine Ergänzung des Behandlungsspektrums in der zahnärztlichen Implantologie dar und werden auch künftig zunehmend an Bedeutung gewinnen. Eine Übersicht aktueller Keramikimplantate finden Sie auf den folgenden Seiten. 

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