Biologischer Eigenknochenaufbau im atrophierten OK-Seitenzahnbereich

Der Knochenaufbau im Bereich des Kiefers ist heute ein gängiges Verfahren und wird sehr häufig vorgenommen, wenn anstelle fehlender Zähne ein oder mehrere Zahnimplantate eingesetzt werden sollen. Für die Verankerung eines Implantats muss der Kieferknochen allerdings eine bestimmte Mindestdicke aufweisen. Nachfolgend wird anhand eines Patientenfalls das Behandlungsprocedere step by step aufgezeigt.
Bei über einen längeren Zeitraum fehlenden funktioneller Belastung in einem Kieferabschnitt kann es zu ausgeprägter Knochenatrophie [1-3] kommen. Die Rekonstruktion dieser Knochendefekte ist die Grundlage einer dauerhaften Wiederherstellung gesunder Gewebeverhältnisse und prothetischen Restauration. Zur Schaffung eines ausreichend dimensionierten neuen Implantatlagers können Knochendefekte mit autologen Knochenblöcken, Knochenersatzmaterial oder einer Kombination der beiden Verfahren rekonstruiert werden [4-5].
Im vorliegenden Fall erfolgte die Rekonstruktion des periimplantären Knochendefektes mittels Biologischem Eigenknochenaufbau und der Schalentechnik nach Khoury [6,7]. Dieses chirurgische Protokoll sieht eine Kombination aus autologen Knochenschalen und der Applikation partikulierter autologer Knochenspäne vor.
Patientenfall
Ausgangssituation
Eine 66-jährige Patientin stellt sich mit 2 schon seit längerer Zeit bestehenden Schaltlücken im Oberkiefer beidseits vor. Ziel der geplanten Behandlung ist die adäquate prothetische Neuversorgung mittels Implantat-getragenen Brücken.
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Abb. 1: Die röntgenologische Ausgangssituation.
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Abb. 2: Im digitalen Volumentomogramm ist der schmale Kieferkamm im I. Quadranten erkennbar.
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Abb. 3: Die intraorale Situation Oberkiefer und Unterkiefer.
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Abb. 4: Klinisches Bild des schmalen Kieferkammes im I. Quadranten.
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Chirurgische Maßnahmen
Es erfolgt die Knochenentnahme mittels der Semilunartechnik (SLT) im retromolaren Bereich des Unterkiefers rechts und die Schalen werden in der Folge mit Hilfe des sog. Safescrapers (Firma META, Regio Emilia, IT) weiter ausgedünnt. Danach erfolgt die Rekonstruktion des Knochendefekts, wobei die zuvor entnommenen Knochenschalen entsprechend der Schalentechnik nach Prof. Khoury sowohl bukkal wie auch palatinal auf Distanz gesetzt und mit kleinen Osteosyntheseschrauben fixiert werden (Abb. 5-10). Es ist hierbei eine Kieferkammbreite von ca. 8 mm anzustreben, wobei bei der Methode des biologischen Eigenknochenaufbaus mit autologem Knochen nicht überaugmentiert werden muss, da die Resorptionsgefahr äußerst gering ist.##pic:5,6,7,8,9,10_m##
Anschließend wurde der bestehende Hohlraum entsprechend der Prinzipien des biologischen Eigenknochenaufbaus mit partikulierten Knochenspänen aufgefüllt, die beim Ausdünnen der Knochenschalen gewonnen wurden. Durch diese Methode wird im Unterschied zu kompakten Kortikalisblöcken die Oberfläche des Knochens vergrößert, was wiederum zu einer größeren Angriffsfläche für die zuführenden Gefäße führt und damit eine schnellere Ernährung und Revaskularisierung des aufgebauten Knochens erlaubt (Abb. 11). Nach erfolgtem Knochenaufbau wird das Sinusfenster mit einer Kollagenmembran abgedeckt (Abb. 12).
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Abb. 11: Auffüllen des Spalts mit autologen Knochenspänen.
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Abb. 12: Verschluss des Sinusfensters mittels einer Kollagenmembran.
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Es ist darauf zu achten, dass die Kollagenmembran nur das Sinusfenster abdeckt und nicht über den soeben aufgebauten autologen Knochen gelegt wird, da dies die zuführenden Blutgefäße und die notwendige Revaskularisierung des Knochens behindern würde. Ebenfalls wird auf einer Perforierung bzw. Dekortikation des Kieferkamms verzichtet (Abb. 13, 14).
