Frontzahnrekonstruktion bei ungünstigen Ausgangsverhältnissen

Der Ersatz eines Zahnes in der ästhetischen Zone stellt den Behandler vor eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, die nur durch sorgfältiges Vorgehen von Anfang an vorhersagbar gelöst werden kann [18]. Dabei ist es besonders wichtig, zu Behandlungsbeginn zu klären, welche Ansprüche der Patient an die Versorgung stellt und ihn über entsprechende Behandlungsmethoden und -alternativen, deren Dauer, mögliche Ergebnisse und dabei entstehenden Kosten umfassend aufzuklären [1]. Gerade im Frontzahnbereich ist ein eingeheiltes Implantat „nur” eine Grundvoraussetzung für eine zufriedenstellende Behandlung.
Da der ästhetische Erfolg (oder Misserfolg) für jedermann, insbesondere auch für den Patienten, sichtbar und somit beurteilbar ist, kommt der exakten Planung, Auswahl von Methode und Material im Vorfeld, bezogen auf die vorgegebenen Hart- und Weichgewebsparameter, besondere Bedeutung zu [5, 16]. Korrekturen fehlgeschlagener Behandlungen können meist nur aufwendig und kompromissbehaftet ausgeglichen werden, weswegen von Beginn an, ein mit dem Patienten abgestimmtes Ziel vereinbart und angestrebt werden sollte [14, 23].
Klinisches Vorgehen
Besonders bei chronischen Entzündungen im anterioren Oberkiefer zeigt sich die Problematik von infizierten Arealen, die zu Komplikationen während der Anwendung von chirurgischen Maßnahmen führen können. Häufig zeigen sich trotz durchgeführter Wurzelspitzenresektionen ausgedehnte Knochendestruktionen mit dem zusätzlichen Risiko von Vernarbungen, die die Wundheilung einschränken [7]. Des Weiteren zeigen diese Narben auch ästhetische Einbußen, sodass Korrekturen erwünscht sind. Die Möglichkeiten der operativen Versorgung hängen ferner von der Konfiguration des subepithelialen Bindegewebes ab. Hier zeigen Patienten mit dem sogenannten high scalloped Verlauf der Gingiva häufig auch eine sehr dünne Schleimhautsituation, sodass es nach der Implantat-Insertion zu einem dunklen Durchschimmern des Implantates kommen kann.
Um bei diesen Voraussetzungen ein gewünschtes, optimales ästhetisches Ergebnis zu erreichen, ist es nötig in mehreren Einzelschritten vorzugehen, um eine knöcherne Regeneration und den langfristigen Erhalt bzw. die Rekonstruktion der Weichgewebe sicherzustellen. Weiter ist eine adäquate Materialauswahl zu treffen. Dazu hat sich in solchen Fällen folgendes Konzept in unserer Praxis etabliert:
Vorgehen
An folgendem Beispiel wird das klinische Prozedere dargestellt. Eine 39-jährige Patientin stellte sich erstmalig in unserer Praxis mit einer seit Jahren persistierenden Fistel in regio 22 vor (Abb. 1). Das angefertigte Röntgenbild zeigt eine ausgeprägte apikale Aufhellung an der Wurzelspitze des Zahnes 22 (Abb. 2). Die Patientin gibt an, dass dort vor mehreren Jahren eine Wurzelspitzenresektion durchgeführt worden ist. Klinisch ist die vorgenommene Schnittführung vestibulär koronal des Fistelgangs erkennbar, was auf eine zumindest kompromittierte bukkale Knochenlamelle schließen lässt. Der Gingivatyp ist als mäßig dick, der Verlauf als steil (“high scalloping”) zu bezeichnen.
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Abb. 1: Klinische Ausgangssituation.
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Abb. 2: Röntgenologischer Ausgangsbefund 22 mit ausgeprägter apikaler Beherdung.
Extraktion und Hartgewebsaugmentation
Zunächst wird der verbleibende Zahn samt Zyste minimaltraumatisch entfernt (Abb. 3). Unter Zuhilfenahme eines Periotoms werden die Sharpey’schen Fasern durchtrennt und axial extrahiert, um den umliegenden Knochen, vor allem die verbliebene bukkale Lamelle, zu schonen [8] (Abb. 4).
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Abb. 3: Schonende Extraktion des Zahnes und Entfernung der apikalen Zyste.
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Abb. 4: Darstellung der Fistel und des vestibulären Knochendefektes.
Die Alveole wird sauber kürettiert und mit antimikrobieller photodynamischer Therapie desinfiziert (Helbo, bredent medical, Walldorf) (Abb. 5), wodurch eine möglichst keimfreie Umgebung hergestellt und das Infektionsrisiko von intern minimiert wird [13]. Da die bukkale Lamelle jedoch sehr dünn und schon durch die vorhergehende Wurzelspitzenresektion, sowie die apikale Beherdung nicht mehr vollständig erhalten ist, erfolgt zusätzlich eine Kammprophylaxe im Sinne der „ice cone”-Technik [2] (Bio Oss®-Collagen, Geistlich; Membran: CopiOs, Zimmer Dental) um der Defektbildung maximal entgegenzuwirken [4] (Abb. 6).
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Abb. 5: Anschließende Desinfektion der Alveole, nach mechanischer Reinigung, mit antimikrobieller Photodynamischer Therapie (Helbo).
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Abb. 6: Einbringen von Knochenersatzmaterial und Membran im „ice-cone“-Verfahren.
Um eine Infektion des Materials mit Keimen aus der Mundhöhle zu vermeiden, erfolgt der Verschluss der Alveole mit der „socket-seal”-Technik mithilfe eines palatinal aus der Tuberregion entnommenen Punches [12] (Abb. 7). Postoperativ wird eine vorher im Labor angefertigte basal konvex gestaltete metallverstärkte Klebebrücke adhäsiv an den Nachbarzähnen befestigt, so dass nur ein minimaler Kontakt zur gedeckten Alveole bestehen bleibt [11] (Abb. 8).
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Abb. 7: Speicheldichter Verschluss der Alveole mit epithelisiertem Weichgewebstransplantat aus der Tuberregion („socket seal“-Technik).
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Abb. 8: Stabile Weichgewebssituation mit adhäsiv befestigter metallverstärkter Marylandbrücke fünf Monate post operationem.
Implantation und Weichgewebsaugmentation
Nach einer Konsolidierungsphase von 6 Monaten erfolgt die Implantatinsertion (Ankylos C/X, DENT-SPLY Friadent) in die nunmehr gut verknöcherte Alveole (Abb. 9). Der richtigen dreidimensionalen Positionierung des Implantats kommt erhebliche Bedeutung, sowohl für den Erhalt der umgebenden knöchernen und weichgewebigen Strukturen, sowie die spätere prothetische Versorgung, zu. Dabei sollte vor allem auf die bukkale Orientierung sowie einen Mindestabstand der Implantatschulter zu den benachbarten Zähnen von 1,5 mm geachtet werden [19]. Die subkrestale Positionierung und das systemimmanente platform switching des Ankylos Implantats lässt später ein natürliches Emergenzprofil zu [15, 17]. Zusätzlich wird palatinal ein freies Bindegewebstransplantat entnommen, um den vestibulären Weichgewebsdefekt auszugleichen [10].
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Abb. 9: Primärstabile Insertion eines Implantats (Ankylos C/X) unter Beachtung ästhetischer Kriterien.
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Abb. 10: Bildung eines Spaltlappens zum Einbringen eines sub-epithelialen Bindegewebstransplantates aus dem Gaumen zur Augmentation des vestibulären Weichgewebes.
Um keine Resorption der bukkalen Lamelle zu provozieren wird ein Spaltlappen präpariert, das Transplantat supraperiostal eingebracht und mit einer Naht fixiert [9] (Abb. 10). Nach dem Verschluss der Schleimhaut wird die bisherige Marylandbrücke wieder eingesetzt.
Freilegung und Ausformung der Weichgewebe
Nach einer Einheilphase von 4 Monaten kann das Implantat freigelegt werden. Dabei erfolgt eine Abformung (Impregum, 3M Deutschland), mit der ein laborgefertigtes, axial verschraubtes Kunststoffprovisorium (Ankylos Provisorischer Aufbau Balance, DENTSPLY Friadent) angefertigt wird (Abb. 13). So kann das Durchtrittsprofil für die definitive Arbeit schrittweise konturiert werden. Ein übermäßiger Druck auf die Gingiva soll auf jeden Fall vermieden werden, da er zur Nekrose und Resorption des Weichgewebes führen kann [3, 20]. Der initiale Druck kann eine leichte Ischämie der umliegenden Gewebe mit der typischen Weißfärbung hervorrufen, die nach wenigen Minuten wieder verschwinden sollte (Abb. 14). Wenn dies nicht der Fall ist, muss das Provisorium herausgenommen, der Hals verschmälert und so der Druck vermindert werden.
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Abb. 11: Vier Monate nach Implantation stellen sich die Weichgewebe stabil dar, wobei ein Verlust papillärer Strukturen zu erkennen ist.
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Abb. 12: Freilegungsoperation unter Bildung eines Rolllappens und kurzzeitige Versorgung mit einer konfektionierten Einheilkappe.