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Abb. 13: Der augmentierte Bereich wird nach entsprechender Periostschlitzung
spannungsfrei verschlossen.
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Abb. 14: Das postoperative Röntgenbild zeigt den augmentierten Bereich im 1.
Quadranten, im 2. Quadranten konnten die Implantate simultan mit einem kleinen Knochenaufbau inseriert werden.
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Die Wiedereröffnung des Operationsgebietes erfolgt nach 4 Monaten; länger sollte nicht mit dem Re-entry gewartet werden. Es zeigte sich eine komplette Verknöcherung des Augmentats und keine Resorptionen im Bereich der Fixationsschrauben (Abb. 15-20).
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Abb. 15: Der gut revaskularsierte Knochen im Oberkiefer rechts und die Insertion
von 2 Implantaten
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Abb. 16: Das postoperative Röntgenbild nach Insertion der 2 weiteren Implantate
im Oberkiefer rechts.
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Abb. 17: Einstrahlenden Muskelfasern im bukkalen Bereich. Weichgewebskorrektur zum Zeitpunkt der Freilegung
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Abb. 18: Es erfolgt die Freilegung mittels apikalem Verschiebelappen und das
Aufbringen der Gingivaformer.
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Abb. 19: Abschlussröntgenbild mit inserierten Gingivaformern.
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Abb. 20: Röntgenkontrollaufnahme während der Implantatabformung
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Prothetische Versorgung
Nach offener Abformung wurde im Labor ein Meistermodell erstellt und es erfolgte die Herstellung eines Kobalt Chrom-Brückengerüstes im CAD/CAM -Verfahren (Abb. 21). Nach Herstellung des Gerüstes wurde dieses mit Verblendkeramik fertig gestellt (Abb. 22). Die Kronen wurden auf den Implantaten verschraubt, um einer durch Befestigungszement induzierten Periimplantitis sicher entgegenzuwirken.
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Abb. 21: Der verschraubte und noch unverblendete Zahnersatz auf dem Meistermodell.
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Abb. 22: Der verblendete Zahnersatz auf dem Meistermodell.
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Das klinische Abschlussfoto zeigt reizfreies Weichgewebe im perimplantären Bereich sowie eine ausreichende keratinisierte Mukosamanschette periimplantär (Abb. 23). Die Verschraubung stellt eine wichtige Prävention gegen das Auftreten einer Periimplantitis dar. Das röntgenologische Abschlussfoto zeigt die knöcherne Regeneration des Defektes und gute Osseointegration der Implantate (Abb. 24).
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Abb. 23: Der fertige Zahnersatz eingegliedert.
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Abb. 24: Das Abschlussröntgenbild mit eingegliedertem definitivem Zahnersatz.
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Diskussion
Im vorliegenden Fall erfolgte die Rekonstruktion des schmalen Kieferkammes nach dem Konzept des biologischen Eigenknochenaufbaus. Hierbei wird retromolar mit Hilfe der Semilunartechnik (SLT) Knochen entnommen und mittels der gewonnenen Schalen (Schalentechnik nach Prof. Khoury [8,9]) der Kieferkamm rekonstruiert. Mittels dieser Knochenschalen wird eine Art Container gebildet und der entstehende Zwischenraum in der Folge mit partikulierten autologen Knochenspänen gefüllt.
Im Gegensatz zu Knochenersatzmaterial garantiert die ausschließliche Verwendung von autologem Knochen eine sichere und schnellere Knochenneubildung aufgrund der osteoinduktiven Potenz. Durch die hohe Präzision, mit denen heute verfügbare CAD/CAM-Systeme implantatprothetische Gerüste fertigen können, ist eine direkte Verschraubung auf den Implantaten möglich.
Dadurch entfällt die Notwendigkeit der Kronenbefestigung mit Zement, was einer Zement-induzierten Periimplantitis sicher entgegenwirkt. Mit dem beschriebenen Protokoll können schmale Unterkieferkämme sicher rekonstruiert und mit einer verschraubten festsitzenden Implantat-getragenen prothetischen Restauration langfristig ästhetisch und funktionell versorgt werden.