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Abb. 13: Anfertigung eines okklusal verschraubbaren, laborgefertigten Provisoriums mit natürlichem Durchtrittsprofil (Ankylos Provisorischer Aufbau Balance).
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Abb. 14: Nach dem Einbringen des Provisoriums ist eine initiale Weißfärbung der umliegenden Weichgewebe erkennbar.
Definitive Prothetische Versorgung
Drei Monate später stellen sich die gingivalen Verhältnisse zufriedenstellend ausgereift und reizfrei dar (Abb. 15). Für die prothetische Versorgung in der ästhetischen Zone ist ein Keramikaufbau mit einer individuell geschichteten Keramikkrone das Mittel der Wahl. Das Zirkonabutment (Ankylos Circon Balance, DENTSPLY Friadent) bietet eine optimale Ästhetik und Biokompatibilität, die gerade im Frontzahnbereich besonders wünschenswert ist [21] (Abb. 16). Im Verlauf zeigt sich die gute Verträglichkeit des Materials mit der Gingiva (Abb. 17 und 18). Die Abutmentschulter verläuft nur minimal subgingival, um eine einfache und sichere Entfernung von Zementresten zu gewährleisten (Abb. 19). 9 Monate nach Implantatinsertion sind die Knochenverhältnisse röntgenologisch stabil (Abb. 20). Die Weichgewebe stellen sich klinisch ästhetisch zufriedenstellend und reizfrei dar (Abb. 21).
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Abb. 15: Nach drei Monaten sind die Weichgewebe zahnanalog ausgeformt.
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Abb. 16: Die definitive Versorgung erfolgt mit einem Zirkonaufbau (Ankylos Circon Balance) und einer individuell geschichteten, vollkeramischen Krone.
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Abb. 17: Das individualisierte Zirkonabutment in situ mit geringgradig subgingivaler Positionierung des Kronenrandes.
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Abb. 18: Zwei Monate nach der Eingliederung sind die Weichgewebe papillär…
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Abb. 19: …und bukkal reizfrei und zufriedenstellend gereift.
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Abb. 20: Die keramische Versorgung fügt sich harmonisch ins Gesamtbild ein.
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Abb. 21: Die röntgenologische Kontrolle zeigt gute interapproximale Knochenverhältnisse.
Diskussion
Um in der ästhetischen Zone unter schwierigen Voraussetzungen ein gutes Ergebnis zu erreichen, ist eine exakte Planung von Material und Methode obligate Voraussetzung [23]. Das dargestellte chirurgische Protokoll minimiert unter schrittweisem, kontrolliertem Vorgehen mögliche Komplikationen und Risiken. Gerade bei bestehenden Defekten von Hart- und Weichgewebe durch chronische Entzündungen oder vorangegangenen Operationen, hat es sich als vorteilhaft erwiesen, diese ungünstigen Parameter zuerst zu beseitigen, um die anschließende Implantation so einfach wie möglich zu gestalten [2]. Da hier ein poröses Knochenersatzmaterial angewendet wird, ist eine lokale, gewebeschonende Dekontamination der Alveole notwendig, die ohne Nebenwirkungen durch die aPDT erbracht werden kann [13].
Kompromittierte oder dünne gingivale Verhältnisse können bei der Implantation durch ein Bindegewebstransplantat verbessert und die Einheilphase des Implantats zur Reifung der roten Strukturen genutzt werden [10]. Für die prothetische Phase hat sich zur Ausformung der Gingiva und ästhetischen Kontrolle ein laborgefertigtes Langzeitprovisorium bewährt, um mit geringstem Risiko für eine materialinduzierte Gewebereizung das definitive Durchtrittsprofil vorzubereiten [22]. So gewinnen Patient und Behandler einen Eindruck des definitiven Ergebnisses und etwaige Korrekturen können in dieser Phase problemlos durchgeführt werden.
Die anschließende definitive Versorgung mit keramischem Aufbau und vollkeramischer Krone vermeidet ein dunkles Durchschimmern und lassen ein natürliches Erscheinungsbild im weißen wie im roten Bereich zu [6].
Implantatsystem:
Ankylos C/X, DENTSPLY Friadent (Mannheim)
aPDT Laser:
Helbo, bredent medical (Walldorf)
Knochenersatzmaterial:
Bio-Oss® Collagen, Geistlich Biomaterials
(Baden-Baden)
Membran:
CopiOs, Zimmer Dental (Freiburg)
Abformmaterial:
Impregum, 3M Deutschland GmbH (Seefeld)
Provisorischer Aufbau:
PV Aufbau Balance, Dentsply Friadent
(Mannheim)
Abutment:
Circon Balance, DENTSPLY Friadent (Mannheim